Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren; Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei fehlenden Erfolgsaussichten
Gründe:
I. Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Rechtmäßigkeit des Erlasses eines eine Eingliederungsvereinbarung
ersetzenden Verwaltungsaktes.
Der 1960 geborene Antragsteller (ASt) steht seit langem im Leistungsbezug der Antragsgegnerin (Ag). Eine Eingliederungsvereinbarung
ist in dieser Zeit nicht zustande gekommen. Mit Bescheid vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2010
ersetzte die Ag erneut die Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt. Darin sind Festlegungen für die Leistungen,
die die Ag und der ASt zu seiner Eingliederung in der Zeit vom 14.06.2010 bis 13.12.2010 zu erbringen haben, geregelt. Dagegen
hat der ASt Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben.
Gleichzeitig hat er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage beim SG beantragt. Zwar sei seit mehr als drei Jahren keine Eingliederungsvereinbarung zustande gekommen. Die Ag habe jedoch seit
Jahren keinerlei Vermittlungsangebote unterbreitet und er solle die Möglichkeit zur Nutzung eines Programms "LEILA 50plus"
erhalten, er sei jedoch erst 48 Jahre alt. Dieses Programm sei auch nicht zielführend für seine Inte-gration. (Initiativ-)Bewerbungen
seinerseits - wie gefordert - seien zwecklos. Eingliederungs- und Trainingsmaßnahmen benötige er aufgrund seiner Kenntnisse
und Erfahrungen nicht, sie seien oft auch sinnlos und dienten nur der Finanzierung von Bildungsträgern. Sie seien auch nicht
passgenau. Seine Reintegration scheitere allein an der Inaktivität der Ag, der Erlass eines Verwaltungsaktes sei nicht erforderlich.
Das SG hat den Antrag abgelehnt. Es sei eine Interessenabwägung gemäß §
86b Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) vorzunehmen, wobei zu berücksichtigen sei, dass der Gesetzgeber von der sofortigen Vollziehbarkeit ausgegangen sei. Die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfordere daher eine mit gewichtigen Argumenten begründete Ausnahme. Vorliegend bestünden
keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des erlassenen Bescheides. Eine Eingliederungsvereinbarung sei jahrelang nicht zustande
gekommen, eine Ersetzung durch Verwaltungsakt könne daher erfolgen. Der Verwaltungsakt selbst halte sich im gesetzlichen Rahmen.
Das Angebot zur Teilnahme am Programm "LEILA 50plus" stelle lediglich eine Möglichkeit jedoch keine Verpflichtung dar. Vier
Bewerbungen pro Monat seien dem ASt zumutbar; diese seien nicht von vornherein zwecklos. Durch die Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen
solle der ASt in erster Linie wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden, diese Maßnahmen dienten nicht so sehr der Vermittlung
von Wissen und Fähigkeiten. Eine konkrete Eingliederungsmaßnahme sei auch in dem Verwaltungsakt nicht genannt.
Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein bisheriges
Vorbringen wiederholt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz
Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172,
173 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 09.06.2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2010 ist nicht anzuordnen. Nach §
86b Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise in Fällen anordnen, in denen Widerspruch
und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Nach § 39 Nr 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der ab 01.01.2009
geltenden Fassung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der u.a. Leistungen zur Eingliederung
in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung.
Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen,
da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes
Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten festzustellen ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit
gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Aufl, §
86b Rdnr 12a). Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten
verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung
nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten
nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens
und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mit berücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen: Keller aaO. Rdnr 12c).
Offen gelassen werden kann hier, ob die Klage vollkommen aussichtslos erscheint. Im Rahmen einer Interessenabwägung führt
die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten dazu, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht erfolgt. Es sind nämlich
keine Gesichtspunkte ersichtlich, die auf eine Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsaktes hindeuten. Auch eine Verletzung
der subjektiven Rechte des ASt ist derzeit nicht zu erkennen. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des SG im Beschluss vom 09.08.2010 Bezug genommen (§
142 Abs
2 Satz 3
SGG), nachdem der ASt im Wesentlichen nur sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt hat und gerade durch sein Verhalten zeigt,
dass der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit ihm nur unter erheblicher zeitlicher Verzögerung und mit Schwierigkeiten
erfolgen könnte.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).