Besorgnis der Befangenheit bei der Mitwirkung eines Mitglieds des Beschwerdeausschusses einer KZÄV im Gerichtsverfahren als
ehrenamtlicher Richter
Gründe:
I
Der Kläger, ein Vertragszahnarzt, wendet sich gegen Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den Quartalen
I bis IV/1996.
Der Kläger wies im Bereich der konservierend-chirurgischen Leistungen bei deutlich unterdurchschnittlichen Fallzahlen - zwischen
knapp 39 % und 44 % des Durchschnitts der Fachgruppe - Gesamtfallwerte auf, die ungefähr doppelt so hoch waren wie diejenigen
der Fachgruppe. Auf der Grundlage eines Vergleichs mit dem Durchschnitt der Fachgruppe kürzte der Prüfungsausschuss ihm das
Honorar um ca 39.000 DM, wobei er ihm das 1,5-fache des Fachgruppendurchschnitts beließ. Der vom Kläger und von den beigeladenen
Krankenkassen(verbänden) angerufene beklagte Beschwerdeausschuss erhöhte die Kürzung auf 49.136,24 DM, indem er ihm nur das
1,4-fache des Fachgruppendurchschnitts beließ. Er führte aus, er habe auch Einzelfälle beispielhaft betrachtet, aus denen
erhebliche Unwirtschaftlichkeiten erkennbar seien (Fehlen der bei Parodontose erforderlichen Vorbehandlungen, Ausweitungen
der Diagnosen, Mängel in der Behandlungssystematik). Weder Praxisbesonderheiten noch kompensierende Einsparungen seien ersichtlich.
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht hat den Kürzungsbetrag auf 48.868,51 DM herabgesetzt, weil der Kläger schon durch
die Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabs eine Reduzierung seines Honorars auf eine Quote von 98,61 % erlitten habe. Im
Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17. April 2002). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung
des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 13. Juli 2005). Im Urteil ist ausgeführt, es habe unter Mitwirkung des ehrenamtlichen
Richters Dr. B. entscheiden dürfen. Dieser sei nicht von der Mitwirkung ausgeschlossen gewesen, denn er habe an dem hier zu
Grunde liegenden Verwaltungsverfahren nicht mitgewirkt. Seine Mitwirkung an einem anderen Verfahren des beklagten Beschwerdeausschusses,
das auch den Kläger betroffen habe, und seine Zugehörigkeit zum Beschwerdeausschuss begründeten für den vorliegenden Fall
weder einen Ausschluss noch eine Befangenheit. Das Verwaltungsverfahren der Honorarkürzung sei nicht zu beanstanden. Der Umstand
fehlender Ausführungen zur Beweiserhebung in der Niederschrift über die Sitzung des Beklagten führe nicht zur Rechtswidrigkeit
seiner Entscheidung. Die Honorarkürzung sei auch in der Sache rechtmäßig. Die geringen Fallzahlen des Klägers schlössen die
Durchführung einer statistischen Vergleichsprüfung nicht aus und seien auch nicht als Praxisbesonderheit zu werten. Andere
Praxisbesonderheiten seien nicht ersichtlich. Der Beklagte habe rechtsfehlerfrei ein offensichtliches Missverhältnis bei einer
Überschreitung um 40 % angenommen und dem Kläger eine entsprechende Restüberschreitung belassen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger Verfahrensmängel und die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Erfolglos ist die Rüge des Klägers, dem LSG sei ein Verfahrensmangel anzulasten (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz >SGG<), weil der ehrenamtliche Richter Dr. B. am Verfahren des LSG nicht hätte mitwirken dürfen. Diese Rüge ist zwar zulässig,
weil die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde insoweit den Darlegungserfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG Rechnung trägt. Sie ist aber unbegründet.
Weder ein Ausschlusstatbestand des §
60 Abs
1 SGG iVm §
41 Zivilprozessordnung (
ZPO) ist gegeben noch derjenige des §
60 Abs
2 SGG - Mitwirkung bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren -, wie der Kläger selbst einräumt.
Sein Vorbringen ergibt aber auch keinen Fall einer Besorgnis der Befangenheit gemäß §
60 Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
42 Abs
2 ZPO.
Die Besorgnis von Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn in Einzelfällen Anhaltspunkte
für eine konkrete ins Gewicht fallende Interesseneinbindung bestehen (BSGE 82, 150, 155 f = SozR 3-1500 § 60 Nr 4 S 17 f, mwN). Dieser Tatbestand ist eher eng auszulegen (BSG, aaO, S 156 bzw S 18, mwN). Er
schließt zB nicht aus, dass ein Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) als ehrenamtlicher
Richter in einem Gerichtsverfahren mitwirkt, in dem die KZÄV als Partei beteiligt ist und die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses
der Vertreterversammlung in Frage steht (BSG, aaO, S 154 bzw S 16). Er schließt auch nicht die Mitwirkung solcher Personen
aus, die an früheren zu Ungunsten des Steuerpflichtigen getroffenen Entscheidungen beteiligt waren, auch dann nicht, wenn
ein früheres Verfahren eine gleichliegende Sache betraf (BFH BFH/NV 2001, 621, 622 zum inhaltsgleichen Tatbestand des § 51 Abs 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung >FGO< iVm §
42 Abs
2 ZPO). Die Richtigkeit dieser Bewertung ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber den Ausschlusstatbestand des §
60 Abs
2 SGG (entspricht § 51 Abs 2 FGO) auf den Fall der Beteiligung im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren begrenzt hat, also offenbar die Beteiligung in einem
gleich gelagerten anderen (sog Parallel-)Verfahren nicht als Hindernis für eine Mitwirkung sehen wollte (so BFH, aaO, S 622
mit Belegen aus der BFH- und BVerwG-Rechtsprechung).
Aus der Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall, in dem Dr. B. dem beklagten Beschwerdeausschuss angehört
und in dieser Eigenschaft an anderen Entscheidungen in - zum Teil gleich liegenden - Angelegenheiten des Klägers beteiligt
war, folgt, dass dieser Umstand allein kein Hindernis für seine Mitwirkung an dem berufungsgerichtlichen Verfahren und an
dem angefochtenen Urteil des LSG gewesen ist. Nur wenn im Einzelfall ein konkreter Anhaltspunkt für eine von Voreingenommenheit
bestimmte Haltung des ehrenamtlichen Richters bestünde, könnte eine Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt sein (vgl BSGE
82, 150, 155 f = SozR 3-1500 § 60 Nr 4 S 17 f, mwN). Ein solcher konkreter Anhaltspunkt im Einzelfall ist aber weder ersichtlich
noch vom Kläger geltend gemacht worden.
2. Ebenfalls ohne Erfolg wirft der Kläger als grundsätzlich bedeutsam (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) die Frage auf, welche Anforderungen an die Niederschrift bzw das Protokoll über die Sitzung des Beschwerdeausschusses in
Angelegenheiten betreffend die Honorarberichtigung zu stellen sind.
Diese Rüge ist schon nicht zulässig, denn er hat die grundsätzliche Bedeutung nicht in der erforderlichen Form dargelegt.
Wer die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache geltend macht, muss gemäß §
160a Abs
2 Satz 3
SGG in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnen und näher darstellen, dass diese
Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über
den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG >Kammer<, SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG SozR 4-1500 § 160a
Nr 5 RdNr 2 ff und Nr 7 RdNr 4 ff, mwN). Diese Darlegungsanforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind
verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl BVerfG >Kammer<, SozR 3-1500 § 160a Nr 31 S 61). Die Beschwerdebegründung des Klägers
genügt diesen Erfordernissen nicht.
Die vom Kläger formulierte Frage beinhaltet schon keine konkrete Rechtsfrage, die in einem Revisionsverfahren vom Senat eindeutig
beantwortet werden könnte. Sie bezeichnet lediglich die thematische Überschrift für ein Bündel möglicher einzelner Rechtsprobleme,
die sich gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Niederschrift über Sitzungen des beklagten Beschwerdeausschusses stellen könnten.
Zudem hat der Kläger die Klärungsfähigkeit der Problematik in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht dargelegt. Hierzu
hätte vor allem auch deshalb Anlass bestanden, weil die Norm, die eine Protokollierung der Sitzungen des Beschwerdeausschusses
abweichend vom Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 9 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch >SGB X<) vorsieht,
in einer landesrechtlichen und damit grundsätzlich nicht revisiblen Prüfvereinbarung enthalten ist (§
162 SGG, vgl hierzu BSGE 77, 53, 59 = SozR 3-2500 §
106 Nr 33 S 190). Der Kläger hätte deshalb darlegen müssen, ob das LSG die Bestimmung der Prüfvereinbarung in seiner Entscheidung
berücksichtigt und ggf in welcher Weise es diese ausgelegt hat. Ferner hätte zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit
erläutert werden müssen, inwiefern eine unzureichende Protokollierung der Sitzung des Beschwerdeausschusses unter Berücksichtigung
der Vorschrift des § 42 SGB X dazu führen kann, dass die Entscheidung des Beklagten rechtswidrig wird und deshalb auch nicht durch das LSG hätte bestätigt
werden dürfen.
Das Fehlen entsprechender Darlegungen zur Klärungsfähigkeit der als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Frage führt zur Unzulässigkeit
dieser Rüge.
3. Auch hinsichtlich der weiteren vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob es gerechtfertigt sei, bei einer kleineren Zahnarztpraxis
die Grenzziehung zum offensichtlichen Missverhältnis bis 40 % anzusetzen, ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht in der erforderlichen
Weise dargetan. Es fehlen jegliche Ausführungen dazu, inwiefern diese Rechtsfrage im Lichte der umfangreichen Rechtsprechung
des Senats zur Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis noch klärungsbedürftig sein könnte (vgl BSGE 62,
24, 30 = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 162; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225, Nr 45 S 244 ff, Nr 50 S 267; BSG ArztR 2005, 291, 293; BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9, jeweils RdNr 7; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 11 RdNr 50). Der Kläger setzt sich mit keiner dieser Entscheidungen
auch nur im Ansatz auseinander, sondern beschränkt sich auf die Ausbreitung seiner eigenen Rechtsansicht. Das genügt nicht,
um die Erforderlichkeit der Durchführung eines weiteren Revisionsverfahrens zu dieser Frage plausibel zu machen. Dies gilt
auch für den vom Kläger in diesem Zusammenhang angesprochenen Aspekt des Vertrauensschutzes hinsichtlich der im Jahr 1996
durchgeführten Behandlungen im Hinblick darauf, dass der Senat bereits im Jahr 1987 im zahnärztlichen Bereich eine Grenze
von 40 % für die Bestimmung des offensichtlichen Missverhältnisses gebilligt hat (BSGE 62, 24, 30 = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 162).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß §
160a Abs
4 Satz 3 Halbsatz 2
SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung).