Honorarberichtigung in der vertragsärztlichen Versorgung, missbräuchliche Nutzung einer Praxisgemeinschaft durch Zahnärzte
Gründe:
I
Der Kläger, der als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung
(KZÄV) zugelassen ist, war bis zum 31.12.2002 Partner einer Praxisgemeinschaft, die Öffnungszeiten werktags von 7 bis 24 Uhr
sowie wochenends und feiertags von 7 bis 19 Uhr angab. Die ihr angehörenden Zahnärzte waren in unterschiedlichen Schichten
tätig.
Der damalige Honorarverteilungsmaßstab (HVM) sah Teilkontingente vor, die nach Leistungsarten (konservierend-chirurgisch,
Kieferbruch/Kiefergelenk, Kieferorthopädie [KfO], Zahnersatz, Parodontose) und Kassenbereichen aufgegliedert waren. Für die
Leistungsart KfO waren je Behandlungsfall ein maximales Punktzahlvolumen und für Leistungen aus den anderen Leistungsarten
ein fester DM-Betrag vorgegeben. Diese Anknüpfung der erreichbaren Honorarbeträge an die KfO-Fälle führte dazu, dass deren
Anzahl das Gesamthonorarvolumen einer Praxis in erheblichem Umfang (mit)bestimmte.
Eine für die Beklagte tätige Arbeitsgruppe stellte bei der Überprüfung der Fallzahlen der Praxen des KZÄV-Bezirks fest, dass
die Zahnärzte, die zu der hier in Rede stehenden Praxisgemeinschaft gehörten, auffällig hohe Zahlen an KfO-Fällen hatten.
Beim Kläger zeigte sich ein hoher Anteil (mehr als ein Drittel) an Fällen, die im selben Quartal auch von Kollegen der Praxisgemeinschaft
in ihren Abrechnungen in Ansatz gebracht wurden. Hierauf gestützt forderte die Beklagte von ihm für die Quartale I/1999 bis
IV/2000 die Erstattung von Honorar in Höhe von ca 18.000 Euro. Auf seinen Widerspruch hin reduzierte sie die Erstattung auf
9.310,94 Euro. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. In dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) wird unter Bezugnahme
auf die Ausführungen des Sozialgerichts (SG) dargelegt, der Kläger habe die von ihm und seinen Kollegen gewählte Rechtsform Praxisgemeinschaft - in der jeder Berufsträger
eine eigene Praxis mit einem eigenen Patientenstamm und einer eigenen ausschließlich ihm zur Verfügung stehenden Patientenkartei
führt und nur organisatorisch mit den anderen Praxen verbunden ist - nicht entsprechend dieser Struktur praktiziert. Durch
die Ankündigung von Öffnungszeiten, die der einzelne Zahnarzt nicht persönlich abdecken könne, und das Unterlassen ausreichender
Einwirkung auf die Patienten dahin, sich vorrangig für einen der Zahnärzte als Betreuer zu entscheiden, sei eine Vermehrung
der Fallzahl erreicht und dadurch unrechtmäßig Honorar erlangt worden.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
Sein Vorbringen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG), entspricht zwar den Darlegungsanforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG. Seine Beschwerde ist mithin zulässig. Sie ist aber unbegründet, denn nicht alle Erfordernisse für die Revisionszulassung
sind erfüllt. Diese setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich)
sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG [Kammer], SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14;
s auch BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt vor allem dann, wenn sich die Antwort auf
die Rechtsfrage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)
ergibt, und ebenso dann, wenn zwar keine klare normative Regelung dieses Falles und auch noch keine Rechtsprechung zu dieser
Konstellation, aber Rechtsprechung bereits zu Teilaspekten vorliegt und sich hieraus ohne Weiteres die Beantwortung der Rechtsfrage
ableiten lässt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort siehe zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6;
SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500
§ 240 Nr 33 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl zB BVerfG [Kammer], Beschluss vom
29.5.2001 - 1 BvR 791/01 -, und früher schon BVerfG [Kammer], SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; Nr 7 S 14; s auch BVerfG [Kammer], DVBl 1995, 35).
Nach diesen Maßstäben kann die Rechtsfrage, die der Kläger aufgeführt hat, die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung nicht begründen.
Bei der vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam geltend gemachten Rechtsfrage,
ob es einen Missbrauch der Gestaltungsform Praxisgemeinschaft darstellt, wenn sich ein zur vertragszahnärztlichen Versorgung
zugelassener Zahnarzt an einer Praxisgemeinschaft beteiligt, die nach außen hin Öffnungszeiten "von 7 bis 24 Uhr" kommuniziert,
ist schon die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und die Bedeutung dieser Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus
zweifelhaft, jedenfalls aber ist ihre Klärungsbedürftigkeit zu verneinen.
Was die Frage der Klärungsfähigkeit betrifft, so würde sich eine Rechtsfrage, wie der Kläger sie formuliert hat, in dem mit
der vorliegenden Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen. Denn das LSG hat nicht allein daraus, dass der
Kläger sich an einer Praxisgemeinschaft beteiligte, die Öffnungszeiten von 7 bis 24 Uhr angab, auf einen Missbrauch der Gestaltungsform
Praxisgemeinschaft geschlossen. Vielmehr hat das LSG in seiner Urteilsbegründung, in der es ergänzend auf die Ausführungen
des SG Bezug genommen hat, umfassend die Gesamtumstände gewürdigt.
Damit ist zugleich auch die Bedeutung über den Einzelfall hinaus fraglich. Denn die vom LSG vorgenommene Beurteilung erfolgte
aufgrund eines Gesamtbildes der Umstände dieses Einzelfalles, sodass zweifelhaft ist, ob sich der vorliegende Sachverhalt
überhaupt für eine generalisierend beantwortbare Fragestellung und für eine generalisierende Aussage im Sinne grundsätzlicher
Bedeutung eignet (vgl dazu auch den BSG-Beschluss vom 17.9.2008 - B 6 KA 65/07 B - RdNr 11).
Aber selbst wenn eine Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus angenommen
werden könnte, ist dem Begehren nach Revisionszulassung nicht stattzugeben. Denn die vom Kläger aufgeworfene Frage ist (auch)
nicht klärungsbedürftig. Die Antwort auf sie lässt sich nämlich ohne Weiteres aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung
ableiten.
Aus dem Urteil des BSG vom 22.3.2006 (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6) lässt sich ohne Weiteres ableiten, dass bei missbräuchlicher Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft
iS des § 33 Abs 1 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) Honorarbescheide
korrigiert werden können. Ein derartiger Formenmissbrauch liegt auf der Grundlage dieses Urteils vor, wenn Zahnärzte gemeinsam
Sprechstundenzeiten ankündigen, die eine einzelne Praxis offensichtlich nicht anbieten kann. Sprechstunden an jedem Werktag
von 7 bis 24 Uhr können nur mehrere Zahnärzte nach näherer Absprache ankündigen, und typischerweise will der Patient dann
denjenigen Zahnarzt in Anspruch nehmen, der gerade zur Verfügung steht. Damit wird sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis
die Zusammenarbeit in einer Weise gestaltet, wie sie für eine Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) typisch
ist. Eine solche Form der Kooperation kann - wie auch im vorliegenden Fall gemäß den Feststellungen des LSG (vgl §
163 SGG) - zu einem hohen Anteil an Patienten führen, an deren Behandlung sowohl der betroffene Arzt als auch Kollegen derselben
Praxisgemeinschaft gemeinsam beteiligt sind. Dies indiziert nach den Ausführungen des BSG, dass die Kooperationsform Praxisgemeinschaft
missbräuchlich benutzt wird (vgl BSG, aaO, RdNr 19: "hoher Anteil"). Zur Frage, ab welcher Größenordnung ein hoher Anteil
gemeinsam behandelter Patienten vorliegt, hat das BSG auf die Richtlinien hingewiesen, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung
und die Spitzenverbände der Krankenkassen vereinbart haben und nach denen bereits bei 20 % Patientenidentität - bzw bei 30
% im Falle gebietsübergreifender/versorgungsübergreifender Praxisgemeinschaften - eine Abrechnungsauffälligkeit anzunehmen
ist (aaO, RdNr 19). Gründe dafür, im zahnärztlichen Bereich von grundlegend anderen Grenzziehungen auszugehen, sind nicht
erkennbar. Dies führt dazu, dass die Anzahl gemeinsam behandelter Patienten in einer Größenordnung, wie sie vom LSG im Falle
des Klägers festgestellt worden ist, iVm den weiteren vom LSG festgestellten Umständen ohne Weiteres einen Missbrauch der
Kooperationsform Praxisgemeinschaft erkennen lassen (vgl dazu auch den BSG, Beschluss vom 17.9.2008 - B 6 KA 65/07 B - RdNr 10).
Mithin ist ein Bedarf nach weiterer Klärung im Sinne einer Klärungsbedürftigkeit gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nicht gegeben.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§
154 Abs
2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz. Seine Bemessung erfolgt in Höhe des festgesetzten Rückforderungsbetrags.