Rente wegen Erwerbsminderung
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
Benennung einer Verweisungstätigkeit
Tatbestand
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1968 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Gärtners. Seit 1991 war er bis 31.10.2012 bei der Deutschen Post Briefzentrum
als Arbeiter beschäftigt. Der Kläger musste dort seinen Angaben zufolge pro Tag zusammen mit zwei oder drei weiteren Kollegen
80 bis 100 Paletten mit Katalogen verteilen, wobei jedes einzelne Bündel bis zu 20 kg gewogen habe. Seit dem 01.11.2012 bezieht
der Kläger eine Postbetriebsrente.
Der Kläger beantragte erstmals 2007 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Mit Bescheid vom 12.12.2007 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 07.08.2008 wurde der Antrag abgelehnt.
Vom 06.03.2012 bis 12.04.2012 absolvierte der Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Laut Reha-Entlassungsbericht
vom 01.06.2012 wurden die Diagnosen einer Meningoenzephalitis im Jahr 1982 mit residualem Erschöpfungszustand und Depression,
zervicales Wurzelreizsyndrom mit chronischen Schmerzen im HWS- und BWS-Bereich, Kopfschmerzen gemischten Ursprungs, Analgetikaabusus
mit schädlichen Folgen gestellt. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wenigstens 6 Stunden täglich mittelschwere
Tätigkeiten im Wechselrhythmus verrichten, ohne Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen.
Er wurde als arbeitsfähig entlassen.
Am 24.08.2012 beantragte er Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen veranlasste die Beklagte eine
Begutachtung des Klägers durch Dr. R. auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet und Dr. F. auf nervenärztlichem Fachgebiet.
Sowohl Dr. R. als auch Dr. F. bejahten am 05.12.2012 bei den Diagnosen rezidivierende depressive Störung, anhaltende somatoforme
Schmerzstörung, Zustand nach Meningoenzephalitis ohne wesentliche neurologische Ausfallerscheinungen abgeheilt, LWS-Syndrom
bei mäßigem Verschleiß und Fehlstellung, allenfalls geringfügige Funktionseinbußen ohne Zeichen einer Nervenwurzelreizung,
wiederkehrendes BWS-Syndrom, HWS-Syndrom bei leichten degenerativen Veränderungen, keine wesentliche Funktionseinbuße zum
Untersuchungszeitpunkt, Analgetika-Abusus gebessert, für den allgemeinen Arbeitsmarkt ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen
unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen.
Mit Bescheid vom 12.12.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen erwerbstätig sein könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.01.2013 unter Beifügung eines Attestes seines behandelnden Nervenarztes, Dr. E., Widerspruch.
Er verwies darauf, dass eine dauerhafte Leistungseinbuße aufgrund seiner psychischen Beschwerden vorläge. Nicht nur die seelische
Problematik, sondern auch die Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates hätten in der Vergangenheit immer wieder zu Arbeitsunfähigkeitszeiten
geführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2013 wies die Beklagte den erhobenen Rechtsbehelf zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 03.04.2013 Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth.
Das SG hat die Versichertenakten der Beklagten, die Akten des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Oberfranken - Versorgungsamt
A-Stadt - sowie die ärztlichen Unterlagen der den Kläger behandelnden Ärzte Dres. D. und E. zum Verfahren beigezogen. Das
SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Dr. L. hat im Gutachten vom 13.06.2013
folgende Diagnosen gestellt: 1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung. 2. Wirbelsäulenschmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen
ohne sensomotorisches Defizit mit geringgradiger Funktionseinschränkung. 3. Rezidivierende depressive Störung, derzeit leichtgradig
ausgeprägt. 4. Migräne, Kopfschmerz.
Die Erwerbsfähigkeit hat er dahingehend beurteilt, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis mittelschwere
Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Anforderungen an den Bewegungsapparat
mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Nicht verrichtet werden könnten Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, mit
vermehrter Konzentration, mit Schicht-, Akkord- oder Fließbandarbeit, mit Verantwortung für Personen oder Maschinen sowie
mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat er nicht angenommen. Zusätzliche Pausen hielt
er für nicht erforderlich. Eine Besserung der Beschwerden könne durch Optimierung der Behandlungsstrategien erreicht werden.
Er hielt zudem eine Behandlung in einer psychosomatisch/psychotherapeutischen Klinik für erforderlich.
Auf Antrag des Klägers wurde Prof. Dr. H. S. mit der Erstellung eines Gutachtens auf nervenärztlichem Fachgebiet beauftragt.
Dieser stellte in seinem Gutachten vom 28.12.2013 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Leichte (aber eindeutige) Reststörung
einer motorischen Aphasie mit deutlicher Verlangsamung des Sprachflusses und Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit; intermittierend
immer wieder Wortfindungsstörungen und Umschreibungen. 2. Leichte rechtsseitige Hemisymptomatik in Form vor allem einer Dysdiadochokinese
und bei Belastung und psychischer Spannung auftretenden Paraesthesien und motorischer Schwäche. 3. Selbstunsichere emotional
verletzbare Persönlichkeitsstruktur (primärpersönlich durch die frühkindliche Entwicklung und durch die Meningoenzephalitis
im 14. Lebensjahr bedingt). 4. Psychosomatisches Schmerzsyndrom bei geringen orthopädischen Störungen der Wirbelsäule. 5.
Chronifizierte depressive Belastungsstörung.
Das Leistungsvermögen beurteilte er dahingehend, dass der Kläger auch leichte Arbeiten nicht mehr drei Stunden täglich verrichten
könne. Zur Begründung verwies er darauf, wenn der letzte Arbeitgeber des Klägers die ihm zuletzt aufgegebenen Leistungen als
nicht ausreichend ansah, wobei diese Arbeiten sehr einfach strukturiert gewesen wären, sei nicht erkennbar, welche andere
Arbeitstätigkeit von diesem noch verrichtet werden könne. Der Kläger sei derzeit in seiner Belastungsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit,
emotionalen Sicherheit und Motivation eingebrochen, sodass die zuletzt vorgeschlagene psychosomatische Therapie derzeit wenig
Aussicht auf Erfolg habe. Wenn es dem Kläger gelänge, seine jetzigen privaten Aufgaben, mit denen er sich einigermaßen arrangiert
habe, denen er sich verpflichtet fühle und die er gut verrichte, weiterhin über eine gewisse Zeit zu erbringen, so sei nicht
auszuschließen, dass - wenn die Kinder außer Haus seien und seine Fürsorge nicht mehr bräuchten - eine erneute Arbeitsrehabilitation
zu prüfen Sinn ergäbe.
Mit Urteil vom 28.04.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung,
die tägliche Einsatzfähigkeit von sechs Stunden sei nicht aufgehoben. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten
in wechselnder Körperhaltung verrichten. Zu vermeiden seien schweres Heben und Tragen, häufiges Bücken, Zwangshaltungen sowie
das Besteigen von Leitern und Gerüsten. Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, mit hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen,
mit Verantwortung für Personen und Maschinen, ohne Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie ohne Schicht-, Akkord- oder Fließbandarbeit.
Das Gericht schließe sich der sozialmedizinischen Beurteilung durch Dr. L. an. Der Einschätzung des Leistungsvermögens durch
Prof. Dr. S. sei das Gericht nicht gefolgt, weil dieser keine objektiven Befunde erhoben habe, die die Annahme eines aufgehobenen
Leistungsvermögens rechtfertigen würden.
Dagegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Berufung zum Bayer. Landessozialgericht einlegen lassen. Zur Begründung
hat sich der Kläger im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. S. vom 28.12.2013 berufen.
Der Senat hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt, nämlich des Orthopäden Dr. E. vom 10.11.2014, des
Psychiaters und Neurologen Dr. E. vom 17.11.2014, der Hausärztin Dr. D. vom 02.12.2014 sowie einen Bericht des Sozialpädagogen
T. von 04.12.2014, durch den der Kläger durch den sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie A-Stadt psychosozial betreut wird
Der Senat hat den Neurologen und Psychiater Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dr. B. hat am 30.04.2015
folgende Diagnosen gestellt: 1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. 2. Kombinierte Persönlichkeitsstörung.
3. Neigung zu depressiven Verstimmungen mit somatoformen Störungen. 4. Zustand nach Meningo-Enzephalitis (Hirnhautentzündung).
5. Abnutzung an der Wirbelsäule und an verschiedenen Gelenken.
Der Kläger sei noch in der Lage, wenigstens sechs Stunden täglich leichte und mittelschwere Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen
aber auch im Stehen und in wechselnder Stellung zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen
unter ungünstigen äußeren Bedingungen. Vermieden werden müssten Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an die Feinmotorik
der rechten Hand stellen, außerdem Tätigkeiten mit häufigem Publikumsverkehr. Auch scheide häufiges Telefonieren aus. Besondere
Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, die Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Konzentration könnten nicht gestellt werden.
Auf Antrag des Klägers gem. §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat der Neurologe und Psychiater Dr. C. ein Gutachten erstellt. Am 15.09.2015 hat er festgestellt, bei dem Kläger bestehe
als Folge einer in der Jugend durchgemachten Meningitis neurologisch eine Halbseiten-Symptomatik des rechten Armes und Beines,
gekennzeichnet durch eine Kraftminderung im Bereich der Handfunktion sowie deutliche Koordinationsstörungen der rechten Hand
und des rechten Beines mit hierdurch bedingter Unsicherheit beim Gehen und Ungeschicklichkeit in der Feinmotorik. Außerdem
habe die Meningitis zu einem organischen Psycho-Syndrom geführt mit erheblicher Einschränkung der geistigen Fähigkeiten, bezogen
auf Merkfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Sprachvermögen. Die Sprache sei durch eine ausgeprägte motorische Aphasie beeinträchtigt.
Der Kläger könne nur noch leichte Tätigkeiten unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Im Rahmen
einer ergänzenden Stellungnahme hat Dr. C. am 15.02.2016 mitgeteilt, dass diese geminderte Erwerbsfähigkeit seit etwa Anfang
2012 bestehe.
Die Beklagte hat erneut auf die Reha-Maßnahme in S-Stadt mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.04.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25.02.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die gesetzlichen Leistungen einer Rente wegen voller
Erwerbsminderung auf seinen Antrag vom 24.08.2012 hin zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.04.2014 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Beklagtenakten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung,
denn er ist in der Lage, wenigstens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen
tätig zu sein.
Gemäß §
43 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge
für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, wenigstens sechs Stunden täglich leichte bis
mittelschwere Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen aber auch im Stehen und in wechselnder Körperhaltung zu verrichten. Zu vermeiden
sind schweres Heben und Tragen, häufiges Bücken, Zwangshaltungen sowie das Besteigen von Leitern und Gerüsten. Vermieden werden
müssen Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit wie Aufmerksamkeit,
Merkfähigkeit und die Konzentration stellen, Tätigkeiten mit häufigem Kontakt von Publikumsverkehr oder häufiges Telefonieren.
Vermieden werden müssen Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an die Feinmotorik der rechten Hand stellen. Ebenso zu vermeiden
ist Verantwortung für Personen und Maschinen sowie Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Schicht-, Akkord- oder Fließbandarbeit.
Der Senat stützt sich insoweit auf die überzeugenden und schlüssigen Gutachten von Dr. B. und im sozialgerichtlichen Verfahren
von Dr. L ...
Der Schwerpunkt der erwerbsmindernden Beeinträchtigungen des Klägers liegt auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Dr. B.
hat insoweit folgende Diagnosen gestellt:
1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. 2. Kombinierte Persönlichkeitsstörung. 3. Neigung zu
depressiven Verstimmungen mit somatoformen Störungen. 4. Zustand nach Meningo-Enzephalitis (Hirnhautentzündung). 5. Abnutzung
an der Wirbelsäule und an verschiedenen Gelenken.
Er ist jedoch zu der sozialmedizinischen Beurteilung gekommen, dass das quantitative Leistungsvermögen dadurch nicht gemindert
ist.
Dr. B. hat ausgeführt, hinsichtlich der chronischen Schmerzstörung liege eine Minderung des zeitlichen Leistungsvermögens
nicht vor. Der Kläger nehme lediglich ein übliches Schmerzmittel ein (Ibuprofen), eine spezielle Schmerzbehandlung unter Einsatz
von Antidepressiva oder auch Antikonvulsiva sei bislang noch nicht einmal versuchsweise in Anspruch genommen worden. Die chronische
Schmerzstörung dürfte größtenteils psychogen hervorgerufen worden sein. Allerdings fehle es insoweit an einer ausreichenden
Behandlung, insbesondere sei auch zu keiner Zeit eine reguläre Psychotherapie durchgeführt worden. Als Behandlungsmöglichkeiten
bestünden eine spezielle Schmerzbehandlung ambulant oder ggf. teilstationär oder auch stationär sowie in einer verhaltenstherapeutisch
orientierten psychosomatischen Klinik am besten mit der Möglichkeit einer Schmerztherapie.
Auch die Neigung zu depressiven Verstimmungen mit somatoformer Störung führe nicht zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens.
In den Facharztberichten sei nie die Diagnose einer mittelschweren oder gar schweren Depression gestellt worden. Beschrieben
wurden lediglich Erschöpfungszustände, Anpassungsstörungen und auch eine Dysthymie. Auch die bei der Untersuchung beobachtete
Verstimmung sei leichter Art gewesen. Damit korrespondiere auch der Umstand, dass die Kontakte mit dem behandelnden Psychiater
nur recht weitmaschig stattfanden und die Therapie nicht mehr geändert worden sei.
Die Folgen der im Jahr 1982 erlittenen Meningo-Enzephalitis bedingen ebenfalls keine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens.
Dr. B. beschreibt insoweit lediglich leichte Einschränkungen bezüglich der Feinmotorik der rechten Hand und des Sprachvermögens.
Teilweise war zwar der Redefluss in der klinischen Untersuchung deutlich gehemmt. Eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens
bedingt dies jedoch nicht. Festzustellen war zwar eine Beeinträchtigung des Konzentrationsvermögens und der Merkfähigkeit.
Allerdings führt dies auch in Zusammenschau der Beeinträchtigungen lediglich zu den oben genannten qualitativen Einschränkungen.
Zu berücksichtigen ist ebenso, dass der Kläger seit Jahren - und auch das noch während der Ausübung seiner letzten beruflichen
Tätigkeit - in der Lage war, als Alleinerziehender seine vier minderjährigen Kinder zu versorgen. Dies ist ihm auch nach wie
vor möglich (seit 2010). Zum Tagesablauf befragt gibt der Kläger an, er bewohne zusammen mit seinen drei (eine Tochter lebt
bei der Mutter, wird aber von ihm versorgt) Kindern eine 4-Zimmer-Wohnung. Er stehe um 6.00 Uhr auf und lege sich wie auch
die Kinder um 20.00 Uhr ins Bett. Er bereite das Frühstück vor, auch für die Kinder. Schließlich müsse er sich um eine der
beiden Töchter, von denen eine behindert sei, mehr kümmern, mit Waschen und Anziehen. Nachdem er die Kinder in die Schule
gebracht habe, erledige er zuhause alle anfallenden Arbeiten. Er bereite ein warmes Mittagessen zu, abends koche er nur eine
leichte Mahlzeit. Er hole die Kinder von der Schule ab. Nachmittags bringe er die behinderte Tochter in eine Einrichtung.
Für Hobbies habe er keine Zeit. Er betreibe keinen Sport. Im Sommer gehe er mit den Kindern ins Schwimmbad. Mit dem Lesen
und Schreiben habe er seit seiner Enzephalitis große Schwierigkeiten.
Dr. L. gelangte zu der gleichen sozialmedizinischen Beurteilung wie Dr. B ... Er stellte folgende Diagnosen:
1. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung. 2. Wirbelsäulenschmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen ohne sensomotorisches
Defizit mit geringgradiger Funktionseinschränkung. 3. Rezidivierende depressive Störung, derzeit leichtgradig ausgeprägt.
4. Migräne, Kopfschmerz.
Auch bei Dr. L. berichtete der Kläger von einem strukturierten Tagesablauf durch Haushaltsführung und Kinderversorgung.
Der Senat folgt nicht der quantitativen Leistungsbeurteilung durch Dr. C. und Dr. S ...
Dr. C. stellte fest, bei dem Kläger bestehe als Folge einer in der Jugend durchgemachten Meningitis neurologisch eine Halbseiten-Symptomatik
des rechten Armes und Beines, gekennzeichnet durch eine Kraftminderung im Bereich der Handfunktion sowie deutliche Koordinationsstörungen
der rechten Hand und des rechten Beines mit hierdurch bedingter Unsicherheit beim Gehen und Ungeschicklichkeit in der Feinmotorik.
Außerdem habe die Meningitis zu einem organischen Psycho-Syndrom geführt mit erheblicher Einschränkung der geistigen Fähigkeiten,
bezogen auf Merkfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Sprachvermögen. Die Sprache sei durch eine ausgeprägte motorische Aphasie
beeinträchtigt.
Die Minderung des quantitativen Leistungsvermögens stützt er im Wesentlichen auf das organische Psychosyndrom mit erheblicher
Einschränkung der geistigen Fähigkeiten sowie die Halbseitensymptomatik des rechten Armes und Beines.
Zunächst ist für den Senat nicht schlüssig, warum die Folgen der in der Jugend durchgemachten Meningitis zu einer Minderung
des quantitativen Leistungsvermögens führen sollen. Dr. C. hat bei den neurologischen Befunden folgendes festgestellt:
"Motorik: normales Muskelrelief und regelrechter Muskeltonus. Grobe Kraft bei Prüfung im rechten Arm gegen links gemindert,
insbesondere kann er rechts nicht einen Zangengriff - Daumen/Kleinfinger - durchführen. Auch der Zangengriff - Daumen/Zeigefinger
- ist kraftgemindert. Gangprüfungen: Gang normalschrittig mit mangelndem Pendeln des rechten Armes. Zehen- und Hackengang
ist seitgleich möglich, allerdings beim Zehengang Unsicherheit und Seitabweichung nach rechts".
Im Übrigen beschreibt Dr. C., dass der Kläger trotz seiner ausgeprägten motorischen Aphasie klare Angaben zu Anamnese, den
Beschwerden und dem Sozialstatus machen konnte. Allerdings falle auf, dass er immer wieder länger nachdenken müsse, bis er
die richtigen Worte finde.
Dr. C. gibt weiter an, die Meningitis habe zu einem organischen Psycho-Syndrom geführt mit erheblichen Einschränkungen der
geistigen Fähigkeiten bezogen auf Merkfähigkeit, Konzentrationsphase und Sprachvermögen. Die Sprache sei durch eine ausgeprägte
motorische Aphasie beeinträchtigt.
In seiner ergänzenden Stellungnahme weist er weiter darauf hin, dass ab Anfang 2012 durch die chronische Schmerzerkrankung
und die dauernde psychische Belastung die Fähigkeit des Klägers, seine körperlichen Defizite - Hemisymptomatik rechts und
motorische Aphasie - ausreichend zu kompensieren verloren gegangen sei. Deshalb sei ab diesem Zeitpunkt die Erwerbsunfähigkeit
festzustellen. Dr. C. führt insoweit zum psychischen Befund aus, es bestünden deutliche Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit,
die im Laufe der Exploration deutlich nachlasse. Daneben bestehe eine ausgeprägte Störung der Merkfähigkeit. Der Kläger habe
ausgeprägte Schwierigkeiten, einfachste Rechenaufgaben zu lösen. Im Allgemeinwissen habe er erhebliche Defizite zum Tagesgeschehen
gezeigt. Dies korreliere mit seinen Angaben, dass er weder die Zeitung lese noch sich mit Fernsehen beschäftige. Aufgefordert,
einige Worte zu lesen, falle auf, dass er hierbei erhebliche Schwierigkeiten habe.
Dazu ist jedoch festzustellen, dass der Kläger die Lese- und Schreibschwäche schon mit in das Erwerbsleben eingebracht hat
und er über 30 Jahre berufstätig gewesen ist. Der Einschätzung von Dr. C., dieses geminderte quantitative Leistungsvermögen
bestehe schon seit 2012, steht auch der Reha-Entlassungsbericht der A. Klinik S-Stadt vom 01.06.2012 entgegen. Die neuropsychologische
Diagnostik ergab auch hier, dass Gedächtnisschwierigkeiten beim Kläger vorliegen sowie auch bei Tätigkeiten unter erhöhtem
Zeitdruck Schwierigkeiten aufgetreten sind. Im Übrigen waren die Leistungen durchschnittlich bzw. noch durchschnittlich. In
der sozialmedizinischen Beurteilung erfolgte die Entlassung dann auch als sechsstündig leistungsfähig ohne besondere Anforderungen
an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen.
Auch der Beurteilung durch Dr. S. im sozialgerichtlichen Verfahren wird nicht gefolgt. Die von Dr. S. in den Vordergrund gerückte
leichte Reststörung einer motorischen Aphasie mit Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit besteht bereits seit der in der
Kindheit durchgemachten Meningitis und begleitete den Kläger während seines gesamten Berufslebens, ohne dass ihm deshalb die
Ausübung einer Berufstätigkeit verwehrt gewesen wäre. Nach Bekundungen des Klägers kam es am letzten Arbeitsplatz zu zunehmendem
Zeitdruck und Überforderung sowie zu Spannungen in seinem privaten Umfeld. Dies führte zu einer chronisch depressiven Entwicklung
nach Überlastungssituation. Die Behandlung war hierfür seit Jahren gleichbleibend mit einer Tablette Cymbalta 60 und Mirtazapin
30 täglich. Eine therapieresistente chronische Depression kann nicht angenommen werden
Darüber hinaus gilt: Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw. psychiatrischem Gebiet noch nicht versucht
bzw. noch nicht ausgeschöpft wurden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann nach
ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie des erkennenden Senats eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung
nicht auf die psychische Erkrankung gestützt werden (vgl. BSG v. 12.9.1990, 5 RJ 88/89).Die Behandlungsoptionen wurden noch nicht ausgeschöpft. So gehen sowohl Dr. B. wie auch Dr. L. davon aus, dass noch Therapieoptionen
gegeben sind, insbesondere im Hinblick auf die Schmerztherapie wie aber auch durch eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme.
Soweit Dr. C. davon ausgeht, eine Psychotherapie sei nicht erfolgversprechend aufgrund der intellektuellen Leistungsminderung
des Klägers, so ist darauf hinzuweisen, dass Dr. B. nicht lediglich eine Psychotherapie vorgeschlagen hat, sondern auch eine
Schmerztherapie und insbesondere auch eine Medikamentenumstellung.
Nach Ansicht des Senats liegt ebenso keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, aufgrund derer dem Kläger
eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 09.05.2012, B 5 R 68/11 R) hat die Prüfung in zwei Schritten zu erfolgen. Zunächst ist festzustellen, ob grundsätzlich noch Tätigkeiten einfacher
Art auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (wie Kleben, Verpacken, Zureichen, Montieren) möglich sind. Erst wenn dies nicht der
Fall ist, ist eine Verweisungstätigkeit zu benennen. Im vorliegenden Fall ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger noch
einfache Tätigkeiten wie Zureichen, Verpacken verrichten kann. Solche Sortiertätigkeiten hat er trotz der Folgen der in der
Kindheit erlittenen Meningo-Enzephalitis jahrelang bei der Post im Briefzentrum verrichtet. Demzufolge ist keine Verweisungstätigkeit
zu benennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gem. §
160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.