Sonderbedarfszulassung in der vertragsärztlichen Versorgung; Ermittlung eines besonderen Versorgungsbedarfs; gerichtliche
Überprüfbarkeit des Beurteilungsspielraums der Zulassungsgremien; Folgen einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung
Gründe:
I
Streitig ist eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen Sonderbedarfs.
Der Beigeladene zu 7. ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Pneumologie. Im Juni 2005 beantragte er in dem für
Internisten gesperrten Planungsbereich H. (Versorgungsgrad 178,2 %) eine Sonderbedarfszulassung für pneumologische Leistungen.
Den Antrag lehnte der Zulassungsausschuss mit der Begründung ab, dass für diese Leistungen kein besonderer Versorgungsbedarf
iS der Nr 24b der "Richtlinien über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung
in der vertragsärztlichen Versorgung" (Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte [ÄBedarfsplRL], hier anzuwenden in der Fassung vom
21.12.2004 [BAnz Nr 90 vom 14.5.2005, S 7485]) bestehe.
Auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 7. ließ ihn der beklagte Berufungsausschuss als Facharzt für Innere Medizin mit dem
Schwerpunkt Pneumologie zur vertragsärztlichen Versorgung zu. In dem betroffenen Planungsbereich bestehe trotz der beiden
dort bereits niedergelassenen Pneumologen ein Versorgungsdefizit. In der Stadt H., die im Zentrum des Planungsbereiches liege
und in der der Beigeladene zu 7. eine Praxis eröffnen wolle, fehle ein auf pneumologische Leistungen spezialisierter Facharzt
bislang. Zur Zeit suchten daher nicht wenige Patienten aus der Region eine pneumologische Behandlungsmöglichkeit außerhalb
des Planungsbereiches - beispielsweise in M. - auf. Zudem seien in den ähnlich einwohnerstarken Kreisen A. und D. nicht nur
zwei, sondern jeweils drei Pneumologen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Schließlich habe sich einer der beiden
im Planungsbereich niedergelassenen Pneumologen für eine (Sonderbedarfs-)Zulassung des Beigeladenen zu 7. ausgesprochen. Die
Angaben des anderen Facharztes, er halte Methoden zur ambulanten Betreuung von Patienten mit pneumologischen Erkrankungen
vor und vergebe ggf auch kurzfristig Behandlungstermine, sage nichts darüber aus, ob damit die Versorgung der Versicherten
mit ernsthaften pneumologischen Beschwerden gewährleistet sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage der Kassenärztlichen Vereinigung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht
(LSG) die Entscheidung des SG geändert und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides zu einer Neubescheidung nach Maßgabe seiner - des LSG - Rechtsauffassung
verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt unvollständig ermittelt.
Eine Bedarfsermittlung sei nicht erfolgt und es sei daher unklar, weshalb die beiden im Planungsbereich H. bereits niedergelassenen
Pneumologen eine qualitativ ausreichende Versorgung der etwa 255.000 Einwohner nicht gewährleisten könnten.
Der Hinweis des Beklagten auf die (höhere) Versorgungsdichte pneumologischer Praxen in anderen Landkreisen führe nicht weiter.
Für die Beurteilung eines Sonderbedarfs sei auf die Bevölkerungs- und Morbiditätsstruktur in dem Planungsbereich abzustellen,
in dem der antragstellende Arzt eine Niederlassung anstrebe. Auch der quantitativ nicht bestimmbare Hinweis des Beigeladenen
zu 7., wonach "nicht wenige Patienten aus H." pneumologische Behandlungsmöglichkeiten außerhalb des Planungsbereiches aufsuchten,
könne ein qualitatives Versorgungsdefizit nicht belegen. Auf die einander widersprechenden Einschätzungen der beiden im Planungsbereich
niedergelassenen Pneumologen hätte der Beklagte seine Entscheidung nicht ohne weitere Aufklärung stützen dürfen (Urteil vom
25.4.2007).
Mit ihren Revisionen rügen der Beklagte und der Beigeladene zu 7. zunächst einen Verstoß des LSG gegen den Amtsermittlungsgrundsatz
nach §
103 SGG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) beschränke sich die gerichtliche Überprüfung bei den Ermittlungen
eines qualitativen Versorgungsbedarfs für eine Sonderbedarfszulassung darauf, ob der Entscheidung der Zulassungsgremien ein
richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liege. Dies lasse sich aber nicht durch abstrakt-hypothetische Erwägungen,
sondern nur durch eine ergänzende Beweisaufnahme der Sozialgerichte klären.
Daher obliege die weitere Sachaufklärung nach Klageerhebung den Gerichten. Eine Zurückverweisung der Verfahren an die Selbstverwaltung
zur Vervollständigung der bisherigen Ermittlungen sei unzulässig. Vorliegend lasse sich die Zurückverweisung des LSG auch
nicht durch die Regelung in §
131 Abs
5 SGG rechtfertigen; die engen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Ausnahmebestimmung lägen nicht vor.
In der Sache rügen der Beklagte und der Beigeladene zu 7. eine Verletzung des §
101 SGB V und der ÄBedarfsplRL über die Maßstäbe für eine qualitätsbezogene Sonderbedarfsfeststellung. Sie machen im Wesentlichen geltend,
das LSG habe in seinem Urteil bindende Vorgaben über einzelne "Prüfkriterien" für die Sachverhaltsermittlung der Zulassungsgremien
bei der Entscheidung über einen besonderen Versorgungsbedarf nach der Nr 24b ÄBedarfsplRL aufgestellt und damit deren Beurteilungsspielraum
missachtet. Art und Umfang der Ermittlungen bestimme nach § 20 Abs 1 Satz 2 SGB X nicht das Gericht, sondern die Selbstverwaltung; dabei bediene sie sich nach § 21 Abs 1 Satz 1 SGB X der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßen Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich halte. Insoweit verbiete
sich eine regelhafte Festlegung von Beweismitteln und anderen Informationsquellen.
Entgegen der Auffassung des LSG habe der angefochtenen Entscheidung kein unvollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde gelegen.
Vielmehr habe der Beklagte zunächst die im Planungsbereich H. niedergelassenen Pneumologen nach deren Leistungsangebot und
der Aufnahmekapazität ihrer Praxen befragt. Wegen der differierenden Antworten habe er anschließend von dem ihm zustehenden
Beurteilungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht und ergänzend die räumliche Lage der bestehenden Praxen im Planungsbereich
sowie die Versorgungssituation in vergleichbaren Planungsbereichen in seine Beurteilung mit einbezogen.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 7. beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25.4.2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil
des Sozialgerichts Aachen vom 9.11.2006 zurückzuweisen
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25.4.2007 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Berufungsurteil für richtig. Der Beklagte habe nicht ausreichend ermittelt, ob im Planungsbereich H. tatsächlich
ein qualitativer Versorgungsbedarf für einen weiteren Pneumologen bestehe. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, den Angaben
der beiden befragten Ärzte nachzugehen und ggf ergänzend deren Frequenztabellen sowie die Daten zu deren Individualbudgets
einzusehen. Auch ein Vergleich mit dem Fachgruppendurchschnitt komme in Betracht. Weiterhin könnten die Ausführungen des LSG,
an welchen "Prüfkriterien" sich der Beklagte im Rahmen der Neubescheidung des Beigeladenen zu 7. orientieren müsse, nicht
als eine gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstoßende, regelhafte Festlegung von Beweismitteln angesehen werden. Es handele
sich hierbei lediglich um eine Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu den Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung
bei Sonderbedarfszulassungen.
Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
II
Die Revisionen sind nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der Beschluss des Beklagten, den Beigeladenen
zu 7. als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Pneumologie zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, rechtswidrig
ist. Die Entscheidung wird den verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine Sonderbedarfszulassung nicht in vollem Umfang gerecht.
Im Hinblick auf die vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Planungsbereich Kreis H. für die Gruppe der fachärztlichen
Internisten wegen Überversorgung angeordneten Zulassungsbeschränkungen kann der Beigeladene zu 7. dort nur wegen eines besonderen
Versorgungsbedarfs zugelassen werden. Dazu ist in §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V bestimmt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien Vorgaben beschließt für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher
Vertragsarztsitze, soweit diese zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich
sind. Diese Ausnahme dient dem Ziel, auch im Einzelfall sicherzustellen, dass angeordnete Zulassungssperren nicht unverhältnismäßig
- weil in der konkreten örtlichen Situation ein Versorgungsdefizit besteht - die Berufsausübung beschränken. Zugleich wird
dem GBA die Aufgabe übertragen, nähere Vorgaben für diese Zulassungen zu normieren. Gegen diese Übertragung der Befugnis zur
Normkonkretisierung bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der
Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (zum Ganzen BSG SozR 3-2500 § 101 Nr
1 S 3 unter Hinweis auf BSGE 78, 70, 74 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 29 ff; BSGE 81, 207, 210 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 10; BSGE 82, 41, 47 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 17 f; BSGE 86, 242, 249 = SozR 3-2500 § 101 Nr 5 S 32/33).
Im vertragsärztlichen Bereich hat der GBA (damals noch: Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) diesen Normsetzungsauftrag
mit den Nr 24 bis 26 ÄBedarfsplRL umgesetzt. Wie das LSG zu Recht angenommen hat, kommt vorliegend unter Berücksichtigung
dieser Bestimmungen eine (Sonderbedarfs-)Zulassung des Beigeladenen zu 7. allein nach §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V iVm Nr
24 Satz 1 Buchst b ÄBedarfsplRL in Betracht. Danach liegt ein besonderer Versorgungsbedarf vor, "wie er durch den Inhalt des
Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung
umschrieben ist". Voraussetzung für eine Zulassung ist dabei nach Buchst b Satz 2 aaO, "dass die ärztlichen Tätigkeiten des
qualifizierten Inhalts in dem betreffenden fachärztlichen Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen
und dass der Arzt die für den besonderen Versorgungsbedarf erforderlichen Qualifikationen durch die entsprechende Facharztbezeichnung
sowie die besondere Arztbezeichnung oder Qualifikation (Schwerpunkt, fakultative Weiterbildung, Fachkunde) nachweist". Eine
mögliche Leistungserbringung in Krankenhäusern bleibt dabei außer Betracht (Buchst b Satz 3 aaO).
Bereits aus dem Wortlaut der Richtlinien ergibt sich, dass allein die berufsrechtliche Einführung einer neuen Facharzt-, Schwerpunkt-
oder Zusatzbezeichnung keine Sonderbedarfszulassung in überversorgten Gebieten rechtfertigen kann. Erforderlich ist neben
einer bestimmten ärztlichen Qualifikation stets ein "besonderer Versorgungsbedarf" in dem betreffenden Versorgungsbereich.
Bei der Klärung, ob ein solch besonderer Versorgungsbedarf iS von §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V iVm Nr
24 Satz 1 Buchst b ÄBedarfsplRL vorliegt, der die Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes zur Wahrung der Qualität der
vertragsärztlichen Versorgung in dem betroffenen Versorgungsbereich unerlässlich macht, steht den Zulassungsgremien nach der
Rechtsprechung des Senats ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl hierzu BSG SozR 3-2500
§ 101 Nr 1 S 4 f; BSGE 86, 242, 250 = SozR 3-2500 § 101 Nr 5 S 34). Die ortsnahen fachkundigen Zulassungsinstanzen können nämlich nur ungefähr entscheiden,
ob und inwieweit die bereits niedergelassenen Ärzte eine qualitativ ausreichende Versorgung gewährleisten, da zur Beantwortung
dieser Frage eine Vielzahl von Faktoren in die Entscheidung einzubeziehen sind. Dies rechtfertigt es, den Zulassungsgremien
einen Beurteilungsspielraum zuzugestehen und deren Entscheidung hinzunehmen, solange sie sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung
hält. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher - wie in ähnlichen Fällen der Bedarfsfeststellung - darauf, ob der
Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung des Begriffs
"besonderer Versorgungsbedarf" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der
Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe
erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 101 Nr 1 S 4 f [für Sonderbedarfszulassungen]; BSG SozR 3-2500
§ 116 Nr 1 S 4; BSGE 70, 167, 175 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 17; BSGE 73, 25, 29 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 29 und BSG SozR 3-2500 § 97 Nr 2 S 6 [für die Ermächtigung von Krankenhausärzten]; BSGE 77,
188, 191 f = SozR 3-2500 § 75 Nr 7 S 28 f [für Zweigpraxen]).
Auch bei Beachtung der nur eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Sonderbedarfszulassungen kann die Entscheidung
des Beklagten, den Beigeladenen zu 7. als Internist mit dem Schwerpunkt Pneumologie zuzulassen, keinen Bestand haben. Die
Ermittlungen des Beklagten tragen dessen Schlussfolgerung zu Gunsten eines Sonderbedarfs nicht.
Bei der Entscheidung über Sonderbedarfszulassungen müssen sich die Zulassungsgremien ein möglichst genaues Bild der Versorgungslage
im betroffenen Planungsbereich machen und ermitteln, welche Leistungen in welchem Umfang zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen
Versorgung im Sinne des §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V im Planungsbereich erforderlich sind, von den dort zugelassenen Ärzten aber nicht angeboten werden. Zur Ermittlung der konkreten
Bedarfssituation ist es regelmäßig geboten, die bereits niedergelassenen Ärzte nach ihrem Leistungsangebot und der Aufnahmekapazität
ihrer Praxen zu befragen (vgl BSG SozR 3-2500 § 101 Nr 1 S 6). Diese Befragung hat sich mit Rücksicht auf §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V entsprechend der Zielrichtung von Sonderbedarfszulassungen grundsätzlich auf die gesamte Breite eines medizinischen Versorgungsbereichs
(hier: das Schwerpunktgebiet der Pneumologie) und nicht nur auf einzelne spezielle Leistungen zu erstrecken (vgl BSG SozR
3-2500 § 101 Nr 1 S 6). Die Ermittlungen dürfen sich ferner auf die gesamte jeweilige Gruppe der Gebietsärzte beziehen, die
nach dem einschlägigen Weiterbildungsrecht befugt sind, die Leistungen eines streitigen Teilgebiets zu erbringen (vgl bereits
BSGE 73, 25, 29 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 29; BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 10 S 56 f in Bezug auf die Ermittlung des quantitativ-allgemeinen
Bedarfs für Ermächtigungen). Darüber hinaus kommt es nach dem Wortlaut der Nr 24 Satz 1 Buchst b ÄBedarfsplRL in erster Linie
auf die tatsächliche Versorgungssituation in dem betreffenden Planungsbereich an (so Schleswig-Holsteinisches LSG vom 8.7.1998
- L 4 Ka 15/98; vgl für Ermächtigungen BSG SozR 3-2500 § 97 Nr 2 S 7 f; BSG SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 17 und 18), was nicht
ausschließt, dass die sachkundigen Zulassungsgremien diesen Planungsbereich (entsprechend § 12 Abs 3 Satz 2 der Zulassungsverordnung
für Vertragsärzte [Ärzte-ZV]) im Falle von Subspezialisierungen einzelner Fachgebiete überschreiten und auch die an den untersuchten
räumlichen Bereich angrenzenden Gebiete in ihre Überlegungen mit einbeziehen (vgl BSG SozR 3-2500 § 101 Nr 1 S 6 zweiter Abs).
Die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts darf sich allerdings typischerweise nicht in Befragungen der im Einzugsbereich
in dem Fachgebiet tätigen Vertragsärzte erschöpfen. Denn die Gefahr, dass die Äußerungen der befragten Ärzte in starkem Maße
auf deren subjektiven Einschätzungen beruhen und von deren individueller Interessenlage mit beeinflusst sein können, erfordert
eine kritische Würdigung der Antworten durch die Zulassungsgremien. Das beruht in bestimmten Konstellationen darauf, dass
die bereits niedergelassenen Vertragsärzte bestrebt sein können, den Zugang eines weiteren Arztes wegen unerwünschter Konkurrenz
möglichst zu verhindern. Denkbar ist auch, dass einer der im Planungsbereich zugelassenen Ärzte an der Sonderbedarfszulassung
eines Kollegen interessiert ist, weil er eine enge Kooperation mit entsprechenden Vorteilen erwartet, während ein anderer
eher die Konkurrenz fürchtet. Die Aussagen der im Planungsbereich niedergelassenen Ärzte zur Bedarfslage sind jedenfalls nicht
ohne weiteres als Entscheidungsgrundlage ausreichend, sondern müssen sorgfältig ausgewertet, weitestmöglich durch weitere
Ermittlungen ergänzt und so objektiviert werden (so zutreffend Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 24.6.1997 - L 6
Ka 42/96; Plagemann, MedR 1998, 85, 87). Hierfür ist es erforderlich, etwa die Anzahlstatistiken der in Frage kommenden Vertragsärzte beizuziehen, um festzustellen,
inwieweit im Bereich des streitigen Sonderbedarfs von diesen Ärzten Leistungen erbracht werden (Schleswig-Holsteinisches LSG,
ebenda; Plagemann, MedR 1998, 85, 87; zu diesem Verfahren vgl auch bereits etwa BSGE 73, 25, 30 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 30; BSG USK 84145).
Diesen Vorgaben ist der Beklagte nicht in vollem Umfang nachgekommen. Zunächst liegt der angefochtenen Entscheidung kein vollständig
ermittelter Sachverhalt zugrunde. Ausweislich der Verwaltungsunterlagen hat der Beklagte zwar die beiden im Planungsbereich
H. bereits niedergelassenen Pneumologen zu ihrem Leistungsangebot und ihrer Aufnahmekapazitäten befragt; eine Würdigung und
Auswertung der - allenfalls teilweise verwertbaren - Angaben anhand von aktuellen Anzahlstatistiken oder anhand des Auslastungsgrads
ihres jeweiligen Individualbudgets sind aber unterblieben. Eine solche vergleichende Abrechnungsanalyse vermag über die Erbringung
von Leistungen aus einem bestimmten Schwerpunktbereich der Inneren Medizin aussagekräftigere Ergebnisse zu liefern als die
bloßen Angaben der einzelnen Ärzte. Entgegen der Auffassung der Revisionskläger können die fehlenden Sachverhaltsermittlungen
dabei nicht durch die Befragung des Beigeladenen zu 7. in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsausschuss am 7.6.2006
ersetzt werden. Zum einen enthält dessen Stellungnahme teilweise Wertungen ("Ich bin mehrfach von Kollegen angesprochen worden,
mich in meinem Wohnort um eine Zulassung zu bemühen, da es einen sehr großen Bedarf gibt. [...]. Ich bin sicher, dass ich
eine normal große Praxis führen kann."), deren tatsächliche Grundlage undeutlich bleibt. Weiterhin sind seine vom Beklagten
zusammengefassten Angaben über die Patientenbewegungen zwischen den verschiedenen Planungsbereichen in der betroffenen Region
so allgemein gehalten ("... suchen zur Zeit nicht wenige Patienten aus H. - und anderen Bereichen Behandlungsmöglichkeiten
[...] etwa in M. ..."), dass sich aufgrund dessen nicht einmal ansatzweise einschätzen lässt, ob in dem Planungsbereich H.
tatsächlich ein qualitatives Versorgungsdefizit an pneumologischen Leistungen bestanden hat. Im Übrigen weist das LSG in diesem
Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass eine kritische Würdigung und Auswertung dieser Angaben anhand einer naheliegenden
Befragung der in M. tätigen Pneumologen - beispielsweise hinsichtlich der behaupteten Abwanderung von Patienten in den angrenzenden
Planungsbereich H. - ebenfalls unterblieben ist.
Auch der Hinweis des Beklagten auf die teilweise größere Anzahl niedergelassener Pneumologen in den ähnlich einwohnerstarken
Planungsbereichen D. und Kreis A. vermag das dargestellte Ermittlungsdefizit nicht auszugleichen. So kommt es bereits nach
dem Wortlaut der Nr 24 Satz 1 Buchst b ÄBedarfsplRL in erster Linie auf die tatsächliche Versorgungssituation in dem Planungsbereich
an, für den der Beigeladene zu 7. eine Sonderbedarfszulassung beantragt hat (vgl zu diesem Erfordernis ebenfalls BSG SozR
3-2500 § 101 Nr 5 = BSGE 86, 242 mwN). Selbst wenn dabei im Falle von Subspezialisierung einzelner Fachbereiche in entsprechender Anwendung des § 12 Abs 3
Satz 2 Ärzte-ZV auch die an den untersuchten räumlichen Bereich angrenzenden Gebiete mit einbezogen werden können, entsteht
vorliegend durch einen solchen Einbezug noch kein einheitliches Bild über ein mögliches qualitatives Versorgungsdefizit an
pneumologischen Leistungen im Planungsbereich H.. Zumindest sind in dem angrenzenden und mit über 300.000 Einwohnern ebenfalls
vergleichbar bevölkerten Planungsbereich V. nicht etwa drei, sondern lediglich ein Pneumologe niedergelassen.
Weiter hat der Beklagte es versäumt, den genauen Umfang eines möglichen qualitativen Versorgungsdefizits an pneumologischen
Leistungen im Planungsbereich H. zu ermitteln. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats aber erforderlich, weil ein in
einem überversorgten Bereich bestehendes qualitatives Versorgungsdefizit nur dann die ausnahmsweise Besetzung eines zusätzlichen
Vertragsarztsitzes rechtfertigt, wenn eine solche Maßnahme nach §
101 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB V in dem kompletten Planungsbereich unerlässlich ist. Eine Versorgungslücke muss in der gesamten Breite eines Versorgungsbereichs
(hier des Schwerpunkts der Pneumologie) bestehen; werden lediglich einzelne spezielle Leistungen, die eine Vertragsarztpraxis
in freier Niederlassung nicht sinnvoll auszufüllen vermögen, von den im Planungsbereich bereits niedergelassenen Vertragsärzten
nicht erbracht, so kommt anstelle einer Sonderbedarfszulassung ggf die Erteilung einer Ermächtigung in Betracht (vgl zu alledem
BSG, Urteil vom 19.3.1997 - 6 RKa 43/96 = SozR 3-2500 § 101 Nr 1 S 5 f). Soweit der von den bereits zugelassenen Vertragsärzten nicht abgedeckte Versorgungsbedarf
zumindest den Umfang einer wirtschaftlich tragfähigen Vertragsarztpraxis erreicht, hat allerdings die Sonderbedarfszulassung
Vorrang vor einer Ermächtigung. Das trägt dem generellen Vorrang der Vertragsärzte in der ambulanten Versorgung Rechnung (vgl
hierzu BSG SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 16 mwN).
Die unvollständige Sachverhaltsaufklärung des Beklagten stellt einen Verfahrensfehler dar, der grundsätzlich zur Aufhebung
des streitbefangenen Beschlusses und der Verpflichtung des Berufungsausschusses führt, die Angelegenheit neu zu entscheiden.
Die Ermittlung des Sachverhaltes und dessen Bewertung im Rahmen der Sonderbedarfszulassung von Ärzten sind nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats den Zulassungsgremien vorbehalten, denen wegen ihrer besonderen Fachkunde und Ortsnähe ein umfangreicher
Beurteilungsspielraum zukommt.
Gemäß dem Untersuchungsgrundsatz aus § 20 Abs 1 SGB X obliegt es daher diesen Ausschüssen, ggf fehlende Sachverhaltsermittlungen nachzuholen und diese bei der neuerlichen Beurteilung
hinsichtlich eines qualitativen Versorgungsdefizits zu berücksichtigen. Behauptete Ermittlungsdefizite der Sozialgerichte
sind demgegenüber regelmäßig unerheblich (so bereits BSG, Urteil vom 19.3.1997 - 6 RKa 43/96 = SozR 3-2500 § 101 Nr 1 S 6). Insoweit schränkt die "Zurückverweisung" des Verfahrens an den Berufungsausschuss auch nicht
dessen Beurteilungsspielraum ein, sondern dient ersichtlich dazu, diesen Spielraum hinsichtlich der Feststellung und Bewertung
aller entscheidungserheblichen Tatsachen zu gewährleisten.
Vorliegend könnten sich die gerichtliche Aufhebung des streitbefangenen Beschlusses sowie die ergänzenden Sachverhaltsermittlungen
des Beklagten allenfalls dann erübrigen, wenn iS von § 42 Satz 1 SGB X offensichtlich wäre, dass die unvollständigen Sachverhaltsermittlungen des Berufungsausschusses dessen Entscheidung in der
Sache nicht beeinflusst haben. Wann genau im Einzelnen im Zusammenhang mit dem den Zulassungsgremien zuzugestehenden Beurteilungsspielraum
bei der Sonderbedarfszulassung von Ärzten von einer Offensichtlichkeit in diesem Sinne auszugehen ist (zu dem notwendig engen
Verständnis dieses Merkmals vgl Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 46 RdNr 78 ff; s auch Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2006, SGB X, § 42 RdNr 8 ff), kann hier wegen der im Hinblick auf die entscheidungserheblichen Umstände nicht ausreichenden Ermittlungen des
Beklagten dahingestellt bleiben. Dessen Ermittlungen lassen keinen hinreichend sicheren Rückschluss auf Art und Umfang eines
möglichen qualitativen Versorgungsdefizits im Planungsbereich H. für pneumologische Leistungen zu und können ersichtlich die
Entscheidung des Beklagten in der Sache beeinflusst haben (zur fehlenden Anwendbarkeit der Vorschrift bei verbleibenden Zweifeln
vgl Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl 2008, § 46 RdNr 27 mwN).
Deshalb muss der Beklagte unter Berücksichtigung des tatsächlichen Leistungsangebots der bereits niedergelassenen Fachärzte
ermitteln, ob im Kreis H. hinsichtlich aller oder nur einzelner - hier: pneumologischer - Leistungen aus diesem Schwerpunktbereich
der Inneren Medizin ein qualitatives Versorgungsdefizit besteht. Eine ggf erforderliche Sonderbedarfszulassung eines Arztes
muss auf das ermittelte qualitative Versorgungsdefizit beschränkt werden, sodass nur die im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand
stehenden spezifischen Leistungen abrechenbar sind. Dies ist vom Beklagten bislang nicht ausreichend umgesetzt worden. Dabei
ergeben sich bereits aus dem Anschreiben des Beigeladenen zu 7. vom 30.5.2005 zu seinem Antrag auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung
Hinweise darauf, dass ein mögliches qualitatives Versorgungsdefizit an pneumologischen Leistungen im Planungsbereich möglicherweise
nicht den gesamten Schwerpunkt der Pneumologie umfasst. So wird in dem Anschreiben betont, dass in der Stadt H. und der unmittelbaren
Umgebung eine "wohnortnahe pneumologische Konsultationsmöglichkeit" fehle und die daraus resultierende weite Anfahrt besonders
für schwer erkrankte Patienten problematisch sei. Weiterhin werde die "pneumologische Allergologie" nur durch einen der beiden
niedergelassenen Pneumologen abgedeckt, und es gebe auch nicht ausreichend schlafmedizinische Untersuchungsmöglichkeiten.
Diese Hinweise auf eine teilreduzierte pneumologische Versorgungslücke im Planungsbereich H. wird der Beklagte bei seiner
neuerlichen Entscheidung zu berücksichtigen haben.
Nach alledem wird der Beklagte vor der anstehenden Neubescheidung die ihm obliegenden Sachverhaltsermittlungen unter Beachtung
der vom LSG aufgestellten "Prüfkriterien" ergänzen müssen. Diese Kriterien stellen eine zutreffende Zusammenfassung der bisherigen
Rechtsprechung des Senats zu den wesentlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine vollständige Sachverhaltsaufklärung
der Zulassungsgremien bei Sonderbedarfszulassungen dar; deshalb fehlt es an jeglicher Grundlage für die von den Revisionsführern
hilfsweise begehrte Zurückverweisung an das LSG.
Entgegen der Auffassung der Revisionskläger wird nicht der den Ausschüssen nach der gesetzlichen Konzeption zuzugestehende
Beurteilungsspielraum eingeschränkt, weil sich dieser lediglich auf die Feststellung und Bewertung der Tatsachen (zB Anzahl
und Leistungsangebot der niedergelassenen Ärzte, Bevölkerungs- und Morbiditätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der
Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen) bezieht, für deren Beurteilung die besondere Fachkunde und Ortsnähe
der Mitglieder in den Zulassungsinstanzen erforderlich ist. Hingegen muss die Frage, ob im Rahmen einer solchen Bedarfsbeurteilung
verfahrensrechtliche Anforderungen verletzt worden sind oder nicht, im Streitfall von den Sozialgerichten ggf unter Heranziehung
der dafür vorgesehenen Beweismittel eigenverantwortlich entscheiden werden (§§
103,
117,
118 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Danach haben der Beklagte und der Beigeladene zu 7. als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens anteilig zu
tragen (§
154 Abs
1 und
3 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der übrigen Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese weder Anträge gestellt noch sich im
Verfahren inhaltlich beteiligt haben (§
162 Abs
3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 §
63 Nr
3, jeweils RdNr 16).