Soziale Pflegeversicherung; Anspruch des Pflegeheimträgers gegen die Pflegekasse auf Zahlung des Pflegesatzes einer höheren
Pflegeklasse bei Rechtfertigung des Hilfebedarfs bei der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung mit Zuordnung
des Versicherten zu einer höheren Pflegestufe
Gründe:
I
Streitig ist, nach welcher Pflegeklasse der von der Pflegeversicherung zu tragende Anteil an der Pflegevergütung des Klägers
von März 2005 bis Mai 2006 zu bemessen ist.
Der Kläger betreibt ein Pflegeheim, in dem die bei der beklagten Pflegekasse versichert gewesene H. K. (im Folgenden: Versicherte)
bis zu ihrem Tod am 22.5.2006 stationär gepflegt worden ist. Pflegebegründend war vor allem eine langjährig bestehende paranoid-halluzinatorische
Psychose mit situativer Orientierungsstörung. Die Versicherte bezog seit April 1995 Pflegeleistungen nach Pflegestufe I und
beantragte nach formloser Aufforderung durch den Kläger im März 2005, Leistungen nach Pflegestufe II zu erhalten. Die nach
Ablehnung dieses Antrags erhobene Klage nahm die Rechtsnachfolgerin der Versicherten nach deren Tod im November 2006 zurück.
Noch vor Rücknahme der Klage im Rechtsstreit zwischen der Versicherten und der Beklagten hat der Kläger im Juni 2006 Klage
mit dem Ziel erhoben, die Beklagte für den Zeitraum von März 2005 bis Mai 2006 zur Zahlung ihres Anteils an der höheren Vergütung
bei Pflegeklasse II in Höhe von 256 Euro monatlich, mithin insgesamt 3840 Euro zu verurteilen. Bei der Versicherten habe Pflegebedürftigkeit
nach Pflegestufe II vorgelegen; der Gesamtpflegeaufwand im Bereich der Grundpflege habe im Wochendurchschnitt täglich 131
Minuten betragen. Bei dieser Sachlage könne ein Pflegeheim nach der Rechtsprechung des BSG von der Pflegekasse selbst dann
den Anteil an der Pflegevergütung für eine höhere Pflegeklasse beanspruchen, wenn im Verhältnis zwischen der Pflegekasse und
der Versicherten bindend eine andere Eingruppierung gelte. Begrenzt auf den Kostenanteil der sozialen Pflegeversicherung sei
danach im Rahmen der Zahlungsklage des Heimträgers gegen die Pflegekasse zu prüfen, ob die Einstufung der Versicherten in
die bisherige niedrigere Pflegestufe den tatsächlich erforderlichen Pflegebedarf korrekt widerspiegele (Verweis auf das Urteil
des erkennenden Senats vom 1.9.2005 - B 3 P 4/04 R - BSGE 95, 102 = SozR 4-3300 § 43 Nr 1). Dies sei hier gerade nicht der Fall.
Klage (Urteil des SG vom 11.3.2008) und Berufung (Urteil des LSG vom 25.3.2009) sind ohne Erfolg geblieben. Das SG hat ausgeführt, entgegen der Rechtsprechung des BSG sei für die Ansprüche im Verhältnis zwischen Heimträger und Pflegekasse
allein die bestandskräftige Einstufung der Versicherten maßgebend; mit seiner anderweitigen Entscheidung habe sich das BSG
über die Wertentscheidung des Gesetzgebers hinweggesetzt und den Gestaltungsspielraum rechtsprechender Gewalt überschritten.
Dagegen ist das LSG der Rechtsansicht des BSG zwar grundsätzlich gefolgt, hat aber ergänzend darauf abgestellt, dass hierbei
die Anforderungen entweder des - hier nicht einschlägigen - §
84 Abs
2 Satz 3
SGB XI oder der - im Zeitpunkt der Senatsentscheidung vom 1.9.2005 bereits geltenden, aber für jene noch nicht maßgebenden - Vorschrift
des §
87a Abs
2 SGB XI zu beachten seien. Dies diene dem Schutz der Pflegebedürftigen. Denn regelmäßig würden pflegebedürftige Heimbewohner Anträge
auf Gewährung von Leistungen nach einer höheren Pflegestufe im Hinblick auf das dann auch für sie höhere Heimentgelt scheuen
und aus eigenem Bestreben nicht stellen. Deshalb könne eine Zahlungsklage wie hier nur erfolgreich geführt werden, wenn der
Heimträger entweder das Verfahren nach §
84 Abs
2 Satz 3
SGB XI wähle oder den Heimbewohner vor Erhebung der Zahlungsklage nach §
87a Abs
2 Satz 1 und
2 SGB XI und unter Wahrung der darin aufgestellten Anforderungen förmlich aufgefordert habe, bei seiner Pflegekasse die Zuordnung
zu einer höheren Pflegestufe zu beantragen. Daran fehle es hier, weil die verstorbene Versicherte zwar formlos, aber nicht
schriftlich zur Antragstellung aufgefordert worden sei. Ungeachtet dessen sei ihre Zuordnung zur Pflegestufe I aber auch der
Sache nach richtig gewesen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Erhöhungsverlangen sei weder an die
vorherige Durchführung eines Verfahrens nach §
84 Abs
2 Satz 3
SGB XI noch an eine förmliche Aufforderung nach §
87a Abs
2 SGB XI gebunden. §
87a Abs
2 SGB XI sei keine Schutzvorschrift zugunsten der Heimbewohner, sondern gewähre ein Recht im Interesse des Heimträgers. Habe der Heimbewohner
von sich heraus die Höherstufung beantragt, komme es auf die Einhaltung der Anforderungen nach §
87a Abs
2 SGB XI nicht an. Werde der Heimbetreiber dennoch zu diesem Vorgehen gezwungen, würde der zutreffende Vergütungsanspruch wegen der
Frist zur Einleitung des Höherstufungsverfahrens nach §
87a Abs
2 Satz 3
SGB XI erst mit einer Verzögerung von zwei Monaten durchsetzbar sein. Das sei unvereinbar mit seinen Grundrechten aus Art
19 Abs
4, 12 Abs
1 und 14 Abs
1 GG. Zudem habe das LSG Art
103 Abs
1 GG verletzt, weil es ihm zu Unrecht die Möglichkeit genommen habe, den Sachverständigen zu seinem Gutachten zu befragen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. März 2009 und des Sozialgerichts Dortmund vom 11. März 2008
zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3840 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit dem 20. Juni 2006 zu zahlen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass Vergütungsansprüche nach der Pflegeklasse II nicht
bestehen. Dem steht zwar die bindende Einstufung der Versicherten in die Pflegestufe I nicht entgegen; an dieser Rechtsprechung
hält der erkennende Senat fest. Jedoch können dem Heimträger Zahlungsansprüche unter Durchbrechung einer bestandskräftigen
Pflegestufenzuordnung nur zustehen, wenn er zuvor das zur Überprüfung der Pflegeklasse vorgesehene Verfahren nach §
87a Abs
2 Satz 1
SGB XI eingeleitet und durchgeführt hat. Daran fehlt es hier, wie das LSG zu Recht festgestellt hat.
1. Die von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist die Klage als (echte) Leistungsklage
nach §
54 Abs
5 SGG zulässig, denn es handelt sich bei einer auf höhere Vergütung gerichteten Klage des Pflegeheims gegen eine Pflegekasse um
einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl BSGE
95, 102 RdNr 8 ff = SozR 4-3300 § 43 Nr 1 RdNr 13 ff). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist
nicht geboten.
2. Rechtsgrundlage des mit der Klage verfolgten weiteren Vergütungsanspruchs ist §
87a Abs
3 iVm §
82 Abs
1, §
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI und dem hier maßgeblichen Versorgungsvertrag sowie der Pflegesatzvereinbarung für die von dem Kläger betriebene Pflegeeinrichtung
(vgl §§
72,
73 und §
85 SGB XI). Hiernach hat der Träger einer Pflegeeinrichtung Anspruch unmittelbar gegen die Pflegekasse auf den von ihr gemäß §§
41 bis
43 SGB XI zu tragenden Anteil an der Vergütung für die voll- oder teilstationäre Versorgung eines Versicherten (§
87a Abs
3 Satz 1
SGB XI). Die Pflegeeinrichtungen werden gemäß ihrer Verpflichtung aus dem Versorgungsvertrag und der Pflegesatzvereinbarung tätig
und erfüllen damit die den Pflegekassen den Versicherten gegenüber bestehende Sachleistungspflicht (vgl §
4 Abs
1 Satz 1, §
43 Abs
1 SGB XI). Als Gegenleistung erwerben sie zur Abgeltung der allgemeinen Pflegeleistungen einen Anspruch auf jeweils leistungsgerecht
zu bemessene Pflegesätze (vgl § 82 Abs 1 Nr
1, §
84 Abs
1, Abs
2 Satz 1 und Abs
4 Satz 1
SGB XI), die bis zu dem nach §§
41 bis
43 SGB XI auf die soziale Pflegeversicherung entfallenden Anteil von der Pflegekasse und im Übrigen vom Versicherten selbst zu entrichten
sind (vgl §
84 Abs
1 Satz 1
SGB XI). Zu deren leistungsgerechter Bemessung sind die Pflegesätze gemäß §
84 Abs
2 Satz 2 und
3 SGB XI an dem individuellen Versorgungsbedarf auszurichten, orientiert an den Pflegestufen für den häuslichen Versorgungsbedarf.
Dazu sind die Pflegesätze nach dem Versorgungsaufwand, den der Pflegebedürftige nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit
benötigt, in drei Pflegeklassen einzuteilen (§
84 Abs
2 Satz 2 Halbsatz 1
SGB XI). Diese richten sich nach den Pflegestufen des §
15 SGB XI, soweit nicht nach der gemeinsamen Beurteilung des Medizinischen Dienstes und der Pflegeleitung des Pflegeheimes die Zuordnung
zu einer anderen Pflegeklasse notwendig oder ausreichend ist (§
84 Abs
2 Satz 3
SGB XI). Maßgebend für die Höhe des zu zahlenden Leistungsbetrages ist grundsätzlich der Leistungsbescheid der Pflegekasse, und
zwar auch bei noch fehlender Bestandskraft (§
87a Abs
3 Satz 2
SGB XI). Hiervon ausgehend besteht der klägerische Anspruch nicht, weil die Versicherte nach bestandskräftiger Entscheidung der
Beklagten Leistungen (nur) nach Pflegestufe I bezogen und der Kläger das für die Durchbrechung der Bindungswirkung dieser
Entscheidung notwendige Verfahren nicht eingehalten hat.
3. Trotz der grundsätzlichen Verknüpfung von Pflegestufe und Pflegeklasse (§§
84 Abs
2 Satz 3, 1. Halbsatz, 87a Abs
3 Satz 2
SGB XI) kann ein Heimträger zur Verfolgung seines Anspruchs auf leistungsgerechte Vergütung die Zuordnung eines Heimbewohners zu
einer bestimmten Pflegestufe durch Klage auf höhere Vergütung gegen die Pflegekasse allerdings auch dann überprüfen lassen,
wenn der Versicherte die Änderung dieser Zuordnung im Verhältnis zur Pflegekasse nicht oder - wie hier - nicht mehr betreibt;
darauf weist der Kläger unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung zutreffend hin.
a) Wie der Senat mit Urteil vom 1.9.2005 (BSGE 95, 102 = SozR 4-3300 § 43 Nr 1) bereits entschieden hat, kann ein Pflegeheimträger die für seine Vergütung maßgebliche Pflegestufenzuordnung
des versorgten Heimbewohners im Rahmen der Zahlungsklage gegen die Pflegekasse aus eigenem Recht zur Überprüfung stellen.
Dem steht die Bindungswirkung einer bestandskräftigen Pflegestufeneinstufung im Verhältnis zwischen Pflegekasse und Versicherten
nicht entgegen. Zwar kann der Heimträger nicht selbst bei der Pflegekasse die Eingruppierung eines Heimbewohners in eine höhere
Pflegestufe beantragen; dafür fehlt ihm die Antrags- und Klagebefugnis. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, dienen die Vorschriften
über die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Einordnung in die Pflegestufen (§§
14,
15 SGB XI) sowie über den Anspruch auf vollstationäre Heimpflege (§
43 SGB XI) allein dem Interesse der Versicherten und nicht dem Schutz der Heimträger. Jedoch umfasst deren Anspruch auf leistungsgerechte
Vergütung auch das Recht auf eine zutreffende Einstufung des Pflegebedarfs des Versicherten. Insoweit besteht - auch hierauf
hat der erkennende Senat bereits hingewiesen - ein Interessengegensatz zwischen dem Anspruch des Heimträgers auf leistungsgerechte
Vergütung und der dazu notwendigen Höherstufung des Heimbewohners und dessen Bestreben, dies zur Abwendung einer höheren Zuzahlung
aus eigenen Mitteln gerade zu vermeiden. Diesen Konflikt hat der Gesetzgeber durch die - für den 2005 zu entscheidenden Fall
noch nicht maßgebliche - Regelung des §
87a Abs
2 SGB XI zu lösen gesucht. Offen geblieben ist allerdings, was geschieht, wenn der Versicherte das Verfahren nicht ernsthaft betreibt,
einen Bescheid ohne Weiteres bestandskräftig werden lässt oder seinen Antrag sogar zurücknimmt. Der Senat ist deshalb davon
ausgegangen, dass mit §
87a Abs
2 SGB XI eine nur unvollkommene Lösung des Interessengegensatzes zwischen Heimträgern und Versicherten erfolgt ist, die den Interessen
der Heimbetreiber nicht hinreichend gerecht wird. Diesen ist daher die Möglichkeit einer Vergütungsklage gegen die Pflegekasse
eingeräumt worden, in deren Rahmen die Einstufung des Heimbewohners auf ihre Richtigkeit zu überprüfen ist. Dieser Weg sollte
durch die Einfügung des §
87a Abs
2 SGB XI durch das Pflege-Qualitätssicherungsgesetz (PQsG) vom 9.9.2001 (BGBl I 2320) nicht ausgeschlossen werden (BSGE, aaO, RdNr
24; SozR, aaO, RdNr 29).
b) An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest, weil anders die Rechtsstellung der Heimträger im Dreiecksverhältnis zwischen
ihnen, den Versicherten und den Pflegekassen nicht verfassungskonform ausgestaltet werden könnte. Als zugelassene Pflegeeinrichtung
sind die Heimträger den Pflegekassen gegenüber zur pflegerischen Versorgung der Versicherten nicht nur befugt, sondern auch
verpflichtet (vgl §
72 Abs
4 Satz 2
SGB XI). Das mag zwar die Berechtigung einschließen, die Durchführung eines Pflegeauftrages im Einzelfall auch abzulehnen (vgl Schütze,
in: Udsching,
SGB XI, 3. Aufl 2010, §
72 RdNr 21). Soweit aber die Pflegeeinrichtung ihrem öffentlich-rechtlich begründeten Versorgungsauftrag nachkommt und in Erfüllung
der Sachleistungsverpflichtung der Pflegekasse die Versorgung der Versicherten übernimmt, hat sie einen durch Art
12 Abs
1 GG geschützten Anspruch auf angemessene Vergütung ihrer Leistungen und dementsprechend verfahrensrechtlich nach Art
19 Abs
4 iVm Art
12 Abs
1 GG auch Anspruch darauf, die hierfür maßgebenden Entscheidungen der Pflegekassen zur gerichtlichen Überprüfung stellen zu können.
Dieses Recht wäre verletzt, wenn den Einrichtungen - wie das SG gemeint hat - keine Möglichkeit zur Überprüfung der für ihren Vergütungsanspruch maßgeblichen Pflegestufenzuordnung offen
stünde. Davon könnte auch der Gesetzgeber die Einrichtungsträger nicht ohne Grundrechtsverstoß generell ausschließen. Vor
diesem Hintergrund können die Rechtsbeziehungen zwischen Pflegekassen, Versicherten und Heimträgern nach dem
SGB XI verfassungskonform nur so verstanden werden, dass die Letzteren grundsätzlich befugt sind, die Pflegestufenzuordnung eines
Heimbewohners im Streitfall im Wege der Zahlungsklage gegen die Pflegekasse gerichtlich überprüfen lassen zu können - insbesondere
dann, wenn der Versicherte die Änderung dieser Zuordnung im Verhältnis zur Pflegekasse nicht, nicht richtig oder gar nicht
mehr betreibt.
4. Diese Rechtsschutzmöglichkeit befreit die Heimträger indes nicht davon, die in dem aufgezeigten Dreiecksverhältnis zum
Schutz der Heimbewohner erlassenen Vorschriften einzuhalten. Deshalb können Erhöhungsverlangen wegen einer aus Sicht des Heimträgers
unzutreffenden Pflegestufenzuordnung ohne Mitwirkung des Heimbewohners mit Erfolg gerichtlich nur dann erfolgreich durchgesetzt
werden, wenn der Träger im Verhältnis zum Versicherten zuvor das Verfahren nach §
87a Abs
2 SGB XI betrieben hat; dies hat das LSG richtig erkannt.
a) Soweit ein Heimträger von der Möglichkeit Gebrauch machen will, die für seine Vergütung maßgebliche Pflegestufenzuordnung
des versorgten Heimbewohners im Rahmen einer Zahlungsklage gegen die Pflegekasse gerichtlich überprüfen zu lassen, stellt
er damit notwenig auch die Pflegestufenentscheidung im Verhältnis zwischen Pflegekasse und Versichertem zur Disposition. Als
Prüfungsmaßstab sind die Vorschriften des
SGB XI heranzuziehen, die im Dreiecksverhältnis zwischen Pflegekasse, Heimträger und Versicherten die Erbringung und Vergütung von
Leistungen der stationären Pflege bestimmen, insbesondere also die im Verhältnis zwischen Versichertem und Pflegekasse relevanten
Maßgaben der §§
14 und
15 SGB XI (so im Ergebnis schon BSGE 95, 102 RdNr 27 ff = SozR 4-3300 § 43 Nr 1 RdNr 32 ff). Demzufolge kann eine Entscheidung - auch dies hat der Senat schon früher
festgestellt - über die für die Vergütung des Heimträgers maßgebliche Pflegeklasse nicht von der Pflegestufenzuordnung des
Versicherten abweichen; das Ergebnis beider Klagen könnte nur einheitlich ausfallen, weshalb der betroffene Versicherte im
Rechtsstreit zwischen Heimträger und Pflegekasse notwendig beizuladen ist (vgl BSGE 95, 102 RdNr 13 = SozR 4-3300 § 43 Nr 1 RdNr 18). In einem solchen Prozess kann der versicherte Heimbewohner sodann gemäß §
75 Abs
4 Satz 1
SGG Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen und alle Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen; da ein Fall der notwendigen
Beiladung vorliegt, kann er sogar abweichende Sachanträge stellen (§
75 Abs
4 Satz 2
SGG). Für das vorgerichtliche Verfahren gilt dies indes nicht; hierfür hat der Gesetzgeber jedoch mit §
87a Abs
2 SGB XI eine eigenständige Regelung getroffen. Zwar soll dem Träger eines Pflegeheims damit zunächst einmal die Möglichkeit eingeräumt
werden (§
87a Abs
2 Satz 3
SGB XI), einem Heimbewohner unter bestimmten Voraussetzungen vorläufig den Pflegesatz einer höheren Pflegeklasse zu berechnen (Richter
in Klie/Krahmer
SGB XI 3. Aufl 2009, §
87a RdNr 2 und
13; Schütze, aaO, § 87a RdNr 9). Andererseits enthält die Vorschrift aber auch Verfahrensgarantien für den Versicherten, die
im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens zur Korrektur von Pflegestufenzuordnungen zu beachten sind (schriftliche und begründete
Aufforderung des Versicherten, Zuleitung an die Pflegekasse und ggf den Sozialhilfeträger - §
87a Abs
2 Satz 1 und
2 SGB XI). Mit dem aus Art
19 Abs
4 GG ableitbaren Klagerecht des Heimträgers gegen die Pflegekasse korrespondiert das Recht der Heimbewohner, einem Anspruch auf
Vergütungserhöhung schon im vorprozessualen Bereich nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Deshalb ist die Forderung gerechtfertigt,
dass im Vorfeld des Klageverfahrens zwischen Heimträger und Pflegekasse zunächst das in §
87a Abs
2 SGB XI gesetzlich vorgesehene Anpassungsverfahren durchgeführt worden sein muss.
b) Die Schutzmechanismen des §
87a Abs
2 Satz 1 bis
3 SGB XI haben folgenden Inhalt: "Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der pflegebedürftige Heimbewohner auf Grund der Entwicklung seines
Zustands einer höheren Pflegestufe zuzuordnen ist, so ist er auf schriftliche Aufforderung des Heimträgers verpflichtet, bei
seiner Pflegekasse die Zuordnung zu einer höheren Pflegestufe zu beantragen. Die Aufforderung ist zu begründen und auch der
Pflegekasse sowie bei Sozialhilfeempfängern dem zuständigen Träger der Sozialhilfe zuzuleiten. Weigert sich der Heimbewohner,
den Antrag zu stellen, kann der Heimträger ihm oder seinem Kostenträger ab dem ersten Tag des zweiten Monats nach der Aufforderung
vorläufig den Pflegesatz nach der nächsthöheren Pflegeklasse berechnen." Wie bereits dargelegt, bezweckt die Regelung einen
nicht vollends zu Ende geführten Ausgleich zwischen den Interessen der Einrichtungsträger und der versicherten Heimbewohner,
der einerseits der Antragsabhängigkeit von Sozialleistungen und andererseits dem Anspruch der Einrichtung auf leistungsgerechte
Vergütung Rechnung tragen soll (vgl im Einzelnen BSGE 95, 102 RdNr 24 = SozR 4-3300 § 43 Nr 1 RdNr 29). Dieser Ausgleichsmechanismus wäre obsolet, wenn ein Heimträger - wie der Kläger
meint - seine Ansprüche unter Verzicht auf das förmliche Anpassungsverfahren nach §
87a Abs
2 Satz 1 und
2 SGB XI unmittelbar durch Klage gegen die Pflegekasse verfolgen könnte. Dies würde der vom Senat bereits betonten Antragsabhängigkeit
von Sozialleistungen nicht gerecht; hieran hat der Gesetzgeber ausweislich der Regelung des §
87a Abs
2 SGB XI ausdrücklich festhalten wollen. Deshalb ist es nach wie vor grundsätzlich Sache des Versicherten, bei seiner Pflegekasse
die ihm aus seiner Sicht zustehende Pflegeleistung zu beantragen. Sieht er von einem solchen Antrag ab oder verfolgt er ein
Höherstufungsbegehren später - aus welchen Gründen oder in welchem Verfahrensstadium auch immer - nicht bis zu einer bestandskräftigen
Entscheidung weiter, bleibt deshalb grundsätzlich auch für den Vergütungsanspruch des Heimträgers die letzte in Bestandskraft
erwachsene Entscheidung der Pflegekasse zur Höhe der Pflegestufe maßgeblich. Dieser Vorrang kann nur dann entfallen, wenn
der Heimträger - was hier gerade nicht der Fall gewesen ist - das Verfahren nach §
87a Abs
2 SGB XI durchläuft und den Versicherten schriftlich und begründet auffordert, einen Höherstufungsantrag zu stellen. Erst bei dessen
Weigerung greift die Fiktion des §
87a Abs
2 Satz 3
SGB XI ein - zu Gunsten des Heimträgers wird unterstellt, dass der Versicherte einen begründeten Antrag auf Höherstufung gestellt
hat. Fehlt es hieran, kann der Heimträger weder im Verhältnis zum Versicherten noch in Bezug auf die Pflegekasse erfolgreich
Klage auf eine höhere Pflegevergütung erheben.
c) Die Einwände hiergegen greifen nicht durch. Insbesondere verletzt diese Auslegung nicht Grundrechte des Klägers aus den
Art
12 Abs
1, 14 Abs
1 oder 19 Abs
4 GG. In Bezug auf Art
14 Abs
1 GG liegt schon ein Eingriff in den Schutzbereich nicht vor, weil die Eigentumsgarantie das Erworbene und nicht den Erwerb schützt.
Art
12 Abs
1 und Art
19 Abs
4 GG sind nicht verletzt, weil dem Heimträger trotz fehlender gesetzlicher Fixierung eine Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung
der Pflegestufenzuordnung eröffnet ist und die Beachtung der Interessenlage der Versicherten nach Maßgabe von §
87a Abs
2 SGB XI eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung darstellt. Sie hat zu Lasten des Heimträgers lediglich zur Folge, dass der
Anspruch auf die höhere Pflegevergütung - gerechnet vom Zeitpunkt einer ordnungsgemäßen Aufforderung zur Antragstellung -
trotz fehlenden Antrags des versicherten Heimbewohners mit einer zeitlichen Verzögerung von zwei Monaten entsteht (§
87a Abs
3 Satz 3
SGB XI). Dies bedeutet indes keine unzumutbare Verkürzung des Vergütungsanspruchs und ist zudem eine in Dauerrechtsbeziehungen nicht
unübliche Form des Interessenausgleichs zwischen den Beteiligten. Im Übrigen hat es der Heimträger selbst in der Hand, den
Anpassungsmechanismus durch eine entsprechend begründete Aufforderung in Gang zu setzen. Das schafft auch in zeitlicher Hinsicht
die notwendige Klarheit, weil der maßgebliche Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens hierdurch im Verhältnis zu allen Beteiligten
unzweifelhaft feststeht.
d) Nicht zu entscheiden hatte der Senat über den Verfahrensweg nach §
84 Abs
2 Satz 3, 2. Halbsatz
SGB XI. Hiernach ist die regelmäßige Bindung der für die stationäre Vergütung maßgeblichen Pflegeklasse an die Pflegestufe des Versicherten
(§
84 Abs
2 Satz 3, 1. Halbsatz
SGB XI, vgl hierzu BSGE 95, 102 RdNr
28 = SozR 4-3300 §
43 Nr 1 RdNr 33) durchbrochen, "soweit ... nach der gemeinsamen Beurteilung des Medizinischen Dienstes und der Pflegeleitung
des Pflegeheimes die Zuordnung zu einer anderen Pflegeklasse notwendig oder ausreichend ist". Hierdurch soll solchen Fällen
Rechnung getragen werden können, bei denen der Hilfebedarf für den ambulanten und den stationären Bereich abweichend von der
generellen Einschätzung im Einzelfall auseinanderfällt und deshalb Pflegestufe und Pflegeklasse von dem erforderlichen Versorgungsaufwand
her nicht übereinstimmen (vgl BT-Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2). Welche Voraussetzungen dafür im Einzelnen vorliegen
müssen und ob eine solche Konstellation Praxisrelevanz besitzt, kann hier offen bleiben. Unentschieden bleiben kann auch,
in welcher Form und mit welchen Rechtsschutzmöglichkeiten betroffene Versicherte in Verfahren zur Änderung der Pflegeklasse
zu beteiligen und ob nach Einführung des §
87a Abs
2 SGB XI durch das PQsG dessen Rechtsgedanke und Verfahrensgrundsätze auch bei Klagen von Einrichtungsträgern auf Änderung der Pflegeklasse
nach §
84 Abs
2 Satz 3, 2. Halbsatz
SGB XI entsprechend anzuwenden sind. Es spricht aber zumindest einiges dafür, dass eine Klage auf höhere Vergütung wegen eines für
die Pflegestufe untypisch hohen stationären Versorgungsaufwands erfolgreich erst im Anschluss an eine vorherige - vom Heimträger
zumindest beantragte - Beteiligung des Medizinischen Dienstes erhoben werden kann. Andernfalls wäre nämlich die Schutzfunktion
beeinträchtigt, die der Gesetzgeber der Hinzuziehung des Medizinischen Dienstes zur Wahrung der Interessen der Versicherten
in solchen Fällen ersichtlich beigemessen hat (vgl BT-Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2).
5. Über die Verfahrensrüge ist nicht zu entscheiden, weil der geltend gemachte Anspruch nach dem Vorstehenden selbst dann
nicht besteht, wenn die Versicherte - wie der Kläger meint - der Pflegestufe II zuzuordnen gewesen wäre.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
1 und
2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.