Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1954 geborene Kläger hat am 14. Juli 1972 die Prüfung zum Kfz-Mechaniker erfolgreich abgelegt. Im erlernten Beruf war
er jedoch nie tätig. Vielmehr war er von 1972 bis 1974 als Kranfahrer, anschließend bis zu einem im Oktober 1979 erlittenen
Arbeitsunfall als LKW-Fahrer, ab April 1980 bis April 1986 als Busfahrer, dann bis zu einem im Jahr 1990 erfolgten Verkauf
der Firma des Arbeitgebers erneut als LKW-Fahrer, anschließend bis 1993 als Maschinenführer und zuletzt ab September 1997
bis April 1998 als Busfahrer im Linienverkehr versicherungspflichtig beschäftigt.
Den ersten Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit vom 23. April 1998 lehnte die damals zuständige
LVA Niederbayern-Oberpfalz mit Bescheid vom 1. September 1998 ab. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens
(Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1998) erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (Az. S 6 RJ 11/99), die der Kläger nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Terminsgutachtens des Medizinaldirektors I. in der mündlichen
Verhandlung am 14. April 2000 zurücknahm.
Den zweiten Rentenantrag des Klägers vom 31. Mai 2000 lehnte die LVA Niederbayern-Oberpfalz nach medizinischen Ermittlungen
mit Bescheid vom 30. Oktober 2000, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2001, ab. Der Kläger sei noch in der
Lage, trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den er zumutbar
verwiesen werden könne, tätig zu sein.
In dem anschließenden Klageverfahren (Az. S 7 RJ 209/01 ) holte das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. K. vom 20. November 2002 ein, der beim Kläger ein chronisch rezidivierendes
Cervicalsyndrom bei Zustand nach zweimaliger Operation eines cervikalen Bandscheibenvorfalls mit pseudoradikulären Beschwerden
im linken Arm, ohne verwertbare funktionell bedeutsame neurologische Ausfälle, ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom
mit pseudoradikulären Beschwerden im rechten Bein, ohne Nachweis funktionell relevanter neurologischer Ausfälle, sowie einen
Verdacht auf Medikamentenmissbrauch ohne Sekundärkomplikationen feststellte und dem Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen
für leichte, fallweise auch mittelschwere Tätigkeiten attestierte.
Der ebenfalls mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Orthopäde Dr. F. diagnostizierte beim Kläger unter dem 27. November
2002 folgende Gesundheitsstörungen:
1. Operativ mittels Titanimplantat behandelter Bandscheibenvorfall C 5/C 6, Fehlhaltung der HWS, Osteopenie der Wirbelsäule
2. Morbus Forrestier, Rundrücken mit Keilwirbeln nach Wachstumsstörung, Osteochondrose BWK 6 bis BWK 7
3. Spondylochondrose L 4/5
4. Minimalarthrose der Hüftgelenke
5. Angedeutete Schultereckgelenksarthrose und Omarthrose beidseits
6. Geringe Varikosis ohne Ödeme, Reizzustand Kniegelenk links nach kürzlicher Arthroskopie, Spreizfüße mit geringen Zehenverformungen,
Übergewicht.
Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, jedoch nicht mehr als
Busfahrer, verrichten.
Das SG wies daraufhin die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. März 2003 ab. Der Kläger habe nach der Auskunft des letzten Arbeitgebers
als Busfahrer ungelernte Tätigkeiten verrichtet. Er könne damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Insoweit
bestehe noch ein vollschichtiges Einsatzvermögen.
Mit der hiergegen erhobenen Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Az. L 5 R 225/03 machte der Kläger geltend, er habe jahrelang als Berufskraftfahrer gearbeitet und genieße deshalb Berufsschutz. Auch liege
eine Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen vor.
Das LSG hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 8. Dezember 2003 von Dr. K. und ein orthopädisches Gutachten vom
26. Oktober 2004 von Dr. S. eingeholt. Dr. K. stellte beim Kläger eine somatoforme Schmerzstörung, histrionische Persönlichkeitsanteile
und einen Schmerzmittelmissbrauch fest und bescheinigte ihm noch ein Leistungsvermögen für 8 Stunden täglich für leichte Arbeiten
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dr. S. stellte folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Zustand nach operiertem Bandscheibenvorfall C 5/C 6 mit Titanimplantat und fester knöcherner Durchbauung
2. Spondylosis hyperostotica der BWS
3. Zustand nach Wachstumstörung der BWS mit Keilwirbelbildung und resultierender Fehlstatik im Sinne von Hyperkyphose und
geringgradiger S-förmiger Thorakallumbalskoliose
4. Osteochondrose L 4/5 mit Vakuumphänomen nach zweimaliger Nucleotomie rechtsseitig mit Postdiskotomiesyndrom ohne Nachweis
eines radikulären sensomotorischen Defizits
5. Impingementsyndrom links bei Zustand nach Dekompression und Rotatorenmanschettenrekonstruktion (11. Dezember 2003)
6. Ausschluss leistungsmindernder Coxarthrose
7. Beginnende mediale Gonarthrose links, Retropatellarsyndrom beidseits mit Gleitlagerdysplasie.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten 8 Stunden täglich zu verrichten.
Das LSG hat daraufhin mit Urteil vom 26. April 2005 die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei Angelernter des unteren Bereichs
und könne damit sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten verwiesen werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehe auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Ein Rentenanspruch habe der Kläger damit nicht. Die Revision
wurde nicht zugelassen. Die hiergegen zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Az. B 5 RJ 216/05 R) wurde vom Kläger im Oktober 2005 zurückgenommen.
Am 31. Oktober 2005 stellte der Kläger bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz einen weiteren Antrag auf Gewährung von Rente wegen
Erwerbsminderung und zugleich einen Überprüfungsantrag, soweit in der Vergangenheit ein Antrag auf Gewährung einer Erwerbs-
bzw. Berufsunfähigkeitsrente abgelehnt worden sei. Der sozialmedizinische Status des Klägers habe sich mittlerweile dramatisch
verschlimmert. Er leide unter einem vergrößerten Herzen und Atemnot sowie unerträglichen Schmerzen.
Die Beklagte holte nach Beiziehung diverser Befundberichte ein Gutachten der Psychiaterin und Sozialmedizinerin R. vom 30.
Januar 2006 ein. Die Sachverständige stellte beim Kläger folgende Diagnosen:
1. Somatoforme Schmerzstörung
2. Histrionische Persönlichkeitsanteile
3. Schmerzmittelmissbrauch
4. Zustand nach operativ versorgtem Bandscheibenvorfall in Höhe C 5/6 mit Titanimplantat und fester knöcherner Durchbauung
5. Spondylosis hyperostotica der Brustwirbelsäule
6. Zustand nach Wachstumsstörung der Brustwirbelsäule mit Keilwirbelbildung und resultierender Fehlstatik im Sinne der Hyperkyphose
und geringgradiger S-förmiger Thorakolumbalskoliose
7. Osteochondrose L 4/5 mit Vakuumphänomen nach zweimaliger Nucleotomie F 4/5 rechtsseitig mit Postdiskotomiesyndrom ohne
Nachweis eines radikulären sensomotorischen Defizits
8. Impingementsyndrom der linken Schulter bei Zustand nach Dekompression und Rotatorenmanschettenrekonstruktion am 11.12.2003
9. Ausschluss leistungsmindernder Coxarthrose beidseits
10. Beginnende mediale Gonarthrose links, Retropatellarsyndrom beidseits bei Gleitlagerdysplasie.
Neue Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus 6 Stunden
und mehr pro Tag auszuüben. Nicht mehr zumutbar seien Nachtschicht, Akkord und besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit.
Der ebenfalls mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Chirurg und Sozialmediziner Dr. B. diagnostizierte in seinem
Gutachten vom 21. März 2006 beim Kläger ein Postlaminektomiesyndrom der Lendenwirbelsäule nach zweimaliger Bandscheibenoperation
L 4/L 5 mit rechtsseitiger Lumboischialgie ohne belangvolle Nervenwurzelschädigung, ein Zervicobrachialsyndrom nach Bandscheibenoperation
C 5/C 6 und Fusionsoperation mit Titanimplantat ohne neurologische Ausfälle, ein geringfügiges Impingementsyndrom der linken
Schulter mit Zustand nach Dekompressionsoperation und Rotatorenmanschettenrekonstruktion, ein Kniebinnenschaden links sowie
einen Schmerzmittel-Opiatemissbrauch mit somatoformen Schmerzstörungen. Der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, dauerndes Gehen und Stehen sowie Überkopfarbeiten.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 18. Mai 2006 den Antrag vom 31. Oktober 2005 ab. Der Kläger könne
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie als Bürohilfskraft noch mindestens 6 Stunden täglich tätig sein.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies darauf, er habe auch einen Überprüfungsantrag gestellt. Die kardiologischen
Einschränkungen hätten sich dramatisch verschlechtert. Er leide unter einer Schlafapnoe. Das Leistungsvermögen sei auf unter
3 Stunden täglich abgesunken. Zumindest sei eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Verweisung auf den Beruf einer Bürohilfskraft sei zu unsubstantiiert.
Mit weiterem angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2007 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rücknahme des Bescheids
vom 30. Oktober 2000 ab. Soweit wegen der anspruchsvernichtenden Wirkung des § 44 Abs. 4 SGB X eine Nachleistung nicht infrage komme, bestehe auch kein Rücknahmeanspruch. Ein Leistungsanspruch könnte allenfalls ab 1.
Januar 2001 bestehen. Die Überprüfung des Bescheids vom 30. Oktober 2000 scheide daher aus. Im übrigen sei ausdrücklich festgestellt
worden, dass beim Antragsteller noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen in zumutbaren Verweisungstätigkeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt bestehe. Es sei ausgeschlossen, dass bereits 2000 ein reduziertes verbliebenes Leistungsvermögen vorgelegen habe.
Für einen zwischenzeitlichen Leistungsabfall sei nichts ausreichendes vorgetragen und ersichtlich. Damit könne beim Bescheid
vom 30. Oktober 2000 von einer fehlerhaften Rechtsanwendung oder einem falschen Sachverhalt nicht ausgegangen werden. Der
Bescheid wurde zum Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens erklärt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Mai 2006 zurück. Mit
dem Widerspruch werde Rente wegen Erwerbsminderung bzw. die Neufeststellung des Rentenbescheids vom 30. Oktober 2000 gemäß
§ 44 SGB X begehrt. Der Kläger könne nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung noch mindestens 6 Stunden leichte Tätigkeiten
des allgemeinen Arbeitsmarktes über 6 Stunden sowie Tätigkeiten als Montierer von Kleingeräten, Prüf- und Qualitätskontrolleurs
der Metallindustrie sowie Tagespförtner verrichten. Erwerbsminderung liege damit nicht vor. Der angefochtene Bescheid entspreche
daher der Sach- und Rechtslage.
Die Neufeststellung des Bescheids vom 30. Oktober 2000 sei mit Bescheid vom 25. Juni 2007 abgelehnt worden. Die Begründung
sei diesem Bescheid zu entnehmen. Dem Widerspruch habe daher der Erfolg versagt bleiben müssen.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2007 Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben, das den Rechtsstreit
zuständigkeitshalber mit Beschluss vom 13. März 2008 an das Sozialgericht München (SG) verwiesen hat (Az. dort zunächst S 4 KN 94/08, dann S 47 R 546/09). Zur Begründung der Klage ist ausgeführt, der Kläger habe nachgewiesen, dass sich die kardiologischen Einschränkungen ganz
dramatisch verschlimmert hätten. Er leide auch unter einer Schlafapnoe, so dass nur noch ein Leistungsvermögen von weniger
als drei Stunden vorhanden sei. Es bestünden eine Fülle von Gesundheitsstörungen auf orthopädischem, internistisch-kardiologischem
und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Zumindest liege Berufsunfähigkeit vor. Der Kläger sei der Gruppe der angelernten
Arbeiter im oberen Bereich zuzuordnen. Eine Verweisung auf leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sei unstatthaft,
die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten seien rein theoretischer Natur und hätten nur am Rande mit der geschützten
Berufstätigkeit des Klägers etwas zu tun. Die Tätigkeit eines Pförtners sei ein Nischenberuf, der nur in extrem seltenen Ausnahmefällen
angeboten werde. Derartige Tätigkeiten würden auch nur unternehmensintern vergeben. Dies gelte auch für die anderen von der
Beklagten genannten Tätigkeiten. Die Beklagte sei ihrer Verweisungsobliegenheit nicht nachgekommen. Der Kläger teilte weiterhin
mit, seine Schmerzen würden immer unerträglicher. Er könne seine Finger kaum noch bewegen. Er werde an beiden Händen operiert.
Das SG hat diverse Befundberichte u.a. über die fast totale Entfernung der Schilddrüse am 27. Februar 2007 und über die (unauffälligen)
Ergebnisse einer Rechtsherzkatheteruntersuchung vom 10. Juli 2007 beigezogen.
Das SG hat zunächst gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens von Dr. G. und eines chirurgischen Gutachtens von Dr. H
...
Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 24. Juli 2008 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt:
1. Arterielle Hypertonie mit guter medikamentöser Einstellung
2. Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (Erstdiagnose 1994), unter BiIPAP-Therapie seit Juli 2006 zufriedenstellendes Ergebnis
3. Nebendiagnosen: Adipositas Grad I, gastroösophagiale Refluxkrankheit bei Hiatushernie, Zustand nach rezivid. Gastritis/Ulcera
bei früherer NSAR-Einnahme und Zustand nach Mallory-Weiss-Syndrom Juni 2004, somatoforme Schmerzstörung.
Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Gehen,
Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig mit den betriebsüblichen Pausen zu verrichten. Nicht
mehr zumutbar seien Tätigkeiten mit Wechsel- und Nachtschicht, Absturzgefahr, längerer Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft
sowie an laufenden Maschinen mit Verletzungsgefahr. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden
nicht.
Nach den Ausführungen von Dr. H. in seinem Gutachten vom 26. August 2008 liegen beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen
vor:
1. Chronisch rezidivierendes Cervicalsyndrom bei Zustand nach zweimaliger Operation eines cervikalen Bandscheibenvorfalls
mit pseudoradikulären Beschwerden im linken Arm und Fusion der Wirbelkörper C5-C6
2. Chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit pseudoradikulären Beschwerden im rechten Bein
3. Verdacht auf Medikamentenmissbrauch ohne Sekundärkomplikationen.
Der Kläger sei seit 1. Januar 2008 nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts eine
Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben.
Nachdem sich die Beklagte der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung durch Dr. H. nicht angeschlossen hatte, wies der Kläger
auf ständige Gleichgewichtsstörungen mit starkem Schwindel und fast ständige Übelkeit hin. Er sei schon öfters gestürzt und
könne das Haus ohne Begleitung nicht verlassen.
Das SG hat daraufhin gemäß §
106 SGG ein Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater I. in Auftrag gegeben, das dieser unter dem 5. Januar 2010 erstattet hat.
Der Sachverständige hat folgende Diagnosen angegeben:
1. Leichte Depression
2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen bei Postlaminektomiesyndrom der Lendenwirbelsäule
nach zweimaliger Bandscheibenoperation L 4/L 5 mit rechtsseitiger Lumboischialgie ohne belangvolle Nervenwurzelreizschädigung
3. Cervicobrachialsyndrom nach Bandscheibenoperation C 5/C 6 und Fusionsoperation mit Titanimplantat ohne neurologische Ausfälle
4. Geringfügiges Impingementsyndrom der linken Schulter mit Zustand nach Dekompressionsoperation und Rotatorenmanschettenrekonstruktion
5. Leichter Kniebinnenschaden links (ohne funktionelle Auswirkung)
6. Somatoforme Schmerzstörung bei histrionischen Persönlichkeitsanteilen
7. Schlafapnoe-Syndrom.
Der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen
und zu ebener Erde zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen schwerer Lasten, besonderer Zeitdruck und
häufiges Bücken. Bezüglich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden keine Einschränkungen.
Der Kläger hat einen Änderungsbescheid des Versorgungsamtes G-Stadt vom 11. Juni 2010 vorgelegt, wonach der Grad der Behinderung
(GdB) bei ihm 90 betrage. Auf seinen Antrag gemäß §
109 SGG hin hat das SG ein nervenärztliches Gutachten von Dr. A. vom 22. April 2010 eingeholt.
Sie hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Anhaltende Schmerzstörung mit erheblicher psychovegetativer Überlagerung
2. LWS-abhängige Beschwerden mit Hinweisen auf eine L 5-Nervenwurzelschädigung rechts bei Zustand nach zweimaliger Bandscheiben-OP
LWK 4/5 rechts (1991 und 1994)
3. HWS-abhängige Beschwerden mit Hinweisen auf eine C 6- und C 7-Nervenwurzelschädigung links bei Zustand nach zweimaliger
Operation an der HWS Dezember 1998 und April 1999
4. BWS-abhängige Beschwerden bei knöchernen Veränderungen der BWS
5. Schlafapnoe-Syndrom
6. Hypothyreose-Schilddrüsen-OP 2007 - Hormonsubstitution
7. Reaktive Depression unterschiedlichen Schweregrads
8. Seit 2002 Kniegelenksbeschwerden links
9. Schultergelenksbeschwerden links mit Operationen
10. Zustand nach Magenbluten und Gastritis 2005
11. Schultersteife links nach Operation 2003 und 2004
12. Karpaltunnel-Syndrom beidseits - Operation links Dezember 2006 und Operation rechts Mai 2009
13. Adipositas I, BMI 34
14. Seit März 2010 mittelgradige Persönlichkeitsveränderung mit passiven und abhängigen Zügen.
Der Kläger könne noch seit März 2010 weniger als drei Stunden täglich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen
ohne längeres Sitzen oder Stehen im Freien und in geschlossenen Räumen verrichten. Unterbrechungen entstünden durch Tagesmüdigkeit
und Schlafzustände tagsüber. Der Kläger könne höchstens 500 m zwei- bis viermal am Tag zurücklegen.
Nachdem sich die Beklagte dieser Leistungsbeurteilung nicht angeschlossen hatte, hat das SG die Klage mit Urteil vom 2. Dezember 2010 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. G. und I. abgewiesen. Die Leistungsbeurteilungen
durch Dr. H. und Dr. A. seien nicht überzeugend. Sie würden nicht durch eine entsprechende Befundung untermauert.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und auf das Gutachten von Dr. H. und Dr. A.
verwiesen. Der Kläger leide unter zahlreichen Gesundheitsstörungen, die zu massiven Beschwerden führen würden. Dies sei von
diesen beiden Sachverständigen überzeugend dargelegt worden.
Der Senat hat sodann gemäß §
109 SGG Dr. L. mit der Erstellung eines orthopädischen und Dr. F. mit der Erstellung eines internistischen Gutachtens beauftragt.
Dr. L. hat in seinem Gutachten vom 4. Oktober 2011 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Chronifiziertes Schmerzsyndrom der gesamten Wirbelsäule nach zweifach durchgeführter Bandscheibenoperation der HWS und
zweifach durchgeführter Bandscheibenoperation der LWS mit nachfolgendem Postdiskotomiesyndrom
2. Thorakales Schmerzsyndrom bei bekannter Spondylosis hyperostotica Forrestier mit thorakalem Wurzelreizsyndrom
3 .Massive muskuläre Dysbalancen mit entsprechenden chronifizierten Schmerzzuständen der Muskelansätze im Rumpfbereich
4. Schweres somatisiertes depressives Syndrom verbunden mit schweren Selbstwertstörungen (übernommen aus neurologischem Vorgutachten)
5. Internistische Gesundheitsstörungen laut Gutachten von Dr. F ...
Der Kläger könne seit November 2005 nur noch leichte Arbeiten im Sitzen in geschlossenen Räumen weniger als 3 Stunden täglich
verrichten. Die noch zumutbaren Arbeiten müssten alle 2 Stunden für 30 Minuten unterbrochen werden. Es könnten glaubhaft Wegstrecken
von 500 m in einer zumutbaren Zeit von 20 Minuten nicht bewältigt werden, die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittel
sei nur mit größten Problemen möglich. Die Umstellungsfähigkeit des Klägers sei eingestellt.
Die Internistin Dr. F. hat beim Kläger eine arterielle Hypertonie mit hypertensiver Herzerkrankung (Linksherzhypertrophie)
und geringgradiger linksventrikulärer Pumpstörung, anamnestisch Verdacht auf koronare Herzerkrankung, eine Adipositas WHO-Grad
II, ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, seit Juli 2006 BIPAP-Therapie mit geringgradiger restriktiver Ventilationsstörung,
eine Arteriosklerose der extracraniellen hirnversorgenden Gefäße, eine rezidivierende Schwindelsymptomatik unklarer Genese,
eine gastroösophagiale Refluxkrankheit bei Hiatushernie und eine rezidivierende Gastritis und Bulbitis bei Zustand nach gastrointestinaler
Blutung bei Mallory-Weiss-Syndrom Juni 2004 sowie einen Zustand nach fast totaler Strumektomie beidseits bei Struma nodosa
und kaltem Knoten Februar 2007 festgestellt.
Der Kläger könne noch 3 bis unter 6 Stunden täglich leichte Arbeiten im Sitzen verrichten. Er bedürfe alle 2 Stunden Pausen
von ca. 30 Minuten Dauer. Es bestünden erhebliche Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte. Der Kläger
bewege sich lediglich mithilfe eines Gehwagens und beklage bereits Luftnot bei einer Wegstrecke von 50-100 m sowie starke
Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Beine. Er könne auch keine öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Das Leistungsbild bestehe seit ca. 2009. Der Kläger könne ein Kfz mit Zusatzeinrichtungen eventuell fahren, er besitze einen
Führerschein. Das Kfz stehe in Teilung mit der Ehefrau zur Verfügung.
Der Senat hat hierzu ergänzende Stellungnahmen von Dr. G., Dr. H. und I. eingeholt. Dr. G. erklärte unter dem 30. Januar 2012,
eine gravierende Änderung des Leistungsvermögens auf internistischem Gebiet sei nicht eingetreten. Eine quantitative Leistungseinschränkung
ergebe sich keineswegs. Dr. H. hat mitgeteilt (Schriftsatz vom 15. Februar 2012), er halte die sozialmedizinische Beurteilung
durch Dr. L. für zutreffend. Der Sachverständige I. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. August 2012 schließlich
ebenfalls an seiner gutachterlichen Bewertung festgehalten.
Der Senat hat daraufhin gemäß §
106 SGG ein nervenärztliches Gutachten von Dr. E. und ein orthopädisches Gutachten von Dr. D. eingeholt.
Dr. E. hat in ihrem Gutachten vom 2. April 2013 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und Analgetika-Missbrauch einschließlich Opiattyp bei
Dystymie
2. Minderbelastbarkeit HWS-LWS nach je zwei Bandscheibenoperationen sowie Eingriffen an der linken Schulter, ohne neurologische
Ausfälle
3. Hypertonie und obstruktive Schlafapnoe, jeweils ausreichend eingestellt, bei Adipositas.
Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger könne noch leichte körperliche Tätigkeiten 6 bis unter 8 Stunden oder auch vollschichtig
mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen verrichten. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen, ununterbrochenes Stehen oder Sitzen
oder ausschließliches Gehen, schweres Heben und Tragen sowie häufiges Bücken, Arbeiten an verletzungsgefährdenden Maschinen,
am Fließband, in Nachtschicht oder unter Zeitdruck. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden
nicht. Der Kläger könne öffentliche Verkehrsmittel und ein Kfz benützen. Die Umstellungsfähigkeit auf Tätigkeiten, die keine
höhere Anforderungen an Konzentration, Verantwortungsbewusstsein und Ausdauer stellen, sei gegeben.
Dr. D. hat beim Kläger folgende Diagnosen festgestellt:
1. Zervikalsyndrom nach zweimaliger Bandscheibenoperation im Segment C 5/6 mittels Implantat bei knöchernem Durchbau, derzeit
ohne radikuläre Symptomatik
2. Morbus Forrestier der Brustwirbelsäule mit eingeschränkter Beweglichkeit
3. Lokales Lumbalsyndrom verbunden mit häufig auftretenden Kreuzschmerzen mit Bewegungs- und Belastungseinschränkung mit gelegentlichen
Ausstrahlungen ohne neurologische Ausfälle bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation L 4/5
4. Periarthropathie rechte Schulter
5. Impingementsyndrom linke Schulter
6. Altersentsprechender Hüftbefund
7. Mittelgradige medial betonte Gonarthrose beidseits mit Betonung links
8. Beginnende Retropatellararthrose
9. Senk-Spreiz-Fuß-Deformität
10. Beginnender Hallux rigidus rechts.
Der Kläger sei noch in der Lage, leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten in Wechselpositionen in geschlossenen Räumen
vollschichtig zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen von mehr als mittelschweren Lasten, häufiges Bücken,
Zwangspositionen, Nässe, Kälteexposition, ausschließlich stehendes Arbeiten an Maschinen, am Fließband und unter Zeitdruck.
Unübliche Pausen seien nicht erforderlich. Einschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Weitere Gutachten
seien nicht erforderlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten
vom 18. Mai 2006 sowie vom 25. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2007 zu verurteilen, den Bescheid
vom 30. Oktober 2000 zurückzunehmen und dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit,
hilfsweise
wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen
noch in der Lage ist, vollschichtig zumindest leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Dies ergibt
sich aus den überzeugenden Gutachten von Dr. D., Dr. E., Dr. K. und I ... Den abweichenden Einschätzungen von Dr. H., Dr.
L., Dr. A. und Dr. F. vermag der Senat nicht zu folgen.
Bei der Untersuchung durch Dr. D. war der Kläger in einem guten Allgemein- und Kräftezustand. Kadiopulmonale Auffälligkeiten
ergaben sich nicht. Der Kläger konnte sich ohne fremde Hilfe und ohne erkennbare Behinderungen zügig an- und auskleiden. Grob-
und feinmotorische Bewegungen waren nicht erkennbar beeinträchtigt, pathologische Bewegungsmuster traten ebenso wenig auf
wie Ausweichbewegungen des Rumpfes. Die Muskulatur war regelgerecht ausgeprägt. Das Gangbild des Klägers war zunächst durch
ein Entlastungshinken rechts geprägt, wurde während und nach der Untersuchung jedoch zunehmend flüssiger.
Bei der Untersuchung der Wirbelsäule zeigte sich eine rechtskonvexe thorakolumbale Seitverbiegung mit einer Desäquilibrierung
nach rechts. Bei neurophysiologischer Beckenkippung ergab sich jedoch keine auffallende statomotorische Dysbalance.
An der äußerlich unauffälligen Halswirbelsäule imponierte ein mäßig dorsaler Muskelhartspann bei endgradig eingeschränkter
Beweglichkeit in Bezug auf Seitneigung und Drehbewegungen. Eine gravierende Funktionsstörung seitens der Halswirbelsäule konnte
Dr. D. jedoch nicht objektivieren; Hinweise auf eine radikuläre Symptomatik oder eine Wurzelkompression lagen nicht vor. Hieraus
resultieren für den Senat nachvollziehbar nur qualitative Leistungseinschränkungen in Bezug auf längere Bildschirmarbeiten
und Überkopfarbeiten.
Bei der Überprüfung der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule demonstrierte der Kläger einen Finger-Bodenabstand
von 60 cm. Die aktive Reklination erfolgte dann aus rückeneigener Kraft ohne Abstützen der Hände auf den Oberschenkeln. Auffallend
war, dass die Beweglichkeit im Liegen größer war. Hier erreichten die Fingerspitzen des Klägers im Langsitz die Zehenspitzen
bis auf einen Abstand von etwa 40 cm. Zudem war die Durchführung des Langsitz-Reklinationstests - ebenso wie die Prüfung von
Seitneigung und Drehung - durch heftiges Gegenspannen des Klägers geprägt. Dr. D. hat darauf hingewiesen, dass die demonstrierten
Werte, die Verdeutlichungstendenzen erkennen ließen, damit nur eingeschränkt verwertbar seien. Nach seinen Ausführungen ist
die Beweglichkeit und Belastungsfähigkeit der Lendenwirbelsäule mittelgradig eingeschränkt bei lokalem Lumbalsyndrom. Eine
schwerwiegende neurologische Störung ausgehend von der Lendenwirbelsäule liegt beim Kläger jedenfalls nicht vor. Dies ergibt
sich daraus, dass er noch die Fähigkeit zur Rumpfbeuge nach vorne besitzt, ihm das Aufsetzen in den Langsitz möglich ist,
die Achillessehnenreflexe auslösbar waren, der Langsitz-Reklinations-Test ebenso negativ war wie das Zeichen nach Laségue.
Auch bestehen keine gravierenden und leistungsmindernden Schmerzen und motorische Störungen wichtiger Muskeln. Aus alledem
hat Dr. D. überzeugend abgeleitet, dass dem Kläger das Bewegen von mehr als mittelschweren Lasten, dauerhafte Zwangshaltungen,
mehr als gelegentliches Arbeiten in gebückter Haltung und dauerhafte Zwangshaltungen im Sitzen oder im Stehen nicht mehr zumutbar
sind. Eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens lässt sich aber aus den Einschränkungen an der Wirbelsäule nicht
ableiten.
An den oberen Extremitäten zeigten sich äußerlich unauffällige Schulterkulissen bei seitengleicher Muskelbemantelung und ohne
Schonungszeichen. Die Globalbewegungen des Schultergürtels waren dem Kläger ohne erkennbare Einschränkungen möglich. Eine
Instabilität lag nicht vor. Die Beweglichkeit der Schulter links wird vom Kläger sowohl aktiv als auch passiv nur eingeschränkt
demonstriert, wobei die wichtige Vorhebebewegung nur mäßig eingeschränkt erschien. Auch hier zeigte sich wieder bei der Durchführung
diverser Tests erhebliches Gegenspannen des Klägers. Nach den Ausführungen von Dr. D. spricht jedoch die seitengleiche Muskelausprägung
gegen eine Schonung des linken Arms. Insgesamt führen die Gesundheitsstörungen an den Schultern lediglich zu einem Ausschluss
von Überkopfarbeiten.
Die Beweglichkeit von Ellbogen-, Hand- und Fingergelenken war völlig frei. Die Grob- und feinmotorischen Fähigkeiten beider
Hände waren erhalten, Sensibilitätsstörungen lagen nicht vor. Die Hände waren regelgerecht beschwielt. Funktonseinschränkungen
resultieren hieraus nicht.
An den unteren Extremitäten ergaben sich keine Hinweise für schonungsbedingte Arthropien bei seitengleich kräftig konturierter
Oberschenkel- und Hüftmuskulatur. Die Hüftgelenke waren beidseits klinisch und röntgenologisch nahezu frei beweglich bei negativen
Zeichen nach Trendelenburg. Röntgenologisch fanden sich vor allem im linken Kniegelenk (allenfalls) mittelgradig ausgeprägte
Valgusgonarthrosen mit medialer Gelenksspaltverschmälerung. Die Kniegelenke waren jedoch äußerlich unauffällig und zeigten
ein normales Bewegungsausmaß bei stabilem Seitenband- und Kollateralbandhalt. Ein Erguss lag an beiden Kniegelenken ebenso
wenig vor wie eine Kreuzbandaffektion. Die Unterschenkel sowie die Sprunggelenke waren ohne jegliche Auffälligkeiten bei uneingeschränkter
Beweglichkeit. Allein die Beweglichkeit im rechten Großzehengrundgelenk war endgradig eingeschränkt. Aus diesem Befund hat
Dr. D. überzeugend abgeleitet, dass kniegelenkstrapazierende Tätigkeiten (ausschließliches Stehen und Gehen, Hocken und Bücken,
häufiges Treppensteigen oder Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten) zu vermeiden seien. Eine Einschränkung der quantitativen
Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten lässt sich auch bei einer Gesamtschau der Gesundheitsstörungen des Klägers und
der hieraus resultierenden funktionellen Einschränkungen nicht ableiten.
Die hiervon abweichende Einschätzung von Dr. L. und Dr. H. konnte den Senat nicht überzeugen. Beide Sachverständige setzen
sich nicht ausreichend damit auseinander, dass der Kläger zu ausgesprochen demonstrativem Verhalten neigt, obwohl Dr. H. auf
ein solches selbst hinweist. Auch dort hatte der Kläger bereits bei verschiedenen Untersuchungen sehr stark gegengespannt,
um eine besonders starke Einschränkung der Beweglichkeit zu verdeutlichen. Eine Würdigung dieser aktenkundigen Phänomene -
bereits 1995 wurde bei dem damals 41-jährigen Kläger eine Beschwerdefixierung und Verdeutlichungstendenz beschrieben (Gutachten
Dr. R. vom 28. November 1995) - wird von Dr. L. nicht vorgenommen. Er hat vielmehr die Bewegungseinschränkungen und Schmerzen
des Klägers überwiegend aufgrund dessen subjektiven Angaben beschrieben. Sie wurden in der Regel auch nicht durch entsprechende
Bewegungsmaße nach der Neutral-0-Methode belegt. Insoweit hat Dr. D. wesentlich sorgfältiger die Beweglichkeit des Klägers
untersucht und dabei auch die bei Dr. D. erneut aufgetretenen Verdeutlichungstendenzen mitberücksichtigt. Bei Dr. L. hat die
anwesende Ehefrau beim Ausziehen der Hose, Strümpfe und Schuhe mitgeholfen. Die sehr besorgt wirkende Ehefrau habe eine sehr
umsorgende Hilfsbereitschaft und Unterstützungswilligkeit bei allen Hilfstätigkeiten des An- und Auskleidens demonstriert.
Dr. L. hat dazu angemerkt, das selbstständige An- und Ausziehen der Strümpfe und der Hosen sei dem Kläger kaum ohne Zuhilfenahme
von Anziehhilfen möglich. Dies steht in eklatantem Widerspruch zu den Feststellungen von Dr. D., der keinerlei Schwierigkeiten
des Klägers beim selbstständigen An- und Auskleiden feststellen konnte.
Auch das Fehlen von Athropien bei insgesamt muskulärem Habitus des Klägers sprechen dagegen, dass sich der Kläger wirklich
nur noch in dem bescheidenen Umfang bewegt, den er insbesondere gegenüber Dr. L. angegeben hat.
In nervenärztlicher Hinsicht steht beim Kläger die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren im Vordergrund.
Nach den Feststellungen von Dr. E. lässt sich diese aus den vorhandenen organischen Veränderungen nicht ausreichend erklären.
Auffallend war auch hier, dass der Kläger während der gut zweistündigen Exploration ruhig da saß, ohne erkennbaren Leidensdruck
und ohne Schmerzäußerung, die er vielmehr nur verbal artikulierte. Dr. E. hat ausgeführt, der damals erst vierzigjährige Kläger
habe Mitte der Neunzigerjahre die Überzeugung erlangt, er sei dauerhaft nicht mehr belastbar. Damit habe er Regressionstendenzen
gelebt, die er vorher über Jahre in den Hintergrund schieben musste. Hinweise für eine schwere eigenständige Depression, eine
Psychose oder eine hirnorganische Beeinträchtigung liegen nach den Ausführungen von Dr. E. beim Kläger jedoch nicht vor. Der
Kläger war freundlich und kooperativ bei gut herstellbarem Kontakt. Er war grundsätzlich auslenkbar und schwingungsfähig bei
nur leicht vermindertem Antrieb und Psychomotorik. Ein Anhalt für Wahnideen, Sinnestäuschungen oder Ichstörungen zeigte sich
nicht. Einschränkungen der mnestischen Funktionen lagen - abgesehen von Schwierigkeiten bei der zeitlichen Zuordnung der Beschwerdeentwicklung
und mäßigen Merkfähigkeitsstörungen - nicht vor. Der Kläger steht auch seit Jahren nicht in nervenärztlicher Behandlung, einer
Psychotherapie hat er sich bisher nicht unterzogen. Dies spricht ebenfalls nicht dafür, dass beim Kläger in psychischer Hinsicht
wirklich gravierende Beeinträchtigungen vorliegen.
Auf neurologischem Fachgebiet konnte Dr. E. abgesehen von einer Pelzigkeit der rechten Großzehe keinerlei Auffälligkeiten
feststellen.
Sie hat aus diesem Gesamtbild, das in einer Vielzahl von Vorgutachten (K. Dezember 2003, Rüdiger Januar 2006, I. Januar 2010)
ebenfalls so beschrieben worden war, überzeugend abgeleitet, dass eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens
des Klägers nicht vorliegt. Die abweichende Einschätzung von Dr. A. ist nicht überzeugend. Wie Dr. E. in Übereinstimmung mit
dem Sachverständigen I. nachvollziehbar ausgeführt hat, hat Dr. A. Befunde und anamnestische Angaben des Klägers vermischt.
Die von Dr. A. beschriebene Persönlichkeitsveränderung des Klägers ist weder aus dem Befund ableitbar noch nach psychiatrischem
Wissensstand durch die Krankheiten und die Lebenssituation des Klägers zu erwarten. Dr. A. beschreibt ausgiebig die subjektiven
Symptome des Klägers, ohne die objektivierbaren Befunde zu benennen. Aus dem Gutachten von Dr. A. ließen sich als objektivierbare
auffällige Befunde die Einengung des inhaltlichen Denkens des Klägers auf den Leidensweg verzeichnen sowie dass er deutlich
ängstlich, unsicher, klammernd an die Ehefrau wirkte. Diese Befunde können jedoch keinesfalls eine quantitative Einschränkung
des täglichen Leistungsvermögens des Klägers begründen.
Dr. E. hat schließlich zu Recht darauf hingewiesen, dass quantitative Leistungsminderungen bei somatoformen Schmerzstörungen
nur dann in Betracht kommen können, wenn eine anhaltend zumindest mittelschwere psychische Komorbidität oder eine anhaltend
schwere körperliche Erkrankung parallel dazu vorliege. Hiervon kann beim Kläger jedoch keine Rede sein.
In internistischer Hinsicht sind die Gesundheitsstörungen beim Kläger nicht rentenrelevant. Die arterielle Hypertonie ist
nach den Ausführungen von Dr. G. gut medikamentös eingestellt. Der hypertoniebedingte Endorganschaden am Herzen in Form einer
linksventriculären Wandverdickung mit geringer Einschränkung der linksventriculären Pumpfunktion bei geringer Hypokinese,
der im Falle einer Gewichtsnormalisierung und Optimierung der antihypertensiven Medikation wieder rückbildungsfähig wäre,
kann eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht
begründen. Für den von Dr. F. aufgrund der Beschwerdeschilderung des Klägers geäußerten Verdacht einer koronaren Herzerkrankung
gibt es keinen Beleg. Herzkatheteruntersuchungen im Juni 1997 und November 2005 ergaben nach den Ausführungen von Dr. G. bei
damals gleicher Beschwerdeschilderung keinen Anhalt für eine derartige Erkrankung, die bei guten Therapieoptionen im übrigen
aber auch nur zu einer qualitativen Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers führen würde. Denn das Leistungsvermögen
des Herzens des Klägers ist nicht signifikant eingeschränkt, die linksventriculäre Pumpfunktion nur geringgradig reduziert.
Die von Dr. F. angeführte Arteriosklerose an den Halsschlagadern links betont ist nur gering ausgeprägt und hämodynamisch
unbedeutsam. Sie hat nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen von Dr. G. keine Auswirkungen auf das Leistungsvermögen
des Klägers.
Auch aus dem sowohl von Dr. L. als auch von Dr. F. angeführten obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom lässt sich eine quantitative
Leistungsminderung des Klägers nicht ableiten. Dr. G. hat darauf hingewiesen, dass der Kläger bei ihm weder über Maskenprobleme
noch über eine gesteigerte Tagesmüdigkeit in Form von Konzentrationsstörungen, Gähnen oder unbeabsichtigtem Einnicken berichtet
hatte. Auch gegenüber Dr. E. hat er von derartigen Schwierigkeiten nicht berichtet. Schließlich hat auch kein Sachverständiger
dargelegt, dass derartige Phänomene bei der Untersuchung des Klägers aufgetreten wären. Ein Beleg für andauernde und gravierende
Tagesmüdigkeit des Klägers liegt damit nicht vor. Die Lungenfunktionsprüfung erbrachte schließlich beim Kläger auch keine
auffälligen Werte.
Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden
allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen
noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, durch
die für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Insbesondere besteht keine Einschränkung der Wegefähigkeit oder die Notwendigkeit
unüblicher Arbeitspausen. Zwar wird von Seiten von Dr. L. und Dr. F. eine Einschränkung der Wegefähigkeit behauptet. Eine
zureichende Begründung hierfür lässt sich deren Gutachten aber nicht entnehmen. Dr. L. äußert insoweit nur, dass glaubhaft
Wegstrecken von 500 m in einer zumutbaren Zeit von 20 Minuten nicht bewältigt werden können. Warum dies der Fall sein soll,
lässt er offen. Dr. F. verweist nur auf die subjektiven Beschwerdeschilderungen des Klägers und darauf, dass sich der Kläger
mithilfe eines Gehwagens bewegt. Allein der Umstand, dass der Kläger sich eines Hilfsmittels - hier in Form eines Gehwagens
- bedient, führt aber nicht zu einer rentenrelevanten Einschränkung der Wegefähigkeit. Die aktenkundigen Verdeutlichungstendenzen
des Klägers werden auch hier nicht diskutiert. Letztlich beruht die Einschätzung der Wegefähigkeit damit nicht auf objektiven
Befunden, sondern auf den eigenen Angaben des Klägers. Diese können aber eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit
nicht belegen. Ein objektiver Befund, aus dem sich eine Einschränkung der Wegefähigkeit ableiten ließe, liegt beim Kläger
nicht vor.
Schließlich fehlt auch jegliche nachvollziehbare Begründung für die Behauptung von Dr. L., Dr. A. und Dr. F., der Kläger bedürfe
unüblicher Pausen. Dr. F. macht ebenso wie Dr. L. nicht einmal ansatzweise deutlich, warum der Kläger alle 2 Stunden eine
Pause von ca. 30 Minuten Dauer benötigen sollte. Für die von Dr. A. angenommenen, nicht näher präzisierten "Unterbrechungen
durch Tagesmüdigkeit und Schlafzustände tagsüber" gibt es - wie oben dargelegt - keinen Beleg.
Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch gemäß § 44 Abs. 1 SGB X auf Rücknahme des Bescheids vom 30. Oktober 2000 zu.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt
ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder
Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach dieser Bestimmung
mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Überprüfungsantrag des Klägers
ist unsubstantiiert. Er hat weder neue Tatsachen vorgetragen, die belegen könnten, dass die Beklagte bei Erlass des Bescheids
vom 30. Oktober 2000 von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, noch vorgetragen, aus welchen Gründen bei Erlass dieses
Bescheides das Recht unrichtig angewandt worden ist. Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 30. Oktober 2000 wurde auch bereits
vom Bayerischen Landessozialgericht im Urteil vom 26. April 2005 bestätigt. Eine hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde
zum BSG wurde vom Kläger zurückgenommen, eine Auseinandersetzung des Klägers mit den Ausführungen im Urteil vom 26. April 2005 hat
nicht stattgefunden. Schließlich hat auch die Beweiserhebung in diesem Verfahren ergeben, dass der Kläger auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt nach wie vor vollschichtig leistungsfähig ist. Nach alledem besteht kein Anspruch des Klägers auf Rücknahme des
Bescheids vom 30. Oktober 2000 und Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit nach altem Recht.
Die Berufung war damit zurückzuweisen.