Wirtschaftlichkeitsprüfung in der Vertragsärztlichen Versorgung, Voraussetzung für Sanktionen
Gründe:
I. Die Klägerin wendet sich gegen einen Regress wegen Verordnung von Sprechstundenbedarf.
Die Klägerin, Ärztin für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten, lag mit ihrem Verordnungsaufwand in den Quartalen II/1996 und II/1998
um 339,38 % bzw 381,76 % über dem Fachgruppendurchschnitt. Auf Antrag der zu 9. beigeladenen Krankenkasse setzte der Prüfungsausschuss
Regresse in Höhe von 10.272,00 DM und 5.031,26 DM, zusammen 15.303,26 DM = 7.824,43 EUR, fest. Die Klägerin ist mit Widerspruch,
Klage und Berufung erfolglos geblieben. Im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ist unter Bezugnahme auf das Urteil des Sozialgerichts
(SG) ausgeführt, die Durchführung der Regelprüfmethode des statistischen Kostenvergleichs sei nicht zu beanstanden. Ihr überdurchschnittlicher
Aufwand in den betroffenen Quartalen könne nicht durch von ihr beanstandete Zuordnungen von Verordnungen zu den beiden Quartalen
II/1996 und II/1998 erklärt werden, denn sie habe in den 11 Quartalen seit II/1996 bis IV/1998 fast durchgängig erhebliche
Überschreitungen - zusammen nahezu 70.000 DM - verursacht. Im Übrigen dürfe sie nach der Sprechstundenbedarfsverordnung den
Zeitpunkt ihrer Verordnungen nicht frei wählen. Sie könne sich für ein übermäßiges Verordnungsvolumen von Sprechstundenbedarf
in einem Quartal nicht auf ein geringeres im nächsten berufen. Wie vom SG ausgeführt, seien Praxisbesonderheiten nicht ersichtlich. Ihre Berufung auf vermehrte Infusionsbehandlungen bei Hörsturz
und Tinnitus mangels eines nahen Krankenhauses mit HNO-Abteilung sei nicht schlüssig, weil bei den Infusionen nach Nr 273
des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä idF bis zum 31. März 2005) im Quartal II/1996
nur eine moderate Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 19,3 % feststellbar sei.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache geltend. Sie argumentiert, dass sie die Aufhebung der Regressbescheide, die seit 1993 wegen ihres Aufwands
an Sprechstundenbedarf in großer Zahl ergangen seien, erreicht habe. Vor diesem Hintergrund hätte ein neuer Regress allenfalls
nach Durchführung einer Beratung gemäß §
106 Abs
5 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) festgesetzt werden dürfen.
II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) abzuleitenden Anforderungen.
Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss gemäß den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet
(vgl BVerfGE 91, 93, 107= SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage
in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist.
Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde
ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung,
die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht gerecht. Lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG [Kammer],
DVBl 1995, 35). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die zitierte BVerfG-Rspr und zB BVerfG [Kammer], SozR 3-1500
§ 160a Nr 7 S 14; Beschluss vom 23. Januar 2006 - 1 BvR 1786/01 -, zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 160a vorgesehen).
Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdebegründung nicht erfüllt. Die Klägerin hat zwar eine Rechtsfrage formuliert, nämlich
ob die Verhängung eines Regresses auch dann ohne vorherige Beratung gemäß §
106 SGB V erfolgen darf, wenn ein Vertragsarzt in seinem Irrtum, die Verordnungsweise sei korrekt, dadurch bestätigt worden war, dass
der Prüfungsausschuss Regresse für Vorquartale aufgehoben hatte.
Aber es fehlt an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung, die vom Prozessbevollmächtigten
aufzubereiten ist. Zu der Frage, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen eine Beratung vor Maßnahmen iS des §
106 Abs
2 ff
SGB V - Honorarkürzung oder Regress - erforderlich ist, gibt es bereits mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG).
Die Klägerin hat davon lediglich das Urteil vom 27. Juni 2001 (SozR 3-2500 § 106 Nr 53) angeführt, sich aber weder mit diesem
noch mit den weiteren Urteilen zur Frage der Notwendigkeit vorheriger Beratung so auseinander gesetzt, dass ersichtlich ist,
dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus dieser bisherigen Rechtsprechung ergibt. Nach dieser ist eine vorgängige Beratung
bei Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses nicht notwendig (s
außer dem genannten Urteil zB auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19 und BSG MedR 2004, 577, 578/579, jeweils mit näheren Ausführungen). Dies gilt nicht nur für Honorarkürzungen, sondern auch für Arzneikostenregresse
(s BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296). Das gilt auch dann, wenn der Arzt noch nicht auf das Ergebnis einer für das Vorquartal
durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung reagieren konnte (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18) und auch sonst bisher keine
"Mahnung" erfolgte (BSG MedR 2004, 577, 579), sowie auch dann, wenn früher Praxisbesonderheiten anerkannt wurden (BSG USK 97124 S 757). Gerade diese letzte Entscheidung
legt es nahe, dass auch dann keine Ausnahme zu machen ist, wenn Regresse für Vorquartale vom Prüfungsausschuss aufgehoben
wurden.
Demgegenüber taugt nicht der Hinweis der Klägerin, beim Sprechstundenbedarf sei die Einhaltung der Verordnungsgrenzen besonders
schwierig, weil die Ärzte hier keine zeitnahen Informationen über ihr Verordnungsverhalten im Vergleich zur übrigen Arztgruppe
hätten. Denn Sanktionen wegen unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise setzen nicht voraus, dass dem Arzt ein
Verschulden oder eine sonstige besondere Vorwerfbarkeit zur Last fällt (s zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; MedR 2004,
577, 578 mwN).
Die Beschwerdebegründung enthält mithin keine Darlegungen, die die umfassende Geltung der Rechtsprechung des BSG als fraglich
erscheinen lassen und der Schlussfolgerung entgegenstehen, dass sich die Antwort auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage
ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr geführten erfolglosen Rechtsmittels (§
154 Abs
2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 8. ist nicht veranlasst, weil sie sich im Beschwerdeverfahren nicht
beteiligt haben (§
162 Abs
3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt gemäß §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47, § 40 Gerichtskostengesetz.