Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Kein Anspruch auf höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs
für Alleinerziehende bei nicht hälftiger Teilung der Kinderbetreuung und -erziehung
Gründe:
I
Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines anteiligen Mehrbedarfs
für Alleinerziehende im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.
Der auf der Insel F. lebende Kläger ist der Vater der 2003 geborenen K. W., die im streitigen Zeitraum überwiegend bei ihrer
Mutter in B. lebte. Die Eltern üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Mutter erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen,
jedoch keine Leistungen nach dem SGB II. Von November 2005 bis April 2006 wurde die Tochter in der Zeit vom 18.12.2005 bis 31.12.2005, vom 1.1.2006 bis 7.1.2006,
vom 29.1.2006 bis 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis 25.3.2006 und vom 9.4.2006 bis 22.4.2006 (insgesamt
56 Tage, rund 31 % des Leistungszeitraums von 181 Tagen) von dem Kläger an seinem Wohnort betreut.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 790 Euro monatlich (Regelleistung in Höhe von 345 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung
eines Zwei-Personen-Haushalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 445 Euro), zunächst ohne anteiliges Sozialgeld für
die Tochter (Bescheid vom 30.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2006). Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der Beklagte
weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 5 Euro monatlich für die Kosten der Warmwasserzubereitung
anerkannt. Auf die Klagen von Vater (Kläger zu 1) und Tochter hat das SG den Beklagten "unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 09.05.2006 verurteilt,
an den Kläger zu 1) für den Zeitraum 01.11.2005 bis 30.04.2006 monatlich weitere 70,68 Euro (12 Tage a 5,89 Euro) zu zahlen"
und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 4.2.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger
seien zusätzliche Leistungen für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in analoger Anwendung von § 21 SGB II zu zahlen. Die Höhe des Anspruchs hat das SG unter Berücksichtigung des Sozialgeldes für die Tochter nach teilweisem Abzug von Aufwendungen bei den Bedarfen der Bekleidung,
der Gesundheitspflege sowie anderer Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung stehe dem Kläger
nicht zu, weil ein solcher Ausgleich nur gerechtfertigt sei, wenn die zeitliche, materielle und ideelle Belastung des Erziehenden
deutlich über diejenige hinausgehe, die auch bei zusammenlebenden Elternteilen anzutreffen sei. Ein solches Maß sei hier nicht
erreicht.
Auf die Berufungen des Klägers, seiner Tochter sowie des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil abgeändert und den Tenor neu gefasst. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2005 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 verurteilt, der Tochter des Klägers für die Zeiten vom 18.12.2005 bis zum 31.12.2005,
vom 1.1.2006 bis zum 7.1.2006, vom 29.1.2006 bis zum 31.1.2006, vom 1.2.2006 bis zum 11.2.2006, vom 19.3.2006 bis zum 25.3.2006
und vom 9.4.2006 bis zum 22.4.2006 Sozialgeld in Höhe von 6,90 Euro pro Tag zu zahlen. "Im Übrigen" hat es die Klage ebenso
wie die "weitergehenden Berufungen der Kläger sowie des Beklagten" zurückgewiesen (Urteil vom 17.1.2014). Zur Begründung seiner
Entscheidung hat das LSG ausgeführt, eine anspruchsmindernde Berücksichtigung des Kindergeldes oder der Leistungen nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz bei der Berechnung des Sozialgeldes der Tochter für die Dauer ihrer zeitweisen Aufenthalte bei dem Kläger scheide aus. Derartige
Abschläge widersprächen dem Gedanken der Pauschalierung des Regelbedarfs. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Nur eine nachhaltige Entlastung
in Form eines praktizierten paritätischen Wechselmodells rechtfertige - in Abweichung vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip" - einen
hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Vor dem Hintergrund des Monatsprinzips könne eine nachhaltige Entlastung des betreuenden
Elternteils nur angenommen und eine Teilung dieses Mehrbedarfs erfolgen, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil
die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen
sicherstelle.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Nach der Rechtsprechung des BSG liege die Anspruchsvoraussetzung einer "alleinigen Sorge für deren Pflege und Erziehung" iS des § 21 Abs 3 SGB II vor, wenn es an einer nachhaltigen Entlastung des hilfebedürftigen Elternteils während der Betreuungszeit fehle. Allerdings
habe das BSG auch betont, dass die Wertung des Familienrechts, die gemeinsame elterliche Sorge zu fördern, zu berücksichtigen sei. Eine
Aufteilung des Mehrbedarfs nach Betreuungsanteilen müsse daher auch möglich sein, wenn keine hälftige Aufteilung der elterlichen
Pflege und Erziehung gegeben sei. Der Schutz des Art
6 GG für die Beziehung des Elternteils zum Kind in häuslicher Gemeinschaft gelte auch bei einem kürzeren Zusammenleben. Er sei
zT "alleinerziehend in einem zeitlichen Umfang, der wöchentliche Phasen überschreite".
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2014 und des Sozialgerichts Schleswig vom 4.
Februar 2009 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 30. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 9. Mai 2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, an ihn für den Leistungszeitraum von November
2005 bis April 2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende
in Höhe der Hälfte von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung (345 Euro), also weitere
62,10 Euro, hilfsweise in Höhe von 40 vH des Anteils von 36 vH seiner im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Regelleistung
(345 Euro), also weitere 49,68 Euro, monatlich zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Entscheidung des LSG.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet (§
170 Abs
1 S 1
SGG). Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung liegen nicht vor.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - nach der Rücknahme der Revision der Tochter des Klägers in der mündlichen Verhandlung
vor dem BSG - nur noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als sie der Beklagte mit seinem
Bescheid vom 30.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2006 und des Teilanerkenntnisses vom 4.2.2009 verfügt
und damit zugleich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung abgelehnt hat. Streitig sind auch nur (noch) die
Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für den Kläger. Leistungen für Unterkunft und Heizung, die im Übrigen einen
abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 38, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) und die der Beklagte bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt
bewilligt hat, macht der Kläger nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff) und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden. Zwar hat sich der Kläger für
die von ihm beanspruchten höheren Leistungen allein auf den Mehrbedarf für Alleinerziehung bezogen; dies beinhaltet aber nur
ein Begründungselement für sein Begehren auf höhere Leistungen, das er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und
Leistungsklage verfolgt (§
54 Abs
1 S 1 Alt 1
SGG iVm §
54 Abs
4 SGG).
Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllte er zwar die Voraussetzungen
für eine Leistungsgewährung nach § 19 S 1 SGB II iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Danach erhalten Leistungen
nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig
sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist zutreffend ein Betrag
in Höhe von 345 Euro bewilligt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende iS des § 21 Abs 3 SGB II ist jedoch nicht zu berücksichtigen. Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren
Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammenleben (§ 21 Abs 3 Nr 1 Variante 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Der Mehrbedarf für Alleinerziehende
ist ein über die Regelleistung hinausgehender Bestandteil des Alg II, der unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfs gewährt
wird, wenn bei einem Leistungsberechtigten die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insofern
von besonderen Lebensumständen aus, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14). Diese sind hier jedoch nicht gegeben.
Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts ist
für die Frage, ob eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II vorliegt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Eine Alleinerziehung im gesetzlichen Sinne ist nicht erst zu bejahen,
wenn eine Person das Kind nach den tatsächlichen Gegebenheiten ausschließlich erzieht und pflegt. Vielmehr ist der Mehrbedarf
bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem
anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer
nachhaltigen Entlastung auszugehen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 15). Darüber hinaus hat das BSG bereits entschieden, dass eine Alleinerziehung iS des § 21 Abs 3 SGB II ebenfalls vorliegen kann, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen
Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig
teilen (Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 ff = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). In dieser Konstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen
Alleinerziehung gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der erkennende
Senat hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt (Urteil vom 3.3.2009
- B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 §
21 Nr 5). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) war bereits in zeitlicher Hinsicht eine Konstellation der hälftigen Pflege und Erziehung im streitigen Zeitraum vom 1.11.2005
bis 30.4.2006 nicht gegeben. Die Tochter des Klägers hat sich an 56 Tagen des Bewilligungszeitraums bei ihm aufgehalten. Sie
wurde somit nicht - wie von der Revision vorgebracht - zu 40 % des Leistungszeitraumes, sondern zu rund 30 % des Leistungszeitraums
vom Kläger betreut. Dabei betrug die längste zusammenhängende Betreuungszeit im Leistungszeitraum einmalig 21 Tage (im Zusammenhang
mit den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel) und ging im Übrigen über 14 Tage (29.1. bis 11.2. und 9.4. bis 22.4.2006)
nicht hinaus.
Entgegen der Ansicht der Revision können die vom Senat entwickelten Grundsätze zur hälftigen Zuerkennung des Mehrbedarfs wegen
Alleinerziehung nicht auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Pflege- und Erziehungsaufgaben
praktiziert wird, übertragen werden. Übernimmt ein Elternteil in geringerem als annährend hälftigem zeitlichen Umfang diese
Betreuung des gemeinsamen Kindes, so steht die Mehrbedarfsleistung allein dem anderen Elternteil zu (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 16, 22; vgl auch BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 16). Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass zumindest ein anteiliger Mehrbedarf auch
dann zu erbringen ist, wenn die Pflege und Erziehung eines minderjährigen Kindes durch den umgangsberechtigten Leistungsempfänger
- wie in dem hier streitigen Bewilligungszeitraum - weniger als hälftig, aber in längeren zeitlichen Abschnitten wahrgenommen
wird. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 21 Abs 3 SGB II, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehende.
Mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende sollen - in gleicher Weise wie bei weiteren von § 21 SGB II erfassten Bedarfslagen (bei werdenden Müttern, erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten) - typisierend besondere
Bedarfe für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten abgedeckt werden. Dabei verknüpft der Gesetzgeber den Anspruch
auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende bereits nach dem Wortlaut der Norm mit einer besonderen Familienkonstellation ("allein
für deren Pflege und Erziehung sorgen") und verbindet damit zugleich regelhaft die Annahme, dass das Schwergewicht der Betreuung
und Erziehung nur bei einem Elternteil liegt. Bereits hieraus folgt, dass diese Mehrbedarfsleistung nicht zwischen einem "Hauptverantwortlichen"
für die Pflege und Erziehung und dem anderen Elternteil mit einem geringeren Anteil an Pflege- und Erziehungsleistungen aufzuteilen
ist. Eine gleichgewichtige Verteilung der Pflege und Erziehung, die ggf eine Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs rechtfertigen
kann, ist nur bei einem sogenannten "Wechselmodell" anzunehmen. Ein solches liegt vor, wenn die Hauptverantwortung und das
deutliche Schwergewicht der Betreuungsleistung nicht mehr bei einem Elternteil liegt, sondern die Eltern sich in der Betreuung
des Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgabe wahrnimmt (BGH Urteil
vom 5.11.2014 - XII ZB 599/13 - NJW 2015, 331 ff, 333 zur Betreuungs- und Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell). Dabei kommt der zeitlichen Komponente in etwa gleich
langer zeitlicher Betreuungsphasen eine wesentliche Indizwirkung zu (so zum Familienrecht auch BGH Beschluss vom 12.3.2014
- XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 ff).
Auch die Erbringung der Mehrbedarfsleistung in Form einer Pauschale spricht gegen die Aufteilung nach Betreuungsanteilen.
Es ist wesentliches Merkmal des Mehrbedarfs für Alleinerziehende, dass der Gesetzgeber - pauschalierend für die "typische
Situation" von Alleinerziehenden - besondere, die Sicherung des Existenzminimums betreffende Bedarfe in einer bestimmten Höhe
bei diesen Haushalten annimmt. Insofern wird bei dieser Pauschalierung der Sache nach auch einbezogen, dass besondere Bedarfe
von in Familienhaushalten lebenden Erwachsenen durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bemessung der Regelleistungen
zugrunde liegt, bisher nicht erhoben werden konnten (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - NJW 2014, 3425 ff, 3430 zur künftig erforderlichen Prüfung des Gesetzgebers, ob der Gesamtbedarf in Familienhaushalten auch tatsächlich
gedeckt ist; Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 4 RBEG RdNr 3; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 26 ff). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Leistungshöhe durch das
Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) Haushalte von Alleinerziehenden bei der Ermittlung der Regelbedarfe von Kindern ausgeklammert,
weil diese Haushalte "im Vergleich zu Paaren ein vergleichsweise niedriges Einkommens- und Konsumniveau" hätten (BT-Drucks
17/3404 S 65; vgl auch Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik
- Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 26.6.2013 - BT-Drucks 17/14282 S 32). Vor dem Hintergrund dieser auch wirtschaftlich
begründeten pauschalierten Leistungsgewährung kommt - anders als bei den konkret ermittelten Regelbedarfen für Kinder - eine
"Aufsplittung" des Mehrbedarfs nach Tagen der Anwesenheit des Kindes in dem Haushalt des jeweiligen Elternteils nicht in Betracht.
Hiermit wäre ferner zugleich eine nur anteilige Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei dem die Hauptverantwortung
für das Kind tragenden Elternteil verbunden. Diesem Elternteil verbleiben jedoch auch während der Abwesenheit des Kindes zahlreiche
Aufgaben, Belastungen und Kosten, die damit zusammenhängen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt dort hat (vgl zum Gesichtspunkt
der Kostentragung bei der Gestaltung einer hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung bereits Urteil des Senats vom 3.3.2009
- B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 RdNr 16).
Dieses Ergebnis wird durch die Betrachtung der Gesetzesentwicklung bestätigt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen
Situation der Alleinerziehenden hat der Gesetzgeber die Regelung zum Mehrbedarf für Alleinerziehende inhaltlich unverändert
vom BSHG in das SGB II übernommen und hierbei auf die bisherigen Regelungen im BSHG Bezug genommen (BT-Drucks 15/1514 S 60; BT-Drucks 15/1516 S 57). Die besonderen Lebensumstände sind schon unter Geltung des
BSHG, wenn auch nur exemplarisch ("vor allem") darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise
weniger Zeit hätten, preisbewusst einzukaufen und zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege sowie zur Unterrichtung in
Erziehungsfragen tragen müssten bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigten (vgl den Gesetzentwurf
des Bundesrates vom 26.3.1985 [BT-Drucks 10/3079 S 5]). Auch im SGB II soll der besondere Aufwand von Alleinerziehenden für die Pflege und Erziehung der Kinder, etwa wegen geringerer Beweglichkeit
und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter, durch den Mehrbedarf
ausgeglichen werden (BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 8). Darüber hinaus war beabsichtigt, ebenfalls die Situation des Kindes in der besonderen Konstellation
der Alleinerziehung zu verbessern. Denn dessen Lebensbedingungen werden entscheidend durch die finanzielle Situation des Elternteils,
bei dem es hauptsächlich lebt, geprägt (vgl zur Aufteilung des Kindergeldes auf den barunterhaltspflichtigen und den betreuenden
Elternteil sowie zur wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender auch BVerfG vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 ff, 80). Dies berücksichtigend ist die Leistungshöhe des Mehrbedarfs für Alleinerziehende mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz
vom 27.7.1992 (BGBl I 1398) im Zusammenhang mit den Neuregelungen zum Schutz des vorgeburtlichen Lebens deutlich erhöht worden,
um zu gewährleisten, dass "sozialhilfeberechtigte Familien mit Kindern ein höheres Haushaltseinkommen erhalten, das sie für
die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder verwenden können" (BT-Drucks 12/2605, S 21).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese auch sozialpolitisch motivierte Zuordnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende
an den oder die für die Pflege und Erziehung Hauptverantwortlichen bestehen nicht (vgl zu den Grenzen sozialpolitischer Gestaltungsfreiheit
BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 16).
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der
Mehrbedarfe nicht erfasste, weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Mit seinem
Vorbringen, es fielen Kosten für die Ernährung der Tochter, für gemeinsame Freizeitveranstaltungen, für die vermehrte Nutzung
der Waschmaschine, für erhöhten Strom- und Wasserverbrauch und Haushaltskosten einschließlich Geschirrschäden sowie für den
Erwerb von Kleidung an, macht er nur Ausgaben geltend, die unabhängig von der Anzahl der Betreuungspersonen entstehen und
bereits durch das vom Beklagten anteilig anerkannte Sozialgeld für die Tochter bzw die tatsächliche Übernahme der Aufwendungen
für Unterkunft und Heizung für zwei Personen abgegolten sind (vgl auch zur notwendigen Konkretisierung eines Härtemehrbedarfsanspruchs
BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 - SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 32).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 S 1
SGG.