Tatbestand
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Grundurteil über die Gewährung einer Rente nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG).
Der 1978 im Kosovo (ehemalige Bundesrepublik Jugoslawien) geborene Kläger lebt seit Oktober 2002 in Deutschland. Er hatte
zunächst einen Aufenthaltstitel nach § 30 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) als nachgezogener Ehegatte einer seit längerem in Deutschland wohnhaften Ausländerin inne. Noch vor der hier angeschuldigten
Tat am 18. Dezember 2006 hatte er sich von seiner Ehefrau getrennt und daraufhin, weil die Ehe im Bundesgebiet länger als
drei Jahre angedauert hatte, eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Abs. 1 AufenthG. Diese war zunächst bis zum 19. November 2008 befristet (Auskunft der Ausländerbehörde des Landratsamts L. vom 23. November
2007). Nach der hier angeschuldigten Tat, Anfang 2012, änderte er seinen Nachnamen in "J." (Mädchenname seiner Mutter) und
heiratete am 24. August 2012 eine andere kosovarische Staatsangehörige, mit der er ebenfalls im Bundesgebiet lebt. Der Kläger
war in Deutschland in verschiedenen Firmen als ungelernter Maurer beschäftigt. Er war bereits zur Zeit der hier angeschuldigten
Tat seinerseits durch verschiedene Gewaltdelikte in Erscheinung getreten (Protokoll der Polizeidirektion L. vom 26. Februar
2007), das Bundeszentralregister weist aber aktuell keine Eintragungen unter einem seiner Namen auf (Auskunft des Bundesamts
für Justiz vom 11. Dezember 2015). Die zuletzt innegehabte Berufstätigkeit als Sandstrahler verlor der Kläger Anfang 2014,
seitdem bezieht er Leistungen der Arbeitsförderung und nunmehr der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Nach dem späteren Vorbringen des Klägers kam es am 18. Dezember 2006 zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr in dem kosovo-albanischen
Vereinsheim "P.", dessen Vereinsvorsitzende der angebliche Schädiger I. B. war, zu einer Auseinandersetzung. Dieser Vorfall
selbst und sein Hergang im Einzelnen sind zwischen den Beteiligten streitig. Aus dem späteren Ermittlungsverfahren gegen B.
ist bekannt, dass es am 18. Dezember 2006 keinen Polizeieinsatz in dem Vereinsheim gegeben hat. Ferner war damals kein Rettungsdienst
bzw. Notarzt vor Ort (vgl. Ermittlungsergebnisse des Polizeipostens F.-Weststadt vom 17. Februar 2016).
Der Kläger wurde am 18. Dezember 2006 von der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsklinik F. aufgenommen.
Auf welche Weise er die Klinik erreicht hatte, konnte während dieses Verfahrens nicht aufgeklärt werden. Nach den Angaben
in dem endgültigen Entlassungsbericht des Klinikums vom 19. Januar 2007 gab der Kläger bei Aufnahme an, er sei nach einem
massiven Alkoholkonsum zuhause die Treppe hinuntergestürzt. Anamnestisch lag eine Bewusstlosigkeit vor, klinisch bestand ein
Monokel-Hämatom rechts sowie eine tastbare Knochenstufe im Bereich der Stirnhöhle, der Nasenwurzel und des rechten Orbita-Daches.
Es wurden die Diagnosen einer Commotio cerebri, einer Stirnbein-Fraktur im mittleren Drittel sowie einer Fraktur des Naso
Etemedioal-Komplexes gestellt. Der Kläger wurde am 21. Dezember 2006 operiert und bis zum 26. Dezember 2006 stationär behandelt.
Ein erneuter stationärer Aufnahme vom 28. Januar bis zum 1. Februar 2008 diente der Entfernung des Osteosynthese-Materials.
Die Stirnhöhlen-Vorderwand war nach der Metallentfernung gut konsolidiert. Danach war der Kläger kontinuierlich arbeitsunfähig,
klagte über Kopfschmerzen, Schwindel und allgemeine Belastbarkeitsminderung, so dass er am 22. April 2008 durch den Medizinischen
Dienst der KrankEn.sicherung Baden-Württemberg (MDK) begutachtet wurde. Noch hierbei, mehr als ein Jahr nach dem Vorfall,
gab er an, der Unfallhergang sei ihm nicht erinnerlich.
Am 26. Februar 2007 erstattete der Kläger bei der Polizeidirektion Freiburg Strafanzeige gegen I. B. Der Kläger teilte mit,
er habe bis vor kurzem geglaubt, dass er sich die Verletzungen Ende Dezember 2006 am 16. oder 17. Dezember 2006 bei einem
Treppensturz im "P." zugezogen habe. Nunmehr habe ihm ein - ihm unbekannter - "Albaner aus L." mitgeteilt, dass ihm tatsächlich
der Inhaber des Restaurants, B., mit einer Flasche gegen den Kopf geschlagen habe. Einzelheiten dazu wisse er - der Kläger
- nicht, er sei zu sehr betrunken gewesen. Im weiteren Verlauf machte der Beschuldigte B., ein arbeitsloser Lehrer mit vier
Kindern, der seit 1992 in der Bundesrepublik lebt und lediglich durch ein Betrugsdelikt strafrechtlich in Erscheinung getreten
war (Vermerk der Polizeidirektion L. vom 26. Februar 2007), zunächst keine Angaben. Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft
F. (StA) das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 25. April 2007 mangels hinreichenden Tatverdachts ein.
Gegen diese Einstellungsverfügung legte der Kläger am 4. Juni 2007 über seinen Prozessbevollmächtigen Beschwerde ein. Dieser
gab zunächst an, der Kläger müsse den Zeugen noch ermitteln. Später teilte der Prozessbevollmächtigte mit, der Zeuge trage
den Vornamen "A.", Genaueres sei noch nicht bekannt (Schriftsatz vom 5. September 2007). Am 17. September 2007 nahm die StA
das Ermittlungsverfahren von Amts wegen wieder auf.
Am 18. Oktober 2007 beantragte der Kläger parallel hierzu bei dem Beklagten, Schädigungsfolgen nach dem
OEG festzustellen und eine Rente zu gewähren. Als Gesundheitsschäden gab er eine Stirnhöhlenvorderwandfraktur, eine Nasenbeinfraktur
und eine Commotio cerebri an. Er legte die vorläufige Entlassungsinformation des Universitätsklinikums F. vom 28. Dezember
2006 vor. Das Ausländeramt teilte der Versorgungsabteilung des Beklagten den ausländerrechtlichen Status des Klägers mit.
In dem wieder aufgenommenen Ermittlungsverfahren vernahm die Polizei zunächst den Cousin des Klägers, M. (M.) R., als Zeugen.
Dieser gab am 30. Oktober 2007 an, der Kläger sei von einem anderen Mann niedergeschlagen worden, nachdem es einen Anrempler
gegeben habe. Er - der Zeuge - habe an der Theke gestanden und den Vorfall nicht gesehen, sondern den Kläger erst voller Blut
auf der Treppe sitzen sehen, unmittelbar nachdem der Beschuldigte B. zur Theke gerannt gekommen sei. Der Prozessbevollmächtigte
des Klägers teilte mit, der zwischenzeitlich namentlich bekannte "A." fürchte um Leben und Unversehrtheit und wolle daher
anonym bleiben. Nach mehrfachem Schriftwechsel mit der StA teilte der Prozessbevollmächtigte dann im Februar 2008 die Daten
des Zeugen A. S. mit. Dieser sagte am 24. Februar 2008 - zunächst wurden seine Daten nicht zur Akte genommen - aus, irgendjemand
habe angefangen, mit dem Kläger zu streiten, sich zu schubsen und zu schlagen. Dann sei der "Besitzer der Kneipe", dessen
Namen der Zeuge nicht kannte, aufgestanden, habe eine Wodka-Flasche genommen und sie dem Kläger auf den Kopf geschlagen. Die
Flasche sei dabei kaputt gegangen. Deshalb habe der Besitzer auch eine Schnittverletzung an der rechten Hand erlitten. Der
Kläger sei zusammengesackt. Daraufhin habe es eine Massenschlägerei gegeben. Der Zeuge Ib. K. gab bei seiner Vernehmung am
16. März 2008 - zunächst ebenfalls anonym - an, er sei in der Kneipe gewesen, habe aber nichts gesehen, außer dass der Kläger
verletzt gewesen sei und inmitten von Glasscherben vor der Küche der Kneipe am Boden gelegen habe. Er - der Zeuge - habe sodann
die Polizei oder den Krankenwagen - genau wisse er das nicht mehr - angerufen.
Den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten B. vom 16. April 2008 nahm die StA letztlich am 4. August
2008 zurück, nachdem dieser weitere Zeugen benannt hatte, die dann später polizeilich vernommen wurden. In dem weiter geführten
Ermittlungsverfahren gab der Zeuge Mi. So. am 13. November 2008 bei der Polizei an, er habe eine Rangelei zwischen ihm unbekannten
Personen auf der Treppe wahrgenommen. Er habe dann den Beschuldigten B., den Vereinsvorsitzenden, gefragt, was los sei. Gemeinsam
hätten er - der Zeuge So. - und der Beschuldigte die Kontrahenten auseinander bekommen. Danach seien die meisten Gäste nach
draußen gegangen. Später sei eine Person, die ordentlich betrunken gewesen sei, in der Küche behandelt worden. Kurz danach
seien Krankenwagen und Sanitäter gekommen und hätten diese Person mitgenommen. Auf die Frage, ob der Beschuldigte B. mit einer
Flasche auf den Verletzten eingeschlagen habe, sagte der Zeuge: "Nein, auf keinen Fall". Der Zeuge Ba. Z. teilte am 17. November
2008 mit, der Beschuldigte B. habe einen Streit schlichten wollen. Dabei habe dieser von einer ihm - dem Zeugen Z. - unbekannten
Person eine Flasche auf den Kopf geschlagen bekommen. Der Beschuldigte habe sicher niemandem eine Flasche auf den Kopf geschlagen,
vielmehr im Gegenteil. Danach sei sehr schnell die Polizei vor Ort gewesen. Am 2. Dezember 2008 bekundete der Zeuge Az. E.,
er habe am 18. Dezember 2006 in dem Vereinsheim gesehen, wie der Beschuldigte versucht habe, eine Schlägerei zu beenden. Währenddessen
sei eine Flasche an ihm - dem Zeugen E. - vorbeigeflogen und habe einen großen, starken Mann auf dem Treppenaufgang im Gesicht
getroffen. Der Mann sei zu Boden gefallen. Der Beschuldigte und ein anderer hätten dem Mann aufgeholfen und ihm das Gesicht
gewaschen. Der Beschuldigte habe mit Sicherheit nicht geschlagen und auch nicht die Flasche oder den Gegenstand geworfen.
Der Zeuge F. Mu. gab am 21. November 2008 bei der Polizei an, er könne sich nur noch vage an den Abend erinnern, es sei wohl
jemand die Treppe heruntergefallen und der Krankenwagen habe kommen müssen. Der Zeuge G. Sh. bekundete am 17. November 2008,
er sei am 18. Dezember 2006 mit dem Zeugen Mu. in dem albanischen Vereinsheim gewesen, dass der Beschuldigte B. sehr erfolgreich
führe. An jenem Abend habe ein provozierend auftretender Mann, den er - der Zeuge Sh. - nicht gekannt habe, ein Mädchen angebaggert.
Der Freund dieses Mädchens habe dem Mann zu verstehen gegeben, er solle sie in Ruhe lassen. Danach hätten sich mehrere Menschen
eingemischt. Was genau passiert sei, habe er - der Zeuge - nicht gesehen. Der Beschuldigte habe die Schlägerei dann schlichten
wollen und sich dabei sehr für den unbekannten Mann eingesetzt. Dabei habe sich der Beschuldigte an der Hand verletzt und
durch einen Schlag eine große Beule auf dem Kopf erlitten. Später habe sich der unbekannte Mann verletzt im Eingangsbereich
der Küche aufgehalten. Kurz danach seien Krankenwagen und Polizei gekommen. Eine Tat wie hier angeschuldigt traue er dem Beschuldigten
nicht zu, er habe auch keinen gefährlichen Gegenstand gesehen. Am 14. November 2008 gab der Zeuge En. T. an, es sei sehr dunkel
gewesen, es seien Flaschen und Stühle geflogen und die Leute hätten mit Fäusten aufeinander eingeschlagen. Wer wen geschlagen
habe, habe er - der Zeuge - nicht gesehen. Den Beschuldigten habe er bei der Schlägerei nicht gesehen, jener habe vielmehr
mit einem Gast weiter weg an einem Tisch gesessen. Der Zeuge R. Ru. gab bei seiner Vernehmung am 21. November 2008 an, seine
- des Zeugen - Ehefrau habe an jenem Abend bis fünf Uhr morgens in dem Lokal einen Auftritt als Sängerin absolviert. Während
eines Gesprächs mit dem Beschuldigten über weitere Auftritte seiner - des Zeugen Ru. - Ehefrau habe eine Auseinandersetzung
begonnen, bei der sich mehrere Menschen mit Gläsern beworfen hätten. Der Beschuldigte habe versucht zu schlichten und die
Leute beruhigt. Er habe niemanden geschlagen, er habe ihn die gesamte Zeit im Blick gehabt. Eine Person, die am Boden gelegen
habe, habe er nicht gesehen. Letztlich gab der Zeuge Sa. So. am 30. Oktober 2008 an, es sei an dem Abend zu einer Auseinandersetzung
zwischen zwei Gruppen gekommen. Der Beschuldigte habe versucht, sie auseinander zu halten. Er - der Zeuge So. - habe nicht
gesehen, aber später gehört, dass ein Mann mit einer Flasche niedergeschlagen worden sei. Die Verletzungen des Mannes, die
er dann gesehen habe, seien recht heftig gewesen. Der Beschuldigte habe mit hundertprozentiger Sicherheit nicht zugeschlagen,
sondern versucht zu schlichten.
Mit Verfügung vom 26. Mai 2009 stellte die StA das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten B. erneut ein. Der - hiesige
- Kläger habe keine Erinnerungen an den Vorfall. Die Anschuldigungen gegen den Beschuldigten habe - nur - der Zeuge "A." bestätigt,
nicht hingegen die weiterhin vernommenen acht Zeugen. Das Lokal sei sehr voll, die Lichtverhältnisse seien schlecht gewesen.
Diese Umstände erschwerten eine Identifizierung des Täters.
Der Kläger erhob auch gegen diese Verfügung über seinen Prozessbevollmächtigten Beschwerde, wobei er selbst in jener Zeit
nach einem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26. Oktober 2009 nicht auffindbar war. Diese Beschwerde wies der Generalstaatsanwalt
in Karlsruhe am 8. Januar 2010 zurück. Ein Klageerzwingungsverfahren leitete der Kläger nicht ein (Auskunft der StA vom 31.
März 2010).
Nachdem der Beklagte die Akten des Strafverfahrens beigezogen hatte, lehnte er nach deren Auswertung mit dem hier angegriffenen
Bescheid vom 16. April 2010 den Antrag des Klägers vom 18. Oktober 2007 ab. Ein tätlicher Angriff auf ihn sei nicht erwiesen.
Mehrere Zeugen hätten ausgesagt, dass der Beschuldigte B. den Kläger nicht angegriffen habe bzw. sie hätten keine entsprechenden
Beobachtungen gemacht. Der Kläger selbst habe über mehrere Wochen einen Treppensturz als Ursache angenommen. Entsprechend
diesem Ermittlungsergebnis sei auch das Strafverfahren eingestellt worden.
Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die erneute Vernehmung der Zeugen S. und K. begehrt hatte, wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 1. September 2010 zurück. Er führte darin ergänzend aus, nach den z.T. widersprüchlichen Angaben
der Zeugen stehe Aussage gegen Aussage, ohne dass der einen Aussage erhöhte Überzeugungskraft zukomme. Es stehe lediglich
fest, dass der Kläger selbst keine Erinnerung habe und erheblich alkoholisiert gewesen sei. Daher könne nicht zur vollen Überzeugung
festgestellt werden, dass der Kläger durch eine Flasche verletzt worden sei. Er könne ebenso gut von herumfliegenden Gegenständen
getroffen oder die Treppe hinuntergestürzt sein, wie er selbst anfangs angegeben habe.
Am 4. Oktober 2010 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat dort schriftsätzlich beantragt, die genannten Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Anerkennung von
"Hirnschädigungen bzw. Hirnfunktionsstörungen nach Stirnhöhlenvorderwandfraktur, Nasenbeinfraktur, Schädel-Hirn-Trauma und
Commotio cerebri sowie starke posttraumatische Belastungsstörungen, Konzentrationsstörungen, Leistungsbeeinträchtigungen sowie
starke Kopfschmerzen" als Schädigungsfolge und zur Gewährung einer Beschädigtenversorgung bzw. einer "Versorgungsrente" nach
einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 seit dem 16. Oktober 2007 zu gewähren (Klageschrift vom 4. Oktober
2010). Der Kläger hat vor dem SG behauptet, ein unbekannter Täter bzw. B. habe ihn bei einer Auseinandersetzung in dem albanischen Restaurant "P." in F. am
18. Dezember 2006 mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen. Dabei habe er die ärztlich dokumentierten Gesichtsverletzungen
erlitten. Es habe Lebensgefahr bestanden, die nur durch eine Öffnung der Schädeldecke habe abgewandt werden können. In der
Folge habe er sich einer Vielzahl von Behandlungen und Operationen sowie Nachuntersuchungen unterziehen müssen. Er habe lange
Zeit unter gravierenden Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen erheblicher Art gelitten. Seine vor dem Unfall ausgeübte
Erwerbstätigkeit habe er aufgeben müssen. Zwischenzeitlich habe sich sein Zustand etwas gebessert. Im weiteren Verfahrensverlauf
hat der Kläger weiter behauptet, er leide zusätzlich an einer psychischen Erkrankung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung,
und gemeint, diese Erkrankung sei ebenfalls auf den (behaupteten) Angriff mit der Flasche zurückzuführen.
In der mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2011 hat das SG den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen A. S. und Ib. K. Der Kläger hat
angegeben, er habe schon vor dem Besuch in dem Lokal und dort dann weiter getrunken. Er habe sich dort bis vier oder fünf
Uhr aufgehalten. Irgendwann habe eine Schlägerei begonnen. Er wisse noch ganz genau, dass B. mit einer Flasche in der Hand
auf ihn zugekommen sei und ihm damit auf den Kopf geschlagen habe. Danach wisse er nichts mehr. Er sei während dieses Angriffs
auf dem Weg zum WC gewesen. Auf Nachfragen gab der Kläger an, die Erinnerung an den Vorfall sei nach drei oder vier Monaten
zurückgekommen. Der Zeuge S. hat bekundet, er - der Zeuge - habe den Kläger nicht gekannt, aber er sei ihm an jenem Abend
in dem Lokal - nicht negativ - aufgefallen. Es sei ein kleiner dicker Mann auf den Kläger zugekommen und habe mit einer großen
Weinflasche auf ihn eingeschlagen. Das sei der Besitzer des Lokals gewesen. Zuvor habe es eine Schlägerei in dem Lokal gegeben.
Er - der Zeuge - habe geglaubt, der Kläger sei nach dem Angriff tot gewesen. Der Zeuge hat auch angegeben, er selbst habe
in einer familienrechtlichen Sache den - jetzigen - Prozessbevollmächtigten des Klägers kontaktiert und diesem nebenbei von
der Auseinandersetzung erzählt. Der Kontakt zum Kläger sei dann über den Prozessbevollmächtigten zustande gekommen. Der Zeuge
K. hat mitgeteilt, er sei - nach der Auseinandersetzung - gegen drei oder vier Uhr zu dem Lokal gekommen. Der Cousin des Klägers
habe erzählt, der Kläger sei geschlagen worden. Der Kläger habe geschrien. Er habe in der Küche am Boden gelegen und wie tot
ausgesehen. Die Treppen zum WC seien voller Blut gewesen. Der Chef des Lokals sei am Finger verletzt gewesen und habe geblutet.
Er - der Zeuge K. - habe dann den Krankenwagen und die Polizei gerufen.
Auf Anfrage des SG hat Prof. Dr. Dr. Sch. für das Universitätsklinikum F. am 15. Mai 2014 mitgeteilt, der Kläger habe - nach den damaligen Unterlagen
- bei der Einlieferung bzw. präoperativ angegeben, er sei in betrunkenem Zustand eine Treppe hinuntergestürzt und mit dem
Gesicht in eine Scherbe gefallen. Die damaligen Verletzungen könnten bei retrospektiver Betrachtung durch ein stumpfes Trauma
im Bereich der Stirn verursacht worden sein, nähere Angaben zum Unfallhergang seien nicht möglich. Prof. Dr. Dr. Sch. hat
auch die endgültigen Berichte über die Behandlung im Dezember 2006, die Operation und die Nach-Operation Anfang 2008 vorgelegt.
Der Hausarzt des Klägers, Dr. Schu.-K., hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage am 8. Juli 2014 angegeben, er behandele
den Kläger seit 2004, dieser sei am 11. und 12. Dezember 2006 krankgeschrieben gewesen. Nach der Entlassung aus der Klinik
sei er am 8. Januar 2007 erneut in der Praxis gewesen. Er habe sich an den Hergang nicht erinnern können, möglicherweise sei
er angetrunken gestürzt. Die Verletzungen ließen sich mit einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand vereinbaren, eine Verletzung
mit einer Glasflasche sei nicht auszuschließen. Der Kläger, der bis März 2014 eine schwere körperliche Arbeit ausgeübt habe,
leide an chronischen Kopfschmerzen und einer depressiven Erschöpfung. Eine Umschulung sei für erforderlich gehalten worden.
Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) sei auf 100 zu schätzen. Dr. Schu.-K. hat auch ärztliche Unterlagen vorgelegt, darunter
den Entlassungsbericht der Kliniken Schm. über einen Aufenthalt des Klägers vom 24. Juni bis zum 4. Juli 2014 (Diagnosen:
F32.1, mittelgradige depressive Episode; G 44.2, Spannungskopfschmerz; G44.4, arzneimittelinduzierter Kopfschmerz; S06.31,
Z.n. Schädel-Hirn-Trauma mit contusioneller Schädigung).
In der mündlichen Verhandlung am 5. August 2015 hat das SG in neuer Besetzung den Zeugen Sa. R. uneidlich vernommen. Der Zeuge hat bekundet, er sei mit dem Kläger, seinem Cousin, in
dem Lokal gewesen. Plötzlich sei es eskaliert. Auf dem Treppenabsatz zur Toilette hinunter habe der Kläger gelegen. Er habe
an der Stirn geblutet. Es sei dann B. hinzugekommen, der am Unterarm Blut gehabt und dann verschwunden sei. Der Kläger sei
schließlich ins Krankenhaus gebracht worden. Er habe den Kläger am darauffolgenden Tag danach im Krankenhaus besucht. Dort
habe der Kläger gesagt, der Besitzer sei es gewesen, er habe ihn "getroffen". Er selbst - der Zeuge - habe den Schlag nicht
gesehen. Auf Nachfrage hat der Zeuge unter anderem angegeben, bei dem Tumult seien Flaschen geflogen.
Einen - ggfs. gegenüber der Klageschrift veränderten - Klageantrag hat der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen
Verhandlung nicht gestellt.
Mit Urteil vom 5. August 2015 hat das SG den Bescheid vom 16. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. September 2010 aufgehoben und den Beklagten verurteilt,
dem Kläger "antragsgemäß dem Grunde nach eine Rente nach dem
OEG zu gewähren". Eine Klageabweisung im Übrigen ist nicht austenoriert worden. Das SG hat ausgeführt, es sei nachgewiesen, dass die Verletzungen des Klägers durch einen tätlichen Angriff im Sinne des
OEG verursacht worden seien. Dies ergebe sich aus der Zusammenschau der diversen Zeugenaussagen im Strafverfahren und in dem
sozialgerichtlichen Verfahren. Allerdings sei den - jetzigen - Angaben des Klägers selbst keine hohe Aussagekraft zuzubilligen,
weil er unmittelbar nach dem Vorfall angegeben habe, er könne sich an nichts erinnern. Es könne daher eine so genannte Scheinerinnerung
vorliegen. Jedoch seien die Zeugenaussagen aussagekräftig. Mit einer Ausnahme hätten alle Zeugen, die im Ermittlungsverfahren
oder vor dem SG vernommen worden seien, eine tätliche Auseinandersetzung zwischen mehreren Beteiligten angegeben. Ferner stehe fest, dass
der Kläger - "wie auch immer" - in diese tätliche Auseinandersetzung "hineingeraten" sei und in deren Verlauf die bekannten
schweren Verletzungen erlitten habe. Ausweislich der sachverständigen Zeugenauskünfte des Universitätsklinikums und der Hausärztin
seien die Verletzungen vereinbar mit einem stumpfen Trauma, etwa einem Schlag mit einer Glasflasche. Dass sie stattdessen
durch einen zufällig zum gleichen Zeitpunkt erfolgten Treppensturz oder sonstigen Unfall entstanden sein könnten, der in keinem
Zusammenhang mit der tätlichen Auseinandersetzung gestanden habe, erscheine extrem fernliegend. Ferner sei davon auszugehen,
dass es sich um eine vorsätzliche Tat gehandelt habe. Zwar sei der Täter nicht bekannt, sodass keine Erkenntnisse zu seiner
Motivationslage vorlägen. Es sei jedoch kaum vorstellbar, dass in einer "Massenschlägerei" ein Beteiligter einem anderen mit
einer Glasflasche ins Gesicht schlage bzw. ihm eine solche ins Gesicht werfe, ohne dabei Verletzungen zumindest billigend
in Kauf zu nehmen. Weiterhin sei die Tat auch rechtswidrig gewesen, Denn es lägen keine Hinweise vor, dass die Verletzung
des Klägers gerechtfertigt sein könnte, etwa durch Notwehr. Die Zeugenaussagen zum Verhalten des Klägers vor der Schlägerei
variierten. Drei Zeugen hätten bekundet, der Kläger habe Leute genervt oder er habe einen Mann angerempelt oder er sei provozierend
und cool aufgetreten und habe ein Mädchen angebaggert. Diese Zeugen seien allerdings die einzigen, die ein unangemessenes
Verhalten des Klägers beobachtet hätten. Im Übrigen sei selbst ein unangenehmes, aufdringliches Ansprechen anderer Gäste in
der Regel kein Angriff im Sinne des Notwehrrechts. Ferner lägen keine Versagungsgründe vor. Es gebe keine überzeugenden Hinweise
dafür, dass der Kläger durch sein eigenes Verhalten einen tätlichen Angriff herausgefordert oder sich leichtfertig der Gefahr
einer Gewalttat ausgesetzt habe, insbesondere sei die Schlägerei plötzlich und überraschend ausgebrochen, sodass sich der
Kläger nicht in Sicherheit habe bringen können. Auch Unbilligkeit aus sonstigen Gründen liege nicht vor. Aus diesen Gründen,
so das SG abschließend, sei der Beklagte durch Grundurteil zu verurteilen gewesen, eine "Beschädigtenrente entsprechend §§ 29 ff. Bundesversorgungsgesetz (BVG)" zu gewähren. Ein solches Grundurteil sei hier möglich, da alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien und nur die Höhe
der Leistung offen bleibe. Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) sei - zwar - noch offen, er überschreite aber die Mindestschwelle
von 30. Der Kläger leide seit der Verletzung durchgehend an einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung seiner körperlichen,
geistigen und seelischen Fähigkeiten. Es liege eine Hirnschädigung vor. Angesichts der berichteten chronischen Kopfschmerzen
und Konzentrationsstörungen, die letztlich auch zur Aufgabe der Berufstätigkeit geführt hätten, sei insoweit zumindest von
einer leichten Leistungsbeeinträchtigung im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) auszugehen.
Gegen das am 7. Oktober 2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20. Oktober 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg
(LSG) erhoben. Er meint, der Erlass eines Grundurteils ohne Festsetzung eines GdS sei nicht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) in Einklang zu bringen. Er bestreitet, dass es am 18. Dezember 2006 überhaupt eine Gewalttat gegeben habe; der Kläger habe
zunächst von einem Treppensturz berichtet. Er trägt vor, das SG habe in seiner Beweiswürdigung die Möglichkeit übersehen, dass der Flaschenwurf nicht gezielt gewesen sei, sondern die Flasche
aus einem Tumult heraus in irgendeine Richtung geworfen worden sei. In diesem Fall hätte es sich um eine Fahrlässigkeitstat
gehandelt. Die Zeugen hätten widersprüchlich ausgesagt, die Massenschlägerei habe vor bzw. erst nach der Verletzung des Klägers
begonnen. Der Beklagte trägt auch vor, der Kläger habe die Tat womöglich doch provoziert, indem er sich an der - vorherigen
- Massenschlägerei beteiligt und dadurch den Straftatbestand des §
231 StGB verwirklicht habe. Auch habe der Kläger durch sein unangemessenes Verhalten in Bezug auf weibliche Gäste des Vereinsheims
die Tat sehr wohl herausgefordert.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts F. vom 5. August 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid. Er behauptet, er leide an den Folgen einer schwerwiegenden Schädelverletzung,
insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er trägt vor, die Verletzungen, die er erlitten habe, seien durch
den Aufprall einer geworfenen Flasche nicht zu verursachen, daher sei davon auszugehen, dass er geschlagen worden sei. Er
meint, das Ermittlungsverfahren sei nicht mit dem gebotenen Interesse geführt worden. Aus dieser "ermittlungstaktischen Konkurserklärung"
könne nicht abgeleitet werden, dass er nicht Opfer einer Straftat geworden sei. Alkoholkonsum, auch übermäßiger, stehe einem
Anspruch ebenso wenig entgegen wie "Anbaggern" von Mädchen.
Der Senat hat die Akten des Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen B. beigezogen und auszugsweise zum Gegenstand des Verfahrens
gemacht sowie über den Kläger den bereits erwähnten Auszug aus dem Bundeszentralregister angefordert.
Auf Anfrage des Senats hat der Leiter des Polizeipostens F.-Weststadt am 17. Februar 2016 mitgeteilt, in seiner Dienststelle
seien keine Unterlagen über etwaige Einsätze in dem Lokal "P." am 17. oder 18. Dezember 2006 mehr vorhanden. Er habe auf die
Anfrage des Senats hin ferner bei den beiden örtlichen Rettungsdiensten, dem Deutschen Roten Kreuz F. und dem Malteser Hilfsdienst
F., ermittelt. Bei beiden Diensten seien die allgemeinen Einsatzprotokolle für die damalige Zeit nicht mehr vorhanden, jedoch
würden die Protokolle über Einsätze von Notärzten oder Rettungswagen für zehn Jahre aufbewahrt; beide Dienste hätten ihre
diesbezüglichen Unterlagen durchgesehen, aber keine Protokolle über solche Einsätze unter den verschiedenen Namen des Klägers
gefunden.
Am 26. Februar 2016 hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigen bei dem Beklagten einen Antrag gestellt, festzustellen,
dass der GdS auf Grund der auch hier streitigen Beschädigung 70 betrage. Der Beklagte hat eine Kopie des Antrags, über den
noch nicht entschieden ist, zur Akte des Berufungsverfahrens gegeben.
Der Senat hat erneut S., erstmals den früher Beschuldigten B. sowie E. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2016 verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakten, die
Verwaltungsakten des Beklagten sowie die beigezogenen Ermittlungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten gegen das stattgebende Urteil des SG ist statthaft (§
143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), insbesondere war sie nicht nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG zulassungsbedürftig: Das SG hat zwar allein über eine (Geld-)leistung im Sinne dieser Vorschrift entschieden, wenn auch im Rahmen eines Grundurteils.
Aber die Verurteilung betrifft eine Dauerrente und ist auch nicht auf weniger als ein Jahr befristet (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
151 Abs.
1 SGG).
Der Senat sieht im Rahmen seines Ermessens davon ab, den Rechtsstreit nach §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG an das SG zurückzuverweisen, damit 10 Jahre nach der angeschuldigten Tat keine weitere Verfahrensverzögerung eintritt. Es ist allerdings
darauf hinzuweisen, dass der Erlass des angegriffenen Grundurteils verfahrensfehlerhaft gewesen sein dürfte.
Dies folgt zunächst aus dem erstinstanzlichen Streitgegenstand. Der Kläger hatte mit der Klageschrift konkrete Anträge gestellt,
aus denen sein eigentliches Begehren auf Feststellung eines schädigenden Ereignisses mit entsprechenden Schädigungsfolgen
(vgl. hierzu Urteil des BSG vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R - SozR-4 3800 § 1 Nr. 21, [...] Rz. 13) entnommen werden konnte. Der daneben gestellte Antrag auf Gewährung einer Leistung,
nämlich einer "Versorgungsrente" nach einer MdE (einem GdS) von mindestens 60 war dagegen unzulässig. Denn konkrete Leistungsansprüche
können erst dann geltend gemacht werden, wenn die Voraussetzungen des §
1 OEG insgesamt festgestellt sowie das Vorliegen von Versagungsgründen nach §
2 OEG geprüft und abgelehnt worden ist. Dies war hier nicht der Fall. Der Kläger hatte dementsprechend bei dem Beklagten keine
konkreten Leistungsansprüche geltend gemacht, und der Beklagte hat über solche nicht entschieden (vgl. Urteil des Senats vom
18. Februar 2016 - L 6 VG 4043/15). Insofern hätte das SG im Wege des §
112 Abs.
2 Satz 2
SGG auf eine Korrektur des unzulässigen Leistungsantrags hinwirken müssen. Es war aber nicht möglich, auf diesen Leistungsantrag
ein Grundurteil zu stützen.
Ferner erfüllt das angegriffene Grundurteil nicht vollständig die notwendigen Voraussetzungen des §
130 Abs.
1 SGG. So ist der Beginn der ausgeurteilte Rente nicht tenoriert, was aber, auch für Vollstreckungszwecke, notwendig gewesen wäre
(Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 11. Aufl. 2014, § 130 Rz. 3a). Ferner hat das SG den - wie ausgeführt eigentlich im Ganzen unzulässigen - Leistungsantrag des Klägers, der auf eine Rente in bestimmter Höhe
gerichtet war, nicht im Übrigen abgewiesen, sodass unklar ist, ob Prozessreste in erster Instanz verblieben sind. Ferner hat
das SG in dem Urteil keine Feststellungen zu den Schädigungsfolgen und den daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen getroffen.
Die schädigungsbedingte Gesundheitsstörung und ihre Folgen auf funktioneller Ebene sind aber eine Anspruchsvoraussetzung für
eine Rente nach dem BVG und müssen daher auch in einem Grundurteil positiv festgestellt werden (Keller, a.a.O., Rz. 2b). Dies betrifft zum einen
konkrete nach einem Diagnosesystem verschlüsselte Gesundheitsstörungen, die kausal auf die Schädigung zurückgeführt werden
können (zu dieser Anforderung vgl. ständige Rspr. des Senats, so zuletzt Beschluss vom 24. Mai 2016 - L 6 SB 1331/14). Ferner sind Funktionseinbußen und ihr Ausmaß festzustellen, die bei dem Kläger nicht auf der Hand liegen, nachdem er nach
der Tat wieder für längere Zeit in einem Beruf mit schwerer körperlicher Arbeit hat arbeiten können (vgl. auch Entlassungsbericht
der Kliniken Schm. 2014).
Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob das SG in dem Urteil darüber hinaus auch konkrete Vorgaben zur Höhe des GdS hätte machen müssen, ob also auch der GdS eine der notwendigen
Anspruchsvoraussetzungen ist oder ob dieser Punkt zur Rechtsfolgenseite, also zur Höhe der Leistung, gehört, für die ein Grundurteil
nicht zwingend Vorgaben machen muss (Keller, a.a.O., Rn. 2d zum "Bescheidungsgrundurteil"). Ebenfalls kann offen bleiben,
ob das SG, zumindest nachdem der Kläger ausschließlich den B. beschuldigt hat und nur dieser Beschuldigter des Ermittlungsverfahrens
war, offen lassen konnte, wer der Täter sei, obwohl dieser Erstattungsansprüchen nach §§
5 OEG, 81a BVG ausgesetzt sein kann.
Der Senat hat im Rahmen des §
159 Abs.
1 SGG die noch fehlende Beweisaufnahme selbst durchgeführt, danach hat die Berufung in der Sache Erfolg, da die Voraussetzungen
eines Versorgungsanspruchs nach dem
OEG nicht vorliegen. Es steht nicht fest, dass der Kläger bei der angeschuldigten Auseinandersetzung am Abend des 17. oder am
frühen Morgen des 18. Dezember 2006 durch einen vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten
hat.
Das Begehren des Klägers richtet sich nach §
1 OEG in Verbindung mit den §§ 1, 30, 31 und 60 BVG. Wer danach im Geltungsbereich des
OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige
Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag
Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG (§
1 Abs.
1 Satz 1
OEG).
Zunächst haben Ausländer aus Staaten, die nicht EU-Mitglied sind, nach §
1 Abs.
5 Nr.
1 OEG Anspruch auf Versorgung, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Dies
war bei dem Kläger, der zur Zeit der Tat noch jugoslawischer bzw. serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger war (Unabhängigkeitserklärung
der Republik Kosovo erst am 17. Februar 2008, Anerkennung durch die Bundesrepublik am 20. Februar 2008), der Fall.
Im Rahmen des §
1 OEG wird als schädigender Vorgang ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff verlangt. Grundsätzlich ist der Rechtsbegriff
des tätlichen Angriffs im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung in den §§
113,
121 Strafgesetzbuch (
StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines
anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor (BSG SozR 4-3800 §
1 Nr. 17). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des §
240 StGB (Nötigung) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG grundsätzlich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen
ein. Dies entspricht in etwa dem strafrechtlichen Begriffsverständnis der Gewalt im Sinne des §
113 Abs.
1 StGB (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18). Je gewalttätiger die Angriffshandlung gegen eine Person nach ihrem äußeren Erscheinungsbild bzw. je größer der Einsatz
körperlicher Gewalt oder physischer Mittel ist, desto geringere Anforderungen sind zur Bejahung eines tätlichen Angriffs in
objektiver Hinsicht zu stellen. Je geringer sich die Kraftanwendung durch den Täter bei der Begehung des Angriffs darstellt,
desto genauer muss geprüft werden, inwiefern durch die Handlung eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestand. Die Grenze
zwischen einem sozial adäquaten Verhalten und einem tätlichen Angriff ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Abwehr eines
solchen Angriffs unter dem Gesichtspunkt der Notwehr gemäß §
32 StGB gerechtfertigt wäre. Die Angriffshandlung muss für sich genommen nicht gravierend sein, um - unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls - eine hinreichende Gefährdung von Leib oder Leben des Opfers und damit einen tätlichen Angriff im
Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG anzunehmen. Voraussetzung für einen tätlichen Angriff ist jedoch in jedem Fall eine unmittelbare Gewaltanwendung. An seiner
extensiven Auslegung des Begriffs "tätlicher Angriff" und Einbeziehung auch solcher Fälle, in denen der Täter das Opfer vorsätzlich
mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe bedroht hat, hält das BSG in seiner jüngsten Rechtsprechung nicht mehr fest (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil v. 16. Dezember 2004, a.a.O.). Die objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit einer anderen
Person auch ohne physische Einwirkung (Schläge, Schüsse, Stiche, Berührung etc.) reicht danach nicht mehr für die Annahme
eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. von §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG aus. Auch kann die psychische Wirkung einer Straftat das Erfordernis des tätlichen Angriffs nicht ersetzen. Der eingetretene
Schaden muss gerade auf einem solchen tätlichen Angriff und nicht auf einer (bloßen) Drohung mit Gewalt beruhen. Entscheidend
für einen Anspruch nach §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG ist, ob die Folgen eines bestimmten Ereignisses (Primärschaden oder eventuelle Folgeschäden) gerade die zurechenbare Folge
eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs sind. Die bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung
für einen tätlichen Angriff reicht nicht aus. Denn dieser Umstand allein stellt über die psychische Wirkung hinaus noch keinen
tatsächlichen physischen "Angriff" dar.
Der tätliche Angriff im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG setzt über den natürlichen Vorsatz des Täters bezogen auf die Angriffshandlung hinaus eine "feindselige Willensrichtung"
voraus. Dieses - einem Angriff im Wortsinn immanente - Merkmal dient dem Opferentschädigungsrecht vor allem zur Abgrenzung
sozialadäquaten bzw. gesellschaftlich noch tolerierten Verhaltens von einem auf Rechtsbruch gerichteten Handeln des Täters
(BSG SozR 3800 § 1 Nr. 6). Lässt sich eine feindselige Willensrichtung im engeren Sinne nicht feststellen, kann alternativ darauf abgestellt
werden, ob der Täter eine mit Gewaltanwendung verbundene strafbare Vorsatztat (zumindest einen strafbaren Versuch) begangen
hat (st. Rspr. seit 1985 vgl. BSG SozR 3-3800 § 1 Nrn. 6 und 7). Anstelle einer feindseligen Absicht ist dann die Rechtsfeindlichkeit des Täters entscheidend, dokumentiert
durch einen willentlichen Bruch der Rechtsordnung. Die einem Angriff innewohnende Feindseligkeit manifestiert sich insoweit
durch die vorsätzliche Verwirklichung der Straftat (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (vgl. §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG) ist der Senat nicht - im Sinne eines Vollbeweises - davon überzeugt, dass der Kläger am 18. Dezember 2006 Opfer des angeschuldigten
Angriffs im Sinne einer gefährlichen Körperverletzung (vgl. §
224 Abs.
1 StGB) geworden ist.
Ein solcher Vollbeweis (zu den Anforderungen siehe unten) ist zu fordern. Die Beweiserleichterung aus § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), wonach es ausreicht, wenn die Angaben des Antragstellers "glaubhaft erscheinen", greift hier nicht ein.
Die Anwendbarkeit dieses abgesenkten Beweismaßstabs hat zwei Voraussetzungen. Zum einen muss der Antragsteller selbst Angaben
zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen und widerspruchsfrei vortragen (Urteil des Senats vom 21.
April 2015 - L 6 VG 2096/13 -, Rz. 40, [...]; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Dezember 2006 - L 10 VG 17/02 -, Rz. 36, [...]). Zum anderen setzt die Anwendung der Norm voraus, dass keine anderen Beweismittel vorhanden sind. Dies
gilt nicht nur für die in der Norm genannten Unterlagen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Beweiserleichterung
des § 15 KOVVfG überhaupt erst zum Tragen kommt, wenn weder Unterlagen noch sonstige Beweismittel zu beschaffen sind (BSG a.a.O. unter Bezugnahme auf Nrn. 1 und 2 der Verwaltungsvorschriften zu § 15 KOVVfG). Dies gilt auch für das Fehlen von Zeugen. Dem ist der Fall gleichzustellen, dass etwa vorhandene Zeugen zu Recht keine
Angaben machen, denn Personen, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, sind für die Beweiserleichterung
nach § 15 S. 1 KOVVfG als nicht vorhanden anzusehen (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., [...] Rz. 41; BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R - SozR 4-3800 § 1 Nr. 20).
Ebenso wie schon das SG ist auch der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die Angaben des Klägers, der Zeuge B. habe ihn mit einer Flasche auf den
Kopf geschlagen, nicht sicher aus eigenem Wissen entspringen und auch nicht widerspruchsfrei sind, ihre Aussagekraft ist sehr
gering. Unmittelbar nach dem angeschuldigten Angriff, schon bei der Aufnahme in der Klinik am 18. Dezember 2006, gab er nämlich
an, er sei - ohne äußere Einwirkung - betrunken eine Treppe hinabgestürzt. Dass der Kläger diese Angaben gemacht hat, entnimmt
der Senat der sachverständigen Zeugenaussage der Universitätsklinik F. vom 15. Mai 2014 und dem Entlassungsbericht vom 19.
Januar 2007, der nach §
118 Abs.
1 SGG i.V.m. §§
415 Abs.
1,
418 Abs.
1 Zivilprozessordnung (
ZPO) vollen Beweis dafür erbringt, dass er damals diese Erklärungen abgegeben hat. Kurz danach, so z.B. gegenüber dem behandelnden
Hausarzt Dr. Schu.-K. (Zeugenaussage vom 8. Juli 2014) gab er demgegenüber an, er könne sich an nichts erinnern. Die Widersprüchlichkeit
seiner eigenen Angaben zeigt sich weiter darin, dass er noch am 22. April 2008 gegenüber dem MDK von dem Treppensturz berichtet
hat, während er schon über ein Jahr zuvor bei der Polizei den Zeugen B. eines Schlags mit einer Flasche beschuldigt hatte.
Die ersten klägerischen Angaben bei der Polizei, ob er sich nun an eine Tat erinnern könne, sind schließlich lebensfern und
unglaubwürdig, was die Aussage, ihn habe im Krankenhaus eine ihm unbekannte Frau mit Kind besucht und ihn fotografiert, anbelangt.
Dass der Zeuge Sa. R. am 5. August 2015 bekundet hat, anlässlich seines Krankenhausbesuchs am Tag nach dem Vorfall habe der
Kläger gesagt, der Besitzer sei es gewesen, deckt sich wiederum nicht mit den Angaben des Klägers selbst, der bis jetzt behauptet
hat, sich unmittelbar nach der Tat nicht an diese erinnern zu können, das Erinnerungsvermögen soll erst Monate später gekommen
sein. Auf dieser Basis hält es auch der Senat für unmöglich abzugrenzen, ob die jetzt vorgebrachten Erinnerungen an einen
Schlag mit der Flasche echt sind oder ob es sich bei ihnen um Scheinerinnerungen handelt, die bei dem Kläger erst im Laufe
der Zeit auf Grund der Beschäftigung mit dem Vorfall und den Folgen etwaiger Erinnerungen für die geltend gemachten Ansprüche
entstanden sind.
Ferner liegt bei dem Kläger nicht diejenige Beweisnot vor, die § 15 Satz 1 KOVVfG fordert. Es sind zahlreiche Zeugen vorhanden, bei der Polizei und im weiteren Verlauf im sozialgerichtlichen Verfahren wurden
14 von ihnen vernommen. Keiner der Zeugen hat die Aussage verweigert, noch nicht einmal der Beschuldigte B..
Für den somit erforderlichen Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein
einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit
grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen
(vgl. Keller, a.a.O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende
Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln
verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, [...], Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles
nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die
volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben ist nach Ansicht des Senats bereits nicht erwiesen, dass am frühen Morgen des 18.
Dezember 2006 in der Vereinsgaststätte - wie vom SG angenommen - tatsächlich eine tätliche Auseinandersetzung oder gar eine Massenschlägerei stattgefunden hat. Zwar haben bei
der Polizei in dem Ermittlungsverfahren gegen B. mehrere Zeugen aus beiden "Lagern" ausgesagt, Polizei und bzw. oder Notarzt
oder Rettungsdienst seien vor Ort gewesen. Dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr gab es keinen polizeilichen Einsatz; dies
wäre in dem Ermittlungsverfahren vermerkt worden. Auch ein Rettungsdienst bzw. Notarzt war nicht vor Ort. Dies haben die Ermittlungen
des Polizeipostens F.-Weststadt im Februar 2016 bei den beiden in Betracht kommenden Rettungsdiensten ergeben. Auch eine Einlieferung
durch den Notarzt im Krankenhaus wäre notiert worden, was aber nicht der Fall war und der Senat dem vorliegenden Arztbericht
entnimmt. Gegen einen Einsatz von Polizei und Rettungsdienst spricht weiter, dass der B. nach der angeblichen Schädigung des
Klägers - nach den Aussagen anderer Zeugen - gesagt haben soll, es dürfe keine Polizei gerufen werden, vielmehr sei er in
dem Vereinsheim die Polizei.
Ferner konnte sich der Senat nicht im Vollbeweis davon überzeugen, dass der Kläger am 18. Dezember 2006 - unterstellt es hat
einen Vorfall im P. gegeben - Opfer eines rechtswidrigen Angriffs geworden ist.
Wie bereits ausgeführt, sind die Angaben des Klägers selbst von zu geringer Aussagekraft und derart widersprüchlich, dass
darauf keine Überzeugung gestützt werden kann. Der Kläger hatte anfangs und für lange Zeit angegeben, er sei - zu Hause bzw.
im P. - die Treppe hinuntergestürzt, oder er hat angegeben, er könne sich an nichts erinnern. Dies geschah nicht nur gegenüber
den Behandlern. Noch bei der ersten Zeugenaussage bei der Polizei hat er die Frage, ob er sich nun an etwas erinnern könne,
ausweichend beantwortet, und dann unzusammenhängend den genannten unglaubwürdigen Vorfall von der Frau und dem Foto berichtet.
Hinsichtlich des Vorfalls hat er damals noch auf Angaben eines dritten, zunächst nicht namentlich benannten Albaners, verwiesen.
Weder nach dem
SGG noch nach der
ZPO gibt es zwar eine Beweisregel in dem Sinne, dass frühere Aussagen oder Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen
als spätere; im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs.
1 Satz 1
SGG, §
286 ZPO) sind vielmehr alle Aussagen, Angaben und sonstigen Einlassungen zu würdigen. Gleichwohl kann das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung
den zeitlich früheren Aussagen aufgrund der Gesichtspunkte, dass die Erinnerung hierbei noch frischer war und sie von irgendwelchen
Überlegungen, die darauf abzielen, das Klagebegehren zu begünstigen, noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als
den späteren zumessen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 41/02 R -, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1, Rz. 12; Urteile des Senats vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW - [...], Rz. 144 und vom 21. Mai 2015 - L 6 U 1053/15 -, [...], Rz. 34). Hiervon geht der Senat vorliegend aus. Der Senat misst den frühen Angaben des Klägers auch deswegen einen
hohen Beweiswert zu, weil es dem Kläger insoweit um eine richtige ärztliche Behandlung ging. Bei einem Sturz auf der Treppe
hätten nämlich weitere Verletzungen, z. B. an der Wirbelsäule oder den Gliedmaßen, ausgeschlossen werden müssen, die möglich
gewesen wären. Deswegen wurde zunächst der Körper des Klägers oberflächlich untersucht, die erste Inspektion hat nur die Prellmarke
erbracht, so dass die Weiterbehandlung in der Spezialabteilung des Universitätsklinikums ausreichend war. Gegen diese Würdigung
seiner frühen Aussagen hat der Kläger zwar später - im Verfahrensverlauf - eingewandt, er habe die Erinnerung zunächst verloren,
und diese sei erst nach einigen Monaten zurückgekehrt. Dies hält der Senat jedoch nicht für glaubhaft, nachdem nur unmittelbar
nach Beginn der stationären Behandlung im Universitätsklinikum eine Amnesie angegeben wurde - und diese nur eigenanamnestisch
-, eine solche aber während der weiteren Untersuchungen während des ersten Aufenthalts, bei Dr. Schu.-K. ab Anfang Januar
und auch nicht bei dem zweiten Aufenthalt in der Klinik im Frühjahr 2007 festgestellt worden ist. Dieser Ablauf ist im Übrigen
nach einer stattgehabten Schädelverletzung nachvollziehbar, hier kann die Erinnerung unter Schock zunächst fehlen, sie kommt
dann aber in aller Regel zurück.
Auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verbleiben vernünftige Zweifel daran, dass der Kläger in der Vereinsgaststätte Opfer
eines vorsätzlichen gewalttätigen Angriffs geworden ist.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung nur diejenigen Zeugen vernommen, die bislang angegeben hatten, der Kläger bzw.
eine Person habe einen Schlag mit der Flasche abbekommen. Dazu hat der Senat zuvörderst den Beschuldigten selbst vernommen.
Die anderen Zeugen haben in ihren Aussagen vor der Polizei allenfalls eine unübersichtliche Auseinandersetzung bekundet und
außerdem, dass der Kläger danach verletzt gewesen sei. Dies gilt z.B. auch für M. R., den Cousin des Klägers, der ausdrücklich
bekundet hatte, er habe nicht gesehen, dass und ggfs. von wem der Kläger niedergeschlagen worden sei (Aussage vom 30. Oktober
2007).
Der Zeuge B. hat weitschweifig ausgesagt, mehrere konkrete Fragen gar nicht oder erst nach mehrmaligem Nachhaken zumindest
teilweise beantwortet. Ihm scheint es mehr um seinen Ruf bzw. den Ruf des Vereins zu gehen. Einige der Aussageschwierigkeiten
können womöglich auf sprachliche Probleme zurückgeführt werden, aber im Ganzen haben die Deutschkenntnisse des - nicht ungebildeten
- B. für die Vernehmung als Zeuge ausgereicht. Gleichwohl sind seine Angaben dazu, wie er die Auseinandersetzung geschlichtet
haben will, recht unkonkret geblieben. Insofern ist zu würdigen, dass die Aussage zum eigentlichen Kerngeschehen oberflächlich
geblieben sind. Immerhin hat er die ausdrückliche Frage, ob er mit einer Flasche geschlagen oder geworfen habe, ausdrücklich
und - nach einer wohlverständnisbedingten kurzen Verzögerung - spontan beantwortet. Seine Aussage kann nicht mit einer früheren,
zeitnäher abgegebenen verglichen werden, da er zu Anfang des Ermittlungsverfahrens die Aussage verweigert hatte und später
keine Vernehmungsversuche mehr unternommen worden sind.
Der Zeuge S., der als einziger - angeblicher - Tatzeuge die Tat aus eigener Anschauung bestätigt hat, hat vor dem Senat an
seiner Aussage festgehalten, der Inhaber der Gaststätte, der Zeuge B., habe den Kläger aus kurzer Entfernung mit einer Flasche
ins Gesicht geschlagen. Der Zeuge hat B. auch bei seiner Vernehmung vor dem Senat identifiziert. Der Zeuge B. hat diesen Vorwurf
indessen vehement bestritten, er hat vielmehr bekundet, er sei zu Beginn der Auseinandersetzung vor dem Lokal gewesen und
habe dann versucht zu schlichten. Der Senat hält keine der beiden Aussagen für glaubhafter und keinen der Zeugen für glaubwürdiger
als den anderen.
Bei dem Zeugen S. fällt auf, dass seine Aussage knapp auf das Kerngeschehen konzentriert ist und in diesem Rahmen nahezu wörtlich
seinen beiden früheren Aussagen vor der Polizei und dem SG entspricht. Fragen nach Details am Rande, etwa zu den Belichtungsverhältnissen in dem Vereinsheim oder der Entfernung zum
Tatort, hat er nicht spontan beantworten können. Woher er sein Wissen nimmt, dass B. der Inhaber der Vereinsgaststätte gewesen
ist, nachdem er ihn in dieser Eigenschaft als Schläger beschuldigte, erschließt sich dem Senat vor dem Hintergrund, dass angeblich
die "Gaststätte" sehr gut besucht gewesen sein soll, der Zeuge zum ersten und letzten Mal dort gewesen sein will und B. nicht
kannte, nicht. Gegen glaubhafte Eigenerinnerungen spricht insbesondere seine Angabe, er habe Blut an der Hand des Zeugen B.
gesehen. Solches Blut soll es zwar gegeben haben, B. hat dies selbst eingeräumt. Aber der Zeuge S. war nach seiner Aussage
10 Meter von der Auseinandersetzung entfernt und ist auch danach nicht näher gekommen, sondern hat das Vereinsheim verlassen.
Bei den vom Senat und auch der Polizei angenommenen Lichtverhältnissen, wie sie die Zeugen E. und B. beschrieben haben, erscheint
es fernliegend, ein so kleines Merkmal wie Blut an einem Finger aus dieser Entfernung sehen zu können. Die weiteren Umstände
seiner Zeugenaussage überzeugen ebenfalls nicht vollständig. Er hat schon vor dem SG angegeben, er selbst habe den Prozessbevollmächtigten des Klägers in einer familienrechtlichen Angelegenheit mandatiert und
in diesem Rahmen - zufälligerweise - die Verletzung des Klägers erwähnt, woraufhin es der Prozessbevollmächtigte des Klägers
gewesen sei, der den Bezug hergestellt habe. Dies deckt sich nicht mit dem aktenkundigen Ablauf im Sommer 2007. Damals hatte
der Kläger angegeben, er - selbst - sei von "einem Albaner aus L." (bzw. R.) angesprochen worden; den Namen dieses Mannes
musste der Kläger - jedenfalls nach den damaligen Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten - erst herausfinden; und entsprechend
hat er den Nachnamen erst im Frühjahr 2008 zur Akte gereicht. Wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch der Anwalt
des Zeugen S. war, hätte er dessen Nachnamen aber kennen müssen. Nicht ganz nachvollziehbar ist für den Senat ferner die deutlich
dargestellte Angst des Zeugen S. vor dem Zeugen B., die unter anderem dazu geführt hat, dass bei der mündlichen Verhandlung
am 23. Juni 2016 Sicherheitsbeamte anwesend waren. Außer gewissen Andeutungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers, zuletzt
in dem Schriftsatz vom 21. Juni 2016, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zeuge B. andere Zeugen bedroht hat oder
überhaupt in Strukturen der (organisierten) Kriminalität verwickelt ist. Konkrete Angaben zu dieser vermeintlichen Bedrohungssituation
hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers schon im Strafverfahren nicht gemacht (vgl. Beschluss des Amtsgerichts F. vom
27. Juni 2008).
Die Aussage des dritten vom Senat gehörten Zeugen, des E., war hinsichtlich des Klägervortrags weitgehend unergiebig, zum
Teil spricht sie sogar gegen die Angaben des Klägers. Er hat zwar dargelegt, ein Mann habe eine - allerdings geworfene Flasche
- ins Gesicht bekommen. Er hat den getroffenen Mann auch im Wesentlichen so beschrieben wie der Kläger damals aussah. Eine
direkte Identifizierung hat der Zeuge aber abgelehnt, weil doch mehrere Unterschiede (der getroffene Mann damals hatte eine
schmalere Statur und längere Haare) vorhanden seien. Hinzu kommt, dass dieser Zeuge den Werfer nicht gesehen hat - aber er
hat ausdrücklich ausgeschlossen, dass es B. war - und daher aus seiner Aussage nicht hinreichend sicher auf eine vorsätzliche
Tat geschlossen werden kann. Eine Flasche kann z.B. auch aus der Hand gerutscht sein, als der Täter damit eine dritte Person
hinter dem Zeugen hat schlagen wollen; in diesem Fall läge hinsichtlich der Verletzungen des Klägers nur Fahrlässigkeit vor.
Unabhängig von den Aussagen vor dem Senat ergeben sich aus den Angaben aller Zeugen weitere Zweifel an dem Hergang, wie ihn
der Kläger behauptet. So hat keiner seiner Begleiter an jenem Abend und keiner der weiteren Anwesenden, die dem Lager des
Klägers zugerechnet werden könnten, Polizei oder Rettungsdienst gerufen. Selbst sein eigener Cousin M. R. hat dies nicht getan.
Das Gleiche gilt für den Zeugen S., obwohl dieser - nach seiner polizeilichen Aussage - sogar gedacht hatte, der Kläger sei
tot. Seine damalige Einlassung, er habe kein Handy gehabt, überzeugt nicht, zumal er zuletzt noch einmal beim Senat gefordert
hat, dass B. bestraft gehört. Er hätte die Polizei damals ohne Weiteres direkt informieren können, als er unmittelbar nach
der Tat mit seinem Auto wegfuhr (Angaben vom 24. Februar 2008), zumal er sich später als Zeuge zur Verfügung gestellt hat.
Weiter ist aus Sicht des Senats kein Motiv für die Tat zu erkennen, die dem Zeugen B. hier vorgeworfen wird. Wenn nicht doch
unerkannte Zusammenhänge im Hintergrund vorliegen, die der Kläger aber nicht angegeben hat, dann hat der Kläger vor der Tat
allenfalls stark betrunken getanzt, war mit einem anderen Gast zusammengerempelt und hatte weibliche Gäste "angebaggert".
Warum der Inhaber der Gaststätte hierauf mit einem gezielten und nach dem Verletzungsmuster erheblichen Schlag mit einer Flasche
reagieren sollte, ist nicht zu erkennen. Näher gelegen hätte es, den Störer des Lokals zu verweisen. Es liegen auch sonst
keine Anhaltspunkte für eine derartige besondere Gewalttätigkeit des Zeugen vor, weder nach dem Eindruck des Zeugen in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch nach den Akten. Vielmehr war der Zeuge nach den Feststellungen der Polizei (POLAS)
nur einmal wegen Betrugs polizeilich auffällig gewesen, nicht wegen Gewaltdelikten.
Letztlich ergibt sich aus dem Verletzungsmuster, das der Kläger davongetragen hat, kein sicherer Anhalt für den hier vorgetragenen
Schlag mit einer Flasche. Prof. Dr. Sch. hat als sachverständiger Zeuge vor dem SG ausgeführt, nähere Angaben zum Unfallhergang seien nicht möglich, es sei sogar nur möglich, dass die Verletzungen durch ein
stumpfes Trauma verursacht worden seien. Dr. Schu.-K. hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage am 8. Juli 2014 ebenfalls
- nur - angegeben, die damaligen Verletzungen ließen sich mit einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand vereinbaren, eine
Verletzung mit einer Glasflasche sei nicht auszuschließen.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Entscheidung des Beklagten, es sei schon kein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff
im Sinne des §
1 Abs.
1 OEG festzustellen, als zutreffend. Es kann daher offen bleiben, ob Versagungsgründe nach §
2 Abs.
1 OEG vorliegen.
Der Senat hat deswegen die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage voll umfänglich abgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens folgt aus §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere hat die Entscheidung keine grundsätzliche - rechtliche - Bedeutung.