Zulässigkeit von Feststellungsklagen der Spitzenorganisationen der Pflegedienste gegen Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege
und der Festlegung eines Leistungskatalogs in Richtlinien durch den Gemeinsamen Bundesausschuss
Gründe:
I. Streitig ist die Befugnis des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Bundesausschuss) bzw des Gemeinsamen Bundesausschusses
(GBA), in Richtlinien ein abschließendes Leistungsverzeichnis der von Vertragsärzten verordnungsfähigen Maßnahmen häuslicher
Krankenpflege festzulegen.
Der Bundesausschuss, dessen Rechtsnachfolge zum 1. Januar 2004 der beklagte GBA antrat, beschloss am 16. Februar 2000 'Richtlinien
über die Verordnung "häuslicher Krankenpflege" nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 und Abs
7 SGB V' (Krankenpflege-RL). Diese Fassung der Krankenpflege-RL trat, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit sie nicht mehr
beanstandet hatte, nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger (Nr 91, S 8878) am 14. Mai 2000 in Kraft. Im Revisionsverfahren
ist nur noch die Regelung in Nr 3 Krankenpflege-RL streitig. Sie lautet:
"Die in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege sind dem dieser Richtlinie
angefügten Leistungsverzeichnis (Anlage) zu entnehmen. Dort nicht aufgeführte Maßnahmen, insbesondere solche der ärztlichen
Diagnostik und Therapie (zB venöse Blutentnahme, i.v. Injektionen), sind nicht als häusliche Krankenpflege verordnungsfähig
und dürfen von der Krankenkasse nicht genehmigt werden."
Die Kläger zu 1. bis 9., Verbände und zT auch Träger von Pflegediensten, gehören zu den für die Wahrnehmung der Interessen
von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene. Gemeinsam mit den Klägern zu 10. bis 13., die Pflegedienste
betreiben, haben sie am 29. November 2000 vor dem Sozialgericht (SG) Klagen gegen den Bundesausschuss erhoben mit dem Ziel der Feststellung der Unwirksamkeit der Krankenpflege-RL insgesamt
bzw von einzelnen ihrer Regelungen. Der Beklagte habe mit der Festsetzung eines abschließenden Verzeichnisses der verordnungsfähigen
Krankenpflegeleistungen seine Kompetenzen im Verhältnis zu den Vertragspartnern der Rahmenempfehlung gemäß §
132a Abs
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) überschritten und damit zugleich die Kläger zu 10. bis 13. von Leistungen ausgeschlossen, die sie bislang auf der Grundlage
von Leistungserbringerverträgen erbracht hätten. Dies verletze subjektive Rechte sowohl der klagenden Verbände als auch der
einzelnen Pflegedienste.
Das SG hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 27. März 2002, veröffentlicht in GesR 2002, 30), das LSG die Berufungen der Kläger
zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Klagen der Pflegedienste - Kläger zu 10. bis 13.
- seien bereits unzulässig. Diese seien nicht Adressaten der streitigen Regelungen, die sie lediglich in Randbereichen ihrer
beruflichen Betätigung berührten. Insoweit unterscheide sich die Sachlage von der Konstellation, die dem Urteil des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 28. Juni 2000 (BSGE 86, 223 = SozR 3-2500 § 138 Nr 1 - Diätassistent) zu Grunde gelegen habe. Außerdem stünden den Pflegediensten ausreichende Alternativen
zur Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung, insbesondere Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen nach §
132a Abs
2 SGB V sowie die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Spitzenorganisationen bei Vereinbarung der Rahmenempfehlungen. Die Klagen
der Verbände - Kläger zu 1. bis 9. - seien hingegen zulässig, da diese geltend machen könnten, durch das Tätigwerden des Beklagten
in ihren eigenen Mitwirkungs- und Gestaltungsrechten gemäß §
132a Abs
1 SGB V unmittelbar verletzt zu sein. Ein Verstoß gegen die dort normierten Rechte der Spitzenorganisationen von Pflegediensten sei
jedoch nicht feststellbar. Deren Rechte stünden unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer Berücksichtigung der Richtlinie nach
§
92 Abs
1 Nr
6 SGB V; sie reichten damit nur so weit, wie der Beklagte keine entgegenstehenden Bestimmungen in den RL getroffen habe. Diese sich
bereits nach dem Wortlaut aufdrängende Auslegung erweise sich im Lichte des Gesamtsystems der Versorgung als zwingend. Für
Versicherte, die häusliche Krankenpflege als Sachleistung erhielten, müsse in gerichtlich nachprüfbarer Form feststehen, welchen
Inhalt ihr Anspruch aus §
37 SGB V konkret habe. Auch der Vertragsarzt müsse verbindlich wissen, welche Leistungen er verordnen dürfe. Die notwendige Rechtsklarheit
könne nur mit Hilfe der RL des Beklagten, denen - anders als den unverbindlichen Rahmenempfehlungen - Normqualität zukomme,
erreicht werden. Die Erstellung eines abschließenden Leistungsverzeichnisses in den Krankenpflege-RL führe nicht zu einer
Sinnentleerung der Rechte der Spitzenorganisationen von Pflegediensten aus §
132a Abs
1 SGB V. Ihnen verbleibe das Recht, in den Rahmenempfehlungen Inhalte der häuslichen Krankenpflege für die vom Beklagten in den Richtlinien
festgelegten Leistungen zu konkretisieren. Auch ein Verstoß der Krankenpflege-RL gegen Art
12 Abs
1 Grundgesetz (
GG) sei nicht erkennbar (Urteil vom 30. Juni 2004).
Mit ihren vom LSG zugelassenen Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Berufungsgericht
habe zu Unrecht die Rechtsbehelfe der Kläger zu 10. bis 13. als unzulässig behandelt. Die Krankenpflege-RL hätten ungeachtet
des Umstands, dass sie aus der Sphäre der Vertragsärzte und Krankenkassen stammten, erhebliche Auswirkungen auf die Pflegedienste.
Jede Entscheidung über die Verordnungsfähigkeit der von ihnen angebotenen Leistungen durch Vertragsärzte habe überragende
Bedeutung für ihre faktischen Betätigungsmöglichkeiten. Zudem liege es nahe, dass durch die Neuformulierung von §
91 Abs
9 SGB V im GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) die Verbindlichkeit der Richtlinien gleichfalls für nichtärztliche Leistungserbringer
normiert worden sei; deshalb seien nunmehr auch die Pflegedienste zum Kreis der Adressaten der Krankenpflege-RL zu zählen.
Das LSG habe zudem verkannt, dass dem Beklagten keine Kompetenz zur Regelung eines abschließenden Leistungsverzeichnisses
für Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege zukomme. Diese Befugnis stehe vielmehr gemäß §
132a Abs
1 Satz 1 Nr
4 SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen sowie den Spitzenorganisationen der Pflegedienste zu, die in den Rahmenempfehlungen
"die Inhalte der häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Abgrenzung" zu regeln hätten. Die Frage, welche Leistungen
von den Krankenkassen übernommen würden, betreffe die Inhalte der häuslichen Krankenpflege in diesem Sinne. Dabei gehe es
insbesondere um die Zuordnung der bekannten Pflegemaßnahmen zur Behandlungspflege, zur Grundpflege und ggf auch zur Rehabilitation.
Die Zuweisung dieser Kompetenz an die Partner der Rahmenempfehlung sei notwendig, um den in diesem Bereich seit Einführung
der Pflegeversicherung fortwährenden Streit - insbesondere zu Maßnahmen wie das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen,
Blutdruckkontrollen, Blutzuckerkontrollen, Insulininjektionen und Medikamentengaben - zu bereinigen. Die Wendung in §
132a Abs
1 Satz 1
SGB V, dass die Rahmenempfehlungen "unter Berücksichtigung der Richtlinien" erfolgen sollten, erfordere nicht, dass den Richtlinien
inhaltlich Vorrang zukommen müsse; ein solches Verständnis nehme der Regelung jeden Sinn. Auch eine systematische Auslegung
zeige, dass die Bestimmung der Inhalte häuslicher Krankenpflege nicht dem Bundesausschuss zugewiesen sei. Denn in §
92 Abs
7 SGB V fehle die in Abs
6 Satz 1 Nr
1 aaO für den Bereich der Heilmittel ausdrücklich vorgesehene Aufstellung eines Katalogs verordnungsfähiger Leistungen. Es
liege nahe, dass der Gesetzgeber damit gezielt eine unterschiedliche Ausgestaltung vornehmen wollte. Zudem zeigten die Gesetzesmaterialien,
dass es dem Gesetzgeber darum gegangen sei, Vermeidungsstrategien hinsichtlich zahlreicher Rechtsstreitigkeiten bezüglich
der Zuordnung einzelner pflegerischer Maßnahmen zur Kranken- oder Pflegeversicherung zu entwickeln; diese Absicht setze aber
voraus, dass der Leistungskatalog durch die Rahmenempfehlungen errichtet werde und nicht durch die Richtlinien. Auch teleologische
Erwägungen sprächen dafür, die schwierige Abgrenzung von Grund- und Behandlungspflege nicht strikt in Richtlinien, sondern
weicher in Rahmenempfehlungen zu behandeln. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, mit Hilfe des Instruments der Rahmenempfehlungen
eine abschließende Konkretisierung der Inhalte der Krankenpflege nach Maßgabe des Rechtskonkretisierungskonzepts vom ausfüllungsbedürftigen
Rahmenrecht zu vermeiden.
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2004 und des Sozialgerichts Köln vom 27. März 2002 aufzuheben
und festzustellen, dass Nr 3 Satz 2 der Richtlinien über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 und Abs
7 SGB V vom 16. Februar 2000 unwirksam ist.
Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Er trägt vor, sämtliche Klagen seien bereits unzulässig, weil weder ein Rechtsverhältnis iS von §
55 Abs
1 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) noch ein Feststellungsinteresse vorliege. Die Voraussetzungen, unter denen das BSG ausnahmsweise eine abstrakte Normenkontrolle
untergesetzlicher Vorschriften zulasse, lägen ebenfalls nicht vor. Die Kläger zu 1. bis 9. könnten wegen fehlender Grundrechtsfähigkeit
nicht geltend machen, in einem Grundrecht verletzt zu sein, zumal ihre Mitwirkung im Vertragssystem des
SGB V allein auf staatlicher Kompetenzzuweisung beruhe. Die Kläger zu 10. bis 13. seien als Leistungserbringer zwar Grundrechtsträger,
doch berührten die Krankenpflege-RL ihre Berufsausübungsfreiheit lediglich in Randbereichen, da in ihnen kein vollständiger
Ausschluss der Berufsgruppe von der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), sondern lediglich Modalitäten
der Leistungserbringung normiert seien. Zudem seien die Pflegedienste nicht unmittelbar durch die Richtlinien in ihrer Berufsfreiheit
betroffen, denn diese würden ihnen gegenüber nur vermittelt über die Verträge nach §
132a Abs
2 SGB V verbindlich. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen für eine Überprüfung untergesetzlicher Normen im Wege der Feststellungsklage
nicht vor. Die Kläger begehrten keine Klärung im Rahmen eines konkreten und überschaubaren Lebenssachverhalts, welche Rechte
und Pflichten sich im Einzelnen für sie aus den Krankenpflege-RL ergäben, sondern stellten eine von jedem individualisierten
Sachverhalt losgelöste Rechtsfrage zur Entscheidung und verfolgten damit in erster Linie allgemeine berufsständische Interessen.
Jedenfalls seien die Klagen unbegründet. Die Krankenpflege-RL seien auch insoweit rechtmäßig, als nach Maßgabe ihrer Nr 3
dem als Anlage beigefügten Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen ein abschließender Charakter zukomme. Die gesetzlichen
Vorschriften räumten ihm - dem Beklagten - einen Regelungsvorrang gegenüber den Rahmenempfehlungen ein. Dies folge insbesondere
aus der ihm in §
92 Abs
1 Satz 1 letzter Halbsatz
SGB V eingeräumten Befugnis, die Verordnung von Leistungen und Maßnahmen einzuschränken oder auszuschließen. Außerdem erfordere
die Funktion der RL als Instrument zur normativen Konkretisierung des Rahmenrechts der Versicherten bei Maßnahmen ua der häuslichen
Krankenpflege, dass die RL gerade auch den Inhalt der verordnungsfähigen Pflegeleistungen festlegten; in diesem Zusammenhang
komme einem abschließenden Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen besondere Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund sei unbeachtlich,
dass §
92 Abs
7 SGB V ihm - dem GBA - nicht ausdrücklich aufgebe, auch den Inhalt der häuslichen Krankenpflege festzulegen. Demgegenüber hätten
die unverbindlichen Rahmenempfehlungen einen deutlich geringeren Stellenwert. Trotz des Vorrangs der Richtlinien, der mit
dem sog "Partnerschaftsmodell" vereinbar sei, verbleibe den Partnern der Rahmenempfehlungen nach §
132a Abs
1 SGB V ein durchaus erheblicher Gestaltungsspielraum auch zur Festlegung der Inhalte häuslicher Krankenpflege. Sie könnten zB die
Art und Weise der Durchführung vorgesehener Pflegeleistungen empfehlen und weit reichende Vorschläge unterbreiten. Selbst
wenn aber Nr 3 der Krankenpflege-RL unwirksam wäre, seien die Klagen dennoch unbegründet, da hierdurch keine Rechte der Kläger
verletzt würden.
Die zu 2., 4., 5., 6. und 7. beigeladenen Spitzenverbände der Krankenkassen schließen sich den Ausführungen des Beklagten
an, ohne selbst einen Antrag zu stellen. Die übrigen Beigeladenen äußern sich nicht zur Sache.
II. Die Revisionen haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die Klagen der Kläger zu
1. bis 9. sind zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Hingegen sind die Klagen der Kläger zu 10. bis 13. bereits unzulässig.
1. Die Klagen der Spitzenorganisationen der Pflegedienste - Kläger zu 1. bis 9. - sind als Feststellungsklagen gemäß §
55 Abs
1 Nr
1 SGG ("Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses") zulässig.
Dem steht nicht entgegen, dass sich die Kläger unmittelbar gegen eine untergesetzliche Rechtsnorm wenden und das
SGG im Unterschied zur
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) keine Normenkontrollklage kennt. Dieser Grundsatz ist zunächst durch die Einführung des §
35a Abs
7 SGB V durch das Gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I 1948) durchbrochen worden. Danach kann gegen die Verordnung zur Festsetzung von
Festbeträgen unmittelbar Klage erhoben werden. Abgesehen davon hat es das BSG unter Verweis auf die Rechtsschutzgarantie des
Art
19 Abs
4 Satz 1
GG zugelassen, dass im Recht der GKV juristische und natürliche Personen, die durch untergesetzliche Normen oder deren Fehlen
in rechtlich geschützten Belangen betroffen sind, dagegen klagen können (s hierzu bereits BSGE 71, 42, 52 = SozR 3-2500 § 87 Nr 4 S 19 f - mit dem Hinweis auf Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen durch die Fachgerichtsbarkeit;
BSGE 72, 15, 17 ff = SozR 3-2500 § 88 Nr 2 S 12 ff; BSGE 78, 91 f = SozR 3-5540 § 25 Nr 2 S 3 f; BSGE 83, 118, 122 = SozR 3-2500 § 145 Nr 1 S 6; BSG - Urteil vom 28. April 1999 - B 6 KA 52/98 R - USK 99114 S 666; BSGE 86, 223, 225 = SozR 3-2500 § 138 Nr 1 S 3; vgl auch BSGE 90, 61, 64 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 204). Diese Möglichkeit besteht in denjenigen Ausnahmefällen, in denen die Betroffenen ansonsten
keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, auf Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen
Norm zu warten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt. Mit der Feststellungsklage ist es möglich,
die Anwendung und Wirksamkeit gesetzesnachrangiger Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen, wenn nur auf diese Weise wirksamer
Rechtsschutz erlangt werden kann und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat (vgl BSGE 83, 118, 122 = SozR 3-2500 § 145 Nr 1 S 6). Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das in seinem
Beschluss vom 17. Januar 2006 (1 BvR 541/02 ua - NVwZ 2006, 922, 924) unter Hinweis ua auf das Urteil des BSG vom 13. Januar 1993 (BSGE 72, 15 = SozR 3-2500 § 88 Nr 2) eine Verpflichtung des von einer Rechtsverordnung des Bundes betroffenen Bürgers postuliert, vor
Erhebung einer Verfassungsbeschwerde Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland als Normgeber zu erheben, wenn
er sich durch Regelungen in der Rechtsverordnung beeinträchtigt sieht. Legt der Betroffene unmittelbar Verfassungsbeschwerde
ein, ist diese als Urteilsverfassungsbeschwerde wegen fehlender Erschöpfung des Rechtsweges nach § 90 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz bzw als Rechtssatzverfassungsbeschwerde wegen Fehlens unmittelbarer Betroffenheit unzulässig, unabhängig davon, ob die in
Rede stehende Rechtsverordnung von §
47 VwGO erfasst wird und folglich eine unmittelbare Klagemöglichkeit eröffnet ist (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006, aaO).
a) Die vom Bundesausschuss/GBA beschlossenen Krankenpflege-RL sind ebenso wie die übrigen auf der Rechtsgrundlage des §
92 SGB V erlassenen Richtlinien nach der Rechtsprechung der mit dieser Frage befassten Senate des BSG untergesetzliche Rechtsnormen
(BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 30; BSGE 82, 41, 47 f = SozR 3-2500 § 103 Nr 2 S 17 [6. Senat]); BSGE 81, 73, 81 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 56 [1. Senat]; BSG SozR 4-2500 §
37 Nr
7 RdNr
20 [3. Senat]). §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V ermächtigt den Bundesausschuss/GBA zum Erlass von Richtlinien ua über die "Verordnung häuslicher Krankenpflege" im Hinblick
auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten iS des §
92 Abs
1 Satz 1
SGB V. Ob der Beklagte eine Regelung des Inhalts der hier streitbefangenen Nr 3 Satz 2 Krankenpflege-RL treffen darf, ist für die
Normqualität dieser Vorschrift ohne Bedeutung.
b) Die Spitzenorganisationen der Pflegedienste sind durch die Regelung in Nr 3 Satz 2 Krankenpflege-RL unmittelbar in eigenen
rechtlich geschützten Belangen betroffen. Die Spitzenorganisationen wirken nach dem in §
132a Abs
1 SGB V verankerten sog "Partnerschaftsmodell" (s hierzu näher Behnsen, MedR 1998, 51, 53 f) kraft Gesetzes an der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen über eine einheitliche Versorgung der Versicherten mit häuslicher
Krankenpflege mit. Diese Aufgabe haben sie gemäß §
132a Abs
1 Satz 1
SGB V "unter Berücksichtigung der Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6", dh auch unter Berücksichtigung der Regelungen in den Krankenpflege-RL des Bundesausschusses/GBA, wahrzunehmen. Die Krankenpflege-RL
beeinflussen somit allein durch ihre rechtliche Existenz den Spielraum der Spitzenorganisationen der Pflegedienste ebenso
wie der Spitzenverbände der Krankenkassen bei der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen zur näheren Ausgestaltung der Versorgung
mit häuslicher Krankenpflege, ohne dass es hierfür noch eines gesonderten Vollzugsaktes bedürfte.
Die Spitzenorganisationen der Pflegedienste nehmen zudem im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen zur häuslichen
Krankenpflege eigene und von der Rechtsordnung geschützte Belange wahr. Sie werden hierbei nicht lediglich als Teil mittelbarer
Staatsverwaltung tätig. Die Spitzenorganisationen erfüllen bei der Mitwirkung an der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen vielmehr
originär ihre Funktion als private Zusammenschlüsse zur Interessenvertretung ihrer Mitglieder (vgl Art
9 Abs
3 Satz 1
GG). Der Gesetzgeber hat sie im Rahmen des Partnerschaftsmodells gerade als Organisationen in privater Trägerschaft bzw als
freigemeinnützige Träger in die Mitverantwortung zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung mit Krankenpflegeleistungen
eingebunden (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 13/7264, S 52 - unter 1. - sowie
S 68, Zu Artikel 1 Nr 32d - neu - [§ 132a SGB V]; s auch Behnsen, aaO). Den Spitzenorganisationen der Pflegedienste ist somit
zusammen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen ein eigenständiger Gestaltungsauftrag und ein originärer Verantwortungsbereich
übertragen; sie sind deshalb auch befugt, Rechtsschutz gegen eine rechtswidrige Beeinträchtigung dieses Auftrags durch andere
Institutionen innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems der Leistungserbringung nach dem
SGB V in Anspruch zu nehmen (vgl Kopp/Schenke,
VwGO, 14. Aufl 2005, §
42 RdNr 63).
c) Die Spitzenorganisationen der Pflegedienste haben auch ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung der (Un-)Wirksamkeit
von Nr 3 der Krankenpflege-RL. Denn von der verbindlichen Klärung dieser Rechtsfrage hängt es ab, über welche Inhalte und
in welcher Weise sie sinnvollerweise weitere Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen zur Vereinbarung von
Rahmenempfehlungen führen können.
d) Der Zulässigkeit der Feststellungsklagen steht schließlich nicht entgegen, dass diese gegenüber einer möglichen Anfechtungs-,
Verpflichtungs- oder Leistungsklage subsidiär ist (vgl §
43 Abs
2 VwGO und dessen entsprechende Geltung im Sozialgerichtsprozess; dazu BSGE 90, 215, 220 = SozR 3-5868 §
98 Nr 1 S 6 f; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl 2005, §
55 RdNr 19, mwN). Die Spitzenorganisationen der Pflegedienste können insbesondere nicht darauf verwiesen werden, die Rechtmäßigkeit
der Krankenpflege-RL in einem Rechtsstreit mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen als ihren Vertragspartnern inzident
überprüfen zu lassen. Da Rahmenempfehlungen nach §
132a Abs
1 SGB V nur bei Konsens aller Beteiligten zustande kommen und für den Fall fehlender Einigung kein Verfahren der Zwangsschlichtung
mit Hilfe eines Schiedsamts vorgesehen ist (vgl Behnsen, aaO, S 54), besteht kein Anspruch der Spitzenorganisationen von Pflegediensten
gegenüber den Spitzenverbänden der Krankenkassen darauf, die Zustimmung zu einer Rahmenempfehlung bestimmten Inhalts zu erlangen.
Unterschiedliche Positionen und Auseinandersetzungen bei der Vereinbarung von Rahmenempfehlungen betreffen damit eine sog
"Regelungsstreitigkeit" (vgl BAGE 112, 124, 137; BSG, Beschluss vom 17. November 2000 - B 4 RA 97/00 B - juris; zum Begriff s auch Kissel, RdA 1991, 321 f), für die gerichtlicher Rechtsschutz, welcher der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten iS von Art
92 GG vorbehalten ist, nicht erlangt werden kann. Ein erfolgversprechendes gerichtliches Verfahren gegen die Spitzenverbände der
Krankenkassen, innerhalb dessen eine Inzidentkontrolle der Krankenpflege-RL tatsächlich erfolgen könnte, steht somit nicht
zur Verfügung.
2. Hingegen sind, wie das LSG zutreffend erkannt hat, die Klagen einzelner Pflegedienste - also der Kläger zu 10. bis 13.
- nicht zulässig. Diese werden durch die Regelungen der Krankenpflege-RL nicht in eigenen rechtlich geschützten Belangen betroffen.
a) Die Pflegedienste können nicht vorbringen, die angegriffene Norm richte sich auch an sie und betreffe sie deshalb selbst
und unmittelbar in ihrer Berufsausübungsfreiheit. Adressaten der Regelungen des Leistungskatalogs sind nach der ausdrücklichen
Bestimmung in Nr 3 Krankenpflege-RL einerseits der die Maßnahme verordnende Vertragsarzt (Satz 1) sowie auf der anderen Seite
die für den Versicherten zuständige Krankenkasse (Satz 2), die die verordneten Leistungen zu genehmigen (Nr
18 Krankenpflege-RL), dh entsprechend §
15 Abs
3 SGB V für den Versicherten einen Berechtigungsschein auszustellen hat. Darüber hinaus sind die Richtlinien auch für die Versicherten
unmittelbar verbindlich, wie sich nunmehr ausdrücklich aus §
91 Abs
9 SGB V (idF des GMG vom 14. November 2003, BGBl I 2190) ergibt. Diese Norm hat die nichtärztlichen Leistungserbringer nicht gleichfalls
kraft Gesetzes zu Adressaten der Richtlinien des GBA gemacht. Bereits der Wortlaut der Vorschrift bezieht sich für den Bereich
der Leistungserbringer nur auf die an der "ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer" sowie auf zugelassene
Krankenhäuser. Die nichtärztlichen Leistungserbringer sind davon nicht erfasst, da sie nicht an der ambulanten vertragsärztlichen
Versorgung iS von §
95 SGB V teilnehmen (s auch die Überschrift des siebten Titels im zweiten Abschnitt des vierten Kapitels des
SGB V: "Voraussetzungen und Form der Teilnahme von Ärzten und Zahnärzten an der Versorgung"), sondern als "sonstige Leistungserbringer"
(Überschrift des achten Abschnitts im vierten Kapitel des
SGB V sowie §
69 Satz 1
SGB V) an der Versorgung der Versicherten mit erforderlichen Dienstleistungen mitwirken (§
2 Abs
2 SGB V). Für eine weiter gehende Regelungsabsicht iS einer generellen Erstreckung der Verbindlichkeit sämtlicher Richtlinien auch
auf alle nichtärztlichen Leistungserbringer, wie sie die Kläger für nahe liegend halten, findet sich in den Gesetzesmaterialien
keinerlei Anhaltspunkt.
b) Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass untergesetzliche Normen im Bereich des
SGB V einzelne Leistungserbringer in ihrem Grundrecht aus Art
12 Abs
1 GG auch dann beeinträchtigen können, wenn diese nicht Adressaten der Vorschriften sind. Das ist der Fall, wenn den Normen eine
objektiv berufsregelnde Tendenz innewohnt, weil sie auf den durch Art
12 Abs
1 GG geschützten Anspruch der Leistungserbringer auf Teilhabe an fairem Wettbewerb - nicht auf Erfolg im Wettbewerb oder auf Sicherung
von Erwerbsmöglichkeiten (vgl BVerfGE 106, 275, 298 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 17 f) - einwirken. Eine solche für das Grundrecht auf Berufsfreiheit relevante Wirkung ist
anzunehmen, wenn Leistungserbringer durch normative Regelungen entweder von der Marktteilnahme im Bereich der GKV ausgeschlossen
oder aber bei ihrer Betätigung in diesem Markt gegenüber anderen Anbietern ohne sachlichen Grund benachteiligt werden (vgl
BSGE 90, 61, 65, 68 = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 205, 208 - Kontrastmittelhersteller; s auch BSGE 88, 215, 222 = SozR 3-3300 § 9 Nr 1 S 8 - Gebot der Wettbewerbsneutralität staatlicher Fördermaßnahmen für Pflegeheime, sowie Urteil
des Senats vom heutigen Tage - B 6 KA 13/05 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 31, 34 f).
Die Pflegedienste können vergleichbare Beeinträchtigungen durch die von ihnen angegriffene Regelung in Nr 3 Satz 2 Krankenpflege-RL
nicht geltend machen. Die Festlegung eines Leistungskatalogs der von den Krankenkassen zu finanzierenden Maßnahmen häuslicher
Krankenpflege durch abschließende Auflistung der Art nach verordnungsfähiger Maßnahmen in der Anlage zu den Richtlinien hat
keinen Ausschluss der Pflegedienste von der Teilhabe am Markt für Pflegeleistungen in der GKV zur Folge. Diese haben auch
nicht vorgebracht, durch die Vorschrift in Nr 3 Satz 2 der Krankenpflege-RL im Vergleich zu anderen Anbietern von Pflegeleistungen
diskriminiert oder ungerechtfertigt ungleich behandelt zu werden. Sie machen vielmehr geltend, alle Pflegedienste könnten
einzelne Pflegeverrichtungen nicht mehr oder nicht in dem von ihnen für erforderlich gehaltenen Umfang oder nicht mehr selbstständig
- etwa bei i.v.Injektionen - erbringen und gegenüber den Krankenkassen abrechnen. Solche Folgen einer Festlegung des Katalogs
von in der GKV verordnungs- oder erstattungsfähigen Pflegemaßnahmen führen für die einzelnen Betreiber von Pflegediensten
lediglich zu einem unvermeidbaren Reflex auf ihre Berufsausübung, indem sie für alle Marktteilnehmer in gleicher Weise die
Rahmenbedingungen des Wettbewerbs justieren (vgl BVerfGE 106, 275, 301 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 20; zur Reflexwirkung s jüngst auch BVerfG [Kammer], Beschluss vom 18. Januar 2006 - 1 BvR 2312/05 - sowie BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2006 - 1 BvR 2530/04 -, NJW 2006, 2613, 2614). Dies gilt auch dann, wenn der Ausschluss einzelner Maßnahmen zu nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere
zu einer Verringerung der Aussicht auf Gewinnmöglichkeiten im Wettbewerb führt (vgl BVerfGE 70, 1, 23 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 7; s auch BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, jeweils RdNr 17 [Festbetragsfestsetzung]). Es fehlt somit an der Möglichkeit einer unmittelbaren
Beeinträchtigung der Kläger zu 10. bis 13., sodass deren Feststellungsklagen hinsichtlich der Wirksamkeit von Nr 3 Satz 2
Krankenpflege-RL unzulässig sind.
3. Die mithin allein zulässigen Klagen der Spitzenorganisationen der Pflegedienste sind nicht begründet. Die gesetzlichen
Regelungen, die dem Bundesausschuss/GBA die nähere Konkretisierung von Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege überantworten,
lassen die in Nr 3 Satz 2 Krankenpflege-RL getroffene Regelung der Aufstellung eines abschließenden Verzeichnisses verordnungsfähiger
Leistungen zu; Rechte der Spitzenorganisationen der Pflegedienste werden hierdurch nicht verletzt.
Rechtsgrundlage für den Erlass der Krankenpflege-RL ist §
92 Abs
1 Satz 1 und Satz 2 Nr
6 iVm Abs
7 Satz 1
SGB V (idF des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes [2. GKV-NOG] vom 23. Juni 1997, BGBl I 1520). In diesen Vorschriften ist dem Bundesausschuss
ausdrücklich aufgegeben, die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten auch im Bereich der Verordnung häuslicher Krankenpflege zu beschließen
(vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 13/7264, S 64 - Zu Artikel 1 Nr 27a - neu-
[§ 92 SGB V] - Zu Buchstabe a). Nach Abs 7 Satz 1 aaO sind dabei insbesondere "die Verordnung der häuslichen Krankenpflege
und deren ärztliche Zielsetzung" (Nr 1) sowie "Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem
jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus" (Nr 2) zu regeln. Gemäß diesen Vorgaben hat der Bundesausschuss alle Regelungen
zu treffen, die den Vertragsarzt, dem nach §
15 Abs
1 Satz 2
SGB V die Zuziehung der Hilfeleistungen anderer Personen zur Versorgung der Versicherten vorbehalten ist, in die Lage versetzen,
eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung seiner Patienten mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege
zu gewährleisten. Vor allem die Verpflichtung zur Regelung einer ausreichenden Versorgung mit häuslicher Krankenpflege lässt
es zu, einen Katalog der verordnungsfähigen Einzelmaßnahmen zur Grund- oder Behandlungspflege und zur hauswirtschaftlichen
Versorgung iS von §
37 SGB V zu definieren und auch festzulegen, welche dieser Maßnahmen unter den Voraussetzungen einer ausreichenden, zweckmäßigen und
wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten vom Vertragsarzt wie häufig verordnet werden darf. Dies gestattet zugleich die
in Nr 3 Satz 2 Krankenpflege-RL enthaltene Regelung, dass alle in dem Katalog nicht aufgeführte Maßnahmen generell für eine
ausreichende Versorgung nicht erforderlich sind und deshalb weder von den Vertragsärzten verordnet noch von den Krankenkassen
genehmigt werden können (Positivliste).
Aus der Vorschrift des §
92 Abs
6 Nr
1 SGB V, in der für den verwandten Bereich der Heilmittelverordnungen ausdrücklich vorgeschrieben ist, einen "Katalog verordnungsfähiger
Heilmittel" zu regeln, kann nicht der Rückschluss gezogen werden, dass die Krankenpflege-RL einen solchen Leistungskatalog
nach dem Willen des Gesetzgebers nicht enthalten dürften, weil in §
92 Abs
7 SGB V eine entsprechende Vorschrift fehlt. Die Berechtigung zur Erstellung eines Katalogs der Art nach verordnungsfähiger einzelner
Pflegemaßnahmen leitet sich unmittelbar aus der Verpflichtung des Bundesausschusses ab, nähere Regelungen für eine ausreichende
und wirtschaftliche, das Maß des Notwendigen nicht überschreitende Versorgung zu treffen (vgl §
12 Abs
1 SGB V; s auch Kukla, KrV 2000, 129, 130). Es handelt sich bei diesem Instrument um eine nahe liegende Gestaltungsmöglichkeit, auch
wenn sie nicht konkret vorgeschrieben ist. Für den Bereich der Heilmittelversorgung wollte der Gesetzgeber des 2. GKV-NOG
jedoch sicherstellen, dass eine Positivliste tatsächlich erstellt wird. Er hat eine entsprechende Verpflichtung des Bundesausschusses
deshalb in §
92 Abs
6 Satz 1 Nr
1 SGB V ausdrücklich aufgenommen, um klarzustellen, "zu welchen Kernbereichen die Richtlinien auf jeden Fall Regelungen zu treffen
haben" (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, aaO, S 64 - Zu Artikel 1 Nr 27a - neu - [§ 92
SGB V] - Zu Buchstabe d). Wenn für den Bereich der Krankenpflegeleistungen in §
92 Abs
7 Satz 1
SGB V auf eine entsprechende Vorgabe verzichtet wurde, kann daraus nicht hergeleitet werden, dass dem Bundesausschuss/GBA dieses
im Kernbereich seiner Tätigkeit an sich zur Verfügung stehende Instrument insoweit untersagt wäre. Für einen solchen Regelungswillen
findet sich in den Gesetzesmaterialien keinerlei Anhaltspunkt.
Auch die Vorschrift des §
132a Abs
1 SGB V, nach der die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Spitzenorganisationen der Pflegedienste gemeinsam Rahmenempfehlungen
über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abgeben und dabei insbesondere auch "Inhalte der häuslichen
Krankenpflege einschließlich deren Abgrenzung" regeln sollen (Satz 4 Nr 1 aaO), hindert den Bundesausschuss nicht daran, ein
abschließendes Leistungsverzeichnis der einzelnen verordnungsfähigen Pflegemaßnahmen in die Krankenpflege-RL aufzunehmen.
Die Rahmenempfehlungen der Spitzenverbände einerseits und die Richtlinien des Bundesausschusses andererseits haben nach der
Konzeption des Gesetzes unterschiedliche Gegenstände und Zielrichtungen. Die Richtlinien setzen als normativ wirkende Regelungen
an der vertragsärztlichen Verordnung an; sie beschreiben zu diesem Zweck die einzelnen Arten und den Umfang der von den Vertragsärzten
zu verantwortenden Krankenpflegeleistungen (vgl § 15 Abs 1 Satz 2, §
27 Abs
1 Nr
4 sowie §
73 Abs
2 Nr
8 SGB V) auch mit Wirkung für die Versicherten und für die Krankenkassen (zur allgemeinen Funktion der Richtlinien vgl Beschlussempfehlung
und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, aaO, S 64 - Zu Artikel 1 Nr 27a - neu - [§ 92 SGB V] - Zu Buchstabe c; s auch
Steege in: von Wulffen/Krasney [Hrsg], Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, 517 f; Engelmann, MedR 2006, 245, 246 f). Im Rahmen des vom Gesetzgeber des 2. GKV-NOG vorgesehenen Partnerschaftsmodells muss der Bundesausschuss vor Erlass
solcher Richtlinien die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer häuslicher Krankenpflege einbeziehen und ihnen Gelegenheit
zur Stellungnahme geben (§
92 Abs
7 Satz 2 iVm §
132a Abs
1 Satz 1
SGB V); allerdings verbleibt dem Bundesausschuss das Letztentscheidungsrecht beim Erlass der Richtlinien (so ausdrücklich Bericht
und Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, aaO).
Demgegenüber sollen die Rahmenempfehlungen Empfehlungen "über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege" (§
132a Abs
1 Satz 1
SGB V) abgeben und dabei insbesondere auch "Inhalte der häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Abgrenzung" regeln (Abs 1
Satz 4 Nr 1 aaO). Ziel dieser Empfehlungen, die weder erzwungen werden können noch für andere Beteiligte verbindlich sind
(vgl Klückmann in Hauck/Noftz,
SGB V - Gesetzliche Krankenversicherung, Stand Mai 2006, K §
111a RdNr 14; Hess in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Mai 2006, §
111b SGB V RdNr 3; Behnsen, MedR 1998, 51, 54; Plantholz, NZS 2001, 177, 182), ist es, eine im ganzen Bundesgebiet qualitativ gleichwertige Versorgung zu gewährleisten. Zu den vom Gesetzgeber vorgesehenen
Empfehlungsinhalten zählen "insbesondere die inhaltlichen Leistungsbeschreibungen einschließlich der Abgrenzung der einzelnen
Arten der häuslichen Krankenpflege (Grundpflege, Behandlungspflege, hauswirtschaftliche Versorgung)" (vgl Beschlussempfehlung
und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, aaO, S 68 - Zu Artikel 1 Nr 32d - neu - [§ 132a SGB V]). Der Auftrag an die Partner
der Rahmenempfehlung, "die Inhalte" der häuslichen Krankenpflege - nicht "den Inhalt" des Rahmenrechts auf häusliche Krankenpflege
- und hier insbesondere die inhaltlichen Leistungsbeschreibungen für das gesamte Bundesgebiet einheitlich zu regeln (zum zuvor
unbefriedigenden Zustand einer regionalen Zersplitterung s Wiesmann, SozVers 2000, 184, 185; Feldmeier-Berens/Sitte, G+G 2000, Heft 2, S 28; Kukla, KrV 2000, 129, 130), bezieht sich dabei auf die nähere Ausgestaltung
der vom Vertragsarzt zuvor auf der Grundlage der Richtlinien der Art bzw dem Gegenstand nach - also dem Grunde und dem Umfang
nach - verordneten Leistungen, umfasst also das "wie" und nicht das "ob" bzw "was" der einzelnen Pflegemaßnahme.
Die Richtlinien und die Rahmenempfehlungen enthalten somit unterschiedliche Regelungsgegenstände im Prozess fortschreitender
Konkretisierung des Rahmenrechts der Versicherten auf Leistungen häuslicher Krankenpflege; sie stehen nebeneinander und ergänzen
sich inhaltlich (vgl Behnsen, MedR 1998, 51, 54; aA Plantholz, NZS 2001, 177, 181). Deshalb kann die Befugnis der Partner der Rahmenempfehlungen, Regelungen über die einzelnen Inhalte und qualitativen
Standards der Erbringung verordneter Krankenpflegemaßnahmen zu treffen, durch ein in den Krankenpflege-RL enthaltenes Leistungsverzeichnis
an sich verordnungsfähiger Arten von Pflegeleistungen und deren Umfang (zB "Dekubitusbehandlung" oder "Medikamentengabe" oder
"Ausscheidungen", vgl die Rubriken im Vordruck zur Verordnung häuslicher Krankenpflege durch den Vertragsarzt, Muster 12a
der Vordruckvereinbarung, jeweils Anlage 2 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw zum Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen) nicht
berührt oder gar ausgehöhlt werden. Die weitere von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob der Bundesausschuss/GBA befugt
ist, in den Krankenpflege-RL verbindlich die einzelnen Pflegemaßnahmen den leistungsrechtlich bedeutsamen Kategorien Grundpflege,
Behandlungspflege oder hauswirtschaftliche Versorgung (vgl §
37 SGB V) zuzuordnen, ist hingegen im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits über die Wirksamkeit von Nr 3 Abs 2 Krankenpflege-RL nicht
entscheidungserheblich und kann daher offen bleiben (vgl dazu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit,
aaO, S 68 - Zu Artikel 1 Nr 32d - neu - [§ 132a SGB V] sowie Behnsen, MedR 1998, 51, 55; zur Abgrenzung der Kompetenzen des GBA im Bereich der häuslichen Krankenpflege s auch BSGE 94, 205 = SozR 4-2500 § 37 Nr 4, jeweils RdNr 16).
Der beschriebenen Abgrenzung der Regelungsbereiche von Krankenpflege-RL und Rahmenempfehlungen kann nicht entgegengehalten
werden, dass den Richtlinien stets Vorrang zukommen müsse, weil in §
132a Abs
1 Satz 1
SGB V die Vereinbarung der Rahmenempfehlungen "unter Berücksichtigung der Richtlinien" angeordnet ist. Zwar trifft zu, dass auf
Grund dieser Vorgabe die Partner der Rahmenempfehlungsvereinbarung keine Regelungen treffen dürfen, die im Widerspruch zu
den Krankenpflege-RL des Bundesausschusses stehen (vgl Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II -
SGB V, Stand: 15. Februar 2006, §
132a RdNr 4). Die Aufgabe und Funktion der Richtlinien, das Rahmenrecht der Versicherten auf häusliche Krankenpflege zu konkretisieren,
berechtigt den Bundesausschuss/GBA jedoch nicht zwangsläufig zur Regelung sämtlicher Details der Inhalte einer Pflegemaßnahme
(so zur vergleichbaren Sachlage beim Verhältnis der RL des GBA zu den Rahmenempfehlungen über Vorsorge - und Rehabilitationsmaßnahmen:
Hess, aaO, §
111b SGB V RdNr 4 am Ende). Er ist nur insoweit zur Konkretisierung befugt, als es um die Bestimmung der verordnungsfähigen Arten und
der Häufigkeit (Frequenz) von Pflegemaßnahmen geht, weil damit zugleich die "Leistungsverpflichtung der Ärzte" hinsichtlich
der Verordnung häuslicher Krankenpflege definiert wird (§
73 Abs
2 Nr
8 SGB V - s auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, aaO, S 64 - Zu Artikel 1 Nr 27a - neu - [§ 92 SGB
V], Zu Buchstabe c). Aus der Vorschrift des §
132a Abs
1 Satz 4 Nr
1 SGB V ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber im Regelungsbereich der häuslichen Krankenpflege die letzte Stufe der Konkretisierung
nicht dem Bundesausschuss überlassen hat, sondern den Partnern der Rahmenempfehlung zur einheitlichen Ausgestaltung im Bundesgebiet
übertragen oder - falls dies nicht gelingt - der einzelnen Krankenkasse im Rahmen der Leistungsbewilligung überantworten wollte.
Mit dem Ergebnis, dass der Bundesausschuss/GBA zur abschließenden Bestimmung der verordnungsfähigen Arten und der Häufigkeit
(Frequenz) von Pflegemaßnahmen befugt ist, weicht der Senat nicht von der Entscheidung des 3. Senats des BSG vom 26. Januar
2006 (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7) ab. Allerdings ist in dem genannten Urteil ausgeführt, die Krankenpflege-RL stellten keinen
abschließenden Leistungskatalog dar; "soweit dies aus den einleitenden Formulierungen geschlossen werden könnte, würde eine
solche Auslegung von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt" (BSG, aaO, RdNr 21; ebenso zuvor BSGE 94, 205 = SozR 4-2500 § 37 Nr 4, jeweils RdNr 16). Wie die nachfolgenden Ausführungen aber verdeutlichen, beschreibt der 3. Senat
damit lediglich den allgemein anerkannten Grundsatz, dass sich das vom Bundesausschuss/GBA in den Richtlinien normierte untergesetzliche
Leistungs(erbringer)recht innerhalb der gesetzlichen Vorgaben des Leistungsrecht halten muss (so zB BSGE 78, 70, 89 f = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 45 f; BSGE 85, 36, 43 ff = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 43 ff; BSGE 85, 132, 140 = SozR 3-2500 § 27 Nr 12 S 66 f; s auch Engelmann, NZS 2000, 76, 81 sowie MedR 2006, 245, 256, mwN). Auch nach Auffassung des 3. Senats ist Voraussetzung für die Nichtverbindlichkeit der Krankenpflege-RL bezüglich
einer bestimmten, dort nicht aufgeführten Maßnahme der häuslichen Krankenpflege "stets die Feststellung, dass der Bundesausschuss
die besondere Fallgestaltung nicht bedacht, die Rechtsbegriffe der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit unzutreffend ausgelegt
oder die Bewertung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Behandlungsmaßnahme evident fehlerhaft vorgenommen hat"
(BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7, RdNr 22). Aus diesem Grund wurde der dort zu entscheidende Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung
an das LSG zurückverwiesen, um festzustellen, ob dem Bundesausschuss hinsichtlich der Blutzuckermessungen ein entsprechender
Fehler bei der Normsetzung vorzuwerfen sei. Somit teilt auch der 3. Senat die hier zu Grunde gelegte Auffassung, dass in den
Krankenpflege-RL prinzipiell ein normativ verbindlicher Katalog verordnungsfähiger Pflegeleistungen festgelegt werden kann
und dass Umstände des Einzelfalles allein kein Absehen von den generellen Konkretisierungen des Wirtschaftlichkeitsgebots
in den Richtlinien des Bundesausschusses rechtfertigen können. Vielmehr ist hierfür eine generelle Fehlerhaftigkeit der Richtlinien,
dh ein Verstoß einzelner Bestimmungen gegen höherrangiges Recht, erforderlich. Der Umstand, dass der Bundesausschuss/GBA hinsichtlich
einzelner Pflegemaßnahmen den Leistungskatalog möglicherweise zu eng gefasst hat, stellt dessen Berechtigung zur Aufstellung
eines solchen Leistungskatalogs zur Festlegung des Versorgungsstandards nicht in Frage.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und Abs
4 iVm §
194 Satz 1
SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).