Anspruch auf erhöhte Pflegezulage
Wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage
Begriff der Blindheit
Außergewöhnliche Pflege im versorgungsrechtlichen Sinne
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf erhöhte Pflegezulage (mindestens nach Stufe III) streitig.
Der am 2. März 1922 geborene Kläger wurde im Zweiten Weltkrieg durch Granatsplitter verwundet. Wegen dieser Kriegsverletzungen
wurden zuletzt mit Bescheid vom 6. August 2007 im Wesentlichen als Schädigungsfolgen Narben am rechten Oberarm mit erheblichen
und dauernden Schmerzen, Hornhautnarbe links, Verlust des rechten Auges, chronische Mittelohrschleimhauteiterung rechts und
narbige Trommelfellveränderungen links, hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit rechts, leicht- bis mittelgradige kombinierte
Schwerhörigkeit links, Schädigung des Gleichgewichtsorgans, Speichen-Nervenlähmung und distale Mittel- und Ellennervenschädigung
rechts sowie distale Ellennervenschädigung links, zahlreiche schmerzhafte kleine Granatsplitterchen in den vorderen rechten
oberen und linken unteren Halsweichteilen, in den linksseitigen Schulterweichteilen und in der rechten Hand, Mittelnervenschädigung
links und leichte Mundwinkelschwäche rechts anerkannt und der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) mit 100 festgestellt. Aufgrund
des Teil-Anerkenntnisses vom 20. Juni 2007 gewährt der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 7. August 2007 ab dem 1. Oktober
2006 die Pflegezulage nach Stufe I (Bl. 1543 V-Akte).
Am 11. März 2011 wurde der Kläger zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem
Elften Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) im Auftrag der AOK Baden-Württemberg begutachtet.
Dabei wurde ein grundpflegerischer Bedarf von 76 Minuten pro Tag festgestellt und unter anderem ausgeführt, dass sich der
Kläger innerhalb der Wohnung mit Gehstock oder Unterarmstützten unter Abstützen und Festhalten ausreichend sicher bewegen
könne, auch über eine kräftige Beinmuskulatur verfüge. Außerhalb der Wohnung nutze er einen Rollator und gehe mit leicht nach
vorne gebeugtem Oberkörper (Bl. 2176 ff. V-Akte).
Im Rahmen des Gerichtsverfahrens beim Sozialgerichts Konstanz (SG - S 6 VK 280/12) wurde über den Kläger ein weiteres Gutachten erstellt. Der Sachverständige Dr. H., Waldburg-Zeil-Kliniken,
kam aufgrund der Untersuchung vom 11. März 2013 zu dem Ergebnis, der Zeitaufwand für die Verrichtungen betrage insgesamt 1,5
Stunden. Der Gang sei angesichts der Alters recht flüssig, da sich der Kläger konsequent an den Wänden und am Mobiliar festhalte,
Treppensteigen sei nur noch zum Aufzug und zum Arbeitszimmer erforderlich und gelinge - mit einiger Mühe - mit konsequentem
Festhalten am Handlauf. An den Gelenken der unteren Extremitäten fänden sich keine über das Altersmaß hinausgehenden Einschränkungen
in der Beweglichkeit. Die Sensibilität der Finger sei erhalten, wenngleich komplexe feinmotorische Verrichtungen massiv eingeschränkt
seien. Die Harninkontinenz bei Prostata-Vergrößerung habe sich verstärkt. Der Kläger bewohne eine barrierefreie Wohnung, so
dass alle Verrichtungen auf einer Ebene erfolgen könnten. Hilfebedarf bestehe beim Ankleiden (Anziehen von Socken, Zuknöpfen
von Kleidungsstücken, Schnüren von Schuhen, mit Abstrichen Aufknöpfen), Reinigen nach der Ausscheidung sowie beim mundgerechten
Fertigmachen der Nahrung (Zerschneiden von Fleisch, Aufschneiden von Brot oder Brötchen, Beschmieren und Kleinschneiden derselben).
Außerdem sei aufgrund der Störung des Gleichgewichtsorganes und der sich akzentuierenden Gangunsicherheit eine ständige Bereitschaft
zur Hilfeleistung erforderlich, um im Fall eines Sturzes einzugreifen, was sich vor allem auf Aufenthalte außerhalb des Hauses
beziehe und wofür er ebenfalls einen Zeitaufwand von 1,5 Stunden veranschlage. In Auswertung u.a. dieses Gutachtens stellte
der Senat mit Urteil vom 25. Juni 2015 (L 6 VK 5236/14) fest, dass der Beklagte bereits in großem Umfang Pflegeleistungen
erstatte, die nicht schädigungsbedingt seien, da im Wesentlichen der Pflegebedarf durch die nicht schädigungsbedingte Harninkontinenz
bei Prostatavergrößerung begründet werde (Hilfe bei Ausscheidung, mehrfaches An- und Auskleiden, Reinigen von Kleidung).
Vom 9. Januar bis 6. Februar 2013 führte der Kläger eine Badekur in der Klinik L. durch. Ausweislich des Entlassungsberichts
vom 26. Februar 2013 befand er sich bei Aufnahme in reduziertem Allgemeinzustand, der Bewegungsablauf war stark verlangsamt,
er konnte nur am Rollator gehen und ein freier Stand war nur für einige Sekunden möglich. Trotz Gehen am Rollator wurde ein
deutlich erhöhtes Sturzrisiko beobachtet. Nach komplikationslosem Verlauf der Rehabilitationsmaßnahme war er indessen mittels
Rollator mobil und in der Lage, Spaziergänge von einer Stunde durchzuführen, sodass er in stabilem Allgemeinzustand entlassen
werden konnte (Bl. 2540 ff. Band XIII).
Von dem Beklagten wurden dem Kläger die anteiligen Kosten unter Anrechnung der häuslichen Ersparnis und der anteiligen Pflegezulage
für die Verhinderungspflege (Leistungen jeweils nach Pflegestufe I) von Oktober bis November 2013 in Bad Peterstal, von Oktober
bis November 2014 im Hotel am Kurpark und von Mai bis Juni 2015 im Hotel Sonnenhalde
Am 5. April 2013 beantragte er angesichts seiner geringen Sehkraft, die sich verschlechtert habe, unter Vorlage eines Attests
seiner Augenärztin Dr. Z. (Sehschärfe auf 30 reduziert, Lesen nur mit vergrößernden Sehhilfen möglich, keine zentralen oder
peripheren Ausfälle, Bl. 2561. Band XIII) die Gewährung einer höheren Pflegestufe, mindestens III.
Der Beklagte ließ die medizinischen Unterlagen versorgungsärztlich auswerten. Obermedizinalrätin N. kam zu dem Ergebnis, dass
nach dem Bericht der Augenärztin am verbliebenen Auge eine Visuseinschränkung von 0,32 verblieben sei, sodass der Kläger auf
diesem Auge nicht blind und in der Gesamtfunktion des Sehorgans auch nicht als blind zu betrachten sei, zumal die Sehfähigkeit
weiterhin erhalten, gravierende einschränkende Gesichtsfelddefekte keine Erwähnung und auch keinen Nachweis fänden. Das neueste
Pflegegutachten von Dr. H. schildere kein außergewöhnliches Pflegebedürfnis, insbesondere keinen gesundheitlichen Leidenszustand,
der dem z.B. des Verlusts beider Beine im Oberschenkel (Pflegezulage Stufe II) oder den Verlust beider Hände und Arme (Pflegezulage
Stufe III) entspräche. Zusammenfassend sei die bislang vergebene Pflegezulage Stufe I auch durch den neueren Gesundheitszustand
als ausreichend zu betrachten. Die gesundheitliche Voraussetzung für eine höhere Pflegezulage-Stufe erfülle er nicht.
Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2013 den Antrag mit der Begründung ab, eine Veränderung des
Ausmaßes der Hilflosigkeit der zuletzt mit Bescheid vom 7. August 2007 bewilligten Pflegezulage nach Stufe I sei beim Kläger
nicht eingetreten. Zwar sei bei ihm der Verlust des rechten Auges als Schädigungsfolge anerkannt worden, indessen läge auch
unter Berücksichtigung der augenärztlichen Bescheinigung von Dr. Z. keine Blindheit vor. Aus dem Gutachten von Dr. H. ergebe
sich kein außergewöhnlicher Pflegebedarf.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm müsse mindestens Pflegezulage nach Stufe III gewährt
werden, da dauernde Hilfe und Pflege rund um die Uhr erforderlich sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2013 wies der
Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der von Dr. H. beschriebene Pflegeaufwand lege gerade nicht dar, dass
eine 24-Stunden-Betreuung erforderlich sei, sodass bereits die höhere Pflegestufe II nicht anerkannt werden könne.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Juli 2013 mit der Begründung Klage beim SG erhoben, das Gutachten von Dr. H. sei falsch und dürfe nicht berücksichtigt werden.
Nachdem der nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) benannte Sachverständige, der behandelnde HNO-Arzt Dr. R., die Erstattung des Gutachtens mangels Qualifikation abgelehnt
und der Kläger keinen neuen Sachverständigen benannt hat, hat das SG im Einverständnis der Beteiligten die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 18. März 2015 mit der Begründung abgewiesen,
der Kläger erfülle die Voraussetzungen der Anhebung der gewährten Pflegestufe nicht. Nach der Rechtsprechung sei Voraussetzung
für die Gewährung einer Pflegezulage der Stufe II ein wöchentlicher Tagesdurchschnitt der Pflege von dauernd mindestens vier
Stunden, wobei auch der wirtschaftliche Wert der Hilfeleistung berücksichtigt werden könne. Diese Voraussetzungen erfülle
der Kläger nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. H. nicht. Danach liege bei ihm ein durchschnittlicher täglicher Pflegebedarf
von lediglich drei Stunden vor, welches auch der Einschätzung der Auskunft der Arbeiterwohlfahrt entspreche, die rein tatsächlich
nur drei Stunden täglich Pflegeleistungen erbrächte. Auch bei den stationären Aufenthalten, z. B. in Bad Peterstal, habe der
Kläger nur in geringem Umfang durch andere Personen versorgt werden müssen.
Am 22. April 2015 hat der Kläger in der Augenklinik des Universitätsklinikums Ulm am verbliebenen linken Auge eine Katarakt-Operation
durchführen lassen, nach der er nur noch einer Übergangs-Lesebrille der Stärke 2,5 + bedurfte (Entlassungsbericht vom 26.
April 2015).
Gegen das am 15. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Mai 2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG)
Berufung mit der Begründung eingelegt, sein Sehvermögen sei deutlich verschlechtert. Hinzu kämen schlechtes Hören, Lähmungen
und Schiefstand der Zunge, die Gebrauchsunfähigkeit der Arme und Hände insbesondere bei Verrichtung der Notdurft, auch die
Störungen des Gleichgewichts.
Er hat dem Senat eine Übersicht über seine stattgehabten Stürze wegen der "kriegsbedingten Gleichgewichtsstörungen" im Jahr
2015 vorgelegt (Bl. 33 Senatsakte).
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. März 2015 sowie den Bescheid vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. Juni 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 7. August 2007 mindestens
Pflegezulage nach Stufe III zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass die bislang vergüteten Pflegeleistungen
an Dritte bereits in großem Umfang solche Pflegeleistungen beträfen, die nicht schädigungsbedingt seien. Außerdem rechne der
Kläger erkennbar auch Hausarbeiten ab, sodass keinesfalls von einem Hilfebedarf von 43 Stunden/wöchentlich auszugehen sei.
Das Zugeständnis einer bestimmten Zeit für Leistungen Dritter habe auch keine Bindungswirkung für die Feststellung des tatsächlichen
Hilfebedarfs.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die behandelnde Augenärztin Dr. Z. erneut als sachverständige Zeugin
befragt. Diese hat dem Senat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 31. Mai 2016 bestätigt, dass sich das Sehvermögen
des Klägers aufgrund der durchgeführten Operation erheblich auf eine Sehschärfe von 40 % gebessert habe. Das Kontrastsehen
sei durch die Hornhautnarbe und die Maculadegeneration beeinträchtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§
143,
144 Abs.
1 Satz 2
SGG) des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf höhere Pflegezulage, auch nicht nach Stufe II, weil seine Gesundheitsstörungen
weder täglich mehr als vier Stunden und damit andauernd "außergewöhnliche Pflege" erfordern oder er einem Blinden, der die
Pflegestufe III erhält, gleichgestellt werden kann. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung vom 27. Mai 2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2013 erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das
SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und 4
SGG) somit zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X, vgl. Urteil des BSG vom 31. März 2004 - B 4 RA 39/03 R - SozR 4-8570 § 8 Nr. 2, Rz. 16). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass
eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung
für die Zukunft aufzuheben. Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss
sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer
tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, das sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt.
Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers
auszugehen, wenn aus dieser ein Anspruch auf höhere Pflegezulage, auch nach Stufe II, folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, [...], Rz. 12 zur Erhöhung des Gesamt-GdB). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt (teilweise) aufzuheben
und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, [...], Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt
einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus
(vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, [...], Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
Bei der mit Bescheid vom 7. August 2007 getroffenen Bewilligung der Pflegezulage nach Stufe I ab dem 1. Oktober 2006 handelt
es sich um einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, [...], Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist
auch zur Überzeugung des Senats keine entscheidungserhebliche Änderung eingetreten.
In Auswertung der medizinischen Unterlagen bestehen auch für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Voraussetzungen
für die Pflegezulage geändert haben.
Die Gewährung von Pflegezulagen richtet sich nach § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Nach dessen Satz 1 wird Beschädigten, die hilflos sind, weil sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden
Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen (Satz 2),
eine Pflegezulage von monatlich derzeit 293 EUR (Stufe I) gezahlt. Der dort geforderte Hilfebedarf liegt nach der Rechtsprechung
des BSG in jedem Falle dann vor, wenn sein Umfang mindestens zwei Stunden täglich erreicht (BSGE 90, 185; SozR 4-3250 § 69 Nr. 1). Die Schwelle zur nächsten Stufe der Pflegezulage überschreitet ein hilfloser Beschädigter nach
§ 35 Abs. 1 Satz 4 BVG, wenn seine Gesundheitsstörungen so schwer sind, dass sie dauernd das Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordern.
Die Pflegezulage ist dann je nach Lage des Falles oder Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 500, 711, 912,
1.185 oder 1.457 EUR (Stufen II, III, IV,V und VI) zu erhöhen. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III
(§ 35 Abs. 1 Satz 6 BVG).
Nach § 30 Abs. 16 BVG wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung
und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung
von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie
die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 BVG maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs.
1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) am 10. Dezember 2008, in Kraft getreten am 1. Januar 2009, erlassen. Alle Einzelheiten werden in der Anlage "Versorgungsmedizinische
Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV geregelt. Nach Nr. 13c VG wird die Pflegezulage in sechs Stufen bewilligt. Für dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche
Hilfe sind die Stufen II bis VI vorgesehen. Ein dauerndes außergewöhnliches Pflegebedürfnis liegt vor, wenn der Aufwand an
Pflege etwa im gleichen Umfang wie bei dauerndem Krankenlager einer beschädigten Person notwendig ist. Dauerndes Krankenlager
setzt nicht voraus, dass man das Bett überhaupt nicht verlassen kann (VG Nr. 13d).
Hiervon ist beim Kläger nach den von dem Senat durchgeführten Ermittlungen unter Berücksichtigung der vorliegenden Pflegegutachten
wie dem Reha-Entlassungsbericht nicht auszugehen.
Die Pflegestufe III ist ihm zunächst nicht allein aufgrund der behaupteten Blindheit zuzuerkennen.
Der Begriff der Blindheit ist nicht legal definiert (vgl. zum Folgenden Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 SB 4253/13- [...], Rn. 28 f). Sie wird angenommen, wenn die Sehfähigkeit vollständig fehlt (so Rohr/Sträser/Dahm, Kommentar zum BVG, § 35-5); Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Rn. 4 m. w. N.; Grube/Wahrendorf/Grube, SGB XII, § 72 Rn. 4; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 72 Rn. 4). Nach § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - stehen blinden Menschen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder
bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.
Die im Rahmen der Landesblindenhilfe in zahlreichen Landesgesetzen getroffenen Regelungen haben weitgehend diese Definitionen
übernommen (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 Sächs. LandesblindenG). Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 a) der Anlage zu § 2 der VG überein. In VG, Teil A, Nr. 6 b) wird auf die Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft Bezug genommen,
wonach eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung bei folgenden Fallgruppen
vorliegt:
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes
in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes
in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes
in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung
mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld
unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
- bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der
Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
- bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen
besteht.
Außerdem wird in VG, Teil A, Nr. 6 c) geregelt, dass auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall
der Sehrinde (Rindenblindheit) blind ist, nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen.
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger nicht einem Blinden gleich zu erachten. Er ist nur auf einem Auge, nämlich dem rechten,
blind, welches er durch die Kriegsbeschädigung verloren hat. Auf dem linken Auge ist als Schädigungsfolge eine Hornhautnarbe
anerkannt. Diese führt zweifelsohne zu einer erheblichen Sehbehinderung, mit seinem - selbst für den Zeitraum vor der durchgeführten
Operation - verbliebenen Restsehvermögen von damals 30% oder 20% ist er aber nicht blind. Des Weiteren liegen nach der sachverständigen
Zeugenaussage von Dr. Z. beim Kläger kein gravierender einschränkender Gesichtsfelddefekt vor, worauf bereits Obermedizinalrätin
N. zutreffend hingewiesen hat. Für die Richtigkeit der Bewertung des Restsehvermögens spricht nicht zuletzt, dass sich der
allein lebende Kläger noch ausreichend in seiner vertrauten Wohnumgebung orientieren kann, auch zu den von der Beklagten finanzierten
Kuraufenthalten in der Regel allein anreist und sich in fremder Umgebung zunächst allein für einige Tage - unter Hinzuziehung
pflegerischer Leistungen- versorgt, was der Senat den vorgelegten Rechnungen für seine Lebensgefährtin Irene Peter entnimmt.
Nunmehr hat sich das Sehvermögen nach der stattgehabten Operation sogar auf 40 % verbessert, was der Senat der eingeholten
sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Z. entnimmt. Auch unter Berücksichtigung des beeinträchtigten Kontrastsehen durch Hornhautnarbe
und Maculadegeneration ist der Kläger deswegen keinesfalls einem Blinden gleichzustellen.
Der Kläger benötigt schließlich nicht der dauernden außergewöhnlichen Pflege. Was darunter zu verstehen ist, hat das BSG in seinem Urteil vom 30. November 2006 (B 9 a V 9/05 R - SozR 4-3100 § 34 Nr. 4) definiert, nämlich dass einer außergewöhnlichen Pflege im versorgungsrechtlichen Sinne nur derjenige
bedarf, bei dem der Zeitaufwand für berücksichtigungsfähige Hilfeleistungen, also die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden
Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wöchentlich im Tagesdurchschnittsdauer mindestens vier Stunden beträgt. Hierbei
wird nur der Bedarf an Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) einschließlich des Zeitaufwands für Anleitung,
Übernahme und Bereitschaft und an Maßnahmen der psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation berücksichtigt.
Das BSG hat diese Vorgabe im Hinblick auf die pflegerischen Anforderungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (§
15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB XI -) entwickelt, wo die Abgrenzung zur Stufe II auch nur bei einem täglichen Zeitaufwand von vier Stunden anerkannt wird (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 1 Rn. 10). Bei der Beurteilung der Hilflosigkeit im Sinne von § 35 Abs. 1 BVG muss der beim Kläger im Vordergrund stehende hauswirtschaftliche Hilfebedarf unberücksichtigt bleiben (BSG vom 2. Juli 1997 - 9 RV 19/95 - SozR 3-3100 § 35 Nr. 6).
Hiervon kann nach dem vorliegenden Gutachten von Dr. H., dem Pflegegutachten des MDK wie zuletzt dem Entlassungsbericht der
Klinik L. über die Rehabilitationsmaßnahme 2013 nicht ausgegangen werden. Danach beträgt der tatsächliche Pflegebedarf maximal
90 Minuten täglich und liegt damit weit unter der erforderlichen Grenze von vier Stunden täglich. Dies hat das SG in seiner angefochtenen Entscheidung ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener
Prüfung nach §
153 Abs.
2 SGG an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der
Umfang der in Anspruch genommenen Verhinderungspflege hinlänglich unterstreicht, dass er keiner pflegerischen Leistungen über
der Pflegestufe I bedarf. Im Übrigen hat der erkennende Senat diesen Pflegebedarf der Stufe I bereits in seiner rechtskräftigen
Entscheidung vom 25. Juni 2015 (L 6 VK 5236/14, Beschluss des BSG vom 29. September 2015 - B 9 V 54/15 B) festgestellt. Dass sich seither eine Verschlechterung ergeben hat, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf §
193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.