Gründe:
I. Mit Bescheid vom 26. Mai 2011, gerichtet an die Antragstellerin zu 1), wurde ihr Antrag auf Bewilligung von Leistungen
nach dem SGB II abgelehnt mit der Begründung, unter Berücksichtigung der prognostischen Einkommensverhältnisse des Antragstellers
zu 2) sei die Antragstellerin zu 1) nicht bedürftig. Dagegen legte die Antragstellerin zu 1) am 8. Juni 2011 Widerspruch ein.
Ebenfalls am 8. Juni 2011 beantragten die Antragsteller zu 1) und 2) sinngemäß, ihnen Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen
mit der Begründung, die lediglich aufgrund der Erklärung über die Einkommensentwicklung aus selbständiger Tätigkeit prognostischen
Einkünfte des Antragstellers zu 2) stellten kein reales Einkommen dar und dürften somit nicht berücksichtigt werden. Aufgrund
seiner Selbstständigkeit sei erst im November 2011 mit realem Gewinn zu rechnen. Die der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller
erteilte Vollmacht ist von beiden Antragstellern unterzeichnet. Mit Bescheid vom 9. Juni 2011 wurden den Antragstellern für
den Zeitraum von Juni bis November 2011 Leistungen in Höhe von 232,01 EUR gewährt und zwar der Antragstellerin zu 1) 116,00
EUR und dem Antragsteller zu 2) 116,01 EUR. Dabei war für die Antragstellerin zu 1) ein Nettoerwerbseinkommen von monatlich
909,42 EUR berücksichtigt worden abzüglich eines Freibetrages von 214,33 EUR. Für den Antragsteller zu 2) war ein laufendes
Einkommen aus Selbstständigkeit von 326,17 EUR berücksichtigt worden abzüglich eines Freibetrages für Erwerbstätigkeit von
115,23 EUR. Als Gesamteinkommen war für den Antragsteller zu 2) unter Berücksichtigung von 30,00 EUR Versicherungsleistungen
ein Betrag von 180,94 EUR angerechnet worden. Der Antragsteller zu 2) erhält Einstiegsgeld in Höhe von 197,40 EUR monatlich.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2011 hat das Sozialgericht Itzehoe den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 8. Juni bis zum 30. November 2011
ohne Anrechnung von Einkommen des Antragstellers zu 2) aus seiner selbstständigen Tätigkeit in Höhe von 180,94 EUR zu gewähren.
Dagegen hat der Antragsgegner am 26. Juli 2011 Beschwerde eingelegt. Er wendet sich dagegen, dass das Sozialgericht den Antragsteller
zu 2) in das Rubrum mit aufgenommen hat und trägt vor, die Antragsteller hätten weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch
glaubhaft gemacht. Unter Berücksichtigung der Freibeträge für Erwerbstätigkeit liege bei den Antragstellern keine existentielle
Notlage vor, sodass eine Eilentscheidung nicht geboten sei. Außerdem gehe aus der Erklärung des Antragstellers zu 2) zum Einkommen
aus selbstständiger Tätigkeit hervor, dass er für den gesamten streitigen Zeitraum Einkommen erwirtschafte, das auf die einzelnen
Monate dieses Zeitraums aufzuteilen sei.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen des §
86b Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zum Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen,
wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG in Verbindung mit §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) erforderlich, dass sowohl ein Anordnungsgrund, die Notwendigkeit einer Eilentscheidung zur Behebung einer existentiellen
Notlage, und ein Anordnungsanspruch, nämlich der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte
Anspruch, glaubhaft gemacht werden. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beschwerde des Antragsgegners Erfolg.
Allerdings ist nicht zu beanstanden, dass das Sozialgericht den Antragsteller zu 2) in das Rubrum seines Beschlusses aufgenommen
hat, obwohl die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller zunächst lediglich die Antragstellerin zu 1) in der Antragsschrift
angeführt hatte. In dem angegriffenen Beschluss ist zutreffend dargestellt, dass die für das einstweilige Rechtsschutzverfahren
eingereichte Vollmacht von beiden Antragstellern unterzeichnet ist und dass der Antragsteller zu 2) im gesamten Verfahren
vom Antragsgegner und vom Sozialgericht eingebunden war. Ebenso ist darin zutreffend ausgeführt, dass Einkommen des Antragstellers
zu 2) nur dann gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-VO berücksichtigt werden kann, wenn dieses ihm tatsächlich zufließt. Nach der
Anlage zur Einkommenserklärung für Selbstständige des Antragstellers zu 2) ist lediglich für den Monat November mit einem
realen Einkommen zu rechnen. Daher kann für den Zeitraum davor gemäß § 3 Abs. 4 Alg II-VO dieser Betrag nicht auf die Monate
vorher angerechnet werden. Insoweit wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen
Beschluss Bezug genommen.
Dem Antragsgegner ist aber darin zuzustimmen, dass kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist, so dass der Antragsgegner im
Rahmen der einstweiligen Anordnung nicht zu weiteren Leistungen verpflichtet werden kann.
Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) die Aufgabe, in denjenigen Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich
vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren
nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse
vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05). Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers
erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings
führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes.
Erforderlich ist eine existentielle Notlage (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. März 2009, L 5 AS 5/09 B ER, recherchiert bei juris, Rdn. 3).
Hier liegt keine existenzbedrohende Notlage vor.
Die Antragsteller haben einen Bedarf von 999,63 EUR (Regelleistung: 656,00 EUR; anerkannte Kosten für Unterkunft und Heizung:
343,63 EUR). Unter Berücksichtigung der im Bescheid vom 9. Juni 2011 aufgeführten Einkommensbereinigung von 138,41 EUR, in
der auch die Versicherungspauschale von 30,00 EUR enthalten ist, ergibt sich ein Betrag von 1.138,04 EUR. Dem stehen Leistungen
und Einkommen in Höhe von 1.141,43 EUR gegenüber. Die Antragstellerin zu 1) hat ein monatliches Nettoerwerbseinkommen von
909,42 EUR. Zusätzlich wird den Antragstellern mit Bescheid vom 9. Juni 2011 für den Zeitraum von Juni 2011 bis November 2011
ein monatlicher Betrag nach dem SGB II von 232,01 EUR gewährt. Unabhängig davon, ob dem Antragsteller zu 2) Einkommen anzurechnen
ist, liegen die tatsächlichen Einkünfte somit über dem Bedarf.
Bei dieser Berechnung ist allerdings der Einkommensfreibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II nicht vom Einkommen abgezogen. Das
ist jedoch nach Ansicht des Senats bei dem ihm im Rahmen von § 86b Abs. 2 eingeräumten Ermessen zumutbar. Allerdings ist zu
bedenken, dass der Einkommensfreibetrag nicht nur Anreiz für eine Beschäftigung geben, sondern zugleich auch dem Ausgleich
kleinerer erwerbsbedingter Mehraufwendungen dienen soll (vgl. Meckel in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl.
2008, § 30, Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der Einkommensmehrbedarf nicht vollständig eingesetzt werden muss, kann er als
Einkommen zur Behebung einer kurzfristigen, existentiellen Notlage eingesetzt werden, sodass im Rahmen einer einstweiligen
Anordnung kein Abzug vom Einkommen vorzunehmen ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. März 2009, L 5 AS 5/09 B ER, aaO., Rdn. 3; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Januar 2011, L 7 AS 962/10 B ER, recherchiert bei juris, Rdn. 11).
Das gilt umso mehr, als der Antragsteller zu 2) Einstiegsgeld von monatlich 197,40 EUR erhält. Das Einstiegsgeld, das nach
§ 11 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II grundsätzlich von einer Einkommensanrechnung freibleibt, soll
ebenso wie die Freibeträge für Erwerbstätigkeit Anreiz zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit bieten. Es soll faktisch als
Lohnsubvention wirken (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, aaO., § 29, Rdn. 1, 21). Zwar handelt es sich dabei nicht um eine
Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern zur Eingliederung in Arbeit (Spellbrink, aaO., Rdn. 29). Dabei dient
das Einstiegsgeld aber nicht - wie die Antragsteller meinen - lediglich der Anschaffungen von Gegenständen und Materialien
zur die Durchführung der selbstständigen Tätigkeit. Gemäß § 16b Abs. 2, Abs. 3 SGB II ist für die Höhe des Einstiegsgeldes
die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit, die Größe der Bedarfsgemeinschaft und der maßgebliche Regelbedarf zu berücksichtigen.
Dementsprechend ist in § 1 der Einstiegsgeldverordnung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2342) in der Fassung vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453/494) berücksichtigt, dass sich der monatliche Grundbetrag an dem jeweils
maßgebenden Regelbedarf orientiert und die Ergänzungsbeträge an der Dauer der Arbeitslosigkeit und der Größe der Bedarfsgemeinschaft.
Das Einstiegsgeld bezweckt also nicht allein, die Kosten abzudecken, die für den Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit anfallen,
sondern berücksichtigt vielmehr bedarfsbezogene Aspekte im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt. Unter Einbeziehung
des Einstiegsgeldes ist das tatsächlich den Antragstellern zur Verfügung stehende Einkommen (1.338,83 EUR) wesentlich höher
als der tatsächliche Bedarf. Da offen ist, wann der Antragsteller zu 2) mit seiner selbstständigen Tätigkeit tatsächlich einen
Gewinn erzielt und andererseits in seiner Prognose bereits für den Monat November 2011 mit einem erheblichen Gewinn gerechnet
wird, ist es den Antragstellern nach Auffassung des Senats zumutbar, für einen kurzfristigen Zeitraum den Lebensunterhalt
aus dem Einkommen ohne Absetzung des Einkommensfreibetrages und unter Einsatz des Einstiegsgeldes zu bestreiten.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von §
193 SGG.
Prozesskostenhilfe ist den Antragstellern ohne Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung
im Beschwerdeverfahren für dieses zu gewähren, da der Antragsgegner Beschwerde eingelegt hat (§
119 Abs.
1 Satz 2
ZPO in Verbindung mit §
73a SGG). Die Antragsteller erfüllen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung
(§§
114,
115 ZPO in Verbindung mit §
73a SGG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).