Anspruch auf eine Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis zur Durchführung künstlicher Befruchtungen in der vertragsärztlichen
Versorgung
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt die Ermächtigung für den Betrieb einer Zweigpraxis zur Durchführung von Maßnahmen der Reproduktionsmedizin.
Die Klägerin ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin.
Sie erbringt an ihrem Vertragsarztsitz in der niedersächsischen Stadt G. - mit Genehmigung der Landesärztekammer (LÄK) Niedersachsen
gemäß §
121a SGB V - Leistungen der Reproduktionsmedizin. Um solche Leistungen auch in der hessischen Stadt K. durchführen zu können, beantragte
sie die Erteilung einer weiteren Genehmigung gemäß §
121a SGB V bei der LÄK Hessen - was Gegenstand des am 5.6.2013 ebenfalls entschiedenen Verfahrens B 6 KA 28/12 R gewesen ist - und eine Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis bei dem Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen
Vereinigung (KÄV) Hessen.
Die Klägerin hatte mit ihrem Antrag auf eine Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis in der Stadt K. weder bei dem Zulassungs-
und dem beklagten Berufungsausschuss noch im Gerichtsverfahren Erfolg (Beschluss/Bescheid vom 1.11.2007/13.2.2008, Beschluss/Widerspruchsbescheid
vom 11.3./9.4.2009, Gerichtsbescheid des SG vom 20.10.2010 und Urteil des LSG vom 19.10.2011), nachdem jeweils zuvor auch ihr Antrag auf eine Genehmigung gemäß §
121a SGB V sowohl bei der LÄK Hessen als auch beim SG und LSG erfolglos gewesen war (Ablehnungen vom 29.11.2004 - ohne nähere Begründung - und vom 22.9.2006, Widerspruchsbescheid
vom 26.6.2007, Urteile des SG vom 8.10.2008 und des LSG vom 8.6.2011). Das LSG hat zur Begründung der Abweisung ihres Antrags auf Erteilung einer Ermächtigung
zum Betrieb einer Zweigpraxis ausgeführt: Der beklagte Berufungsausschuss habe eine Versorgungsverbesserung im Sinne des §
24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) beurteilungsfehlerfrei verneint; in der Stadt K. sei der Versorgungsbedarf durch das umfassende Leistungsangebot des medizinischen
Versorgungszentrums (MVZ) K. gedeckt, dieses habe zudem noch freie Kapazitäten. Der Beklagte habe auch zutreffend berücksichtigt,
dass die Erbringung reproduktionsmedizinischer Leistungen eine Genehmigung gemäß §
121a SGB V erfordere und dass diese rechtmäßig versagt worden sei.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, sie habe Anspruch auf eine Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis in der
Stadt K. Sie strebe diese allein für die Durchführung reproduktionsmedizinischer Behandlungen an. Es gehe nicht an, dass jede
der beiden zur Entscheidung berufenen Institutionen - sowohl die Landesärztekammer wegen der Genehmigung gemäß §
121a SGB V als auch die Zulassungsgremien wegen der Zweigpraxisermächtigung - das bei ihr gestellte Begehren mit der Begründung ablehne,
dass keine Bewilligung der anderen Institution vorliege. Das stelle sich gegenüber ihr - der Klägerin - als eine Art "Köpenickiade"
dar. Die jeweils um Bewilligung ersuchte Institution müsse bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen die Bewilligung erteilen,
allenfalls könne sie diese unter den Vorbehalt stellen, dass auch die andere Institution die erforderliche Bewilligung erteile.
Eine Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV ergebe sich sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht; bereits jetzt kämen viele Patientinnen aus K. und
Umgebung in ihre (Haupt-)Praxis in G. Sie erbringe qualitativ hochwertige Leistungen - erziele auch überdurchschnittliche
Geburtenraten - und biete eine zukunftssichere Versorgung, was bei dem in K. tätigen MVZ aufgrund einer Drittanfechtung nicht
sicher sei. Sie verdiene zudem deshalb den Vorzug gegenüber dem MVZ, weil dieses von einem internationalen Investor getragen
werde und der Gesetzgeber mit seiner Gesetzesreform zum 1.1.2012 eine Zurückdrängung institutioneller Investoren anstrebe.
Falls sich das Leistungsangebot des MVZ als qualitativ defizitär erweise, müsse ihm die Genehmigung gemäß §
121a SGB V entzogen werden. Gerade bei Maßnahmen der Reproduktionsmedizin seien niedergelassene Ärzte vorzuziehen, weil hier eine enge,
die Intimsphäre betreffende Arzt-Patienten-Beziehung bestehe. Im Übrigen sei die Ermittlung der angeblich unterdurchschnittlichen
Auslastung des MVZ zu beanstanden, weil der Aussagewert von Angaben eines Konkurrenten fragwürdig sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19.10.2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 20.10.2010
sowie den Beschluss/Bescheid des Beklagten vom 11.3./9.4.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine
Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis in der Stadt K. zu erteilen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die Ermächtigung
unter der Bedingung zu erteilen, dass der Klägerin eine Genehmigung gemäß §
121a SGB V durch die Landesärztekammer Hessen erteilt wird, weiter hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Widerspruch der Klägerin
neu zu bescheiden, ferner hilfsweise, festzustellen, dass die Ablehnung des Antrags auf Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis
rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das Urteil des LSG. Dieses habe zutreffend seine Ablehnung der Zweigpraxisermächtigung als rechtmäßig
angesehen. Für eine Verbesserung der Versorgung reiche die Möglichkeit größerer Auswahl der Versicherten zwischen verschiedenen
Ärzten nicht aus. Je spezieller das Leistungsangebot, desto größere Entfernungen zur jeweiligen Praxis seien den Versicherten
zumutbar. Eine qualifizierte Versorgungsverbesserung durch eine Zweigpraxis der Klägerin sei nicht erkennbar. Einen Vorrang
für eine niedergelassene Ärztin gegenüber einem institutionellen Leistungsanbieter wie einem MVZ und seinem Träger gebe es
nach den gesetzlichen Regelungen nicht. Das Leistungsspektrum des MVZ K. sei umfassend. Defizite seien nicht festgestellt;
diese ließen sich auch nicht aus den Ausführungen der Klägerin zur Korrelation Patientenzahl/Erfolgsquote ableiten. Das MVZ
habe noch Kapazitäten für weitere Patientinnen; es sei nur unterdurchschnittlich ausgelastet. Die Feststellung unterdurchschnittlicher
Auslastung gründe sich entgegen dem Vorhalt der Klägerin nicht allein auf Angaben des MVZ selbst, sondern ergebe sich aus
den von der KÄV eingereichten Abrechnungslisten und dem Vergleich mit dem Durchschnitt der Fallzahlen der reproduktionsmedizinisch
ausgerichteten Gynäkologen. Die Leistungsfähigkeit des MVZ und der im MVZ tätigen Ärzte bestehe auch faktisch ungeschmälert
fort, ungeachtet der von der Klägerin angeführten Drittanfechtungen, weil das MVZ und seine Ärzte weiterhin alle Leistungen
erbringen dürften. Irrelevant sei, ob sich eine Versorgungsverbesserung speziell für die Patientinnen der Klägerin ergäbe,
von denen bereits jetzt viele aus K. und Umgebung in ihre (Haupt-)Praxis in G. kämen. Auch bestehe keine Rechtsgrundlage für
die Forderung der Klägerin, die Ermächtigung zum Betrieb der Zweigpraxis unter der Bedingung nachfolgender Genehmigung gemäß
§
121a SGB V zu erteilen; dem stehe im Übrigen entgegen, dass eine solche zulassungsrechtliche Position immer nur förmlich und eindeutig
zuerkannt werden dürfe, also bedingungsfeindlich sei.
Die zu 1. beigeladene KÄV macht ebenfalls geltend - ohne einen eigenen Antrag zu stellen -, die Revision sei unbegründet.
Die Vorinstanzen hätten die Versagung der Zweigpraxisermächtigung zu Recht als rechtmäßig erachtet, denn die Klägerin erfülle
nicht die Voraussetzungen gemäß § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV.
Die übrigen Beigeladenen stellen ebenfalls keine Anträge und äußern sich nicht.
II
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Die Entscheidung des Beklagten, den Antrag der Klägerin
auf Erteilung einer Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis abzulehnen, ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Führung von Zweigpraxen ist § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 2 Ärzte-ZV. Diese Regelung, die ihre gesetzliche Grundlage in §
98 Abs
2 Nr
13 SGB V hat, setzt voraus, dass (a) die Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort verbessert und (b) die ordnungsgemäße Versorgung
der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird (mit geringfügiger Modifizierung durch Anfügung eines
zweiten Halbsatzes in § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Ärzte-ZV durch Art 9 Nr 8 Buchst b aa des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983 ff, 3017: "geringfügige Beeinträchtigungen für
die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes sind unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren
Ort aufgewogen werden"). Nach Satz 5 und 6 der Vorschrift hat der Arzt bei Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 1 Anspruch
auf Genehmigung des Betriebs der Zweigpraxis durch seine KÄV bzw im Fall einer Zweigpraxis in einem anderen KÄV-Bezirk Anspruch
auf eine Ermächtigung durch den dortigen Zulassungsausschuss.
1. Im Rahmen der Prüfung, ob der Betrieb einer Zweigpraxis eine Versorgungsverbesserung bewirken kann, bestehen in dem Fall,
dass der Bewerber die Zweigpraxis allein zur Erbringung eines Leistungsspektrums betreiben will, für das er eine spezielle
Genehmigung - hier diejenige nach §
121a SGB V zur Erbringung reproduktionsmedizinischer Leistungen - benötigt, Besonderheiten. In diesem Fall muss diese spezielle Genehmigung
zuvor vorliegen, ehe der Betrieb der Zweigpraxis gestattet werden kann. Eine Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV, wie sie Voraussetzung für die Gestattung einer Zweigpraxis ist, kann nur dann eintreten, wenn der Zweigpraxisbewerber die
Befugnis hat, die betreffenden Leistungen zu erbringen. Das Ineinandergreifen der Vorschriften des vertragsärztlichen Zulassungsrechts
und des §
121a SGB V ist dahin aufzulösen, dass vorrangig die Entscheidung gemäß §
121a SGB V zu treffen ist.
Wegen dieses Vorrangs dürfen die Zulassungsgremien über die zulassungsrechtliche Position grundsätzlich erst entscheiden,
nachdem die LÄK über die Genehmigung gemäß §
121a SGB V entschieden hat. Nicht die zulassungsrechtliche Position ist Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung gemäß §
121a SGB V, sondern diese Genehmigung muss vorliegen, bevor die KÄV bzw der Zulassungsausschuss über den Zugang des Antragstellers zur
vertragsärztlichen Versorgung an dem geplanten Standort entscheiden kann.
Dieser Vorrang einer qualifikations- bzw standortbezogenen Genehmigung trägt dem Umstand Rechnung, dass immer dann, wenn Vertragsärzte
vertragsärztliche Leistungen außerhalb ihres Praxisstandortes erbringen möchte und Nichtvertragsärzte über eine Sonderbedarfszulassung
oder Ermächtigung Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung erhalten wollen, Aspekte des Versorgungsbedarfs der Versicherten
eine Rolle spielen. Nur wer diesen - unterstellten - Bedarf mit den dafür vorausgesetzten tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen
zu decken vermag, kann die erforderliche zulassungsrechtliche Position erhalten. Soweit die Bedarfsdeckung eine zusätzliche
Genehmigung oÄ erfordert, muss diese nachgewiesen sein, bevor die zulassungsrechtliche Position bewilligt werden kann.
Das hat der Senat in der Vergangenheit schon mehrfach in anderen Konstellationen entschieden. Danach muss der (Krankenhaus-)Arzt,
der eine Ermächtigung zur Erbringung spezialisierter Leistungen erlangen will, die hierfür ggf erforderliche spezielle Berechtigung
vorweisen: Eine Ermächtigung zur Erbringung von Großgeräte-Leistungen konnte, solange für das Betreiben von sog Großgeräten
der Standort "abgestimmt" sein musste, erst in Betracht kommen, wenn der Standort abgestimmt war (vgl die damalige Fassung
des §
122 SGB V vom 21.12.1992, BGBl I 2266, in Kraft bis zum 30.6.1997), und eine Ermächtigung zu anderen spezialisierten Leistungen erfordert,
dass der Antragsteller die ggf erforderliche fachgebietliche Qualifikation (zB Schwerpunktbezeichnung) und nötigenfalls auch
eine weitere zusätzliche besondere Qualifikation erlangt haben muss. Die Vorlage entsprechender Nachweise ist jeweils Voraussetzung,
um eine auf die Erbringung dieser Leistungen bezogene zulassungsrechtliche Position erhalten zu können. Zusammengefasst bedeutet
dies, dass die Zuerkennung einer zulassungsrechtlichen Position nur in Betracht kommen kann, wenn und soweit der Arzt "tatsächlich
und rechtlich in der Lage (ist), die Leistungen ... zu erbringen" (so zum Standort-Erfordernis als Voraussetzung für eine
Ermächtigung zur Erbringung von Großgeräte-Leistungen BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 14 S 76; ebenso zB zur Fachgebietszugehörigkeit als Voraussetzung für die Ermächtigung eines Anästhesisten zur Erbringung
schmerztherapeutischer Leistungen BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 30 S 149: zum Großgeräte-Befähigungsnachweis als Voraussetzung für die Ermächtigung zur Erbringung von Großgeräte-Leistungen
BSGE 97, 158 = SozR 4-2500 § 135 Nr 10, RdNr 12 am Ende; zur Schwerpunktbezeichnung Pneumologie als Voraussetzung für die Ermächtigung
eines Internisten zur Erbringung pneumologischer Leistungen BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 15; vgl auch zur Voraussetzung der LÄK-Kinderzahnfachkunde für die Genehmigung eines darauf
bezogenen Zweigpraxisbetriebs BSG SozR 4-5525 § 24 Nr 1 RdNr 21 und 27). Entsprechend dieser Rechtsprechung ist in dem Fall, dass ein Arzt die Genehmigung bzw Ermächtigung
für den Betrieb einer Zweigpraxis zur Erbringung eines genehmigungspflichtigen Leistungsspektrums begehrt, für die Gestattung
des Betriebs der Zweigpraxis erforderlich, dass der Arzt bereits die Befugnis zur Erbringung der Leistungen erlangt hat. Sonst
kann das Erfordernis einer Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV nicht bejaht werden. Die Frage, ob eine Befugnis zur Erbringung der betroffenen Leistungen besteht, muss deshalb vorrangig
geklärt werden vor der Entscheidung über die Zuerkennung der dafür erforderlichen zulassungsrechtlichen Position.
2. Diesem Vorrang der Genehmigung gemäß §
121a SGB V vor der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs 3 Satz 1 Ärzte-ZV müssen die KÄV bzw die Zulassungsgremien zunächst (a) durch die Gestaltung der bei ihnen anhängigen Verfahren, aber auch
(b) inhaltlich im Rahmen ihrer Entscheidung Rechnung tragen.
a) Die zur Entscheidung über den Zweigpraxisantrag berufenen Institutionen - KÄV bzw Zulassungsgremien - müssen grundsätzlich
die Entscheidung der nach §
121a Abs
1 Satz 1 iVm Abs
4 SGB V im jeweiligen Bundesland zuständigen Behörde abwarten. Die Erteilung der zulassungsrechtlichen Position darf nicht schon
deshalb abgelehnt werden, weil noch keine Genehmigung gemäß §
121a SGB V vorliegt. Solange das Genehmigungsverfahren gemäß §
121a SGB V noch anhängig ist und ernsthaft betrieben wird und das Begehren nicht offensichtlich aussichtslos ist, haben die Zulassungsgremien
mit ihrer Entscheidung über die zulassungsrechtliche Position grundsätzlich zuzuwarten.
Nur in Ausnahmekonstellationen, etwa wenn das Genehmigungsverfahren gemäß §
121a SGB V nicht (mehr) ernsthaft betrieben wird oder wenn der Antrag auf Genehmigung gemäß §
121a SGB V offensichtlich, auf den ersten Blick - zB bei Fehlen der Schwerpunktqualifikation für Reproduktionsmedizin - ohne jede Erfolgsaussicht
ist, sind die KÄV bzw die Zulassungsgremien befugt, auch ohne Vorliegen einer Entscheidung der nach §
121a Abs
1 Satz 1 iVm Abs
4 SGB V zuständigen Behörde zu entscheiden und die Zweigpraxisgenehmigung bzw -ermächtigung abzulehnen. Ebenso darf unabhängig von
dem Verfahren gemäß §
121a SGB V über den Zweigpraxisantrag entschieden werden, wenn sich die KÄV bzw die Zulassungsgremien dabei ausschließlich auf Gesichtspunkte
stützen, mit den sich die gemäß §
121a SGB V zuständige Behörde weder befasst noch aus kompetenzrechtlichen Gründen befassen darf; so dürfen sie eine Versagung eigenständig
darauf stützen, dass der Betrieb der Zweigpraxis die Versorgung am Ort der Hauptpraxis in unzulässigem Umfang beeinträchtigen
würde (vgl §
24 Abs
3 Satz 1 Nr
2 SGB V und dazu BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 5 RdNr 12 ff).
Ist ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben, so müssen die KÄV bzw der Zulassungsausschuss dem Vorrang des Genehmigungsverfahrens
dadurch Rechnung tragen, dass sie den Ausgang des Verfahrens auf Genehmigung gemäß §
121a SGB V abwarten. Sie können ihr Verfahren entweder im Einverständnis mit dem Antragsteller stillschweigend oder ausdrücklich ruhen
lassen (entsprechend §
202 Satz 1
SGG iVm §
251 Satz 1
ZPO; unstreitig, vgl zB BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 49 und Nr 29 RdNr 40; von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 8 RdNr 5), oder sie können das Verfahren wegen vorgreiflicher Entscheidung einer anderen Behörde aussetzen (entsprechend §
114 Abs
2 Satz 1 Variante 2
SGG; unstreitig, vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 25 mwN; von Wulffen aaO).
Die Frage, ob die Zulassungsgremien mit ihrer Entscheidung auch dann noch weiterhin warten müssen, wenn die Entscheidung der
anderen Behörde - hier: der LÄK - zwar vorliegt, aber gerichtlich angefochten worden ist, ist nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen
zu beurteilen. Handelt es sich um ein gerichtliches Verfahren gegen die Ablehnung einer Genehmigung gemäß §
121a SGB V, so ist Klageart die Verpflichtungsklage auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts, die keine aufschiebende Wirkung
entfaltet (§§ 86a, 86b Abs 1
SGG betreffen allein Widerspruch und Anfechtungsklage, also Rechtsbehelfe gegen belastende Verwaltungsakte). Erwirkt der Antragsteller
keine einstweilige Anordnung (§
86b Abs
2 SGG), so ist die Genehmigungsablehnung einstweilen zu beachten. Dies gibt den Zulassungsgremien die Befugnis, darauf gestützt,
den Betrieb einer Zweigpraxis abzulehnen, was durch den betroffenen Arzt ebenfalls angefochten werden kann.
Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt keine Konstellation vor, die wegen des Ineinandergreifens der Regelungen des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV und des §
121a SGB V den Zulassungsgremien Anlass geben könnte, einen Ermächtigungsbescheid unter dem Vorbehalt, dass die LÄK die Genehmigung
gemäß §
121a SGB V erteilt (zB Bedingung oder sonstige Nebenbestimmung), zu erlassen. Eine Nebenbestimmung, die im Sinne des § 32 Abs 1 SGB X sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden, kann nur in Betracht kommen,
wenn lediglich noch geringfügige tatbestandliche Voraussetzungen fehlen. Die wesentlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein
(vgl BSGE 89, 62, 64 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 344 = Juris RdNr 19). In einem Fall der vorliegenden Art indessen sind als Folge der noch
nicht entschiedenen Frage der Genehmigungserteilung gemäß §
121a SGB V zugleich noch wesentliche Elemente des Vorliegens einer Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV offen.
b) Der Vorrang des Verfahrens gemäß §
121a SGB V bedeutet inhaltlich, dass die KÄV bzw die Zulassungsgremien sich bei Vorliegen der Entscheidung über die Genehmigung gemäß
§
121a SGB V sich nicht in Widerspruch zu denjenigen Feststellungen und Erwägungen setzen darf, auf die diese Entscheidung gestützt ist.
Soweit zB die Entscheidung gemäß §
121a SGB V Ausführungen zur Bedarfsgerechtigkeit und/oder Leistungsfähigkeit im Sinne des §
121a Abs
2 Nr
2 SGB V enthält, dürfen die KÄV bzw die Zulassungsgremien bei ihrer Beurteilung, ob eine Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV vorliegt, davon nicht abweichen. Sie müssen die Ausführungen vielmehr zugrunde legen und können daran anknüpfen.
c) Aus anderen Gründen hingegen, die nicht Gegenstand der (vorrangigen) Prüfung im Rahmen des §
121a SGB V sind, dürfen sie eine Verbesserung der Versorgung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV bejahen oder verneinen. So sind die KÄV bzw die Zulassungsgremien zB nicht gehindert, den Betrieb einer Zweigpraxis aus spezifisch
vertragsarztrechtlichen Erwägungen zu versagen, mit den sich die gemäß §
121a SGB V zuständige Behörde weder befasst noch aus kompetenzrechtlichen Gründen befassen darf. Das betrifft etwa den bereits erwähnten
Gesichtspunkt, dass der Betrieb der Zweigpraxis die Versorgung am Ort der Hauptpraxis in unzulässigem Umfang beeinträchtigen
würde (vgl oben RdNr 18). In einem solchen Fall "inhaltlicher Unabhängigkeit" der Entscheidung über den Zweigpraxisantrag
darf diese auch vorgezogen ergehen.
3. Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die Ablehnung der Zweigpraxisermächtigung durch
den Beklagten weder der gemäß § 121a Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4 zuständigen LÄK unzulässig vorgriff noch inhaltlich in deren Kompetenzen
eingriff. Der Beklagte erließ seinen Bescheid erst, als die LÄK ihre ablehnende Entscheidung gemäß §
121a SGB V getroffen hatte. Der Beklagte konnte bei seiner Entscheidung über die Zweigpraxisermächtigung an die Erwägungen der LÄK anknüpfen;
er konnte seine Entscheidung über die Zweigpraxisermächtigung auf dieselben oder vergleichbare Erwägungen stützen, wie sie
auch die LÄK ihrer Entscheidung gemäß §
121a SGB V zugrunde gelegt hatte. Diesen Rahmen hielt der Beklagte bei seiner Bewertung, ob die geplante Zweigpraxis die Versorgung
im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV verbessern würde, auch ein. Dies ergibt sich aus der Ähnlichkeit der Erwägungen des Beklagten in seinem Ablehnungsbescheid
mit den Erwägungen der LÄK in ihrem Ablehnungsbescheid.
Die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Zweigpraxisermächtigung erfordert zusätzlich, dass der Bescheid des Beklagten den Anforderungen
entspricht, die sich inhaltlich aus § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 2 Ärzte-ZV ergeben. Die inhaltliche Bewertung, ob sich durch den Betrieb der Zweigpraxis eine Versorgungsverbesserung am Ort der geplanten
Zweigpraxis und/oder eine Versorgungsbeeinträchtigung am Ort der Hauptpraxis ergeben, erfordert Abwägungen, bei denen der
KÄV bzw den Zulassungsgremien ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 53 f; BSGE 107, 230 = SozR 4-5525 § 24 Nr 2, RdNr 22 iVm 27; BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 5 RdNr 12). Die dabei abzuwägenden Gesichtspunkte hat der Senat näher umschrieben.
Der Senat hat herausgestellt, dass Gesichtspunkte der Bedarfsplanung im Sinne der Bedarfsplanungs-Richtlinie keine Rolle spielen. Er hat weiter ausgeführt, dass das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers - ungeachtet der damit
verbundenen Erweiterung der Möglichkeiten der Arztwahl - jedenfalls in nicht unterversorgten Gebieten noch keine Verbesserung
der Versorgung darstellt. Eine qualitative Versorgungsverbesserung kann beispielsweise vorliegen, wenn der in der Zweigpraxis
tätige Arzt im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über weitere qualifikationsgebundene Genehmigungen verfügt
oder ein differenzierteres Leistungsspektrum anbietet. Eine quantitative Erweiterung des bestehenden Versorgungsangebots kommt
dann als Verbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV in Betracht, wenn durch das erhöhte Leistungsangebot Wartezeiten verringert oder wenn Abend- und Wochenend-Sprechstunden
angeboten werden, uU auch dann, wenn die Zweigpraxis besser erreichbar ist als die bereits bestehenden Praxen (vgl zu alledem
BSGE 107, 230 = SozR 4-5525 § 24 Nr 2, RdNr 18 f).
Der Senat hat weiter ausgeführt, dass regelmäßig auch zu berücksichtigen ist, ob eine Zweigpraxis außer gewissen Verbesserungen
nicht auch zugleich Nachteile mit sich bringt: Da der Arzt in seiner Zweigpraxis nur zeitlich eng limitiert für die Versorgung
zur Verfügung steht und dadurch die von ihm betreuten Patientinnen für evtl erforderliche Nachbehandlungen und ggf auch Notfallbehandlungen
andere Ärzte aufsuchen müssen, die die bereits erhobenen Befunde nicht kennen und diese deshalb neu erheben müssen, entstehen
zusätzlicher Aufwand und Kosten, was Unwirtschaftlichkeit bedeuten kann (zu alledem vgl BSGE 107, 230 = SozR 4-5525 § 24 Nr 2, RdNr 27-30, 32; BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 5 RdNr 12-14). Sind derartige Nachteile gegeben, so hat eine Saldierung der Vor- und Nachteile zu erfolgen, wobei die
Zulassungsgremien in Anwendung ihres Beurteilungsspielraums die Vor- und die Nachteile zu gewichten und gegeneinander abzuwägen
haben (vgl BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 5 RdNr 12 am Ende).
Die ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 11.3./9.4.2009 ist mit diesen Maßstäben vereinbar. Er hat beurteilungsfehlerfrei
darauf abgestellt, dass das am Ort der geplanten Zweigpraxis vorhandene MVZ und die dort in der Reproduktionsmedizin tätigen
Leistungserbringer mit dementsprechender Qualifikation und Genehmigung gemäß §
121a SGB V alle erforderlichen Leistungen in der gebotenen Qualität erbringen und über ausreichende Kapazitäten ohne Wartezeiten für
weitere Leistungsnachfragen verfügen (Bescheid vom 9.4.2009 S 21). Der Beklagte hat seine Feststellung unterdurchschnittlicher
Auslastung - ca 500 Fälle je Quartal im Gegensatz zu durchschnittlich ca 900 Fällen - entgegen dem Vorhalt der Klägerin nicht
allein auf Angaben des MVZ selbst gegründet, sondern auf eine Mitteilung der KÄV, die dafür auch die bei ihr vorliegenden
Abrechnungsübersichten herangezogen hat. Dies ist ausreichend. Leistungsangebote eines MVZ sind entgegen der Ansicht der Klägerin
nicht etwa nachrangig, wie sich aus der grundsätzlichen gesetzlichen Gleichstellung ergibt (vgl hierzu §
72 Abs
1 Satz 2, §
95 Abs
1 SGB V). Wie bereits ausgeführt, stellt das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers - ungeachtet der damit verbundenen Erweiterung
der Möglichkeiten der Arztwahl - noch keine Verbesserung der Versorgung dar (BSGE 107, 230 = SozR 4-5525 § 24 Nr 2, RdNr 18).
Hinzu kommt, dass der Betrieb einer Zweigpraxis durch die Klägerin auch Nachteile unter den Aspekten der Versorgungsqualität
und -kontinuität mit sich bringen würde (zur Mitberücksichtigung von Nachteilen vgl oben RdNr 27 am Ende unter Hinweis auf
BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 5 RdNr 12). Die Planung der Klägerin, wie sie vor allem aus den von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten Versorgungskonzepten
deutlich wird, auf die sie im Gerichtsverfahren wiederholt Bezug genommen hat, geht dahin, die Leistungen der Reproduktionsmedizin
nur zum Teil in K. in Hessen zu erbringen und die Patientinnen im Übrigen in ihre Hauptpraxis in G. in Niedersachsen kommen
zu lassen. Sie stünde mithin in K. nur zeitlich eng limitiert für die Versorgung zur Verfügung. Dadurch müssten die von ihr
betreuten Patientinnen für evtl unvorhergesehen erforderliche Nachbehandlungen andere Ärzte aufsuchen. Ergänzende Versorgungen
durch andere Ärzte erscheinen indessen gerade in einer Arzt-Patienten-Beziehung problematisch, die - wie die Klägerin selbst
geltend macht - eng ist und in besonderem Maße Fragen der Intimsphäre berührt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit
stellen ergänzende Versorgungen durch andere Ärzte keinen gleichwertigen Ersatz für ein fehlendes vollständiges eigenes Leistungsangebot
dar (vgl oben RdNr 27 mit Hinweis auf BSGE 107, 230 = SozR 4-5525 § 24 Nr 2, RdNr 27-30, 32; BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 5 RdNr 13 f und 21). Ob ein Splitting in der Betreuung etwa dann hinzunehmen wäre, wenn sonst - etwa im ländlichen Raum
- überhaupt keine Leistungen gemäß §§ 27a, 121a
SGB V angeboten würden, ist hier nicht zu entscheiden, weil eine solche Lage in K. nicht besteht.
Schließlich kann ein Versorgungsbedarf in K. nicht damit begründet werden, dass - wie die Klägerin geltend macht - bereits
jetzt viele Patientinnen aus K. und Umgebung in ihre (Haupt-)Praxis in G. kämen. Die Frage der Versorgungsverbesserung ist
nicht für die spezielle Patientenschaft einer Praxis zu beurteilen, sondern abstrakt bezogen auf die im Einzugsbereich lebenden
Versicherten als solche (vgl die Rspr-Zusammenfassung in BSG vom 6.2.2013 - B 6 KA 38/12 B - RdNr 8 f zur Frage einer Versorgungsverbesserung).
4. Nach diesen Grundsätzen kann die Klägerin mit ihrem Antrag auf Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis in der Stadt
K. keinen Erfolg haben, denn der ablehnende Bescheid des Beklagten ist nicht zu beanstanden, wie die Ausführungen zu 3. aufgezeigt
haben. Der Beklagte verneinte ohne Rechtsverstoß das Vorliegen einer Verbesserung der Versorgung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Ärzte-ZV.
Überdies ist die von der LÄK ausgesprochene Versagung der Genehmigung gemäß §
121a SGB V aufgrund der inzwischen erfolgten rechtskräftigen Zurückweisung ihrer Revision im Verfahren B 6 KA 28/12 R durch das am 5.6.2013 verkündete Senatsurteil rechtskräftig geworden. Hiernach steht unanfechtbar fest, dass die Klägerin
keine reproduktionsmedizinischen Leistungen in der Stadt K. wird erbringen können. Im Hinblick hierauf kann eine Versorgungsverbesserung
im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Ärzte-ZV nicht mehr realisiert werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung des §
154 Abs
2 VwGO. Eine Erstattung der Kosten für Beigeladene ist nicht veranlasst; sie haben im Revisionsverfahren keine Sachanträge gestellt
(§
162 Abs
3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 §
63 Nr
3, RdNr 16).