Altersrente für Frauen
Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung
Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung
Gründe:
I
Das Sächsische LSG hat im Urteil vom 18.11.2014 einen Anspruch der im September 1949 geborenen Klägerin auf Bewilligung der
im Juni 2010 beantragten und vom beklagten Rentenversicherungsträger ab 1.4.2010 gezahlten Altersrente für Frauen bereits
ab 1.10.2009 verneint. Zwar hätten die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente schon ab diesem Zeitpunkt vorgelegen.
Auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne die Klägerin jedoch keinen früheren Rentenbeginn beanspruchen.
Eine denkbare Verletzung der Hinweispflicht durch die Beklagte sei nach den Umständen des Falles jedenfalls keine wesentliche
Bedingung dafür geworden, dass die Klägerin ihren Rentenantrag nicht schon früher gestellt habe.
Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten LSG-Urteil eine grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 15.5.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form,
denn sie hat eine grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt (§
160 Abs
2 Nr
1 iVm §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Hierfür ist eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig,
in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung
ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4 - jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort
auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung
mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht
überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16
RdNr 4 f, Nr 24 RdNr 5 ff).
Das Vorbringen der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie benennt folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam:
(1) "Löst die Möglichkeit der Beantragung einer vorgezogenen Altersrente für Frauen gemäß §
237a SGB VI eine Auskunftspflicht nach §
115 Abs.
6 SGB VI aus?"
(2) "Ist der Hinweispflicht gem. §
115 Abs.
6 SGB VI genüge getan, wenn in einer Rentenauskunft mehrere Jahre vor Eintritt des maßgeblichen Rentenalters, über verschiedene Rentenarten
und deren mögliche zeitliche Inanspruchnahme informiert wird oder bedarf es des Hinweises auf eine konkrete Rentenart in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen und der notwendigen Antragstellung?"
1. Zu Frage (1) führt die Klägerin aus, das BSG habe in zwei Entscheidungen, die Altersrenten für langjährig Versicherte (§
36 SGB VI) betrafen (Senatsurteil vom 1.9.1999 - B 13 RJ 73/98 R - SozR 3-2600 § 115 Nr 5, sowie Urteil vom 22.10.1998 - B 5 RJ 56/97 R - Juris), eine Hinweispflicht nach §
115 Abs
6 SGB VI für Fälle angenommen, in denen der Rentenversicherungsträger im Zeitpunkt der Erfüllung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen
das Fehlen eines entsprechenden Antrags feststellen konnte und davon ausgehen musste, dass der Versicherte den Antrag aus
Unwissenheit noch nicht gestellt habe. Das Urteil des BSG vom 13.11.2002 (B 8 KN 2/01 R - BSGE 90, 118 = SozR 3-2600 § 115 Nr 8) habe diese Grundsätze - allerdings im Zusammenhang mit Rechtsänderungen zum Bezug einer Regelaltersrente
ab 1.1.1992 - bestätigt. Zu einer Altersrente für Frauen gemäß §
237a SGB VI habe das BSG letztlich jedoch noch nicht entschieden, sodass die Frage weiterhin klärungsbedürftig sei.
Damit hat die Klägerin nur die Klärungsbedürftigkeit der Frage (1) erörtert. Sie setzt sich allerdings nicht damit auseinander,
ob hinsichtlich der für die Bejahung einer Hinweispflicht nach §
115 Abs
6 S 1
SGB VI bedeutsamen Umstände die Altersrente für langjährig Versicherte mit der Altersrente für Frauen vergleichbar ist und - wenn
dies zu bejahen ist - welche Antwort auf die Frage aus den von der Rechtsprechung des BSG bereits herausgearbeiteten Grundsätzen in Bezug auf die Altersrente für Frauen folgt (zur Relevanz insbesondere eines ungünstigen
Zugangsfaktors im Falle vorzeitiger Inanspruchnahme s BSG SozR 3-2600 §
115 Nr 5 S 39; s auch §
237a Abs
2 iVm Anlage 20 zum
SGB VI). Das braucht an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft zu werden. Denn die Klägerin hat jedenfalls die Klärungsfähigkeit
dieser Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht hinreichend aufgezeigt. Obwohl sie mitteilt, dass das LSG die Frage
ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich offengelassen habe, fehlen nachvollziehbare Erläuterungen, weshalb es ihrer
Ansicht nach für die Entscheidung des Rechtsstreits gleichwohl auf die Beantwortung der Frage ankommen soll. Aus ihrer Bemerkung,
eine Hinweispflicht gemäß §
115 Abs
6 SGB VI bestehe nur dann, wenn eine "geeignete Gruppe" vorliege (Beschwerdebegründung S 7 unter V.), erschließt sich die Entscheidungserheblichkeit
der Frage für das Bestehen eines Herstellungsanspruchs im Fall der Klägerin nicht.
2. Hinsichtlich der Frage (2) zu Zeitpunkt und Inhalt eines gemäß §
115 Abs
6 S 1
SGB VI erforderlichen Hinweises des Rentenversicherungsträgers führt die Klägerin aus, die entscheidungserhebliche Rechtsfrage sei
klärungsbedürftig, da bislang ergangene Entscheidungen des BSG nicht erkennen ließen, ob ein zeitlicher Zusammenhang der Hinweispflicht mit der möglichen Antragstellung für eine bestimmte
Rentenart notwendig sei, und dieses Erfordernis "nicht unbestritten" sei (Beschwerdebegründung S 6). Sie setzt sich jedoch
nicht damit auseinander, ob die Frage in der zuvor von ihr wiedergegebenen Senatsentscheidung vom 1.9.1999 bereits hinlänglich
beantwortet ist. In der genannten Entscheidung wird maßgeblich darauf abgestellt, dass "eine Hinweispflicht nach §
115 Abs
6 SGB VI nur in den Fällen besteht, in denen der Rentenversicherungsträger davon ausgehen muss, dass die Berechtigten einen Rentenantrag
aus Unkenntnis (noch) nicht gestellt haben", und dass "das Fehlen eines Rentenantrags im Monat der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen
(...) grundsätzlich den Schluss zu(lässt), dass dies auf Unkenntnis des betreffenden Versicherten beruht" (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr 5 S 37; ebenso BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5 RJ 56/97 R - Juris RdNr 29: Hinweispflicht, sobald es dem Versicherungsträger möglich ist zu erkennen, dass die Angehörigen einer
abgrenzbaren Gruppe den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen). Weshalb diese Aussagen "nicht unbestritten" seien und
deshalb weiterer oberstgerichtlicher Klärungsbedarf bestehe, erläutert sie nicht.
Soweit die Klägerin mit Frage (2) weiteren Klärungsbedarf zum erforderlichen Inhalt von Hinweisen nach §
115 Abs
6 SGB VI geltend macht, trägt sie vor, die Rechtsprechung habe sich bislang nicht damit auseinandergesetzt, ob die in einer Rentenauskunft
nahezu seit Jahrzehnten enthaltenen generellen Hinweise zu allen denkbaren Rentenarten dem Anforderungsprofil des §
115 Abs
6 SGB VI entsprächen (Beschwerdebegründung S 7). Es ist zweifelhaft, ob damit eine Rechtsfrage iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG zur Auslegung des §
115 Abs
6 S 1
SGB VI bezeichnet ist oder ob vielmehr die Subsumtion des Berufungsgerichts im konkreten Fall zur Überprüfung gestellt werden soll
(vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 10). Jedenfalls reicht es zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht aus, lediglich zu
behaupten, dass das BSG zu dem Problemkreis noch nicht entschieden habe (vgl Senatsbeschluss vom 29.5.2015 - B 13 R 110/15 B - JurionRS 2015, 20044 RdNr 8). Hier hat die Klägerin insbesondere versäumt, sich mit dem Wortlaut des §
115 Abs
6 S 1
SGB VI ("... darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen") auseinanderzusetzen und zu untersuchen,
ob sich hieraus das "Anforderungsprofil" für Hinweise iS dieser Vorschrift bereits mit hinreichender Klarheit ergibt.
Im Übrigen trifft in diesem Zusammenhang die Bemerkung der Klägerin zu, dass die Frage zu den inhaltlichen Anforderungen an
einen Hinweis gemäß §
115 Abs
6 S 1
SGB VI im vorliegenden Fall nur dann entscheidungserheblich ist, wenn überhaupt eine (vom LSG unterstellte) Hinweispflicht nach
der genannten Vorschrift besteht. Dass auch diese - logisch vorrangige - Frage für Fallgestaltungen der möglichen vorzeitigen
Inanspruchnahme einer Altersrente im Lichte der bereits vorhandenen BSG-Rechtsprechung noch klärungsbedürftig ist, hat die Klägerin aber nicht hinreichend aufgezeigt (s oben unter 1.).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.