Zahlung von Krankengeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Das LSG hat mit Beschluss vom 23.9.2019 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 19.6.2018 zurückgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung von Krankengeld (Krg) ab 22.5.2016
gegen die beklagte Krankenkasse (KK) nach Maßgabe von §
44 Abs
1 und §
46 Satz 1 Nr
2, Satz 2
SGB V in der ab 23.7.2015 geltenden Fassung iVm §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V habe. Es fehle an einer ärztlichen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit (AU) des Klägers nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus
am 21.5.2016 (Samstag) ab 22.5.2016 (Sonntag), die spätestens am 23.5.2016 (Montag) hätte erfolgen müssen. Eine erneute ärztliche
Feststellung von AU im Anschluss an die zuvor bis 21.5.2016 bestehende AU sei jedoch erst am 24.5.2016 und auch erst ab diesem
Tag erfolgt. Am 24.5.2016 sei der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen. Seine wegen des Bezugs von Krg
erhalten gebliebene Pflichtmitgliedschaft habe am 24.5.2016 nicht mehr fortbestanden. Ein nach der Rechtsprechung des BSG anzuerkennender Ausnahmefall (Hinweis auf Urteil des Senats vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8), in dem die nicht rechtzeitige Feststellung von AU nicht dem Versicherten, sondern der KK zuzurechnen sei, sei nicht nachgewiesen.
Der Kläger habe zur Überzeugung des Senats nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan, um eine ärztliche AU-Feststellung
noch am 23.5.2016 zu erhalten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG im vorgenannten Beschluss hat der Kläger Beschwerde eingelegt und beruft
sich auf das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 23.9.2019 ist als unzulässig zu
verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 2
SGG).
Nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits
in dem Sinne, ob das LSG in der Sache "richtig" entschieden hat, erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht.
Den hier allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde
nicht schlüssig dargelegt (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach
§
160 Abs
2 Nr
1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit
in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der
aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung,
Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich
erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die
Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich
wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage
ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie
die Fragen:
"1. Genügt es für den Erhalt von Krankengeld nach §
46 S. 1 Nr. 2
SGB V wenn der Versicherte durch einen Arzt auf seine Arbeitsunfähigkeit hin untersucht, eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit
durch den Arzt jedoch nicht am Tag der Untersuchung sondern an einem anderen Tag rückwirkend ausgestellt wird?
2. Fällt in die Sphäre des Krankenversicherers im Rahmen der Gewährung von Krankengeld nach §
46 SGB V auch ein Fehlverhalten eines Krankenhauses im Rahmen des Entlassungsmanagements, bei dem von der Möglichkeit zur Ausstellung
von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gemäß §
39 Abs.
1a SGB V kein Gebrauch gemacht wird, wenn dem Versicherten aufgrund seines Zustands im Zeitpunkt der Entlassung aus der Krankenhausbehandlung
ein Aufsuchen eines niedergelassenen Arztes nur zum Zwecke der Feststellung der (fortbestehende) Arbeitsunfähigkeit unzumutbar
ist, mit der Folge dass ein Krankengeldanspruch des Versicherten trotzfehlender Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht?
3. Genügt der Versicherte seinen Obliegenheiten zum Erhalt von Krankengeld nach §
46 S. 1 Nr. 2
SGB V wenn in einem Gespräch zwischen ihm und einem Vertragsarzt der Krankenkasse der Arzt ohne konkrete Nachfrage des Versicherten
auf die Frage der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit von sich eingeht und der Versicherte anschließend vom Vertragsarzt unzutreffend
informiert wird?"
Es werden hiermit bereits keine entscheidungserheblichen hinreichend abstrakt-generellen Rechtsfragen - zur Auslegung, zum
Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert. Vielmehr bleiben die detailreich formulierten Fragen im Einzelfall des Klägers verhaftet.
Sie enthalten zudem Sachverhaltsannahmen für den Einzelfall des Klägers ("durch einen Arzt auf … AU hin untersucht", Bescheinigung
über die AU … rückwirkend ausgestellt"; "Fehlverhalten eines Krankenhauses", "Versicherten aufgrund seines Zustands … Aufsuchen
eines … Arztes … unzumutbar"; "Gespräch zwischen ihm und einem Vertragsarzt", "Versicherte anschließend vom Vertragsarzt unzutreffend
informiert"), die durch die Feststellungen des LSG so nicht erkennbar getragen werden. Den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels
(§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) bezogen auf diese Feststellungen hat der Kläger nicht geltend gemacht. Dass und warum die formulierten Fragen dennoch als
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung klärungsfähig und entscheidungserheblich sein könnten, lässt die Beschwerdebegründung
nicht hinreichend erkennen.
Erkennen lässt diese auch nicht in der gebotenen Weise, dass die formulierten Rechtsfragen klärungsbedürftig sein könnten.
Hierfür hätte es bezogen auf die Fragen zu 1. und 3. einer näheren Auseinandersetzung mit der schon vorliegenden und vom LSG
berücksichtigten Rechtsprechung des BSG zur ausnahmsweisen Zulassung von rückwirkenden Nachholungen von AU- Feststellungen bzw von nicht lückenlosen AU-Feststellungen
bedurft (vgl nur - jeweils mwN - BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 26 ff; BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 21 ff) und aufgezeigt werden müssen, was bereits für die Beantwortung der Fragen aus dieser Rechtsprechung abzuleiten ist und wozu
noch weiterer grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht. Bezogen auf die Frage zu 3. hätte es einer Auseinandersetzung zumindest
damit bedurft, dass nach §
39 Abs
1a Satz 6 (heute: Satz 7)
SGB V die Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements die AU des Versicherten feststellen können, ohne bei Vorliegen der Voraussetzungen
einer AU hierzu verpflichtet zu sein; ausgehend hiervon hat das LSG vorliegend ein Fehlverhalten oder Organisationsverschulden
des Krankenhauses entgegen dem Vorbringen des Klägers in der Beschwerdebegründung verneint.
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.