Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beim Bezug von Renten aus französischen Zusatzrentensystemen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob zwei Zusatzrenten, die der Kläger aus Frankreich erhält, in der gesetzlichen Krankenversicherung
und der sozialen Pflegeversicherung beitragspflichtige Versorgungsbezüge sind.
Der 1940 geborene Kläger bezieht seit 1. Oktober 2000 eine (vorgezogene) Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung
B (DRV). Er ist seit 1. April 2002 als Rentner in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert. Außer seiner
Rente von der DRV erhält der Kläger auch drei Renten aus Frankreich. Neben der gesetzlichen Rente von der französischen Rentenversicherung
("Caisse nationale d´assurance vieillesse" - CNAV) bezieht er zwei Zusatzrenten. Die Zusatzrente von IREPS ("Institution de
retraites et de prévoyance des salariés") gehört zum Altersversorgungssystem ARRCO ("Association pour le régime de retraite
complémentaire des salarieés") und die Zusatzrente von CIRCACIC ("Caisse interprofessionelle retraite des cadres architectes,
du commerce, de l´industrie et activités connexes") zum Altersversorgungssystem AGIRC ("Association générale des institutions
de retraite des cadres"). Beide Zusatzrenten sind für die Beschäftigten in Frankreich verpflichtend. Der Arbeitgeber muss
die Beiträge für diese Versicherungen aus dem Gehalt des Beschäftigten an die Zusatzversicherungssysteme zahlen. In einer
von der französischen Regierung an den Rat der Europäischen Union gerichteten Notifizierung erklärte die französische Regierung
unter Bezugnahme auf Art 1 Buchst j der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 (VO 1408/71), dass diese Verordnung auf das "betriebliche
Versorgungssystem" ARRCO und das "betriebliche Versorgungssystem" AGIRC Anwendung findet. Die VO 1408/71 wird seit 1. Januar
2000 auf beide Altersvorsorgesysteme angewandt.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 11. April 2002 mit, dass die Zusatzrenten IREPS und CIRCACIC als betriebliche
Zusatzrenten der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterlägen. Die Beiträge seien monatlich zu zahlen und
sie werde die Beiträge aufgrund der bestehenden Einzugsermächtigung vom Konto des Klägers einziehen. Für die Krankenversicherung
wurde der Beitrag auf monatlich 115,27 EUR und für die Pflegeversicherung auf monatlich 27,60 EUR festgesetzt. Rechtsbehelfe
gegen dieses Schreiben wurden vom Kläger nicht eingelegt.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2003 bezifferte die Beklagte die monatlich vom Kläger zu zahlenden Beiträge für die Krankenversicherung
auf 116,62 EUR und für die Pflegeversicherung auf 27,92 EUR. Auch gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger zunächst nicht.
Mit einem weiteren Schreiben vom 2. Dezember 2003 informierte die Beklagte den Kläger schließlich über die sich aufgrund des
GKV-Modernisierungsgesetzes ab 1. April 2004 ergebenden Änderungen. Sie teilte ihm mit, bisher habe die Hälfte des allgemeinen
Beitragssatzes (Stand 1. Juli des Jahres) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember des folgenden Kalenderjahres gegolten.
Ab 1. April 2004 gelte der volle allgemeine Beitragssatz. Die Stichtagsregelung sei geblieben. Da die Beklagte zum 1. Juli
2003 einen allgemeinen Beitragssatz von 14,9 % gehabt habe, sei dieser ab 1. April 2004 maßgebend. An der Höhe des Pflegeversicherungsbeitrages
aus den Versorgungsbezügen habe sich nichts geändert. Gegen dieses Schreiben wandte sich der Kläger am 22. Januar 2004 und
machte geltend, mit einer Erhöhung des Beitragsatzes für seine französischen Zusatzrenten sei er nicht einverstanden. Es handele
sich nicht um Betriebsrenten oder ähnliche Versorgungsbezüge. Die Beklagte verblieb bei ihrer Rechtsauffassung und wies den
Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2004 darauf hin, dass er seit 1. April 2002 als Rentenbezieher pflichtversichert sei.
Bei den französischen Zusatzrenten der "CIRCACIC" und "IREPS" handele es sich um Versorgungsbezüge iS des §
229 Abs
1 Satz 1 Nr
5, Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). An dieser Rechtsauslegung habe sich auch durch das GMG zum 1. Januar 2004 nichts geändert. Es verbleibe damit bei der Beitragsberechnung
seit 1. April 2002. Weder das Schreiben vom 2. Dezember 2003 noch das Schreiben vom 2. Februar 2004 enthielten eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Am 9. Februar 2004 legt der Kläger förmlich Widerspruch gegen die Beitragsberechnung ab 1. Januar 2004 für seine französischen
Zusatzrenten ein.
Mit Schreiben vom 3. März 2004 setzte die Beklagte die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Januar 2004 neu fest
sowie den ab 1. Februar 2004 aus den Zusatzrenten der CIRCACIC in Höhe von monatlich 1.457,99 EUR und der IREPS in Höhe von
monatlich 204,86 EUR zu zahlenden Betrag auf insgesamt 276,03 EUR fest. Auf die Krankenversicherung entfielen 247,76 EUR und
die Pflegeversicherung 28,27 EUR.
Der Kläger erweiterte am 15. März 2004 seinen Widerspruch auf das Schreiben vom 3. März 2004.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers als unbegründet
zurück. Nach §
237 SGB V werde bei versicherungspflichtigen Rentnern auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge)
der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Zu den Versorgungsbezügen gehörten nach §
229 Abs
1 Satz 1 Nr
5 SGB V auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, und zwar auch, wenn solche Leistungen aus dem Ausland bezogen würden. Seit
1. Januar 2004 gelten nach §
248 Satz 1
SGB V bei Versicherungspflichtigen für die aus dem Arbeitseinkommen und den Versorgungsbezügen zu zahlenden Beiträge der jeweils
am 1. Juli geltende allgemeine Beitragssatz für das Folgejahr. Dieser habe am 1. Juli 2003 bei der Beklagten 14,9 % betragen.
Bei den beiden französischen Zusatzrenten handele es sich um französische Betriebsrenten.
Am 27. Mai 2004 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat sein Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend darauf hingewiesen, dass
er durch die von der Beklagten praktizierte Form der Auslegung benachteiligt werde. Aufgrund seiner Tätigkeit in Frankreich
erhalte er von dort nur eine geringe Grundrente, aber höhere Zusatzrenten. Hätte er in Deutschland versicherungspflichtig
gearbeitet, könnte er höchsten 10% seiner Rentenleistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung erhalten. Während das
deutsche System der betrieblichen Altersversorgung auf Freiwilligkeit beruhe, sei die Zusatzversicherung in Frankreich obligatorisch.
Mit Bescheid vom 14. April 2005 nahm die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 28. Februar 2005 eine Neuberechung
der zu zahlenden Beiträge vor und setzte die ab 1. März 2005 aus den französischen Zusatzrenten zu zahlenden Beiträge (vorläufig)
fest (für die Krankenversicherung: 251,98 EUR, für die Pflegeversicherung: 28,75 EUR). Dieser Bescheid erging ausdrücklich
auch im Namen der Pflegekasse. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 28. April 2005 Widerspruch ein.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2005 hat das SG die Klage abgewiesen; auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Das Urteil ist dem Kläger mit Einschreiben/Rückschein
am 16. März 2006 zugestellt worden.
Am 12. April 2006 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass es sich bei den französischen Zusatzrenten
nicht um Versorgungsbezüge iS des §
229 SGB V handelt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. April 2002, 2. Februar
2004 und 3. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 sowie den Bescheid vom 14. April 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Erklärung nach Art 1 Buchst j VO 1408/71 sei nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich wäre eine Erklärung nach Art 5 VO 1408/71, die aber nicht
vorliege. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei es Sache des Rechts des betroffenen Mitgliedsstaates, die für die Berechung
der Krankenkassenbeiträge zu berücksichtigenden Einkünfte festzulegen.
Der Senat hat ua eine Auskunft der Europäischen Kommission, Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit,
vom 12. Dezember 2006 (Bl. 82 f. der LSG-Akte) und eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung
vom 1. Februar 2007 (Bl. 103 ff der LSG-Akte) eingeholt. Das Bundesministerium hat außerdem einen Anhang zum französischen
Vermerk vom 10. März 1999 vorgelegt, in dem die Grundlagen der beiden Zusatzrentensysteme ARRCO und AGIRC beschreiben werden
(Bl. 110 ff der LSG-Akte).
Für die Jahre ab 2005 hat die Beklagte weitere Bescheide erlassen, mit denen auf der Grundlage der vom Kläger eingereichten
Belege die Beiträge für das vergangene Jahr endgültig und die Beiträge für das laufende Jahr vorläufig festgesetzt wurden.
Im Hinblick auf diesen Sachverhalt haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 2009 einen Teilvergleich
geschlossen. Darin hat sich die Beklagte verpflichtet, die ab dem Jahr 2006 ergangenen Bescheide erneut zu prüfen, wenn im
vorliegenden Rechtsstreit rechtskräftig festgestellt wird, dass die französischen Renten keine Versorgungsbezüge sind.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster
und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und nach §
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten
sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Die französischen Zusatzrenten sind nicht beitragspflichtig
in der KVdR.
Streitgegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 11. April 2002. Dieser - nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung
versehene - Bescheid ist zwar ein Jahr nach seiner Bekanntgabe bestandkräftig geworden (§
66 Abs
2 SGG), die Beklagte hat jedoch im Schreiben vom 2. Februar 2004 nicht nur darauf hingewiesen, dass die französischen Zusatzrenten
aus ihrer Sicht beitragspflichtige Versorgungsbezüge sind, sondern ausdrücklich entschieden, dass es bei der Beitragsberechnung
seit 1. April 2002 verbleibe. Sie hat für den Kläger erkennbar eine erneute Entscheidung über die bisherige Beitragpflicht
getroffen. Der Kläger hat in seinem Widerspruchsschreiben vom 9. Februar 2004 auch ausdrücklich auf das Schreiben der Beklagten
vom 2. Februar 2004 Bezug genommen. Streitgegenstand ist auch der Bescheid vom 14. April 2005, mit dem die Beklagte die Beiträge
für das Jahr 2004 und die Monate Januar und Februar 2005 (endgültig) und ab 1. März 2005 neu festgesetzt hat. Mit diesem Bescheid
hat die Beklagte die früheren Bescheide ersetzt (§
96 SGG). Die weiteren ab dem Jahr 2006 ergangenen Bescheide sind nicht Streitgegenstand; hierüber haben die Beteiligten einen Teilvergleich
geschlossen, der eine Begrenzung des Streitgegenstandes zur Folge hat.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind insgesamt und nicht nur teilweise angefochten, obwohl sich der Kläger ausdrücklich
nur gegen die Anwendung des vollen Beitragssatzes gewandt hatte. Trifft seine Begründung - die Bescheide seien rechtswidrig,
weil die französischen Zusatzrenten keine Versorgungsbezüge sind - zu, entfällt die Beitragspflicht ganz. Streitig sind somit
nur die endgültig festgesetzten Beiträge für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 28. Februar 2005.
Bei Personen, die - wie der Kläger - in der KVdR versicherungspflichtig sind, werden der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag
der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ua auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge)
zugrunde gelegt (§
237 Satz 1
SGB V; für die Pflegeversicherung iVm §
57 Abs
1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB XI-). Grundsätzlich haben die Zahlstellen der Versorgungsbezüge die Beiträge aus den Versorgungsbezügen einzubehalten und an
die Krankenkasse weiterzuleiten (§
256 Abs
1 Satz 1
SGB V; in der Pflegeversicherung iVm §
60 Abs
1 Satz 2
SGB XI). Da jedoch bei Bezügen aus dem Ausland das Zahlstellenverfahren ausscheidet, hat der Versicherte die Beiträge aus den Versorgungsbezügen
gemäß §§
250 Abs
1 Nr
1,
252 Abs
1 Satz 1
SGB V, §
60 Abs
1 Satz 1
SGB XI selbst zu entrichten (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1995, 12 RK 45/93, SozR 3-2500 § 229 Nr 9). Es kommt daher entscheidend darauf an, ob die französischen Zusatzrenten Versorgungsbezüge sind.
Soweit der Kläger sich gegen die Erhebung von Beiträgen wendet, die bereits bestandskräftig festgesetzt worden sind, ist als
weitere Rechtsgrundlage für das Klagebegehren § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) heranzuziehen.
Als Versorgungsbezüge gelten ua Renten der betrieblichen Altersversorgung, und zwar auch dann, wenn diese Leistungen aus dem
Ausland bezogen werden (§
229 Abs
1 Satz 1 Nr
5, Abs
1 Satz 2
SGB V). Maßstab dafür, welche ausländischen Sicherungssysteme der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sind,
ist in erster Linie das über- und zwischenstaatliche Recht, im vorliegenden Rechtsstreit also die VO 1408/71. Nach ihrem Art
4 Abs 1 gilt diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die ua die Leistungen bei Krankheit
und Mutterschaft (Buchst a), bei Invalidität einschließlich der Leistungen, die zur Erhaltung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit
bestimmt sind (Buchst b) und Leistungen bei Alter (Buchst c). Leistungen aus dem Ausland, die unter Art 4 Abs 1 Buchst. b)
oder c) VO 1408/71 fallen, stellen ihrer Art nach Renten dar und dürfen nicht zur Beitragsbemessung in der deutschen gesetzlichen
Krankenversicherung herangezogen werden. In Art 5 VO 1408/71 ist festgelegt, dass die Mitgliedstaaten in Erklärungen, die
nach Art 97 VO 1408/71 notifiziert und veröffentlicht werden, niederlegen, welche Rechtsvorschriften und Systeme dem Gebiet
der sozialen Sicherheit zuzuordnen sind. Solche Erklärungen haben nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
verbindliche Wirkung insofern, als Leistungen, die aus notifizierten Rechtsvorschriften oder Systemen stammen, in jedem Falle
unter die Verordnung fallen; werden in den Erklärungen zu Art 5 VO 1408/71 Rechtsvorschriften oder Systeme nicht erwähnt,
so ergibt sich daraus jedoch nicht ohne weiteres, dass sie nicht unter die Verordnung fallen (BSG, Urteil vom 30. März 1995,
aaO. unter Hinweis auf EuGHE 1977, 2249 = SozR 6050 Art 5 Nr 2).
Im vorliegenden Fall liegt eine Notifizierung nach Art 5 VO 1408/71 nicht vor. Allerdings hat die französische Regierung in
einer an den Rat der Europäischen Union gerichteten Notifizierung vom 29. März 1999 unter Bezugnahme auf Art 1 Buchst. j der
Verordnung VO 1408/71 erklärt, dass diese Verordnung auf das "betriebliche Versorgungssystem" ARRCO und das "betriebliche
Versorgungssystem" AGIRC Anwendung findet. Die VO 1408/71 wird seit 1. Januar 2000 auf beide Altersvorsorgesysteme angewandt.
Diese Notifizierung ist im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 28. Juli 1999 veröffentlicht worden (C 215/1). Nach
Auffassung des Senats führt auch diese Notifizierung dazu, dass es sich bei den hier streitigen französischen Zusatzrenten
um Leistungen nach Art. 4 Abs 1 Buchst. c) der VO 1408/71 handelt und damit ihrer Art nach um Renten, die nicht der Beitragspflicht
in der KVdR unterliegen. Denn Art 97 VO 1408/71 betrifft auch Notifizierungen nach Art. 1 Buchst j VO 1408/71, mit denen die
zu den Systemen der sozialen Sicherheit zu rechnenden Rechtsvorschriften definiert werden (ebenso SG Reutlingen, Urteil vom
6. Oktober 2005, S 3 KR 2411/04, zit nach juris).
Dem steht das Urteil des EuGH vom 25. Mai 2000 (C-50/99, zit nach juris) nicht entgegen. Zwar hat der EuGH in diesem Urteil entschieden, dass die Ansprüche aus den Zusatzrentensysteme
AGIRC und ARRCO Entgelt iSd Art 119 EG-Vertrages (jetzt: Art 141 Abs 2 Satz 1 EG-Vertrag) und keine Renten sind. Diese Entscheidung
betraf aber einen Sachverhalt aus dem Jahr 1993 bzw 1994 und damit einen Zeitraum vor der Notifizierung. Dagegen ist dem Urteil
des EuGH vom 15. Juni 2000 (C-302/98, SozR 3-6030 Art 48 Nr 16) zu entnehmen, dass für die Erhebung von Krankenkassenbeiträgen auf französische Zusatzrenten eines
in der deutschen KVdR versicherten Rentners nur dann ausschließlich die deutschen Rechtsvorschriften gelten, wenn keine Erklärung
nach Art 1 Buchst j VO 1408/71 abgegeben wurde.
Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des EuGH vom 18. Juli 2006, C 50/05 (zit nach juris) steht der vom Senat vertretenen Auffassung ebenfalls nicht entgegen. Der EuGH hat darin entschieden hat,
dass es in Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene Sache des Rechts des jeweils betroffenen Mitgliedstaats
ist, die für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zu berücksichtigenden Einkünfte festzulegen. In dem vom EuGH in
dieser Entscheidung zu beurteilenden Sachverhalt sah das finnische Krankenversicherungsgesetz vor, dass die Krankenversicherungsbeiträge
auf der Grundlage sämtlicher Einkünfte berechnet werden, die für das vorangegangene Steuerjahr im Rahmen der Veranlagung zur
Kommunalsteuer berücksichtigt wurden, darunter die von anderen Mitgliedstaaten gewährten Renten. Dagegen differenziert der
deutsche Gesetzgeber zwischen gesetzlichen Renten und Versorgungsbezügen. Auf Renten, die ein Versicherter aus einem Mitgliedstaat
erhält, werden nach dem nationalen deutschen Recht keine Beiträge erhoben. Vorliegend geht es also nicht um das Recht zur
Beitragserhebung, sondern um die Bewertung von Leistungen eines ausländischen Versicherungsträgers als Renten oder als Leistungen
der betrieblichen Altersversorgung. Für diese Einordnung kommt es darauf an, ob eine Erklärung nach Art 1 Buchst j VO 1408/71
vorliegt oder nicht.
Auf die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, auch die Beiträge für die soziale Pflegeversicherung zu erheben, kommt es bei
der vom Senat vertretenen Auffassung nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.