Erstattung der Kosten für einen Aufenthalt am Toten Meer als Leistung zur medizinischen Rehabilitation
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für einen Aufenthalt am Toten Meer als Leistung zur medizinischen Rehabilitation
in Höhe von 2.678,98 EUR.
Die 1975 geborene Klägerin ist als Eventmanagerin versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich rentenversichert.
Sie leidet seit ihrem 13. Lebensjahr an chronischer Psoriasisarthritis, die regelmäßig durch Aufenthalte am Toten Meer behandelt
wurde, zuletzt im August 2007; die Kosten hierfür wurden nachträglich durch die gesetzliche Krankenkasse erstattet.
Am 19. Mai 2010 wurde durch den Hausarzt der Klägerin Dr. Bä. eine Leistung zur Rehabilitation eingeleitet mit der Begründung,
eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme erscheine aussichtsreich. Eine Einschränkung der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft
drohe oder sei bereits gegeben. Durch die Krankenkasse wurde der Antrag am 25. Mai 2010 an den Vertragsarzt zurückgegeben,
da ein anderer Versicherungsträger zuständig sei. Die Klägerin stellte dann am 17. Juni 2010 bei der Beklagten unter Vorlage
einer ärztlichen Verordnung von Dr. Bä. einen Antrag auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Sie gab an,
beim Tippen am PC Schmerzen in den Fingergelenken zu haben. Außerdem habe sie bei längerem Sitzen Rückenschmerzen, sodass
sie am Arbeitsplatz ständig zwischen Sitzen und Stehen wechseln müsse. Ferner leide sie an Asthma und Sinusitis, beides derzeit
durch Allergien verstärkt. Dr. Bä. gab in seinem Befundbericht zum Rehabilitationsantrag an, die Klägerin leide unter Psoriasisarthritis;
es bestehe eine eingeschränkte Beweglichkeit der Finger, Rückenschmerzen, Knieschmerzen, Kraftlosigkeit in den Knien und Schmerzen
beim Treppensteigen und Gehen. Die Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer solle zur Erhaltung der Arbeitskraft stattfinden.
Weiter legte die Klägerin ein Gutachten von PD Dr. Hei. und Dr. Las. vom 12. September 2008 vor, welches dem Sozialgericht
Mannheim (SG) im Rahmen eines Klageverfahrens (Az. S 11 KR 3276/07) der Klägerin gegen ihre Krankenkasse erstattet worden war. Die Gutachter führen hierin insbesondere aus, aufgrund der klimatischen
Bedingungen am Toten Meer sei der Therapieerfolg dort besonders hoch. Bei der Klägerin sei der Einsatz von Immunsuppressiva
nicht unproblematisch. Ferner reichte die Klägerin Berichte von Dr. Is. vom 2. November 2006 und Dr. Bö. vom 12. Juli 1994
ein.
Die Beklagte holte eine von Frau Ju. erstellte beratungsärztliche Stellungnahme vom 6. Juli 2010 ein. Diese vertrat die Auffassung,
dass eine ambulante Therapie ausreichend sei.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2010 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen
der Klägerin seien nicht so erheblich, dass eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation erforderlich sei. Eine ambulante
fachärztliche Behandlung sei ausreichend. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei nicht gemindert oder gefährdet; Rehabilitationsbedürftigkeit
bestehe daher nicht.
Den hiergegen am 27. Juli 2010 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie seit dem 13. Lebensjahr an
Psoriasisarthritis leide und bis 2007 insgesamt elf Mal zur Behandlung am Toten Meer in Israel gewesen sei. Diese Maßnahmen
seien von ihrer Krankenkasse jeweils übernommen worden. Die stationäre Behandlung am Toten Meer im Sommer 2007 sei so erfolgreich
gewesen, dass sie in den darauf folgenden drei Jahren keine ambulante fachärztliche Behandlung und keine medikamentöse Therapie
benötigt habe. Durch eine kontinuierlich am Wohnort durchgeführte orthopädische Therapie und privates Funktionstraining habe
sie den Behandlungserfolg festigen können, so dass sie für einen sehr langen Zeitraum schmerzfrei gewesen sei. In den Monaten
vor der Antragstellung habe sich ihr Zustand jedoch wieder verschlimmert. Aufgrund ihres Asthmas werde die Behandlung ihrer
Psoriasisarthritis in Deutschland erschwert. Der Einsatz von Immunsupressiva sei nicht unproblematisch, da die Familienplanung
noch nicht abgeschlossen sei. Insoweit berief sich die Klägerin insbesondere auf das Gutachten von Dr. Las. Eine Behandlung
ihrer Erkrankung sei immer dann notwendig, wenn entzündliche Schübe aufträten. Bleibe eine Behandlung aus, würden die befallenen
Gelenke in Mitleidenschaft gezogen. Bei ihr seien vor allem die Rücken-, sowie die Finger- und Kniegelenke betroffen gewesen.
Ohne eine Behandlung am Toten Meer hätte ihre Erkrankung immer wieder zu Arbeitsausfällen führen können, so dass ihr Arbeitsplatz
gefährdet gewesen sei. Vor allem führe aber ein Fortschreiten ihres Psoriasisgelenkbefalls mit zunehmender Destruktion der
Gelenke und Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit zu einer erheblichen Einschränkung ihrer beruflichen Tätigkeit mit der Gefahr,
dass sie diese nicht mehr ausüben könne. Da sie inzwischen beim Arbeiten aufgrund ihrer erheblichen Rückenbeschwerden ständig
zwischen sitzender und stehender Position habe wechseln müssen, habe sie sich gezwungen gesehen, die Behandlung in Israel
zunächst auf eigene Kosten im Rahmen ihres Jahresurlaubs vom 27. Juli bis zum 17. August 2010 durchzuführen. Aus gesundheitlichen
und beruflichen Gründen sei die Durchführung zu einem späteren Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Zur Begründung ihres Widerspruchs
legte sie weiter ein ärztliches Attest von Dr. Bä. vom 21. Juli 2010 vor, in dem dieser angab, durch Überlastungen am Arbeitsplatz
hätten orthopädische Behandlungen und in Eigenleistung erbrachtes Funktionstraining nicht mehr ausgereicht. Die Klägerin habe
unter erheblichen Schmerzschüben mit Chronifizierungstendenz gelitten. Ihre Erwerbsfähigkeit sei gefährdet gewesen. Eine antirheumatische
Immuntherapie sei aufgrund der Nebenwirkungen bei hyperreagiblem Bronchialsystem im Sinne eines Asthma bronchiale und bei
nicht abgeschlossener Familienplanung nicht durchführbar gewesen. Dass die chronische Polyarthritis zur Deformierung von Gelenken
führe und damit die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in der Zukunft schwerwiegend gefährde, sei hinreichend bekannt.
Für den in der Zeit vom 27. Juli bis 17. August 2010 im Rehabilitationszentrum am Toten Meer (DMZ) durchgeführten Rehabilitationsaufenthalt
wandte die Klägerin insgesamt 2.678,98 EUR auf, wovon 1.807,50 EUR auf Flug, Unterkunft und Verpflegung (Rechnung der Häckel
Reisen GmbH Bl. 14 der SG-Akte) sowie 871,48 EUR auf medizinische Untersuchungen und Heilmittelanwendungen (Rechnung des DMZ Bl. 16/16 der SG-Akte) entfielen. Im Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums am Toten Meer vom 28. Juli 2010 (Bl. 24/25 der SG-Akte) gab Dr. Ha. u.a. an, bei der Eingangsuntersuchung sei die Haut erscheinungsfrei gewesen, seitens der Gelenke hätten
massive, schmerzhafte Funktions- und Bewegungseinschränkungen an der gesamten Wirbelsäule, an beiden Kniegelenken sowie an
den PIP- und DIP-Gelenken des rechten Mittelfingers sowie des linken Mittel- und Ringfingers bestanden. Der Klägerin seien
sieben Mal Massage, zehn Mal Schwefelbad, zehn Mal Heißschlammpackung und zwei Mal 20 Minuten täglich Kaltschlammapplikation
auf die betroffenen Gelenke verordnet und eine intensive Nutzung der Klimaheilfaktoren Heliotherapie, Luft- und Solebäder
im Toten Meer empfohlen worden. Bei der Abschlussuntersuchung sei eine deutliche Befundverbesserung festzustellen gewesen.
Die Gelenkbeschwerden und die Beweglichkeit hätten sich deutlich gebessert. Die Klägerin habe über wesentlich weniger Schmerzzustände
berichtet. Die morgendliche Gelenksteifigkeit sei vollkommen aufgehoben. Während des Aufenthalts sei es nur zu einer Asthma-Attacke
gekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine nachträgliche Kostenübernahme
für eine selbst begonnene und durchgeführte Rehabilitationsleistung sei nicht möglich, da es für die Beklagte keine Möglichkeit
der Entscheidung mehr gegeben habe. Die entstandenen Kosten für die Behandlung in Israel könnten daher nicht erstattet werden.
Außerdem werde die von der Klägerin in Anspruch genommene Rehabilitationseinrichtung von der Beklagten nicht belegt. Darüber
hinaus habe die Klägerin die Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme nicht erfüllt. Für die bei der
Klägerin festgestellte gesundheitliche Einschränkung - Psoriasisarthritis - sei eine ambulante orthopädische Therapie angezeigt.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. Dezember 2010 Klage beim SG erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen die bisherigen Ausführungen wiederholt und vertieft hat. Der Aufenthalt
am Toten Meer sei die einzige Maßnahme, die ihr helfe und ihre Erwerbsfähigkeit sichere. Dies ergebe sich auch aus dem Gutachten
von Dr. Las. vom 12. September 2008. Ein Aufschub sei nicht hinnehmbar gewesen, es sei im vorliegenden Fall daher von einer
Ermessensreduktion auf Null auszugehen gewesen. Ferner hat die Klägerin die Belege über die Kosten für die stationäre Klima-Heilbehandlung
und den Entlassungsbericht des DMZ von Dr. Ha. (Bl. 13 ff der SG-Akte) vorgelegt. Die Klägerin hat ein ärztliches Attest von Dr. Bä. vom 12. Juli 2011 (Bl. 31 der SG- Akte) vorgelegt, in der er mitgeteilt hat, der Aufenthalt am Toten Meer sei die einzig richtige Maßnahme gewesen, die nicht
zu umgehen gewesen sei.
Die Beklagte hat im Wesentlichen auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, zur Erstattung von Kosten
für eine selbst beschaffte Leistung sei sie nur dann verpflichtet, wenn die Rehabilitation in der gewählten Form die einzige
Möglichkeit gewesen sei, um das Rehabilitationsziel zu erreichen. Eine solche Ermessensreduzierung auf Null sei vorliegend
nicht gegeben. Eine Rehabilitation hätte auch in einer deutschen Rehabilitationseinrichtung (Bad Bentheim, Bad Salzschlirf,
Davos, Borkum, Norderney, Sylt) angeboten werden können. Es stehe nicht fest, dass Leistungen am Toten Meer überhaupt nach
Qualität und Wirtschaftlichkeit den Einrichtungen der Beklagten im Inland gleichwertig oder so viel besser seien, dass hierdurch
Leistungen im Inland auszuschließen seien. Dies könne jedoch dahinstehen, da der Rentenversicherungsträger im Rahmen des ihm
eingeräumten Ermessens grundsätzlich frei sei, zwischen mehreren geeigneten Einrichtungen zu wählen. Für drei der aus Sicht
der Beklagten zur Verfügung stehenden Alternativkliniken wurden Behandlungskonzepte vorgelegt (Bl. 36/103 der SG-Akte).
Das SG hat im Rahmen der Beweisaufnahme Dr. Bä. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt, der angegeben hat, die Klägerin
leide unter chronischer Polyarthritis mit Psoriasis und Sicca-Syndrom, Skoliose der Wirbelsäule und unter einem hyperreagiblen
Bronchialsyndrom bei Milbenallergie. Im Frühjahr 2010 seien erhebliche Allergie- und Rückenprobleme und ein starker psychischer
Leidensdruck am Arbeitsplatz. Die Medikation habe in antiallergischen Tabletten und einem Kombinationsmedikament aus einem
Coticoidspray und einem lang wirksamen, entkrampfenden Medikament für die Bronchien bestanden. Wegen der polyarthritischen
Rückenbeschwerden sei regelmäßig Physiotherapie verordnet worden. Für eine Besserung der Beschwerden durch den Aufenthalt
am Toten Meer gebe es keine laborchemischen oder röntgentechnischen Nachweise; die Schmerzen hätten sich nach den Angaben
der Klägerin gebessert.
Mit Urteil vom 24. Mai 2012 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2010 verurteilt,
der Klägerin 2.678,98 EUR zu bezahlen. Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch sei §
15 Abs.
1 Satz 3 und 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX). Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin erfülle sowohl die persönlichen als auch die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §
10 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI). Wie sich aus dem Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung ergebe, sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin erheblich
gefährdet gewesen. Im Sommer 2010 habe die erhebliche Gefahr bestanden, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Eventmanagerin,
eine überwiegend sitzende Tätigkeit nicht länger werde ausüben können. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit habe durch die
Rehabilitationsmaßnahme abgewendet werden können. Die Gelenkbeschwerden und die Beweglichkeit der Klägerin hätten sich durch
die Rehabilitationsmaßnahme deutlich verbessert. Unerheblich sei, ob dieses Ergebnis auch mit einer ambulanten fachärztlichen
Behandlung am Wohnort hätte erreicht werden können. §10
SGB VI kenne, anders als §
40 Abs.1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), keinen Grundsatz der Subsidiarität von Rehabilitationsleistungen gegenüber ambulanten Therapieformen vor Ort. Ungeachtet
dessen habe Dr. Bä. schlüssig und überzeugend dargelegt, dass die in den Monaten vor der Rehabilitationsmaßnahme durchgeführten
ambulanten fachärztlichen Maßnahmen ohne Erfolg geblieben seien. Die Klägerin erfülle auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Schließlich sei die Rehabilitationsleistung auch nicht nach §
12 Abs.
2 Satz 1
SGB VI ausgeschlossen. Da die Klägerin zuletzt im Jahr 2007 zu Lasten ihrer Krankenkasse eine Rehabilitationsleistung in Anspruch
genommen habe, habe sie sich die streitgegenständliche Rehabilitationsmaßnahme zwar innerhalb der Vierjahresfrist des §
12 Abs.
2 Satz 1
SGB VI selbst beschafft, dies sei im Hinblick auf die massiven Einschränkungen aber dringend erforderlich gewesen. Das Ermessen
der Beklagten sei auf Null reduziert gewesen aufgrund des Umstands, dass die Beklagte die von der Klägerin beantragte Maßnahme
in vollem Umfang wegen zu Unrecht angenommener fehlender Gefährdung der Erwerbsfähigkeit rechtswidrig abgelehnt habe. Die
von der Klägerin selbst beschaffte Rehabilitationsmaßnahme sei auch sparsam und wirtschaftlich gewesen.
Gegen das ihr am 14. Juni 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. Juli 2012 Berufung eingelegt und zur Begründung
ausgeführt, den bei Antragstellung vorliegenden medizinischen Unterlagen sei eine Gefährdung oder gar Minderung der Leistungsfähigkeit
im Erwerbsleben nicht zu entnehmen. Die Klägerin sei nicht arbeitsunfähig gewesen, eine rheumatologische Mitbehandlung habe
nicht stattgefunden. Im ärztlichen Befundbericht vom 9. Juni 2010 werde lediglich "Kraftlosigkeit" in den Knien als von der
Norm abweichender Befund angegeben. Davon könne keine besondere Dringlichkeit abgeleitet werden, die das Abwarten des regulären
Widerspruchsverfahrens unmöglich gemacht hätte; Gefahr im Verzug hätte nicht vorgelegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Mai 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf den bisherigen Vortrag sowie die Entscheidung des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Berufung ist gemäß §§
143,
144 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§
151 Abs.
1 und
2 SGG) eingelegt worden ist. Die Klage ist auf eine Geldleistung von mehr als 750,00 EUR gerichtet (§
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die in der Zeit vom
27. Juli bis zum 17. August 2010 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist §
15 Abs.
1 Satz 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX). Danach haben Leistungsberechtigte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften medizinischen Rehabilitation,
wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt hat. Diese Vorschrift findet - sei es unmittelbar oder im Wege der Analogie - auch im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung
Anwendung; sie normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Leistungen zur Rehabilitation (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R, Urteil vom 21 August.2008 - B 13 R 33/07 R, [...]). Der Erstattungsanspruch nach §
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX - wie auch die Parallelvorschrift des §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB IX - reicht dabei nicht weiter als der Sachleistungsanspruch. Der Kostenerstattungsanspruch richtet sich nach Art und Umfang
des Primäranspruchs und besteht nur insoweit, als der Rehabilitationsträger nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften leistungspflichtig
gewesen wäre. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist damit nur unter den folgenden Voraussetzungen gegeben: Bestehen eines
Naturalleistungsanspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch den
Versicherungsträger, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung
und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung
(BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R, [...]). Diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangene Rechtsprechung ist auch auf den Bereich der Rentenversicherung
übertragbar, da der Kostenerstattungsanspruch nach §
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX der Regelung in §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V entspricht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. August 2012 - L 11 R 5319/11, [...]).
Vorliegend sind die Voraussetzungen des §
15 Abs.
1 Satz 4
SGB IX nicht erfüllt. Entgegen der im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung der Beklagten steht dem Anspruch nicht entgegen,
dass die Klägerin sich die Leistung vor der Entscheidung der Beklagten beschafft hat. Der Aufenthalt am Toten Meer begann
am 27. Juli 2010 und damit nach dem Erlass des Ablehnungsbescheids am 14. Juli 2010. Die stationäre Leistung zur Rehabilitation
ist als einheitlicher Vorgang zu betrachten, der nicht in einzelne Zeitabschnitte aufgeteilt werden kann. Für die Beurteilung,
ob und zu welchem Zeitpunkt sich die Klägerin die Behandlung selbst verschafft hat, ist daher auf den Beginn der Maßnahme
abzustellen. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse oder den Rentenversicherungsträger
einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten. Zwischen dem die Haftung des Versicherungsträgers begründenden Umstand (rechtswidrige
Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn der
Versicherungsträger vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich
gewesen wäre. Eine vorherige Entscheidung des Versicherungsträgers wäre selbst dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung
des Leistungsbegehrens - etwa auf Grund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststünde (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R, [...]). Vorliegend war die Beklagte vor Beginn der Maßnahme mit dem Begehren der Klägerin befasst und hatte bereits einen
ablehnenden Bescheid erlassen. Den Erlass eines Widerspruchsbescheids musste die Klägerin nicht abwarten.
Die Beklagte hat die Bewilligung einer Maßnahme der stationären medizinischen Rehabilitation in Form einer Klimatherapie am
Toten Meer aber nicht zu Unrecht abgelehnt.
Nach §
9 SGB VI erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer
körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu
überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Entsprechende Rehabilitationsleistungen
können erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, §
9 Abs.
2 SGB VI. An der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des §
11 Abs.
2 SGB VI bestehen vorliegend keine Zweifel. Die Klägerin hat in den letzten zwei Jahren vor Antragstellung sechs Kalendermonate mit
Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Dies ergibt sich aus dem Gesamtkontenspiegel der Klägerin
(Bl. 8/12 der Verwaltungsakte), ist zwischen den Beteiligten nicht strittig und bedarf daher keiner weiteren Darlegung.
Die Klägerin erfüllt auch die persönlichen Voraussetzungen nach §
10 Abs.
1 SGB VI. Bei der Klägerin ist nach den vorliegenden Befundunterlagen die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet; die erhebliche Gefährdung
kann durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation abgewendet werden. Die erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit ergibt
sich zum einen aus der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Bä. gegenüber dem SG vom 10. Dezember 2011 und seinem Attest im Verwaltungsverfahren vom 21. Juli 2010, zum anderen aus dem von Dr. Ha. erstellten
Entlassungsbericht des DMZ vom 28. Juli 2010. Ausweislich des Entlassungsberichts bestanden zum Zeitpunkt der Eingangsuntersuchung
am 28. Juli 2010 seitens der Gelenke massive, schmerzhafte Funktions- und Bewegungseinschränkungen an der gesamten Wirbelsäule,
an beiden Kniegelenken, an den PIP- und DIP-Gelenken des rechten Mittelfingers sowie an den PIP- und DIP-Gelenken des linken
Mittel- und Ringfingers. Diese Funktionsbeeinträchtigungen erklären auch die seitens der Klägerin geschilderten Beeinträchtigungen
im Rahmen der Berufstätigkeit. Demnach litt sie unter erheblichen Rückenbeschwerden, die sie zwangen, ständig die Position
zu wechseln und zu Schwierigkeiten beim Schreiben am PC führten. Ferner litt sie beim Schreiben am Computer aufgrund des Gelenkbefalls
des rechten Mittelfingers sowie des linken Mittel- und Ringfingers an Schmerzen. Dass im Sommer 2010 die erhebliche Gefahr
bestand, die überwiegend sitzende Tätigkeit als Event-Managerin nicht mehr ausüben zu können, ergibt sich auch aus dem Attest
von Dr. Bä. vom 21. Juli 2010. Der behandelnde Arzt legt dar, dass die Klägerin unter erheblichen Schmerzschüben mit Chronifizierungstendenz
gelitten hat.
Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit konnte auch im Sinne des §
10 Abs.
1 Ziff. 2 a
SGB VI durch eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme abgewendet werden. Wie sich aus dem Bericht von Dr. Ha. ergibt, hatten sich
zum Zeitpunkt der Entlassung die Gelenkbeschwerden und die Beweglichkeit deutlich gebessert. Die morgendliche Gelenksteifigkeit
war vollkommen aufgehoben und die Schmerzzustände hatten abgenommen. Entgegen der von der Beklagten im vertretenen Auffassung
ist unerheblich, ob dieses Ergebnis auch mit einer ambulanten Maßnahme am Wohnort hätte erreicht werden können. Für eine wesentliche
Besserung der Erwerbsfähigkeit ist nicht erforderlich, dass ambulante Maßnahmen vor Ort nicht ausreichen. Denn einen Grundsatz
der Subsidiarität von Rehabilitationsleistungen gegenüber ambulanten Therapieformen vor Ort kennt das Gesetz nicht (Luthe
in jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl. 2013, §
10 Rdnr. 51).
Die Rehabilitationsleistung war aber nach §
12 Abs.
2 Satz 1
SGB VI ausgeschlossen, da sie nicht vor Ablauf von vier Jahren dringend erforderlich war. Gemäß §
12 Abs.
2 Satz 1
SGB VI werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher
Leistungen zur Rehabilitation erbracht, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst
worden sind. Die Klägerin hat zuletzt im Jahr 2007 und damit innerhalb der Vier-Jahres-Frist eine Rehabilitationsleistung
zu Lasten ihrer Krankenkasse in Anspruch genommen, diese vorzeitige Leistung war nicht aus gesundheitlichen Gründen dringend
erforderlich. Dringend erforderlich bedeutet, dass ohne die vorzeitige Wiederholung mit einer weiteren Minderung der Leistungsfähigkeit
vor Ablauf der Vierjahresfrist zu rechnen ist. Voraussetzung ist ein höherer Grad der Gefährdung als "erheblich gefährdet"
in §
10 Nr. 1
SGB VI. Dringend erforderlich sind vorzeitige Leistungen beispielswiese, wenn eine nicht nur unerhebliche Verschlimmerung der der
vorherigen Rehabilitationsleistung zugrunde liegenden Krankheit eingetreten ist, neue eingetretene Krankheiten vorliegen,
die Krankheit aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer erheblichen Erwerbsminderung führt, die ohne vorzeitige Behandlung eine
Erwerbsminderungsrente zur Folge hat oder eine Anschlussheilbehandlung der Rentenversicherung nach Krankenhausbehandlung angezeigt
ist (Kater in Kassler Kommentar, 78. Ergänzungslieferung 2013, §
12 SGB VI Rdnr. 21, Luthe in jurisPK-
SGB VI, a.a.O., §
12 Rdnr. 59 ff). Dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Frühjahr 2010 im Sinne des §
10 SGB VI erheblich gefährdet war, wurde bereits dargelegt. Die darüber hinausgehende dringende Notwendigkeit einer vorzeitigen Rehabilitationsmaßnahme
ist aus Sicht des Senats nicht gegeben. Diese folgt auch nicht aus den Stellungnahmen von Dr. Bä ... In seiner Stellungnahme
vom 10. Dezember 2011 führt er aus, dass die Klägerin im Frühjahr 2010 unter erheblichen Allergieproblemen, erheblichen Rückenproblemen
und einem starken psychischen Leidensdruck am Arbeitsplatz litt. Diese Gesundheitsstörungen in Verbindung mit den durch Dr.
Ha. beschriebenen erheblichen Bewegungseinschränkungen führten auch nach Auffassung des Senats zu einer erheblichen Gefährdung
der Erwerbsfähigkeit, nicht aber zu der dringenden Notwendigkeit, eine Rehabilitationsmaßnahme vorzeitig durchzuführen. Die
Fortführung der Medikation mit antiallergischen Tabletten in Verbindung mit einer inhalativen Behandlung und einem langwirksamen
entkrampfenden Medikament für die Bronchien sowie regelmäßige Physiotherapie wäre ausreichend gewesen. Der Senat verkennt
nicht, dass zur Vermeidung einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation eine Rehabilitationsmaßnahme sinnvoll war,
sieht diese zum damaligen Zeitpunkt aber nicht als dringend erforderlich an; ambulante Therapien wären zur Stabilisierung
der gesundheitlichen Situation ausreichend gewesen. Insoweit folgt der Senat der Aussage der Beratungsärztin Ju ...
Der Klägerin sind daher die ihr tatsächlich entstandenen Kosten in Höhe von 2.678,08 EUR nicht zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.