Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Zulässigkeit der Übertragung der steuerrechtlichen
Kriterien des Fremdvergleichs auf das Recht der Grundsicherung
Gründe:
I
Streitig ist, ob der Kläger im Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2005 einen um 236 Euro monatlich höheren Anspruch auf Leistungen
für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) hat.
Der 1953 geborene, im streitigen Zeitraum einkommens- und vermögenslose Kläger bezog bis Ende 2004 Arbeitslosenhilfe. Er ist
alleinstehend und bewohnt eine 120 qm große 3½-Zimmer-Wohnung in einem seiner Mutter gehörenden Haus. Nach dem Mietvertrag
zwischen ihm und seiner Mutter aus dem Jahr 1985 betrug die monatliche Miete hierfür 680 DM. Der beklagte Grundsicherungsträger
bewilligte ihm für die Zeit vom 1.1. bis 30.6.2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 345 Euro und wies den
Widerspruch hiergegen mit der Begründung zurück, neben der Regelleistung seien dem Kläger keine weiteren Leistungen zu gewähren.
Aufwendungen für KdU seien nicht nachgewiesen, denn es sei davon auszugehen, dass er mietfrei wohne, da Vermieterin seine
Mutter sei (Bescheid vom 13.1.2005, Widerspruchsbescheid vom 18.7.2005). Auf seinen Antrag bewilligte der Beklagte dem Kläger
auch für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2005 Alg II in Höhe von 345 Euro monatlich - ohne Leistungen für KdU (Bescheide
vom 24.10.2005 und 25.10.2005). Weiter übernahm er die dem Kläger seitens der Stadtwerke T. in Rechnung gestellten Kosten
für Gaslieferungen. Für die Zeit von Juli bis Dezember 2005 berücksichtigte er insoweit einen monatlichen Betrag in Höhe von
129,77 Euro (Abschlagbetrag in Höhe von 136 Euro abzüglich einer Pauschale für die Aufbereitung von Warmwasser in Höhe von
6,23 Euro; Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 24.11.2005).
Vor dem Sozialgericht Reutlingen ([SG]; Klage vom 27.12.2005) hat der Kläger zunächst für die Zeit von Juli bis Dezember 2005,
später auch für die Zeit von Januar bis Juni 2005 ua die Gewährung weiterer Leistungen für KdU in Höhe von monatlich 236 Euro
geltend gemacht. In einem parallel angestrengten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az S 12 AS 160/06 ER) hat er dem SG eine von seiner Mutter unterzeichnete Erklärung vom 26.12.2005 vorgelegt. In dieser heißt es:
"Hiermit bescheinige ich, Frau G. E., dass mein Mieter und Sohn, Herr W. E. eine reduzierte Miete (gemindert aus Mietvertrag
vom 15. Januar 1985 i. H. v. DM 680.- kalt ohne jegliche Nebenkosten) kalt ohne jegliche Nebenkosten zu bezahlen hat und zwar
seit dem 01. Januar 2005. Die rückständige Miete aus dem Jahre 2005, also in diesem Jahr, ist sofort zur restlosen Zahlung
fällig. ... Bis auf die ermäßigte Miethöhe ist der Vertrag ansonsten weiterhin vollinhaltlich gültig. Mein Sohn und Mieter
wohnt nicht mietfrei, lediglich sehr günstig aus privaten Gründen, schließlich habe auch ich erhebliche Unterhaltskosten für
das Haus zu bezahlen...Die Mietkosten sind von meinem Sohn direkt an mich zu bezahlen."
Durch Anwaltsschreiben vom 7.2.2006 hat die Mutter des Klägers ausstehende Miete für 14 Monate (Januar 2005 bis Februar 2006)
in Höhe von 3.304 Euro gefordert und das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges gekündigt.
Das SG hat die Klage im Hinblick auf weitere Leistungen für KdU für die Zeit von Januar bis Dezember 2005 abgewiesen. Das LSG hat
die Berufung hiergegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrten
Leistungen, da nicht festgestellt werden könne, dass zwischen ihm und seiner Mutter ein Mietvertrag geschlossen worden sei,
der einem Fremdvergleich standhalte.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt, das LSG habe die steuerrechtlichen Kriterien des Fremdvergleichs
nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des SGB II auf dieses übertragen dürfen. Verweigere der Beklagte die Übernahme
der KdU, führe dieses zur Wohnungslosigkeit. Dem Grundsicherungsträger entstünden dann ggf höhere Aufwendungen für "fremdgemieteten"
Wohnraum. Die von seiner Mutter geforderte Miete übersteige die Grenze der Angemessenheit nicht. Im übrigen habe seine Mutter
ein Rechtsanwaltsbüro beauftragt, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Andererseits sei es ihr nicht zumutbar gewesen,
einen Räumungstitel zu erwirken solange er, der Kläger, noch die gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpfe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14.3.2008 und des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.10.2006 aufzuheben
sowie den Bescheid vom 13.1.2005 in der Fassung des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005 sowie die Bescheide
vom 24. und 25.10.2005 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005 abzuändern und die Beklagte
zu verurteilen, ihm Leistungen für KdU für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2005 in Höhe von monatlich weiteren 236 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung sowie Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das LSG begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Der Senat vermag nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend zu entscheiden, ob dem Kläger tatsächlich Aufwendungen
für Unterkunft entstanden sind, sodass er im streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2005 Anspruch auf weitere Leistungen für
Unterkunft iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gehabt hätte.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind der Bescheid vom 13.1.2005 in der Fassung des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides
vom 24.11.2005 sowie die Bescheide vom 24. und 25.10.2005 in der Fassung des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005.
Streitig ist somit die Leistungsgewährung im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.12.2005. In den zuvor benannten Bescheiden wird
die Leistungsbewilligung auf diesen Zeitraum begrenzt. Soweit mit Folgebescheiden für anschließende Zeiträume weitere Leistungen
bewilligt worden sind, sind diese nicht nach §
96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Ausdehnung des Klagegegenstandes auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume kommt
beim Alg II regelmäßig nicht in Betracht (s dazu näher Urteile des Bundessozialgerichts [BSG] vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R, BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; 29.3.2007 - B 7b AS 4/06 R).
Der Kläger hat zudem den Streitgegenstand im zweitinstanzlichen Verfahren zulässig auf die Höhe der KdU und Heizung beschränkt.
Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen
dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16; BSG, Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 29/06 R = juris RdNr 18; Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 19). Ein Bescheid kann im Einzelfall jedoch gleichwohl mehrere abtrennbare Verfügungen enthalten.
Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei dem Betrag, der für die KdU und Heizung nach § 22 SGB II bewilligt
worden ist (vgl hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 19, 22; s auch BSG, Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
2. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1, Abs
4 SGG) ist zulässig, auch soweit sie sich gegen den Bescheid vom 13.1.2005 richtet. Das SG ist von einer zulässigen Klageänderung durch Einbeziehung des zuvor benannten Bescheides in das Verfahren ausgegangen. Der
Senat ist an diese Entscheidung gebunden. Die rechtliche Beurteilung des SG ist insoweit nicht zu beanstanden (a.). Der Kläger hat die Klagefrist gegen den Bescheid vom 13.1.2005 gewahrt (b.). Der
Aussetzung zur Nachholung des Vorverfahrens bedurfte es im konkreten Fall nicht (c.).
a. Gegenstand der am 27.12.2005 erhobenen Klage waren zunächst nur die Bescheide vom 24. und 25.10.2005 in der Gestalt des
Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005. Der Kläger hat erst im Verlaufe des erstinstanzlichen Klageverfahrens
höhere Leistungen für KdU auch für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 und Änderung des Bescheides vom 13.1.2005 in der Fassung
des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 24.11.2005 begehrt. Er hat durch die damit einhergehende Erweiterung des Streitgegenstandes
den Grund seiner Klage iS des §
99 Abs
1 SGG geändert. Diese Klageänderung ist jedoch zulässig.
Der Beklagte hat der Erweiterung der Klage auf Leistungen für KdU für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2005 nicht widersprochen
und das SG hat die Klageerweiterung offensichtlich - stillschweigend (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl, 2008, §
99 RdNr 11) - als zweckdienlich erkannt. Die Entscheidung des Erstgerichts über die Zulassung der Klageänderung ist gemäß §
99 Abs
4 SGG unanfechtbar und auch für die Rechtsmittelinstanz bindend (vgl BSG Beschluss vom 4.5.1999 - B 2 U 89/98 B). Die Bindung an die Klageänderung als solche umfasst indes nicht die rechtliche Beurteilung, die das SG zu ihrer Zulassung bewogen hat (BSG, Urteil vom 26.04.1979 - 5 RKnU 7/77, BSGE 48, 159, 162 = SozR 2200 § 119 Nr 1). Diese ist jedoch nicht zu beanstanden. Die Prozessvoraussetzungen für die geänderte Klage sind
im vorliegenden Fall gegeben.
b. Die Frist zur Klage gegen den Bescheid vom 13.1.2005 ist als gewahrt anzusehen. Maßgeblich für die Klagefrist ist der Zeitpunkt
der Klageänderung (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
99 RdNr
13a). Zu diesem war die Monatsfrist des §
87 Abs
1 SGG zwar bereits verstrichen. Gleichwohl war die Klage fristgerecht, da der Bescheid vom 13.1.2005 noch nicht in Bestandskraft
erwachsen war. Der Kläger hatte ihn fristgerecht mit dem Widerspruch angefochten. Der Widerspruchsbescheid vom 18.7.2005 ist
ihm jedoch nicht ordnungsgemäß iS von §
87 Abs
2 SGG iVm §§ 37 Abs 1 Satz 1, 62 SGB X und §§
78 Abs
1 Satz 1,
85 Abs
2 SGG (vgl zum Erlass durch Bekanntgabe Urteil des Senats vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R) bekannt gegeben worden. Der Kläger hat den Zugang des von dem Beklagten willentlich an ihn gerichteten Widerspruchsbescheides
vom 18.7.2005 bestritten (zum so genannten "einfachen Bestreiten" vgl BSG Urteil vom 26.7.2007 - B 13 R 4/06 R, SozR 4-2600 § 115 Nr 2 RdNr 20 ff). Es liegt kein Nachweis für den Zugang beim Kläger vor und die Zugangsfiktion des §
37 Abs 2 Satz 1 SGB X findet hier keine Anwendung. Nach den Feststellungen des LSG kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte den Tag
der Aufgabe des Schriftstückes zur Post vermerkt hat (vgl hierzu Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl, 2008, § 37 RdNr 12). Der Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2005 ist dem Kläger ebenso wenig in anderer Weise zur Kenntnis gelangt,
sodass der Mangel der Bekanntgabe auch nicht als geheilt iS von §
189 ZPO idF der Bekanntmachung der Neufassung der
ZPO vom 5.12.2005 (BGBl I 3202) angesehen werden kann.
c. Der damit aus rechtlicher Sicht fehlende Abschluss des Vorverfahrens hindert nicht an einer Entscheidung in der Sache.
Er führt nicht dazu, dass der Rechtsstreit zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens an das LSG zurückverwiesen werden müsste
(BSG Urteil vom 30.11.1961 - 4 RJ 183/59, BSGE 16, 21, 23 f = SozR Nr 5 zu §
78 SGG; BSG, Urteil vom 26.10.1962, SozR Nr 8 zu §
78 SGG, S 13). Die besondere Gestaltung des Falles lässt das Vorverfahren ausnahmsweise als entbehrlich erscheinen.
Jedes andere Vorgehen würde hier dem Sinn und Zweck der §§
77 ff
SGG zuwiderlaufen. Das an sich zwingende Vorverfahren soll bewirken, eine gerichtliche Austragung des Rechtsstreits auf Grund
einer vorgelagerten erneuten Überprüfung des beanstandeten Bescheides durch die Verwaltungsbehörde entbehrlich zu machen.
Dieser Zweck kann vorliegend nicht mehr verwirklicht werden. Zum einen hat die Widerspruchsbehörde bereits eine für den Kläger
ungünstige Entscheidung getroffen, die ihm bislang nur noch nicht iS von §§ 37, 62 SGB X iVm §§
78 Abs
1 Satz 1,
85 Abs
2 SGG bekannt gegeben worden war. Zum zweiten hat der Beklagte seine in dem Widerspruchsbescheid vom 18.7.2005 zum Ausdruck gekommene
Rechtsauffassung für den Folgezeitraum in den von ihm erlassenen Bescheiden, die zudem Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens
sind, wiederholt und hat sie schriftsätzlich im gerichtlichen Verfahren ohne Änderung weiterverfolgt (vgl BSG, Urteil vom
21.3.1978 - 7/12/7 RAr 58/76, SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; andere Ausgangslage als BSG, Urteil vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R, BSGE 91, 128 = BSG SozR 4-2700 § 157 Nr 1 RdNr 17).
3. Nach den Feststellungen des LSG konnte der Senat jedoch nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger Anspruch auf weitere
Leistungen für Unterkunft in Höhe von 236 Euro monatlich im streitigen Zeitraum hat. Fest steht zwar, dass der Kläger leistungsberechtigt
nach dem SGB II war (a.). Der Beklagte hat die Höhe der bisher bewilligten Leistungen für KdU auch zutreffend festgesetzt.
Soweit er mit 6,23 Euro 0,01 Euro zu viel für Kosten der Warmwasserbereitung von den Aufwendungen für Heizung durch Gas in
Abzug gebracht hat, geht der Fehlbetrag in den von der Beklagten unterlassenen Rundungen des Zahlbetrags auf (b.). Voraussetzung
für einen Anspruch auf weitere Leistungen für KdU ist jedoch, dass dem Kläger tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft iS des
§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II entstanden sind. Das Vorhandensein tatsächlicher Aufwendungen im konkreten Fall vermag der Senat
nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen (c.). Zumindest das alleinige Abstellen darauf,
ob der zwischen Angehörigen abgeschlossene Mietvertrag einem Fremdvergleich standhält, ist kein geeigneter Maßstab zur Beurteilung
des tatsächlichen Vorhandenseins von Aufwendungen für Unterkunft. Das LSG wird mithin Feststellungen dazu zu treffen haben,
ob dem Kläger im streitigen Zeitraum durch Mietforderungen der Mutter tatsächliche Aufwendungen entstanden sind. Bejahendenfalls
wird das LSG ferner festzustellen haben, ob es sich insoweit um angemessene Aufwendungen handelt (d.).
a. Nach § 7 erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben (idF des Vierten Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954,
2964), 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
b. Der Beklagte hat zwar entgegen der ständigen Rechtsprechung des BSG im Zeitraum vom 1.8. bis 31.12.2005 6,23 Euro anstatt
6,22 Euro für Aufwendungen der Warmwasserbereitung von den Heizkosten in Abzug gebracht (s BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b
AS 15/07 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 5; Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R; vgl zur Abzugsfähigkeit auch Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Leitfaden - Kosten der Unterkunft, 2009, S 35 ff). Dem hieraus
folgenden, um 0,01 Euro höheren monatlichen Zahlbetrag an Leistungen für Heizung - 129,78 Euro anstatt 129,77 Euro (x 5 =
0,12 Euro) - folgt jedoch kein auszuurteilender Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II.
Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger unter Beachtung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II im zuvor benannten
Zeitraum monatlich 130 Euro an Leistungen für Heizung zu gewähren, also monatlich 0,23 Euro (x 5 = 1,15 Euro) mehr. Die Erhöhung
der Leistungen für Heizung von 129,77 Euro auf 129,78 Euro gehen in diesem Zahlbetrag auf. Das LSG wird im wiedereröffneten
Berufungsverfahren diesen Rechtsanspruch des Klägers zu berücksichtigen haben (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG).
c. Ob dem Kläger für die Zeit von Januar bis Dezember 2005 darüber hinaus höhere als die bewilligten Leistungen für KdU zustehen,
weil zudem Mietzahlungen in Höhe von 236 Euro monatlich vom Beklagten zu übernehmen sind, kann der Senat nicht abschließend
beurteilen. Es fehlt insoweit an hinreichenden Feststellungen des LSG.
Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen (zur Angemessenheit s unten) sind. Bereits der Gesetzeswortlaut gibt eindeutig vor: Der Grundsicherungsträger
hat nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nur solche Kosten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und
für deren Deckung ein Bedarf besteht. Der Kläger hat für die Überlassung der von ihm bewohnten Wohnung im streitigen Zeitraum
keine Mietzinszahlungen an seine Mutter als Eigentümerin der Wohnung geleistet. "Tatsächliche Aufwendungen" für eine Wohnung
liegen allerdings nicht nur dann vor, wenn der Hilfebedürftige die Miete bereits gezahlt hat und nunmehr deren Erstattung
verlangt. Vielmehr reicht es aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum (dazu BSG Urteil vom 7.11.2006
- B 7b AS 8/06 R, RdNr 34, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1) einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Denn bei Nichtzahlung
der Miete droht regelmäßig Kündigung und Räumung der Unterkunft. Zweck der Regelung über die Erstattung der Kosten für die
Unterkunft ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern.
Der Kläger weist insoweit zutreffend darauf hin, dass ein Hilfebedürftiger nach dem SGB II in der Regel nicht in der Lage
sein wird, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung selbst zu tragen. Er wird - solange er im Leistungsbezug steht - zumeist
auf die Übernahme der Unterkunftskosten durch den Grundsicherungsträger angewiesen sein. Insoweit kann es für die Feststellung,
ob tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft entstanden sind, im Gegensatz zur Auffassung des LSG nicht darauf ankommen, ob
der Hilfebedürftige der Verpflichtung aus eigenen Mitteln wird nachkommen können oder in der Vergangenheit nachkommen konnte,
auch nicht, ob die Aufwendungen bisher durch andere Sozialleistungen gedeckt wurden. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine
wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag mit dem der geschuldete
Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (vgl Berlit in LPK SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr 19).
Ob der Kläger überhaupt einer ernsthaften Mietzinsforderung und wenn bejahendenfalls auch in Höhe der geltend gemachten 325
Euro ausgesetzt war, steht bislang nicht fest. Zwar hat er mit seiner Mutter 1985 einen Mietvertrag geschlossen, der die Miete
auf 680 DM festsetzte. Es spricht allerdings viel dafür, dass der Mietvertrag so, wie er "auf dem Papier stand", im streitigen
Zeitraum und auch schon zuvor nicht mehr praktiziert worden ist. Vielmehr gibt es Anhaltspunkte, dass der Mietvertrag möglicherweise
aufgehoben oder zumindest erheblich modifiziert worden ist. So hat der Kläger vor 2005 zuletzt offenbar nur diejenigen Zahlungen
an seine Mutter weitergeleitet, die er selbst in Form von Wohngeld erhalten hatte. Diese Beträge waren deutlich niedriger
als der angeblich vereinbarte Mietzins. Im streitigen Zeitraum hat die Mutter des Klägers zwar einen Rechtsanwalt eingeschaltet.
Dieser hatte den Auftrag, die Mietrückstände des Klägers einzufordern und durchsetzen. Gleichwohl bestehen Zweifel an der
Ernsthaftigkeit des Mietverlangens der Mutter, weil diese Initiativen erst während des Verfahrens gegen den Grundsicherungsträger
ergriffen worden sind. Diesen Umständen wird das LSG nach Zurückverweisung der Sache näher nachgehen und die Existenz sowie
ggf den tatsächlichen Inhalt eines Mietvertrages prüfen müssen.
d. Derartige Ermittlungen erübrigen sich entgegen der Ansicht des LSG nicht durch einen sog Fremdvergleich. Das LSG hat zur
Bewertung des Vorhandenseins tatsächlicher Aufwendungen allein darauf abgestellt, ob der Mietvertrag einem Fremdvergleich
standhält. Das LSG ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH (vgl BFH, Urteil vom 5.2.1988 - III R 234/84 = juris RdNr 10; Urteil vom 19.10.1999 - IX R 39/99 = BFHE 190, 173, 174; Urteil vom 25.6.1992 - X B 30/01 = juris Leitsatz Nr 1) davon ausgegangen, dass Verträge zwischen nahen Angehörigen tatsächliche Aufwendungen im Rahmen eines
Mietverhältnisses nur dann begründen, wenn sie nach Inhalt und tatsächlicher Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen
und, soweit sie inhaltlich diesem Fremdvergleich standhalten, auch dem Vertragsinhalt gemäß vollzogen werden. Das LSG hat
diese Vergleichbarkeit und damit zugleich Kosten des Klägers für Unterkunft im Hinblick auf Mietzahlungen verneint.
Dem folgt der erkennende Senat nicht. Eine Übertragung der Maßstäbe des Fremdvergleichs auf das SGB II scheidet aus. Während
es im Steuerrecht darum geht, ob das strittige Mietverhältnis auf Seiten des Vermieters der Besteuerung zu Grunde zu legen
ist, geht es im Grundsicherungsrecht darum, ob ein existenzieller Bedarf vorhanden ist, der durch Leistungen für Unterkunft
gedeckt werden muss. Ein Bedarf ist jedoch nicht erst dann grundsicherungsrechtlich relevant, wenn er mindestens die Höhe
der Aufwendungen eines Dritten, also eines Nichthilfebedürftigen in vergleichbarer Situation erreicht. Andere Mittel oder
beispielsweise Hilfen von Angehörigen in Form verbilligter Wohnraumüberlassung sind im SGB II zur Bedarfssenkung und damit
zumindest zur Minderung der Hilfebedürftigkeit einzusetzen (vgl § 3 Abs 3 Satz 1 SGB II). Grundsicherungsrechtlich ist es
mithin sogar erwünscht, wenn der vereinbarte Mietzins etwa aus Gründen der verwandtschaftlichen Verbundenheit niedriger ist,
als dieses in einem Mietverhältnis unter Fremden der Fall wäre. Die Aufwendungen für einen solchen niedrigeren Mietzins bleiben
jedoch tatsächlicher Bedarf, der durch Leistungen der KdU zu decken ist. Erscheint der Mietzins im Fremdvergleich zu hoch,
wird einem Missbrauch dadurch vorgebeugt, dass nach § 22 Abs 1 SGB II nur "angemessene" Kosten zu übernehmen sind (vgl ausführlich
zur Angemessenheit BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R). Einzig der in der Formel des BFH ebenfalls enthaltene Gesichtspunkt des tatsächlichen Vollzugs des Vertragsinhalts, also
insbesondere die Feststellung, ob die Absicht bestand oder besteht den vereinbarten Mietzins zu zahlen, spielt auch im Falle
der Grundsicherung eine Rolle. Für die Frage, ob ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf besteht, weil tatsächliche Aufwendungen
getätigt werden, bedarf es jedoch keines darüber hinausgehenden Fremdvergleichs.
4. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.