Anspruch auf Übernahme von Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung in Spanien im Rahmen der Gewährung von Leistungen
nach dem SGB XII
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme von Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung.
Die 1992 geborene Klägerin lebte als deutsche Staatsangehörige gemeinsam mit dem Vater, der Mutter und einer Schwester auf
den Balearen/Spanien und bezog ua in den Jahren 2008 und 2009 laufende Leistungen der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) vom beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger. Anträge der Klägerin ua auf die Übernahme von Kosten für eine im April 2008
begonnene kieferorthopädische Behandlung (Kosten in Höhe von 1440 Euro) und auf Übernahme der Kosten für eine kieferorthopädische
Vorbehandlung (in Höhe von 34 Euro) lehnte der Beklagte ab (Bescheide vom 29.7.2008 und vom 15.1.2009; Widerspruchsbescheid vom 25.2.2009). Die Klage hiergegen (zunächst in Klagehäufung mit einer Klage wegen Ansprüchen der Mutter) hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Köln vom 20.7.2011; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Nordrhein-Westfalen vom 11.8.2014). Das Bundessozialgericht (BSG) hat das Urteil des LSG aufgehoben, soweit ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Betrags von 1474 Euro im Streit ist,
und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (Urteil vom 21.9.2017). Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG sodann zurückgewiesen (Urteil vom 8.6.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche
Bedeutung der Sache geltend sowie einen Verfahrensmangel. Zudem beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH)
unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen; weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) noch der Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) ist in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin stellt in ihrer Begründung lediglich die Entscheidung des Senats vom 21.9.2017 dar und führt aus, das LSG sei
den dort aufgestellten Anforderungen an die erneute Entscheidung nicht nachgekommen. Das Darlehen, das dem Vater zur Tilgung
der Kosten gewährt worden sei, sei mit einer Rückzahlungsverpflichtung verbunden gewesen und gehöre nach der Rechtsprechung
des BSG deshalb nicht zum verwertbaren Einkommen. Rechtsfragen hat sie damit nicht ausdrücklich formuliert; dem Vortrag lassen sich
auch sinngemäß keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entnehmen. Die Klägerin ist selbst der Auffassung, dass die
für die Beurteilung der Sache maßgeblichen Rechtsfragen vom BSG - in ihrem Sinne - geklärt sind. Die vermeintliche Fehlerhaftigkeit des Urteils des LSG kann indes die grundsätzliche Bedeutung
nicht begründen. Ob das LSG richtig entschieden hat, ist eine Frage des Einzelfalls; die Frage der Richtigkeit der Entscheidung
vermag die Revision aber nicht zu eröffnen.
Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §§
109 SGG und
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet
werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl zB BSG vom 16.6.2020 - B 8 SO 69/19 B - juris RdNr 11). Daran fehlt es.
Soweit die Klägerin geltend macht, das LSG habe den Sachverhalt bezogen auf die Unmöglichkeit einer Rückkehr nach Deutschland
aus objektivierbaren medizinischen Gründen (gemeint ist wohl in der Person ihrer Mutter) nicht ausreichend aufgeklärt, und
sinngemäß weiter ausführt, eine ordnungsgemäße Sachaufklärung fehle auch hinsichtlich der Frage, ob die begehrte Übernahme
der Kosten für die kieferorthopädischen Behandlungen wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar sei, rügt sie eine
Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG. Wer sich auf eine Verletzung des §
103 SGG stützt, muss aber einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung
des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden
Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter - wie hier die Klägerin - einen Beweisantrag bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B - RdNr 10; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN) oder einen im schriftlichen Verfahren gestellten Beweisantrag aufrechterhalten hat (BSG vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG vom 18.2.2003 - B 11 AL 273/02 B - juris RdNr 3). Ein solcher Vortrag fehlt gänzlich. Die Klägerin behauptet nicht einmal, entsprechende Anträge gestellt zu haben.
Soweit die Klägerin weiter ausführt, entgegen der Auffassung des LSG folge allein aus der Tatsache des Leistungsbezugs die
Mittellosigkeit der Klägerin und der Eltern, weitere Unterlagen seien nicht mehr vorhanden, rügt sie die Würdigung des Sachverhalts
anhand der vorliegenden Beweise durch das Gericht. Mit dieser Rüge ist sie aber ausgeschlossen, weil nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG gestützt werden kann, wonach das Gericht (hier das LSG) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen
Überzeugung entscheidet. Damit kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar
noch mittelbar angegriffen werden. Allein die inhaltliche Kritik der Klägerin an der Entscheidung eröffnet die Revision nicht.
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl §
73a Abs
1 SGG, §
114 Abs
1 Zivilprozessordnung <ZPO>), ist der Klägerin keine PKH zu bewilligen. Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§
121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.