Anspruch auf Arbeitslosengeld II; hälftige Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei geteilter Kinderbetreuung
bzw -erziehung getrennt lebender Eltern
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darum, ob ein Mehrbedarf wegen alleiniger Pflege und Erziehung eines Kindes (im Folgenden: Mehrbedarf
für Alleinerziehende) auch dann zu berücksichtigen ist, wenn sich die geschiedenen und getrennt wohnenden Kindeseltern bei
der Pflege und Erziehung wöchentlich abwechseln.
Die 1977 geborene Klägerin war mit R O verheiratet. Die Ehe, aus der die Tochter D (geb am 12.6.2002) hervorging, ist mittlerweile
geschieden. Ab 2005 lebten die Klägerin und D einerseits sowie R O andererseits in getrennten Wohnungen. Seit diesem Zeitpunkt
beziehen die Klägerin und ihre Tochter Leistungen nach dem SGB II. Für Februar bis Juli 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin
Leistungen in Höhe von monatlich 469 Euro, bei denen eine Regelleistung von monatlich 345 Euro und ein Mehrbedarf für Alleinerziehende
in Höhe von monatlich 124 Euro berücksichtigt war (Bescheid vom 5.1.2006).
Im März 2006 zog D zu ihrem Vater. Daraufhin setzte die Beklagte für die Zeit von April bis Juli 2006 die Regelleistung der
Klägerin auf monatlich 345 Euro und Kosten der Unterkunft auf monatlich 372,50 Euro fest; ein Mehrbedarf für Alleinerziehende
stehe der Klägerin seit dem 1.4.2006 nach dem Umzug D's zu ihrem leiblichen Vater nicht mehr zu (Bescheid vom 22.3.2006, Widerspruchsbescheid
vom 27.6.2006).
Unter Mitwirkung des Jugendamtes trafen die Klägerin und R O am 20.6.2006 eine "vorläufige Elternvereinbarung". In dieser
heißt es:
"1. Die Kindeseltern teilen sich die Betreuung ihrer Tochter jeweils zur Hälfte. Die Übergabe der Tochter erfolgt jeweils
im wöchentlichen Wechsel am Montag um 16 Uhr.
2. Die Kindeseltern tauschen sich regelmäßig bei der Übergabe über die Belange ihrer Tochter aus.
3. Bezgl. der finanziellen Angelegenheiten wurde folgende Vereinbarung getroffen. Hauptwohnsitz der gemeinsamen Tochter ist
bei Herrn O . Nebenwohnsitz ist bei Frau O . Kindergeld und die anteiligen Alg II-Leistungen (Regelsatz derzeit 207 Euro)
werden an Herrn O gezahlt. Pro Elternteil stehen 103,50 Euro für D zur Verfügung. Das Essensgeld des Kindergartens in Höhe
von voraussichtlich 47 Euro wird von Herrn O beglichen und von dem Elternteil an Frau O hälftig abgezogen, so dass ein Betrag
von 80 Euro an Frau O von Herrn O weitergegeben wird.
4. ...
5. Bezgl. Bekleidung und sonstigem Bedarf kauft jeder Elternteil, die für ihre Tochter in ihrem Haushalt benötigten Dinge
eigenverantwortlich ein.
6. Abweichende Vereinbarungen sind nur einvernehmlich möglich."
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.4.2007). Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat sich die Klägerin lediglich
noch dagegen gewandt, dass die ihr für Juli 2006 gewährte Leistung im Umfang des hälftigen Anteils des Mehrbedarfs für Alleinerziehende
aufgehoben worden ist. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen,
die teilweise Aufhebung der der Klägerin im Juli 2006 gewährten Leistung sei nicht zu beanstanden. Eine wesentliche Änderung
in den tatsächlichen Verhältnissen nach § 48 SGB X sei jedenfalls dadurch eingetreten, dass die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann am 20.6.2006 die Elternvereinbarung getroffen
und sie die Betreuung ihres Kindes entsprechend dieser Vereinbarung auch tatsächlich im wöchentlichen Wechsel ausgeübt hätten.
Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende habe der Klägerin nicht mehr zugestanden. Denn sie habe dann nicht mehr allein, sondern
gemeinsam mit ihrem geschiedenen Ehemann für die Tochter gesorgt (Urteil vom 13.9.2007).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 21 Abs 3 SGB II. Das LSG stelle auf einen Zeitfaktor ab, der weder
dem Wortlaut von § 21 Abs 3 SGB II noch den gesetzgeberischen Motiven zu entnehmen sei. Der Gesetzgeber habe nur allgemein
beispielhaft - ohne zeitliche Fixierung - angeführt, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder weniger Zeit hätten.
Ähnlich sei dies bei Alleinerziehenden mit nur einem Kind. Auch sie seien weniger mobil, hätten keine ausreichende Zeit zum
Preisvergleich, müssten die nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit nutzen und hätten ein höheres Informations- und Kontaktbedürfnis.
Demgemäß liege in Bezug auf die gesetzlich typisierende Regelung kein anderer Lebenssachverhalt vor. Wäre, bezogen auf den
gesetzlich maßgeblichen Bedarfszeitraum von in der Regel sechs Monaten, die ausschließliche Alleinsorge für je drei Monate
zwischen den Kindeseltern aufgeteilt, so stehe völlig außer Zweifel, dass jeder Elternteil für die jeweiligen drei Monate,
in denen das Kind bei ihm sei, Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende habe. Die "vorläufige Elternvereinbarung" gebe
zudem nur das wieder, was der gesetzliche Regelfall sei.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13.9.2007 und des Sozialgerichts Detmold vom 13.4.2007 in vollem
Umfang sowie den Bescheid vom 22.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2006 insoweit aufzuheben, als die
ihr mit Bescheid vom 5.1.2006 bewilligten Leistungen wegen eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende über einen Betrag von 62
Euro hinaus aufgehoben worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen haben die gegen die Entziehung auch des hälftigen Mehrbedarfs
gerichtete Anfechtungsklage für den Monat Juli 2006 zu Unrecht abgewiesen.
Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 22.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2006,
mit dem die Beklagte den Bescheid vom 5.1.2006 gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X aufgehoben hat, soweit sie die Bewilligung von Leistungen für den Monat Juli 2006 über einen Betrag von 407 Euro hinaus aufgehoben
hat. Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 SGG) ist für den streitigen Zeitraum unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, soweit nicht Leistungen für Kosten der
Unterkunft und Heizung betroffen sind.
Die Aufhebung der Bewilligung der erhöhten Regelleistung für Juli 2006 gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X über einen Betrag von 407 Euro hinaus war rechtswidrig. Denn die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen ist nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft nur zulässig, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines
Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Klägerin hat - obwohl sie sich
im Juli 2006 in der Betreuung ihrer Tochter mit deren leiblichen Vater abgewechselt hat - für diesen Monat Anspruch auf den
hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende. Die Beklagte war folglich nicht berechtigt, ihr den zunächst bewilligten Mehrbedarf
für Alleinerziehende wegen einer Änderung der Verhältnisse in voller Höhe zu entziehen.
Die Klägerin erfüllte nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG bei Erlass des Bescheides vom 5.1.2006 die Voraussetzungen
für eine Leistungsgewährung nach § 19 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist gemäß
§ 21 Abs 3 SGB II ein Mehrbedarf in Höhe von 36 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn
sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter sechzehn Jahren zusammenleben (Nr 1), oder in
Höhe von 12 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Vomhundertsatz
als nach der Nr 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 vH der nach § 20 Abs 2 SGB II maßgebenden Regelleistung (Nr 2).
Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist ein zusätzlich zur Regelleistung gewährter Bestandteil des Arbeitslosengeldes II.
Der genannte Mehrbedarf wird unabhängig von der konkreten Höhe des Bedarfes gewährt, wenn bei einem Leistungsberechtigten
die besondere Bedarfssituation der Alleinerziehung vorliegt. Das Gesetz geht insoweit von besonderen Lebensumständen aus,
bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist.
Derartige besondere Lebensumstände, die die Zuerkennung des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs rechtfertigen, liegen
grundsätzlich vor, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes
in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen.
Der Senat folgt in Fällen dieser Art nicht dem "Alles-oder-Nichts-Prinzip". Vielmehr bejaht er bei Vorliegen der genannten
Umstände die in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich behandelte Frage (für die Berücksichtigung des vollen Mehrbedarfs,
wenn die zeitliche Betreuung des Kindes bei rund einem Drittel liegt: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21.6.2007 - L 8 AS 491/05 = juris RdNr 46; den Mehrbedarf ablehnend bei einem halbwöchentlichen Wechsel: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, FEVS 48,
24, 25; Behrend in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 25; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II, Januar 2007, § 21 RdNr 9;
Tattermusch in Estelmann, SGB II, April 2008, § 21 RdNr 19; den Mehrbedarf ganz versagend wohl: LSG Hamburg, Beschluss vom
26.9.2005 - L 5 B 196/05 ER AS = ZFSH/SGB 2006, 101, 102; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.4.2008 - L 20 AS 112/06 = Sozialrecht aktuell 2008, 155, 160) in der Weise, dass den Berechtigten ein hälftiger Mehrbedarf für Alleinerziehende zusteht.
Denn es ist bei einer derartigen Situation weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu
versagen, noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Der Senat trägt insoweit den Wertungen
des Familienrechts Rechnung, das die gemeinsame elterliche Sorge auch bei Getrenntleben der Eltern zumindest fördern will
(vgl nur Diederichsen in Palandt,
BGB, 68. Aufl 2009, §
1671 RdNr 1). Er nimmt zugleich auf die grundsätzliche Zielvorstellung des SGB II Rücksicht, wonach die Leistungen der Grundsicherung
insbesondere darauf auszurichten sind, dass die familienspezifischen Lebensverhältnisse von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
die Kinder erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, berücksichtigt werden (§ 1 Abs 1 Satz 4 Nr 4 SGB II).
Die Voraussetzungen für den Mehrbedarf für Alleinerziehende sind nach § 21 Abs 3 SGB II erfüllt, wenn Berechtigte mit einem
oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen. Die Begriffe "Pflege" und "Erziehung"
beschreiben die umfassende Verantwortung für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes. Pflege konkretisiert die
Sorge für das körperliche Wohl, Erziehung die Sorge für die seelische und geistige Entwicklung, die Bildung und Ausbildung
der minderjährigen Kinder. Es geht um die gesamte Sorge für das Kind, mithin die Ernährung, Bekleidung, Gestaltung des Tagesablaufs
und emotionale Zuwendung (vgl Behrend, jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 22).
Die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin trotz des wöchentlichen Aufenthaltswechsels als alleinerziehend im Sinne der Regelung
angesehen werden kann, ergibt sich mangels einer ausdrücklichen Regelung der Fälle des sog Wechselmodells aus dem aus der
Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck des Mehrbedarfs. Dieser wird zwar vom Gesetz selbst nicht näher beschrieben, er
hat aber im Gesetzgebungsverfahren hinreichenden Ausdruck gefunden. Da nach dem Willen des Gesetzgebers inhaltlich an die
entsprechende Vorschrift im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) angeknüpft werden sollte (vgl BT-Drucks 15/1516 S 57), kann auf die Motive zum Vierten Änderungsgesetz des BSHG zurückgegriffen werden (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985 [BT-Drucks 10/3079 S 5]). Zum Zeitpunkt dieser
Gesetzesinitiative war in § 23 Abs 2 BSHG bereits ein Mehrbedarfszuschlag für solche Personen vorgesehen, die mit zwei oder mehr Kindern unter 16 Jahren zusammenleben
und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen. Die Rechtfertigung dieses Mehrbedarfszuschlages ergab sich nach den Materialien
vor allem dadurch, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder weniger Zeit haben, preisbewusst einzukaufen sowie
zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssen. Nach dem Gesetzentwurf
sei die Situation bei Alleinerziehenden mit nur einem Kind ähnlich, solange das Kind noch nicht schulpflichtig sei. Auch sie
seien weniger mobil, fänden keine ausreichende Zeit zum Preisvergleich, müssten die nächstgelegene Einkaufsmöglichkeit nutzen
und hätten ein höheres Informations- und Kontaktbedürfnis. Für sie werde deshalb ein Mehrbedarfszuschlag vorgesehen. § 23 Abs 2 BSHG idF vom 21.6.1985 (BGBl I 1081) hatte daher folgenden Wortlaut: "Für Personen, die mit einem Kind unter 7 Jahren oder die
mit 2 oder 3 Kindern unter 16 Jahren zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf von
20 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht ...".
Auch der Zweck des in § 21 Abs 3 SGB II geregelten Mehrbedarfs liegt mithin darin, den höheren Aufwand des Alleinerziehenden
für die Versorgung und Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für
Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen (vgl nur Lang/Knickrehm
in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 26; Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Gutachtliche
Äußerung: Mehrbedarf nach §§ 23, 24 BSHG und Einkommensgrenzen nach §§ 79, 81 BSHG, 1991, S 19 ff).
Ausgehend von dem in dieser Weise konkretisierten Zweck des Mehrbedarfs kommt es darauf an, ob der hilfebedürftige Elternteil
entweder während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil oder Partner in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt,
von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen oder ob eine derartige Entlastung innerhalb des Zeitraums, den das Kind sich
bei dem anderen Elternteil aufhält, eintritt (vgl Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 10). Innerhalb des Betreuungszeitraums,
der vorliegend eine Woche beträgt, kommt es für die Beurteilung allein auf die tatsächlichen Verhältnisse an, sodass es unerheblich
ist, wer im rechtlichen Sinne Inhaber des Personensorgerechts iS der §§
1626 ff
BGB ist (Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, §
21 RdNr 30; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, März 2005, K § 21 RdNr 15; Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007 § 21 RdNr 9).
Im Hinblick auf den Zweck des Mehrbedarfs für Alleinerziehende tritt in Fällen der vorliegenden Art in derjenigen Woche, in
der sich die Tochter der Klägerin bei ihrem Vater aufhält, bei der Klägerin keine finanzielle oder sonst wie geartete Entlastung
in einem Umfang ein, dass die Zuerkennung eines Mehrbedarfs nicht gerechtfertigt wäre. Während des jeweils eine Woche umfassenden
Zeitraums der Betreuung der Tochter durch die Klägerin sorgt diese allein iS des § 21 Abs 3 SGB II für deren Pflege und Erziehung.
Ihr entstehen während des genannten Zeitraums infolge der Sorge für das Kind die dem pauschalierten Mehrbedarf zugrunde liegenden
erhöhten Aufwendungen. Eine finanzielle Entlastung tritt insoweit nicht ein, weil sich die Eltern die Kosten nach der getroffenen
Vereinbarung in etwa hälftig teilen. In der Betreuungswoche wirkt sich die fehlende Arbeitsteilung mit einem Partner nach
wie vor erheblich aus. Die erhöhten Aufwendungen, zB für kostenaufwändigere Einkäufe und die Kosten der Kinderbetreuung zur
Aufrechterhaltung der Außenkontakte, lassen sich in Fällen, wie dem vorliegenden, in denen sich das Kind (mindestens) eine
Woche bei dem einen, die andere Woche bei dem anderen Elternteil aufhält, nicht außerhalb der Betreuungszeit im erforderlichen
Umfang kompensieren.
Der Senat hält es allerdings für geboten, in Fällen der vorliegenden Art die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 SGB II teleologisch
zu reduzieren und den Mehrbedarf bei der gebotenen pauschalierenden Betrachtungsweise auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten
Leistung zu begrenzen. Denn es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin durch das Wechselmodell während des
Zeitraums, für den der andere Elternteil für die Pflege und Erziehung des Kindes sorgt, keinen erhöhten Aufwendungen ausgesetzt
ist. Die hälftige Leistung ist unabhängig von den konkreten Betreuungszeiträumen aufgrund der durch § 21 Abs 3 SGB II vorgegebenen
monatlichen Betrachtungsweise zu erbringen.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass er es vor dem Hintergrund des Zwecks des § 21 Abs 3 SGB II nicht für gerechtfertigt
hält, die vorstehenden Überlegungen auf andere Gestaltungen, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil der Betreuungsleistungen
praktiziert wird, zu übertragen. Ist ein Elternteil in geringerem als hälftigem zeitlichen Umfang für die Pflege und Betreuung
des Kindes zuständig, so steht die Leistung allein dem anderen Elternteil zu. Die Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs erscheint
auf der Grundlage der vorstehenden Überlegung auch dann nicht gerechtfertigt, wenn sich Betreuung in kürzeren als wöchentlichen
Intervallen vollzieht.
Es ist deshalb im Juli 2006 neben der Regelleistung in Höhe von 345 Euro ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 62
Euro zu berücksichtigen. Der Klägerin steht daher in diesem Zeitraum unter Berücksichtigung von § 41 Abs 2 SGB II eine erhöhte
Regelleistung in Höhe von 407 Euro zu, weshalb die Beklagte die Bewilligungsentscheidung vom 5.1.2006 in einem Umfang von
(nur) 62 Euro aufheben durfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.