Feststellung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalls
Hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalls vom 24. Juli 2013.
Der 1967 geborene und bei der Beklagten als Bauhofmitarbeiter versicherte Kläger verletzte sich an diesem Tag beim Herausdrehen
der Reste eines Wasserhahnes das rechte Handgelenk. Der am 25. Juli 2013 aufgesuchte Durchgangsarzt diagnostizierte eine schmerzhafte
Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes und einen Gelenkerguss im Radiocarpalgelenk. Wegen anhaltender Beschwerden
erfolgte am 17. Oktober 2013 eine kernspin- und com-putertomographische Untersuchung des rechten Handgelenkes. Es fanden sich
Hinweise auf eine Ruptur des skapholunären Bandapparates. In der Zeit vom 28. bis 30. November 2013 schloss sich eine stationäre
Behandlung des Klägers in der Klinik für Handchirurgie Bad N. an. Ausweislich des Operationsberichtes vom 28. November 2013
erfolgte eine Naht des skapholunären Bandes (im Folgenden: SL-Band) mit verstärkter Kapsulodese und einer Transfixierung mit
Kirschnerdrähten. Das SL-Band wurde als komplett gerissen beschrieben. Der Hauptteil des Bandes sei am Ansatz zum Kahnbein
abgeschert. Ein gut nahtfähiger Bandrest habe vorgelegen. Beigezogen wurden von der Beklagten Unterlagen über eine Behandlung
des rechten Zeigefingers im April 2012.
Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. verneinte in einer Stellungnahme vom 21. Januar 2014 einen Zusammenhang zwischen der
SL-Bandruptur und dem Unfallereignis. Dies habe nur zu einer harmlosen Zerrung des rechten Handgelenkes geführt.
Die Beklagte erkannte durch Bescheid vom 12. Februar 2014 einen Arbeitsunfall an. Als Unfallfolgen stellte sie eine Zerrung
des rechten Handgelenks fest. Diese sei folgenlos ausgeheilt, unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 26. Juli 2013
bestanden. Ein Anspruch auf Verletztengeld über diesen Tag hinaus bestehe nicht. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe
bis zum 26. Juli 2013 bestanden. Ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung über diesen Tag hinaus bestehe
im Übrigen nicht. Keine Folge des Arbeitsun-falls sei die SL-Bandruptur rechts.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine fachradiologische Stellungnahme
ihres Beratungsarztes Dr. H. vom 7. September 2014 ein. Bildtechnisch sei eine Rissbildung des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein
nachweisbar. Inwieweit dies unfallbedingt sei, könne bildtechnisch nicht mit letzter Sicherheit entschieden werden. Darauf
gestützt verneinte der Beratungsarzt Dr. L. in einer Stellungnahme vom 5. November 2014 erneut einen Unfallzusammenhang. Der
Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2014 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Klage
erhoben.
Das Sozialgericht hat Prof. Dr. T. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat zur Kausalität
des Unfallereignisses mit der SL-Bandruptur festgestellt (Sachverständigengutachten vom 12. September 2016), dass ein fehlender
Vorschaden im Bereich des rechten Handgelenkes und die Hergangsschilderung für einen Unfallzusammenhang sprächen. Die bildgebenden
Befunde hingegen seien nicht typisch für eine frische Verletzung der unzweifelhaft erkennbaren SL-Bandruptur. Nach dem Operationsbericht
sei ein Unfallzusammenhang grundsätzlich möglich. Nach dem Unfallereignis seien durchgehend Beschwerden dokumentiert. Der
ursächliche Zusammenhang mit der SL-Bandruptur sei daher nicht sicher, aber zumindest überwiegend wahrscheinlich. Dem widersprach
der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. in einer Stellungnahme vom 9. November 2016. Der Sachverständige bejahe im Ergebnis
nur die Möglichkeit eines Zusammenhanges.
Durch Urteil vom 23. Januar 2018 hat das Sozialgericht unter Abänderung des Bescheides vom 12. Februar 2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2014 die SL-Bandruptur rechts, die Abscherung eines osteochondralen Fragments
am rechten Kahnbein, die zystische Läsion des Os Scaphoideum und eine randständige Sklerosierung als weitere Folgen des Arbeitsunfalles
vom 24. Juli 2013 festgestellt. Ein Ursachenzusammenhang sei hinreichend wahrscheinlich. Insoweit sei auf das Sachverständigengutachten
des Prof. Dr. T. zurückzugreifen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Möglichkeit eines Zusammenhanges zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden
reiche gerade nicht aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Januar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachte das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat den Handchirurgen Dr. St. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser gelangte in
seinem Sachverständigengutachten vom 11. Dezember 2018 zu der Einschätzung, dass die Ruptur des SL-Bandes am rechten Handgelenk
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfalles vom 24. Juli 2013 sei. Da eine genaue Rekonstruktion des Unfallherganges
hinsichtlich der exakt einwirkenden Kräfte nicht möglich sei, könne dieser Aspekt weder negativ noch positiv gewertet werden.
Der einen Tag später beim Durchgangsarzt dokumentierte Befund sei mit einer SL-Ruptur vereinbar. Die bildgebenden Befunde
aus dem Oktober 2013 belegten eine Ruptur des SL-Bandes. Ein Unfall im Juli 2013 könne damit nicht bewiesen werden. Jedoch
könne mangels arthrotischer Veränderungen ein deutlich älterer Riss ausgeschlossen werden. Der Operationsbericht belege einen
gut nahtfähigen Bandrest und damit ein noch nicht lange zurückliegendes Unfallereignis.
Unter Bezugnahme auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 17. März 2019 hat die Beklagte die Einschätzung
des Sachverständigen beanstandet. Ein Vergleich der bildgebenden Aufnahmen vom 23. April 2012 und 25. Juli 2013 belege hinsichtlich
bestimmter Abstände im Handgelenk eine identische Situation. Daraus zieht der Beratungsarzt Dr. L. in einer weiteren Stellungnahme
vom 25. März 2019 den Schluss, dass der Abstand zwischen Kahn- und Mondbein, der eine traumatische Schädigung im Juli 2013
belegen solle, bereits im April 2012 gesichert vorgelegen habe. Hierauf hat Dr. St. mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom
27. April 2019 erwidert, dass der Kernspintomographieuntersuchungsbefund (im Folgenden: MRT-Befund) aufgrund der langen zeitlichen
Diskrepanz keineswegs der entscheidende Befund sei. Nach dem Operationsbericht seien die Bandreste für eine Naht auch tatsächlich
ausreichend gewesen. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. beanstandet in einer weiteren Stellungnahme vom 29. Mai 2019 erneut,
dass der Sachverständige keine Ausführungen dazu mache, dass bereits im April 2012 der Abstand zwischen Kahn- und Mondbein
identisch mit demjenigen im Juli 2013 gewesen sei. Darauf hat Dr. St. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. Oktober 2019
erwidert, dass die Aufnahme vom 23. April 2012 unter völlig anderen Bedingungen im Zusammenhang mit der Behandlung eines Fingerendgliedtu-mors
angefertigt worden sei, als die Aufnahmen nach dem Unfallereignis im Juli 2013. Anschließend hat der Senat den Radiologen
Prof. Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 13. Februar 2020 aus, dass
das Skaphoid in der Aufnahme vom 23. April 2012 eine normale Lagerung und Größe aufweise. Die Unfallaufnahme vom 25. Juli
2013 belege hingegen eine Verkürzung des Skaphoids. Die bildgebenden Befunde aus dem Jahre 2013 belegten eine Komplettruptur
des SL-Bandes. Sie seien mit einem Trauma am 24. Juli 2013 sehr gut vereinbar. Das MRT vom 17. Oktober 2013 belege ein Knochenmarködem.
Hinweise auf eine vorbestehende ältere Schädigung fänden sich nicht. Dem hat Dr. L. in einer weiteren Stellungnahme vom 1.
März 2020 widersprochen. Nach wie vor seien erforderliche Begleitverletzungen nicht gesichert. Der radiologische Sachverständige
lege dar, dass nur Anteile des SL-Bandes noch nachweisbar seien, während nach dem OP-Bericht vom 28. November 2013 ein gut
nahtfähiger Bandrest befundet werde. Da Operationsberichte im Gegensatz zu bildgebenden Befunden nicht nachbefundet werden
könnten, sei ihr Beweiswert eingeschränkt.
Der Kläger ist der Einschätzung der Sachverständigen Dr. St. und Prof. Dr. B. bezüglich der Unfallkausalität beigetreten.
Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die SL-Bandruptur nicht mit dem Unfallereignis im Zusammenhang stehe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte und der Gerichtsakte,
welche Gegenstand der geheimen Beratung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß §
124 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die nach §§
143,
144 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Bescheid vom 12. Februar 2014 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2014 abgeändert und die SL-Bandruptur rechts, die Abscherung eines osteochondralen
Fragments am rechten Kahnbein, die zystische Läsion des Os Scaphoideum und eine randständige Sklerosierung als weitere Folgen
des Arbeitsunfalles vom 24. Juli 2013 festgestellt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung dieser Unfallfolgen.
Richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach
§
54 Abs.
1 SGG und §
55 Abs.
1,
3 SGG.
Rechtsgrundlage für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist §
8 Abs.
1 Satz 1 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII). Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in-folge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist es danach erforderlich, dass die Verrichtung
des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Diese
Verrichtung muss zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt
(Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität);
das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität)
ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, sondern insbesondere für die Gewährung einer Verletztenrente
(vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 22/08 R, zitiert nach Juris).
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und
feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und
"Gesundheitserstschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünfti-ger
die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige
Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit
wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden
(haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens
(haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 27/06 R, zitiert nach Juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen
so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden
kann (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, zitiert nach Juris). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht,
mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen,
dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis
und den geltend gemachten Unfallfolgen ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen
Bedingung bestehen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie,
nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non).
Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich
die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen
Ursachen für einen Erfolg ist zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, die für
den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer
besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht,
muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. des
Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, zitiert nach Juris).
Ausgehend hiervon steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Ereignis vom 24. Juli 2013 wesentlich für die SL-Bandruptur
am rechten Handgelenk war. Für einen Kausalzusammenhang - für den, wie ausgeführt, ein Vollbeweis nicht erforderlich und eine
hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist - zwischen dem Unfallereignis und der erfolgten SL-Ruptur sprechen die bildgebenden
Befunde, die klinische Vorgeschichte sowie der intraoperative Befund in einer Gesamtschau. Der Unfallhergang steht der Annahme
eines Kausalzusammenhanges nicht entgegen.
Ob die bei dem Unfallhergang auf die Bandstrukturen im rechten Handgelenk einwirkenden Kräfte geeignet waren, eine SL-Bandruptur
zu verursachen, kann letztlich nicht geklärt werden. Entsprechend den sachverständigen Ausführungen des Dr. St. kann ein SL-Band
nicht nur bei einem Sturz auf das gestreckte oder gebeugte Handgelenk reißen, sondern auch, wenn eine starke Kraftanspannung
die Bänder des Handgelenks anspannt. Inwieweit beim Zudrücken der Rohrzange und dem anschließenden Anschlagen an die Wand
eine solche starke passive Reaktion anzunehmen ist, kann heute nicht mehr geklärt werden. Jedenfalls ist der geschilderte
Hergang nicht völlig ungeeignet, eine SL-Bandruptur zu verursachen. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass die Anforderungen
an die Sicherung eines Unfallherganges nicht überspannt werden dürfen. Verständlicherweise kann von niemandem erwartet werden,
sich an alle Einzelheiten, sozusagen in Zeitlupe, zu erinnern. Es ist für die weitere Prü-fung, ob ein hinreichender Ursachenzusammenhang
besteht, davon auszugehen, dass nicht bereits aufgrund des angenommenen Unfallhergangs eine traumatische SL-Bandruptur am
24. Juli 2013 ersichtlich ausgeschlossen ist. Die Prüfung ist vielmehr fortzusetzen mit der Folge, dass eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit nur dann verneint werden kann, wenn sich aus den weiteren Prüfungsgesichtspunkten keine hinreichende Wahrscheinlichkeit
eines Unfallzusammenhangs herleiten lässt.
Gegen einen Ursachenzusammenhang spricht nicht die klinische Vorgeschichte. Die Annahme des Beratungsarztes Dr. L. insbesondere
in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2019, wonach ein entsprechender Vorschaden des SL-Bandes im Falle des Klägers durch den
Röntgenbefund vom 23. April 2012 nachgewiesen sei, hat sich nach Überzeugung des Senats nicht bestätigen lassen. Dr. L. geht
von einer vorbestehenden Bandverletzung aus, da der Abstand zwischen Kahn- und Mondbein bereits am 23. April 2012 denselben
Umfang hatte, wie im Röntgenbefund vom 25. Juli 2013, dem Tag nach dem Unfallereignis. Hierzu hat der vom Senat mit der Erstellung
eines Sachverständigengutachtens beauftragte Radiologe Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom 13. Februar 2020 ausgeführt, dass
das Skaphoid in der Aufnahme vom 23. April 2012 eine normale Lagerung und Größe aufweist, während die Aufnahme vom 25. Juli
2013 eine Verkürzung des Skaphoids belegt. Eine Gefügestörung zwischen Kahn- und Mondbein ist erst 2013 nachzuweisen. Im Einklang
mit der ergänzenden Stellungnahme von Dr. St. vom 27. Oktober 2019 legt auch der Radiologe Prof. Dr. B. in seinem Gutachten
eingehend dar, dass die Durchleuchtungsaufnahme vom 23. April 2012 und die unter Standardbedingungen angefertigte Röntgenaufnahme
vom 25. Juli 2013 aufgrund der völlig anderen Aufnahmebedingungen nur sehr eingeschränkt miteinander verglichen werden können.
Prof. Dr. B. legt nachvollziehbar dar, dass aufgrund der unterschiedlichen Einstellungen ein objektiver Vergleich der Aufnahmen
ausscheidet. Dass die Durchleuchtungsaufnahme vom 23. April 2012 den Zustand des rechten Handgelenkes nur in mäßiger Qualität
anzeigt, kann in diesem Zusammenhang nicht zu Lasten des Klägers gehen. Denn ein entsprechender Vorschaden müsste mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Kann eine weitere Ursache dagegen nicht sicher festgestellt werden, stellt
sich schon nicht die Frage, ob diese im konkreten Einzelfall auch nur als Ursache in Betracht zu ziehen ist. Bezüglich einer
Schadensanlage/eines Vorschadens gilt insoweit nichts anderes als bezüglich anderer Merkmale, wie versicherte Tätigkeit oder
Gesundheitserstschaden, die ebenfalls im Wege des Vollbeweises, also mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit,
für das Gericht feststehen müssen. Der einzige Unterschied besteht nur darin, dass die Beklagte für den Fall, dass sie sich
auf das Vorliegen einer Schadensanlage/eines Vorschadens beruft, die Beweislast hierfür trägt (vgl. Senatsurteil vom 30. November
2017 - L 1 U 346/16, zitiert nach Juris). Der Nachweis des Vorliegens einer SL-Bandruptur im Jahre 2012 lässt sich jedoch nicht führen. Die Beweislast
geht auf dieser Stufe zulasten der Beklagten.
Wesentlich für einen Ursachenzusammenhang sprechen die bildgebenden Befunde und der intraoperative Befund. Prof. Dr. B. und
Dr. St. haben in ihren jeweiligen Gutachten eingehend herausgearbeitet, dass die bildgebenden Befunde aus dem Jahre 2013 eine
traumatisch bedingte SL-Bandruptur belegen, die mit einem Trauma am 24. Juli 2013 vereinbar ist. Nach dem Gutachten von Prof.
Dr. B. vom 13. Februar 2020 begründet bereits die Röntgenaufnahme vom 25. Juli 2013 den hochgradigen Verdacht auf eine Ruptur
des Bandes zwischen Mond- und Kahnbein. Dieser Verdacht wird durch den CT-Befund vom 17. Oktober 2013 im Sinne eines direkten
Nachweises einer kompletten SL-Bandruptur bestätigt. Der MRT-Befund vom gleichen Tage liefert dann deutliche Hinweise für
eine traumatische Bandruptur. Es gelingt der Nachweis eines Knochenmarködems, einer diffusen Kapselschwellung und einer Schwellung
der Weichteile unter der Haut. Dies werten sowohl Prof. Dr. B. als auch Dr. St. als vereinbar mit einer in Abheilung begriffenen,
ca. 3 Monate alten Ruptur. Soweit der Beratungsarzt Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2019 beanstandet, dass die
Ödeme nicht, wie für eine traumatische Bandruptur erforderlich, im Ansatzbereich des Bandes am Mondbein und am Handkahnbein
und in dessen Verlauf gesichert worden seien, hat Prof. Dr. B. überzeugend in seinem Gutachten vom 13. Februar 2020 dargelegt,
dass dieser geforderte Befund vorliegt. Unter Bezugnahme auf den Operationsbericht vom 28. November 2013, wonach der Hauptteil
des Bandes vom Ansatz am Skaphoid abgeschert ist, hat er dargelegt, dass das Ödem danach an der Bandrissstelle und in deren
Verlauf oder am knöchernen Ansatz des Skaphoids sichtbar sein müsste. Dies ist insofern gegeben, als der Verlauf des (gerissenen)
Bandes zwischen Mond- und Kahnbein ödematös verändert ist. Das Fehlen eines Ödems am knöchernen Ansatz des Skaphoids hat er
hingegen bestätigt. Insoweit hat Prof. Dr. B. jedoch dargelegt, dass ein solcher Befund bei einer SL-Bandruptur nicht regelmäßig
zu erwarten ist. Soweit der Beratungsarzt Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 1. März 2020 insoweit beanstandet, dass Prof.
Dr. B. erst ein Ödem am Skaphoid fordert, um es dann für nicht erforderlich zu halten, blendet Dr. L. aus, dass der radiologische
Sachverständige ein Ödem im Verlauf des Bandes für ausreichend hält, um eine traumatische Genese anzunehmen. Seine weitere
Kritik, dass der MRT-Befund auch nach Auffassung des radiologischen Sachverständigen aufgrund einer mäßigen Bildqualität und
einer inadäquaten Dicke der Schichten in seiner Aussagekraft limitiert sei, berücksichtigt nicht, dass der Sachverständige
im Rahmen seiner Beurteilung an verschiedenen Stellen (hinsichtlich der Schichtdicke zum Beispiel auf Seite 13 oben) auf die
Konsequenzen dieser Defizite des MRT-Befundes für seine Beurteilung hingewiesen hat. Seine Auswertung stützt sich nur auf
die angesichts der Qualität des MRT möglichen Aussagen. Entscheidend für eine SL-Bandruptur anknüpfend an ein Ereignis vom
24. Juli 2013 spricht auch die fehlende Sicherung von typischen Folgeschäden einer älteren Ruptur im Jahre 2013. Nach der
Beurteilung von Prof. Dr. B. fanden sich in den bildgebenden Befunden aus dem Jahre 2013 weder Zeichen einer Verlagerung des
Os Capitum (Kopfbeins) nach proximal in die Lücke zwischen Kahn- und Mondbein, noch einer Arthrose, als bekannte Folgestörungen
einer skapholunären Dissoziation nach SL-Bandruptur. Zwar fanden sich im MRT-Befund vom 17. Oktober 2013 Zeichen einer deutlichen
Gefügestörung, jedoch noch keine Folgeschäden dieser Gefügestörung. Daher rechtfertigt die Gesamtschau aller bildge-benden
Befunde das Vorliegen einer SL-Bandruptur im Zusammenhang mit dem Ereignis vom 24. Juli 2013.
Hinzu kommt, dass der Operationsbericht vom 28. November 2013 mit einer traumatischen SL- Bandruptur im Juli 2013 in vollem
Umfang vereinbar ist. Nach der Darstellung des Sachverständigen Dr. St. mit Sachverständigengutachten vom 11. Dezember 2018
sind nach der operativen Erfahrung bei einem lange zurückliegendem Unfall bei direkter operativer Explora-tion so gut wie
keine Bandreste mehr nachweisbar, weil diese nach einer Ruptur schrumpfen und im Laufe von Jahren sich nahezu völlig zurückziehen.
Vorliegend stellt jedoch der Operationsbericht am Kahnbein eine intakte Gelenkfläche dar und berichtet über reichlich Bandreste
am Ansatz des Kahnbeins. An dieser Stelle ist laut OP-Bericht der Hauptteil des Bandes vom Ansatz am Kahnbein abgeschert.
Dieser Befund mit einem Nachweis reichlich vorhandener Bandreste und fehlenden Schäden am Knorpel des Kahnbeins spricht wesentlich
für einen Unfallzusammenhang. Das tatsächliche Vorhandensein von ausreichend und damit nahtfähigen Bandstümpfen ist dem OP-Bericht
vom 28. November 2013 zu entnehmen, der - worauf Dr. St. zutreffend hinweist - die tatsächliche Zusammenführung der Bandreste
beschreibt. Deswegen ist die vom Beratungsarzt angeführte Diskussion, ob überhaupt nahtfähige Bandstümpfe vorhanden waren,
nicht weiterführend. Ausweislich der erfolgten OP waren tatsächlich Bandreste vorhanden, die genäht wurden. Diese wurden mit
entsprechenden chirurgischen Instrumenten gefasst und zur Rekonstruktion des Bandsystems verwandt. Dass die Naht - was auch
Dr. St. einräumt - nicht erfolgreich war, ist bei der Kausalitätsbeurteilung ohne Relevanz. Zwar führt Prof. Dr. B. in seinem
Gutachten aus, dass der dorsale Anteil des Bandes im MRT-Befund vom 17. Oktober 2013 nicht mehr nachweisbar gewesen sei. Er
schließt jedoch deren Vorhandensein deshalb nicht aus, weil geschwollene Bandanteile im Bereich zwischen Kahn- und Mondbein
vermutet werden. Soweit Dr. L. in seiner Stellungnahme 1. März 2020 dem Operationsbericht jeden Beweiswert mangels späterer
Nachprüfbarkeit abspricht, ist die Frage, welcher Beweiswert einem Operationsbericht zukommt, eine vom Senat nach juristischen
Kriterien - gegebenenfalls unter Heranziehung ärztlichen Sachverstands - zu entscheidende Frage. Es gilt der Grundsatz der
freien Beweiswürdigung. Zum anderen herrscht nach der Darstellung des Sachverständigen Dr. St. und unter Vorlage ent-sprechender
wissenschaftlicher Fachbeiträge in der Handchirurgie Konsens, dass die arthroskopische oder die intraoperative Betrachtung
die wesentlich sensitivere Untersuchung gegenüber einem indirekten Befund einer kernspintomographischen Untersuchung darstellt
(ergänzende Stellungnahme vom 6. April 2018), weil nur bei diesen Methoden die knöchernen und bänderlichen Verletzungen überhaupt
ersichtlich sind. Ein Operationsbericht ist zudem durch-aus auch von anderen Ärzten nachprüfbar. Dies mag eingeschränkt sein,
weil die anderen Ärzte nicht bei der Operation anwesend waren. Ein solcher Bericht kann jedoch auf Stimmigkeit, Vereinbarkeit
mit anderen Befunden und das Vorliegen einer ordnungsmäßigen Dokumentation überprüft werden. Dies hat der Sachverständige
Dr. St. in seinem Gutachten getan. Sofern die unterschiedlichen Beweismittel zu abweichenden Ergebnissen führen, hat der Senat
nach juristischen Kriterien eine Beweiswürdigung vorzunehmen. Vorliegend hat der Senat an der Aussagekraft des Operationsberichtes
vom 28. November 2013 keine Zweifel. Er steht mit den bildgebenden Befunden weitgehend im Einklang. Auch Dr. L. benennt außer
der Behauptung, dass keine nahtfähigen Bandreste vorhanden gewesen seien, keine sachlichen Anknüpfungspunkte für seine Unrichtigkeit
in wesentlichen Punkten. Dr. St. hat hingegen überzeugend dargelegt, dass nach handchirurgischer Erfahrung Schädigungen des
SL-Bandes, die nicht innerhalb von 2-3 Wochen nach dem Unfall operativ behandelt werden, ein hohes Risiko für eine Nichtwiederherstellung
der Situation vor dem Unfall aufweisen. Entscheidend ist, dass, anders als vorliegend - und das stellt auch der Beratungsarzt
der Beklagten nicht in Abrede -, bei einer länger zurückliegenden Schädigung am SL-Band so gut wie keine, ganz sicher aber
keine nahtfähigen Bandreste zu erwarten gewesen wären. Denn bei einem lange zurückliegenden Bandschaden oder bei einem Bandschaden
aufgrund degenerativer Genese existieren so gut wie keinerlei Bandstrukturen mehr. Eine Naht des Bandes ist dann nicht mehr
möglich, weil entweder keine Bandreste mehr vorliegen oder zerfaserte Bandreste nicht mehr nahtfähig sind. Vorliegend kommt
hinzu, dass keine Knorpelschäden interoperativ beschrie-ben wurden, was eine chronische Insuffizienz des SL-Bandes ausschließt.
Solche Knorpelschäden wären aber bei einer länger zurückliegenden Bandruptur zu erwarten gewesen.
Der klinische Erstbefund spricht ebenfalls für einen Unfallzusammenhang. Der Durchgangsarzt hat bereits am 25. Juli 2013 eine
schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes und einen Gelenkerguss im Radiocarpalgelenk diagnostiziert.
In der Gesamtwürdigung aller Umstände gelangt der Senat daher zu dem Ergebnis, dass wesentlich mehr Anhaltspunkte für eine
traumatisch bedingte SL-Bandruptur rechts im Fall des Klägers durch das Ereignis vom 24. Juli 2013 sprechen als dagegen. Daher
hat das Sozialgericht zu Recht der Klage stattgegeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.