Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; leistungsmindernde Berücksichtigung einer in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich
vereinbarten Abfindung
Gründe:
I
Streitig ist, ob die in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung beim Arbeitslosengeld II (Alg II) als Einkommen
leistungsmindernd zu berücksichtigen ist, wenn die Forderung erst durch Zwangsvollstreckung zu einer Zeit erfüllt wird, in
dem der frühere Arbeitnehmer Grundsicherungsleistungen bezieht.
Der Kläger übte bis Juni 2003 eine Beschäftigung aus. Seither ist er arbeitslos. Im Kündigungsschutzprozess gegen seinen früheren
Arbeitgeber schloss er mit diesem vor dem Arbeitsgericht im April 2005 einen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Arbeitgeber,
ihm eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 6 500 Euro zu zahlen. Auf den titulierten Abfindungsanspruch
zahlte der Arbeitgeber erst im Oktober und November 2006 Beträge über 1 750 Euro und 2 000 Euro, nachdem der Kläger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
gegen den Arbeitgeber eingeleitet hatte. Der beklagte Grundsicherungsträger, der dem Kläger seit Mitte Juli 2005 Leistungen
der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährt, hob hierauf die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1.10. bis 30.11.2005
auf und forderte vom Kläger Rückzahlung der für diesen Zeitraum gezahlten 1 500,24 Euro. Zur Begründung führte er aus, die
Abfindungsteilzahlungen seien bei der Bemessung der Grundsicherungsleistungen als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers hatten - abgesehen von einer Reduzierung der Rückforderung (Korrektur wegen Warmwasserkosten)
auf 1 064,82 Euro keinen Erfolg (Bescheid vom 17.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 15.3.2006; Urteil des Sozialgerichts [SG]
München vom 13.7.2007; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts [LSG] vom 19.3.2008). SG und LSG führten im Wesentlichen aus, die Abfindung sei nicht nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a) SGB II anrechnungsfrei. Zwischen der gezahlten Abfindung und dem Alg II bestehe Zweckidentität. Eine
den Bestimmungen des § 138 Abs 3 Nr 6 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw des § 194 Abs 3 Nr 7
SGB III vergleichbare Regelung sei weder in das SGB II noch in die Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung
von Einkommen und Vermögen beim Alg II/Sozialgeld (Alg II-V) aufgenommen worden.
Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, die Abfindung sei dem (Schon-)Vermögen zuzurechnen. Es dürfe ihm nicht zum Nachteil
gereichen, dass der Arbeitgeber den Abfindungsanspruch erst auf Druck (Zwangsvollstreckung) während des Alg II-Bezuges erfüllt
habe. Die Abfindungsforderung gegen den Arbeitgeber sei unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erfüllung bereits vorher Teil seines
Vermögens gewesen und dürfe daher nicht als Einkommen während des Leistungsbezuges angesehen werden. Seinen Vollstreckungsmaßnahmen
liege eine freie Willensentscheidung zu Grunde, weil er seinen Titel 30 Jahre lang vollstrecken könne. Jedenfalls stelle die
Anrechnung der Abfindungszahlung für ihn eine besondere Härte dar. Die Abfindung werde für den Verlust des Arbeitsplatzes
gewährt. Sie sei als Ausgleichsleistung umfassender als eine Schadensersatzleistung. Sie solle dem Geschädigten einen angemessenen
Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art seien und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen,
dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung für das schulde, was er ihm angetan habe. Abfindungen im Bereich des Kündigungsschutzrechts
seien zeitlich einem bestimmten, bereits abgeschlossenen Zeitraum, nämlich dem beendeten Arbeitsverhältnis bzw dem Kündigungsschutzverfahren
zugeordnet. Ein titulierter Abfindungsanspruch, der vor Beginn eines Bedarfszeitraums im Sinne des SGB II entstanden sei,
stelle Vermögen dar und bleibe auch solches, egal zu welchem Zeitpunkt er erfüllt werde. Es sei verfassungswidrig, dass das
SGB II keine den Regelungen des § 138 Abs 3 Nr 6 AFG und des § 194 Abs 3 Nr 7
SGB III entsprechende Vorschrift enthalte.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19.3.2008 und des Sozialgerichts München vom 13.7.2007 sowie den Bescheid
der Beklagten vom 17.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger
wegen des Zuflusses der Abfindungsteilzahlungen im Oktober und November 2005 nicht hilfebedürftig war und ihm daher kein Anspruch
auf Alg II für diese Monate zustand. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht ihre Bewilligung von Alg II
für die Zeit vom 1.10. bis 30.11.2005 gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X iVm §
40 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB II iVm §
330 Abs
3 Satz 1
SGB III (im Folgenden: § 48 SGB X) teilweise zurückgenommen und die Rückzahlung des überzahlten Alg II nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 40 Abs 2 SGB II idF von Art 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) verlangt. Der vom Kläger noch
zu erstattende Betrag in Höhe von 1 064,82 Euro ist rechtsfehlerfrei berechnet worden.
1. Die Beklagte war berechtigt, die Alg II-Bewilligung für Oktober und November 2006 wegen Wegfalls der Leistungsvoraussetzungen
infolge Zuflusses der Abfindung aufzuheben.
Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt
ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes
Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden
Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X). Der Beginn des Anrechnungszeitraumes von Einkommen im SGB II ist nach § 13 SGB II iVm § 2 Abs 3 Satz 1 Alg II-V idF vom 20.10.2004 (BGBl I 2622) iVm § 6 Alg II-V idF vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) der
Beginn des Monats, in dem das Einkommen zufließt.
Dem Kläger stand zunächst ein Anspruch auf Alg II zu, jedoch ist dieser nach Bewilligung entfallen. Dabei kommt es nicht darauf
an, ob der Kläger für die Zeit (auch) vom 1.10. bis 30.11.2005 Alg II, solange der bindende Bewilligungsbescheid vom 22.7.2005
nicht aufgehoben worden ist, rechtmäßig bezogen hat (vgl dazu BSGE 61, 286 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Denn bei der Anwendung des § 48 Abs 1 SGB X ist - unabhängig von bindenden, nicht mehr aufhebbaren Leistungsbewilligungen - die "wahre" Rechtslage zu Grunde zu legen
und zu prüfen, ob seit Erlass des Verwaltungsaktes, den die Behörde nach § 48 SGB X aufgehoben hat, eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist, sodass ein solcher Bewilligungsbescheid
nunmehr nicht mehr erlassen werden dürfte. § 48 SGB X ermöglicht die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten, die wegen einer nach ihrem Erlass eintretenden Änderung der Sach- und
Rechtslage im Widerspruch zu dem (dann) geltenden Recht stehen (vgl Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB X, Februar 2003, K § 48 RdNr 2; zu bereits anfänglich rechtswidrigen Dauerverwaltungsakten vgl Urteil des Senats vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Deshalb muss, wenn eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse
iS von § 48 Abs 1 SGB X in Betracht kommt, die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der angeblich
eingetretenen Änderung verglichen werden. Nur wenn sich bei diesem Vergleich ein für den materiellen Anspruch des Einzelnen
erheblicher Unterschied ergibt, haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert (BSGE 65, 301, 302 = SozR 1300 § 48 Nr 60; Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 48 RdNr 6). Dies ist hier der Fall.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des (Bewilligungs-)Bescheides vom 22.7.2005 war für Oktober und November 2005 von der Hilfebedürftigkeit
des Klägers auszugehen. Er erfüllte die Voraussetzungen für Alg II nach § 19 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Kommunalen
Optionsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl I 2014). Sein monatlicher Bedarf betrug in diesen Monaten jeweils 849 Euro. Die Voraussetzungen
für die Gewährung von Alg II entfielen nach Zufluss der Abfindungsteilzahlungen. Insoweit ist eine wesentliche Änderung in
den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Denn auf den genannten monatlichen Bedarf waren im Oktober und November 2005
die Abfindungsteilzahlungen als Einkommen bedarfsmindernd anzurechnen.
2. Bei den nach Antragstellung im Bedarfszeitraum zugeflossenen Abfindungsteilzahlungen handelt es sich um berücksichtigungsfähiges
Einkommen und nicht um Vermögen.
Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen
nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEntschG) für Schaden an Leben sowie an Körper
oder Gesundheit erbracht werden. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen,
hiervon nach Abs 2 der Vorschrift jedoch Freibeträge abzusetzen. Zudem sind in § 12 Abs 3 SGB II bestimmte Vermögensbestandteile
aufgeführt, die ganz oder teilweise nicht (bedarfsmindernd) zu berücksichtigen sind.
Eine Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen erfolgt durch das SGB II selbst nicht. Wie der Senat in den Urteilen vom 30.9.2008
(B 4 AS 29/07 R RdNr 18: Einkommenssteuererstattung und B 4 AS 57/07 R RdNr 18: Zinseinkünfte aus Sparguthaben) dargelegt hat, ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II grundsätzlich alles das,
was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (so bereits
BSG, Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss
als maßgebend bestimmt. Nicht entscheidend ist das Schicksal der Forderung. Ebenso wenig kommt es auf den Grund für die Zahlung
zu einem bestimmten Zeitpunkt an, hier die von dem Kläger veranlassten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.
Vom Anknüpfungspunkt des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen ist auch dann
auszugehen, wenn es sich um durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erzwungene Teilzahlungen auf einen titulierten Abfindungsanspruch
handelt. Der Umstand, dass es sich dabei um einen Anspruch handelt, der in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbart
wurde und bereits vor Stellung des Antrags auf Leistungen nach dem SGB II mit Wirksamwerden des gerichtlichen Vergleichs am
5.4.2005 fällig geworden war (vgl zur Fälligkeit des Abfindungsanspruchs nach §§ 9, 10 KSchG Biebl in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl 2007, § 10 KSchG RdNr 41), rechtfertigt keine andere Beuteilung. Die auf Grund des Abfindungsanspruchs vorgenommenen Teilzahlungen gehören
nämlich nicht zu den bereits erlangten Einkünften, mit denen Vermögen angespart wurde (vgl Urteil des Senats vom 30.9.2008
- B 4 AS 57/07 R RdNr 17). Ferner liegt zwar der Grund für die Zahlung einer Abfindung in dem (dann) beendeten Arbeitsverhältnis, jedoch
lässt es der Entschädigungscharakter der Abfindungszahlung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten (dazu unten) nicht
zu, die Abfindung zeitlich dem Arbeitsverhältnis und damit der Vergangenheit zuzuordnen (vgl Voelzke in Küttner, Personalbuch
2008, 15. Aufl, Abfindung RdNr 52).
3. Abfindungen sind nicht von einer bedarfsmindernden Anrechnung auf das Alg II ausgenommen. Sie werden weder in § 11 Abs
1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II erwähnt (dazu a) noch fallen sie unter die nach § 11 Abs 3 SGB II privilegierten zweckbestimmten
Einnahmen (dazu b).
a) Die Abfindungsteilzahlungen erfüllen nicht den von seinem Wortlaut her eindeutigen Ausnahmetatbestand des § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II. Sie sind weder eine Grundrente nach dem BVG noch eine Leistung nach dem BEntschG. Die Regelung des § 11 Abs 1 SGB II, die nahezu wortgleich mit § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII übereinstimmt, entspricht dem bisherigen § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Diese Anknüpfung an das BSHG war vom Gesetzgeber beabsichtigt (vgl BT-Drucks 15/1514 S 65 - noch zu § 77, der § 82 SGB XII entspricht; BT-Drucks 15/1516
S 53 zu § 11 SGB II).
b) Abfindungen sind auch nicht nach § 11 Abs 3 Nr 1 a) SGB II hinsichtlich ihrer Berücksichtigung als Einkommen des Hilfebedürftigen
privilegiert.
Gemäß § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen
(Buchst a) oder Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege (Buchst b) einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II
dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt
wären. Weiter sind gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II nicht als Einkommen Entschädigungen zu berücksichtigen, die wegen eines Schadens,
der nicht Vermögensschaden ist, nach §
253 Abs
2 BGB geleistet werden.
§ 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a) und Buchst b) SGB II fassen die bisherigen Regelungen des § 77 Abs 1 Satz 1 BSHG und des § 78 BSHG zusammen. Diesen entsprechen die §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 1 SGB XII. § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II entspricht dem bisherigen § 77 Abs 2 BSHG und dem heutigen § 83 Abs 2 SGB XII. Sinn des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a) SGB II ist es zu verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch Berücksichtigung
im Rahmen des SGB II verfehlt wird, sowie dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG, Urteil vom
6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R, RdNr 24). Die Zweckbestimmung kann sich aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ergeben (vgl BSG, Urteil vom 6.12.2007 -
B 14/7b AS 16/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 8 RdNr 16), jedoch können auch zweckbestimmte Einkünfte auf privatrechtlicher Grundlage darunter
fallen (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, August 2008, § 11 RdNr 212; Söhngen in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 11 RdNr
55; Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 11 RdNr 54; Voelzke, SGb 2007, 713, 720). Letzteres ergibt sich aus dem weiten Wortlaut des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a) SGB II, der sich insofern von der ähnlichen
Vorschrift im Sozialhilferecht unterscheidet, die gemäß § 83 Abs 1 SGB XII einen in öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausdrücklich
genannten Zweck fordert (BSG, Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R, SozR, aaO, RdNr 16).
Eine auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistung ist dann zweckbestimmt iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a) SGB II, wenn
ihr über die Tilgungsbestimmung hinaus erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen ist. Der erkennende Senat versteht
dies als eine Vereinbarung, aus der sich objektiv erkennbar ergibt, dass die Leistung für einen bestimmten Zweck verwendet
werden soll (privatrechtlicher Verwendungszweck).
Dies ist bei Abfindungszahlungen nicht der Fall (wie hier Hengelhaupt, aaO, August 2008, § 11 RdNr 255a). Die systematische
Stellung der zweckbestimmten Einnahmen neben den ebenfalls nicht als Einkommen zu berücksichtigenden Zuwendungen der freien
Wohlfahrtspflege (§
11 Abs
3 Nr
1 Buchst b SGB II) und Entschädigungen nach §
253 Abs
2 BGB (§
11 Abs
3 Nr
2 SGB II) - also dem so genannten Schmerzensgeld - schließen es aus, Abfindungszahlungen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes
zu den "zweckbestimmten Einnahmen" in diesem Sinne zu rechnen. Abfindungszahlungen stellen eine immaterielle und materielle
Ausgleichszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar (vgl BSG SozR 4100 § 138 Nr 18 S 100). Sie weisen wie etwa das Schmerzensgeld
zwar eine gewisse immaterielle Komponente auf, jedoch kompensieren sie auch den Wegfall des Erwerbseinkommens, haben insoweit
also materiellen Charakter. Sie sind nur insoweit zweckbestimmt, als die Zahlung erfolgt, um den Abfindungsanspruch des früheren
Arbeitnehmers zu erfüllen. Darüber hinaus liegt einer Abfindungszahlung aber kein weitergehender Verwendungszweck zu Grunde.
Der Arbeitgeber zahlt die Abfindung, weil der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verloren hat. Eine Zweckbestimmung im Hinblick
auf die Verwendung der Abfindung durch den Arbeitnehmer ist damit nicht verbunden.
Vor allem aber spricht die Entstehungsgeschichte des § 11 SGB II dagegen, Abfindungszahlungen unter § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst
b) SGB II zu fassen und sie insoweit zu privilegieren. Denn Abfindungen, die ein Arbeitgeber wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses
nach einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung gemäß §§ 9, 10 KSchG festsetzt, waren nach dem früheren Recht der Arbeitslosenhilfe (Alhi) gemäß § 138 Abs 3 Nr 6 AFG bzw § 194 Abs 3 Nr 7
SGB III als "Leistungen zum Ersatz eines Schadens" nicht als Einkommen anzurechnen. Dasselbe galt für in Anlehnung an §§ 9, 10 KSchG ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes vergleichsweise vereinbarte Abfindungsleistungen (vgl BSG SozR 4100 §
138 Nr 18; Hänlein in Gagel,
SGB III mit SGB II, Juni 2008, §
11 SGB II RdNr 63). Bei dieser Ausgangslage ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber die Problematik einer Berücksichtigung
von Abfindungen bekannt war, als er mit Wirkung vom 1.1.2005 die bisherigen Regelungen der Alhi und Sozialhilfe für erwerbsfähige
Arbeitsuchende durch die "neue" Leistung Alg II ersetzte. Gleichwohl hat er die skizzierte frühere Privilegierung von Abfindungszahlungen
bewusst nicht in den Privilegierungstatbestand des § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II aufgenommen und eine Anrechnung auf
das Alg II gerade nicht ausgeschlossen. Dem würde es widersprechen, nunmehr Abfindungszahlungen im Sinne dieser Vorschrift
als zweckbestimmte Einnahmen anzusehen und sie im Wege der Auslegung auf eine Stufe wie das Schmerzensgeld zu stellen (siehe
oben).
4. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber keine § 138 Abs 3 Nr 6 AFG und § 194 Abs 3 Nr 7
SGB III entsprechende Vorschrift in das SGB II aufgenommen hat. Der Senat kann nicht erkennen, dass hierdurch eine Verletzung des
aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl Jarass in Jarass/Pieroth,
GG, 9. Aufl (2007), Art
20 RdNr 80 ff) vorliegt. Der Gesetzgeber bewegte sich bei der Normsetzung im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit (vgl BVerfGE
53, 257, 293 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 S 4 f).
5. Die Abfindungsteilzahlungen decken jede für sich den Hilfebedarf im jeweiligen Monat des Zuflusses, sodass es vorliegend
nicht darauf ankommt, dass die rechtliche Wirkung als zu berücksichtigendes Einkommen nicht mit dem Monat des Zuflusses endet,
sondern sich über den so genannten "Verteilzeitraum" erstrecken würde (vgl hierzu Urteil des Senats vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R = juris RdNr 26 ff).
Die Abfindung als einmalige Einnahme ist nach § 2 Abs 3 Alg II-V idF vom 20.10.2004 iVm § 6 Alg II-V idF vom 22.8.2005 als
zu berücksichtigendes Einkommen und damit zur Deckung des Hilfebedarfs grundsätzlich bis zu ihrem Verbrauch aufzuteilen. Nach
§ 2 Abs 3 Satz 2 Alg II-V idF vom 20.10.2004 sollen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zahl von ganzen
Tagen nicht erbracht werden, die sich unter Berücksichtigung der monatlichen Einnahmen nach Abzug der Frei- und Absetzbeträge
bei Teilung der Gesamteinnahmen durch den ermittelten Bedarf einschließlich der zu zahlenden Beiträge für die freiwillige
Weiterversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung ergibt. Zu dem täglichen Bedarf von 28,30 Euro (849 Euro geteilt
durch 30 Tage) kommt als Beitrag für die freiwillige Weiterversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung ein solcher
von täglich 18,80 Euro hinzu (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, August 2008, § 11 RdNr 45d). Dem Gesamtbetrag von 47,10
Euro steht im Oktober 2005 eine zu berücksichtigende Gesamteinnahme von 1 720 Euro (abzüglich 30 Euro Versicherungspauschale
nach § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 3 Nr 1 Alg II-V idF vom 20.10.2004) und entsprechend im November 2005 von 1 970 Euro gegenüber.
Daher haben die Abfindungsteilzahlungen den Leistungsanspruch des Klägers im Oktober und November 2005 entfallen lassen.
Es kann dahinstehen, ob und in welchen Fällen aus der Formulierung in § 2 Abs 3 Satz 2 Alg II-V idF vom 20.10.2004 ("sollen")
zu schließen ist, dass in besonderen Härtefällen von dem regelhaft vorgesehenen Anrechnungsmodus abgewichen werden kann. Es
ist kein Gesichtspunkt erkennbar, weshalb gerade die Berücksichtigung von Abfindungsteilzahlungen abweichend von der Grundregel,
dass Leistungen mit Beginn des Monats des Zuflusses für einen einheitlichen Zeitraum zur Bedarfsdeckung heranzuziehen sind,
eine besondere Härte darstellen sollte. In diesem Zusammenhang kann es nur auf den Anrechnungsmodus, nicht aber auf das Schicksal
der Forderung ankommen (aA Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl (2005), § 11 RdNr 36). Daher kann der Umstand, dass
die Abfindungsteilzahlungen dem Kläger erst mehr als ein halbes Jahr nach Fälligkeit zugeflossen sind, an dieser Stelle keine
Berücksichtigung finden, sondern allenfalls einen (zivilrechtlichen) Schadensersatzanspruch gegen seinen früheren Arbeitgeber
zur Folge haben. Nur in diesem Verhältnis ist ein Ausgleich zu suchen.
Es bestand auch keine Veranlassung von der hier gemäß § 6 Alg II-V idF vom 22.8.2005 bis zum Ende des Bewilligungszeitraums
am 31.1.2006 - eine Erwerbstätigkeit wurde nach dem 30.9.2005 nicht aufgenommen - geltenden Berücksichtigung einmaliger Einnahmen
nach Tagen abzuweichen. Zwar ist § 2 Abs 3 idF vom 22.8.2005 insoweit geändert worden, als nunmehr das Monatsprinzip gilt.
Danach sind einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum
aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Nach der nicht amtlichen Begründung der Änderung
der Verordnung sollte mit der Neufassung vor allem eine Minimierung des Verwaltungsaufwandes, insbesondere im Hinblick auf
die Notwendigkeit der freiwilligen Weiterversicherung bei vollständigem Wegfall der Leistungen nach dem SGB II erreicht werden.
War in der Fassung des § 2 Abs 3 Satz 2 Alg II-V vom 20.10.2004 noch vorgesehen, dass der tägliche Berücksichtigungsbetrag
unter Absetzung der Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu ermitteln
war, so soll offenbar durch § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II-V idF vom 22.8.2005 eine längere Erstreckung des Berücksichtigungszeitraumes
erreicht werden, sodass bei einem dann niedrigeren monatlichen Berücksichtigungsbetrag die Versicherungspflicht durch den
Weiterbezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten bleibt. Das Ziel, Versicherungsschutz durch die gesetzliche
Kranken- und soziale Pflegeversicherung auch dann zu gewährleisten, wenn zu berücksichtigende einmalige Einnahmen zu einem
Wegfall des Leistungsanspruchs führen, wird mithin durch beide Regelungen erreicht. Die Minimierung des Verwaltungsaufwandes,
der mit der An- und Abmeldung zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für den Grundsicherungsträger verbunden
ist, rechtfertigt ein "Vorziehen" der Neuregelung jedoch nicht (vgl Urteile des Senats vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, RdNr 24 und B 4 AS 57/07 R, RdNr 29 f).
6. Soweit demnach der (Bewilligungs-)Bescheid vom 22.7.2005 für die Zeit vom 1.10. bis 30.11.2005 aufzuheben war, sind von
den für diesen Zeitraum gezahlten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 40 Abs 2 SGB II die nach dem durch den Kläger angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten noch streitigen 1 064,82 Euro zu erstatten.
Nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Nach § 40 Abs 2 SGB II sind
abweichend hiervon 56 vH der bei der Leistung nach § 19 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft,
mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten (Satz 1). Satz 1 gilt nicht im Falle des
§ 45 Abs 2 Satz 3 SGB X (Satz 2). In den Monaten Oktober und November 2005 hatte die Beklagte dem Kläger 750,12 Euro je Monat gezahlt, wovon 405,12
Euro auf die Kosten der Unterkunft entfielen. Nach den bindenden Feststellungen des LSG waren hierin Heizkosten ohne Warmwasser
in Höhe von 16,35 Euro enthalten, weshalb sich die Bruttokaltmiete mit 388,77 Euro errechnet. Für den streitigen Zeitraum
sind dann vom Kläger je Monat - neben der Regelleistung in Höhe von 345 Euro und der Kosten für die Heizung von 16,35 Euro
- 44 % der Bruttokaltmiete, mithin in entsprechender Anwendung von §
338 SGB III (vgl BSG SozR 4-4200 §
24 Nr 3 RdNr 25) 171,06 Euro zu erstatten. Der Gesamterstattungsbetrag errechnet sich dann mit 1 064,82 Euro (345 Euro + 171,06
Euro + 16,35 Euro x 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.