Rente wegen Erwerbsminderung
Keine relevante quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens
Vorliegen eines Katalogfalls
Benennung einer Verweisungstätigkeit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin auch für die Zeit ab 28.02.2013 einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung
hat.
Die 1972 geborene Klägerin hatte von September 1989 bis August 1992 den Beruf einer Textilreinigerin erlernt und war später
unter anderem als Maschinistin, Reinigungskraft und Hauswirtschafterin versicherungspflichtig beschäftigt. Neben der Kindererziehung
- 2 Kinder, geboren im April 2000 und im Oktober 2006 - war sie nur in geringfügigem Umfang nicht versicherungspflichtig erwerbstätig.
Im Jahr 2009 erlitt die Klägerin einen privaten Fahrradunfall mit Verletzungen insbesondere am rechten Sprunggelenk.
Am 18.04.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog
ärztliche Unterlagen bei, u.a. ein orthopädisch-traumatologisches Gutachten, das im Oktober 2010 von Dr. W. für eine private
Versicherung erstellt worden war. Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin am 25.06.2012 durch den Allgemein- und
Sozialmediziner Dr. H. untersucht, der folgende Gesundheitsstörungen bei ihr beschrieb: 1. Eingeschränktes Geh- und Stehvermögen
nach Fußfehlbildung links bei entzündlicher Erkrankung des Nervensystems im Säuglingsalter, Fußfehlform rechts mit Zustand
nach zahlreichen operativen Eingriffen. 2. Belastungsbeschwerden der Wirbelsäule bei Bandscheibenschädigung. 3. Körperübergewicht
mit Überlastung tragender Skelettteile. 4. Sehminderung links. 5. Verminderte psychische Belastbarkeit bei chronischem Schmerz.
In sozialmedizinischer Hinsicht sei die Klägerin in der Lage, eine überwiegend sitzende Tätigkeit täglich sechs Stunden und
mehr zu verrichten. Die Klägerin sei auf Gehstützen angewiesen und könne kurze Wege innerhalb des Hauses auch ohne Gehstützen
zurücklegen. Es sei von einer Einschränkung der Wegefähigkeit auszugehen, die bei bestehender gültiger Fahrerlaubnis jedoch
kompensiert werden könne.
Daraufhin wies die Beklagte mit Bescheid vom 06.07.2012 den Rentenantrag zurück. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
noch im erforderlichen zeitlichen Umfang einsatzfähig.
Der Widerspruch der Klägerin vom 30.07.2012 wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2012 zurückgewiesen,
nachdem Dr. L. das sozialmedizinische Leistungsbild bestätigt hatte: Die Klägerin sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Schichtarbeit mindestens sechs Stunden täglich zu
verrichten. Neue medizinische Gesichtspunkte seien nicht festzustellen gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2012 am 11.10.2012 per Telefax Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben.
Sie hat darauf verwiesen, dass sie nach misslungenen Operationen seit 2009 nicht mehr in der Lage sei, richtig zu laufen.
Ihre Wegefähigkeit sei aufgehoben. Seit Oktober 2010 seien ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen
"G" zuerkannt worden. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass sie zwar einen Führerschein besitze, ihr jedoch kein Pkw zur
Verfügung stehe: Das in der Familie vorhandene Kraftfahrzeug sei auf ihren Ehemann zugelassen und dieser benötige es für die
täglichen Fahrten zu seiner Arbeit. Die Klägerseite hat ergänzend ein Attest des Dr. H. vom 21.11.2012 vorgelegt, wonach die
Klägerin nicht länger als vier Stunden täglich arbeiten könne.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. C., Dr. A. und Dr. H. eingeholt. Ferner ist die Schwerbehindertenakte
des Zentrums Bayern Familie und Soziales beigezogen worden. Das Sozialgericht hat sodann den Arzt für Öffentliches Gesundheitswesen
Dr. H. mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens vor dem Verhandlungstermin am 24.01.2013 beauftragt. Dieser ist bei
seiner Untersuchung zum Ergebnis gekommen, dass im Vergleich zum Rentengutachten vom Juni 2012 eine Verschlechterung der psychischen
Situation eingetreten sei und eine mittelgradige depressive Episode bestehe. Zwar sei eine Einschränkung des quantitativen
Leistungsvermögens noch nicht gegeben, aber eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme erscheine dringend erforderlich. Die Klägerin
könne leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in überwiegend sitzender, zeitweilig gehender oder stehender Arbeitshaltung,
ohne gehäuftes Bücken, ohne längeres Stehen, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten sowie ohne Nachtschicht und ohne besondere
Stressbelastung verrichten. Infolge der Gesundheitsstörungen an beiden Beinen sei die Wegefähigkeit eingeschränkt. Das Führen
eines Kfz sei möglich. Die Einschränkung der Wegefähigkeit betreffe eine Wegstrecke zu Fuß von weniger als 500 m.
Im Nachgang zu diesem Termin hat die Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2013 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt.
Um die eingeschränkte Wegefähigkeit auszugleichen, würden die notwendigen Fahrtkosten, um Vorstellungsgespräche zur Erlangung
eines Arbeitsplatzes führen und einen künftigen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz regelmäßig erreichen zu können, übernommen.
Die anfallenden Fahrtkosten seien mit entsprechenden Nachweisen geltend zu machen und die kostengünstigste Beförderungsmöglichkeit
sei zu nutzen. Die Klägerin werde verpflichtet, unverzüglich die Aufnahme einer Beschäftigung der Beklagten mitzuteilen, damit
diese dann über mögliche Leistungen der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung entscheiden könne.
Die Klägerseite hat vorgetragen, dass frühestens mit diesem Bescheid die zuvor bestehende Wegeunfähigkeit beseitigt sein könnte.
Die Klägerin habe deshalb jedenfalls bis zum 27.02.2013 einen entsprechenden Rentenanspruch. Der Bescheid genüge jedoch auch
danach nicht, um die bestehende Wegeunfähigkeit zu beseitigen. Nur wenn die gehbehinderte Versicherte jederzeit ein Kraftfahrzeug
tatsächlich nutzen könne, sei es ihr möglich trotz der Beschränkung ihrer Wegefähigkeit ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen.
Zu verweisen sei auf eine Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts vom 21.03.2006 (Az. B 5 RJ 51/04 R). Eine konkrete Übernahme von konkreten Fahrtkosten sei dem Bescheid der Beklagten nicht zu entnehmen. Aus der Formulierung,
dass die kostengünstigste Beförderungsmöglichkeit zu wählen sei, lasse sich entnehmen, dass die Beklagte die Klägerin offensichtlich
auch auf öffentliche Verkehrsmittel verweisen wolle. Die Klägerin sei aufgrund der Wegeunfähigkeit hierzu jedoch nicht in
der Lage. Die Klägerin sei derzeit auf Vermittlungsgespräche bei der zuständigen Agentur für Arbeit in B-Stadt angewiesen.
Die Beklagte habe jedoch mit Schreiben vom 11.03.2013 mitgeteilt, dass sich der Bescheid vom 27.02.2013 nicht auf Fahrtkosten
für Vermittlungsgespräche bei der Arbeitsagentur beziehe.
Die Beklagte hat entgegnet, dass die Einschränkung der Wegefähigkeit durch die konkrete Zusage im Bescheid vom 27.02.2013
hinsichtlich der Fahrtkostenübernahme beseitigt worden sei. Anders als in dem 2006 entschiedenen Fall sei hier keine noch
zu treffende Ermessensentscheidung vorbehalten worden. Weiter hat die Beklagte erläutert, dass aus ihrer Sicht die geltend
gemachte jederzeitige Nutzung eines Kfz nicht Fahrten zur Agentur für Arbeit und Fahrten für private Angelegenheiten umfasse.
Es gehe hierbei vielmehr um das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufsuchen und ein neues Arbeitsverhältnis eingehen zu können.
Im weiteren Verlauf ist der Klägerin mit Bescheid vom 06.05.2013 eine medizinische Leistung zur Rehabilitation im Rehabilitations-
& Präventionszentrums Bad B. bewilligt worden. Im Entlassungsbericht vom 21.08.2013 sind als Diagnosen aufgeführt: 1. Chronische
Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. 2. Adipositas, BMI 37. 3. Eingeschränktes Geh- und Stehvermögen nach
Fußfehlbildung links bei entzündlicher Erkrankung des Nervensystems. 4. Belastungsbeschwerden der Wirbelsäule bei Bandscheibenschädigung.
5. Subcutanes Ganglion dorso lateralis links am Kniegelenk. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung
überwiegend im Sitzen, ohne Nachtschicht und ohne besondere Anforderungen an den Bewegungs- und Haltungsapparat täglich sechs
Stunden und mehr verrichten.
Die Beklagte hat sich durch den Rehabilitationsentlassungsbericht in ihrer sozialmedizinischen Einschätzung bestätigt gesehen.
Zwar liege bei der Klägerin Wegeunfähigkeit vor. Diese sei jedoch durch Bescheid vom 27.02.2013 mit Übernahme von notwendigen
Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen, zur Erlangung eines Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes und zur Erreichung des Ausbildungs-
bzw. Arbeitsplatzes beseitigt worden. Es sei auf das Urteil des BSG vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - zu verweisen.
Die Klägerseite hat geltend gemacht, dass Rehabilitationsleistungen auf orthopädischem Gebiet noch ausstehen würden. Zudem
reiche die von der Beklagten erklärte Bereitschaft der Kostenübernahme nicht aus, um die bestehende Wegeunfähigkeit zu beseitigen.
Es könne nicht von der Klägerin verlangt werden, dass diese zunächst die Fahrtkosten verauslagen müsse und anschließend bei
der Beklagten zur Erstattung einreichen solle.
Die Beklagte hat unter Berufung auf Dr. H. darauf verwiesen, dass die durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen über das psychosomatische
Fachgebiet hinaus gereicht hätten.
Im Verhandlungstermin vom 28.04.2014 haben die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich geschlossen, wonach sich die Beklagte
bereiterklärte, unter Annahme des Eintritts des Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung am 06.06.2009 und vorbehaltlich
der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2012
bis 28.02.2013 zu gewähren. Dieser Vergleich ist von der Klägerseite am 12.05.2014 widerrufen worden.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 13.05.2014 darauf hingewiesen, dass der Vergleich bereits mit Bescheid vom 12.05.2014 ausgeführt
worden sei und die Nachzahlung für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 28.02.2013 in Höhe von 8.414,35 Euro bereits überwiesen
worden sei. Vorgelegt worden ist ein Rentenbescheid vom 12.05.2014. Sie hat weiter ausgeführt, dass der Bescheid nach Widerruf
des Vergleiches als Teilanerkenntnis der Beklagten zu betrachten sei. Die Klägerseite hat das Teilanerkenntnis angenommen
und im Übrigen die Klage fortgeführt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, über den 28.02.2013 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24.06.2014 die Klage abgewiesen. Bei der Klägerin sei ein ausreichendes sozialmedizinisches
Leistungsbild vorhanden; insbesondere sei sie nicht quantitativ leistungsgemindert, wie sich aus sämtlichen ärztlichen Feststellungen
ersehen lasse. Der Klägerin seien leichte Arbeiten in überwiegend sitzender, zeitweilig gehender und stehender Arbeitshaltung
ohne häufiges Bücken, ohne längeres Stehen, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne Nachtschichtbetrieb und ohne besonders
stresshafte Arbeitsbedingungen möglich. Der allgemeine Arbeitsmarkt sei der Klägerin auch nicht wegen fehlender Wegefähigkeit
verschlossen. Zwar liege bei der Klägerin ein Mobilitätsdefizit vor, weil sie die erforderlichen Wegstrecken, wie sie von
der Rechtsprechung für die Wege zu öffentlichen Verkehrsmittel angenommen würden, nicht adäquat zurücklegen könne. Das Mobilitätsdefizit
der Klägerin sei jedoch durch Bescheid vom 27.02.2013 beseitigt worden. Die Auffassung der Klägerin, dass der Bescheid vom
27.02.2013 hinsichtlich der Höhe der Kostenübernahme zu unbestimmt sei, werde nicht geteilt. Die Klägerin habe jederzeit Beförderungsdienste
für Fahrten zu Vorstellungsgesprächen und für Fahrten zum Arbeitsplatz und zurück in Anspruch nehmen dürfen. Sie habe darauf
vertrauen dürfen, dass die Beklagte gegen Vorlage von Quittungen die entstandenen Fahrtkosten in voller Höhe erstatte. Eine
Verpflichtung zur Übernahme von Fahrtkosten zu Vermittlungsgesprächen bestehe dagegen nicht. Im Übrigen gebe es eine Regelung
mit der Agentur für Arbeit, die solche Kosten übernommen habe und zukünftig verstärkt auf telefonische Kontakte setze. Das
Vorliegen einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wegen eingeschränkter Wegefähigkeit sei nicht gegeben. Ein weitergehender
Rentenanspruch über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus bestehe nicht.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.11.2014 am 13.11.2014 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung hat die Klägerin erneut ausgeführt, dass die bescheidmäßige Entscheidung der Beklagten nicht ausreiche, das
Erreichen eines potentiellen Arbeitsplatzes sicher zu stellen. Die Beklagte habe sich weitere Entscheidungen vorbehalten,
wie sich aus dem Begriff der notwendigen Fahrtkosten, dem Hinweis auf die kostengünstigste Beförderungsmöglichkeit und dem
Zusatz, dass nach Aufnahme einer Beschäftigung über mögliche Leistungen der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung entschieden werde, ergebe. Eine vage Aussicht auf Kostenübernahme unter unklaren Bedingungen in unbekannter Höhe erlaube
es der Klägerin nicht, in gleichem Maße wie ein Versicherter mit eigenem Kfz Arbeitsverhältnisse vorzubereiten oder einzugehen,
was im o.g. Urteil des BSG vom 21.03.2006 als erforderlich angesehen worden sei. Zudem habe die Rechtsprechung es bislang für notwendig erachtet, dass
in den Fällen, in welchen der Rentenversicherer versuchen wolle, eine Wegeunfähigkeit aufzuheben, der Versicherte eine Arbeitsstelle
bereits inne habe oder eine solche vom Rentenversicherungsträger zumindest konkret bezeichnet werden müsse. Das Sozialgericht
Bayreuth vertrete hier die Auffassung, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, der Klägerin einen konkreten Arbeitsplatz
zu benennen. Durch die Entscheidung des 13. Senates, B 13 R 79/11 R, sei keine Änderung gegenüber den bisherigen Entscheidungen des 5. Senates (s. B 5 RJ 51/04 R) vorgenommen worden.
Die Klägerin hat außerdem geltend gemacht, dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe und sie die Einholung
eines Gutachtens nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beantrage.
Der Senat hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. C., Dr. F. und Dr. E. eingeholt. Zu diesen ärztlichen Unterlagen
hat sich Dr. S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten am 23.10.2015 dahingehend geäußert, dass eine quantitative Einschränkung
des Leistungsvermögens der Klägerin sich nach wie vor nicht ergebe. Unklar bleibe die Frage der Wegefähigkeit. Auch stelle
sich die Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug zu führen, wenn bei ihr eine hochgradige Sehminderung bestehe.
Die Klägerseite hat noch einen Befund der R. Kliniken B-Stadt vom 25.11.2015 vorgelegt.
Der Senat hat sodann ein Gutachten beim am Zentralklinikum D-Stadt, Prof. Dr. D., eingeholt, der die Klägerin am 07.03.2016
untersucht hat. Die Gesundheitsstörungen der Klägerin sind im Gutachten vom 24.03.2016 folgendermaßen gefasst worden: 1. Lumbosakrale
Chondrose und Spondylarthrose bei bekannter linksbetonter Bandscheibenherniation in L5/S1. 2. Mediale Gonarthrose links. 3.
Varusarthrose des rechten oberen Sprunggelenks. 4. Fest verheilte subtalare Arthrodese rechts. 5. Fest verheilte Rückfuß-Arthrodese
im Sinne der Korrektur-Arthrodese nach massivem Rückfußvarus bei Ballonhohlfuß rechts. 6. Arthrose im vorderen Abschnitt des
unteren Sprunggelenkes links. 7. Verheilte Navicularefraktur links. 8. Fußfehlstellung (Pes abducto planu valgus) links nach
Polio im Kindesalter. 9. Ausgedehnte Narbenbildung im Bereich der unteren Extremitäten nach stattgehabten operativen Eingriffen
mit Bewegungseinschränkungen der unteren Extremität sowie der Wirbelsäule. 10. Zustand nach Enzephalomeningitis im Alter von
sechs Monaten mit daraus resultierender Muskelschwäche des linken Beines sowie eingeschränktem Sehvermögen des linken Auges
(bei Amblyopie, Strabismus convergens und älterer Okulomotoriusparese links) 11. Chronische Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren. 12. Adipositas. 13. Neurodermitis. Die Klägerin könne leichte körperliche Arbeiten im Umfang von
täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Diese Tätigkeiten sollten überwiegend sitzend, zeitweise gehend und stehend durchgeführt
werden. Ein erhöhter Zeitdruck sei zu vermeiden. Dies gelte auch für andere besondere nervliche Belastungen sowie für besondere
Belastungen des Bewegungs- und Stützsystems, unfallgefährdete Arbeitsplätze und ungünstige äußere Bedingungen. Die Klägerin
sei auch nicht in der Lage, 4-mal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m in zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen,
denn sie sei grundsätzlich bei jedem Gang auf die Zuhilfenahme von Unterarmgehstützen beidseits angewiesen. Dagegen könnten
öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden. Inwieweit die Klägerin aufgrund der Beeinträchtigung der unteren Extremitäten in
der Lage sei, einen privaten Pkw als Fahrerin zu nutzen, könne im Rahmen der heutigen Begutachtung nicht objektiviert werden.
Die vorliegenden Erkrankungen seien irreversibler Art soweit sie das orthopädische Fachgebiet betreffen würden.
Mit Schreiben vom 05.07.2016 hat die Klägerin Vorgänge rund um ein Vorstellungsgespräch vom 27.06.2016 geschildert: Sie sei
zu einem Vorstellungstermin in ein Nagelstudio in L-Stadt geladen worden; das Einladungsschreiben datiere vom 16.06.2016.
Sie habe unmittelbar nach dessen Eingang die Beklagte - mit Telefax-Schreiben vom 22.06.2016 - gebeten, für den Termin einen
Fahrdienst zur Verfügung zu stellen, da die Klägerin finanziell nicht in der Lage sei, entsprechende Fahrtkosten vorzufinanzieren.
Die Beklagte habe mit Schreiben vom 24.06.2016 mitgeteilt, dass ein Fahrdienst nicht beauftragt werden könne; angefallene
Fahrtkosten seien durch Vorlage von Nachweisen und Belegen im Nachhinein bei ihr geltend zu machen. Der Klägerin sei es dann
gelungen, das Vorstellungsgespräch zu verlegen. Sie habe mit neuerlichem Schreiben vom 28.06.2016 um Zahlung eines Fahrtkostenvorschusses
gebeten. Auf dieses Schreiben habe die Beklagte nicht reagiert. Die Klägerin habe daher den Vorstellungstermin nicht wahrnehmen
können.
Damit sei belegt, dass der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2013 nicht die Voraussetzungen dafür erfülle, dass von einer Aufhebung
der Wegeunfähigkeit ausgegangen werden könne. Der Bescheid vom 27.02.2013 sei gerade nicht vorbehaltlos, sondern enthalte
lediglich eine unverbindliche Zusicherung. Die Klägerin werde nicht so gestellt, als könne sie jederzeit ein Kfz tatsächlich
nutzen.
Die Beklagte hat entgegnet, dass laut BSG-Urteil vom 12.12.2011 bereits die Zusicherung von Teilhabeleistungen ausreichen würde, um das Mobilitätsdefizit zu beseitigen.
Durch die bestandskräftigen Bescheide werde hier hinreichend klar bestimmt, mit welchen konkreten finanziellen Mobilitätshilfen
im Fall der Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen gerechnet werden könne. Eine Prüfung und Ermessensentscheidung über die
tatsächliche Höhe der Übernahme von Beförderungskosten sei erst nach Aufnahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit möglich.
Dies stehe der Wiederherstellung der fehlenden Mobilität durch Teilhabeleistungen bis dahin nicht entgegen. Die Klägerin werde
in die gleiche Lage versetzt wie eine Versicherte, die ein privates Kraftfahrzeug besitze. Auch dort müssten die Kosten für
den Kauf von Betriebsstoffen oder Ersatzteilen für die Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen vorerst selbst aufgebracht werden.
Die Klägerin hat im Weiteren vorgetragen, dass sie zwischenzeitlich zu einem Probearbeiten - leider aber ohne Übernahme in
ein Beschäftigungsverhältnis - eingeladen worden sei; die Fahrtkosten seien von ihr zunächst verauslagt worden. Im Rahmen
der Beantragung habe die Beklagte mit Schreiben vom 06.09.2016 ausdrücklich geantwortet, dass im Falle einer konkreten Arbeitsaufnahme
im Rahmen der Kraftfahrzeughilfe Beförderungskosten geprüft werden, ob und in welcher Höhe eine Kostenübernahme erfolgen könne.
Damit habe die Beklagte deutlich gemacht, dass sie selbst den Bescheid vom 27.02.2013 als noch nicht bindend erachte. In der
Folgezeit sind die Taxifahrten für den einen Tag Probearbeit wie von der Klägerin beantragt durch die Beklagte erstattet worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2016 hat die Klägerseite auf Nachfrage geschildert, dass der Klägerin ein PKW nicht
zur Verfügung stehe. Der Ehemann der Klägerin fahre täglich mit dem PKW zu seiner Arbeitsstelle und zurück, weil sein Arbeitsplatz
mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit zweimaligem Umsteigen zu erreichen sei; auch stehe es diesem frei, wie er seinen
PKW nutze.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.06.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides
vom 12.05.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 28.02.2013 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.06.2014 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Zutreffend ist das Sozialgericht Bayreuth zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin über
den 28.02.2013 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß §
43 Abs.
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1.
voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine
versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten,
hat die Klägerin für einen sich an den 28.02.2013 unmittelbar anschließenden Leistungsbezug unproblematisch erfüllt. Aber
auch bei einer Unterbrechung des Leistungsbezugs - etwa wegen einer nur vorübergehend vorhandenen Wegefähigkeit - wäre bis
zur mündlichen Verhandlung für den dann neu zu beurteilenden Leistungsfall die Voraussetzung des §
43 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI erfüllt, da zumindest auf Grund von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ein durchgehender Streckungstatbestand
nach §
43 Abs.
4 SGB VI vorgelegen hätte.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen
für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach §
43 Abs.
1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt §
43 Abs.
3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden
täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Eine volle Erwerbsminderung gemäß dem Wortlaut von §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI liegt bei der Klägerin nach dem Ergebnis der Ermittlungen eindeutig nicht vor. Sämtliche im Verfahren gehörten Ärzte sind
sich darin einig, dass die Klägerin bei Beachtung der Einschränkungen der Arbeitsbedingungen ohne gesundheitliche Gefährdung
mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Zwar kommt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach der Rechtsprechung des BSG (Beschl. v. 11.12.1969 - Az. GS 4/69; Beschl. v. 10.12.1976 - Az. GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75, GS 3/76 - jeweils zitiert nach [...]) auch dann in Betracht, wenn eine teilweise Erwerbsminderung (§
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI) vorliegen würde, eine Teilzeitbeschäftigung nicht ausgeübt würde und der Teilzeitarbeitsmarkt für die Klägerin als verschlossen
anzusehen wäre (s.a. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, §
43 SGB VI Rn 30 mwN). Unabhängig von der Diskussion darüber, ob diese Rechtsprechung auch aktuell noch zur Anwendung zu bringen ist,
scheitert ein derartiger Rentenanspruch daran, dass bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats keine teilweise Erwerbsminderung
im Rechtssinne vorliegt. Auch dies wird von den im Verfahren gehörten ärztlichen Sachverständigen übereinstimmend so gesehen.
Die abweichende sozialmedizinische Auffassung des behandelnden Arztes Dr. H. aus dem Jahr 2012 kann nicht überzeugen, da er
hierfür keine substantiierte Begründung gegeben hat.
Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats seinerzeit und auch weiterhin in der Lage, wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Es sollte sich um leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit
zum Haltungswechsel handeln. Schwere Tätigkeiten, längeres Stehen, Heben und Tragen schwerer Lasten, gehäuftes Bücken, Nachtschicht
und besondere Stressbelastung sind der Klägerin nicht mehr zumutbar. Der Senat stützt sich dabei wesentlich auf die Feststellungen
der gerichtsärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. H., aber auch auf die Darlegungen des Dr. H. und des Rehabilitationsentlassungsberichtes
des Klinikums Bad B ...
Aber selbst wenn - wie im Fall der Klägerin - eine relevante quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens an geeigneten
Arbeitsplätzen nicht besteht, kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung erfolgen.
Dazu müssten allerdings die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sog. Katalogfall erfüllt sein, was entgegen den Ausführungen der Klägerseite aus Sicht des Senates bei der Klägerin
nicht der Fall ist.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 09.05.2012, B 5 R 68/11 R - zitiert nach [...]) ist bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, mehrschrittig vorzugehen. Zunächst ist festzustellen,
ob mit dem Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden,
wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen.
Wenn sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen und ernste Zweifel an der tatsächlichen
Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen kommen, stellt sich im zweiten Schritt
die Frage nach der besonderen spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen und, falls
eine solche Kategorie als vorliegend angesehen wird, wäre im dritten Schritt von der Beklagten eine Verweisungstätigkeit konkret
zu benennen und die Einsatzfähigkeit dann hinsichtlich dieser Tätigkeit abzuklären (vgl. Gürtner a.a.O. Rn 37 mwN).
Für den Senat ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt,
da die Klägerin für einen Einsatz in all diesen Arbeitsfeldern grundsätzlich als geeignet anzusehen scheint, auch wenn hierbei
selbstverständlich die genannten Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu beachten sind. Diese können auch
beachtet werden. Zudem würden sich die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen auch nicht als schwere spezifische
Behinderung wie etwa eine - ggf. funktionale - Einarmigkeit und auch nicht als Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen
darstellen.
Die Klägerin ist auch nicht gehindert, einen eventuellen Arbeitsplatz zu erreichen. Die Klägerin, die sich darauf beruft,
dass ihr Rente zu gewähren sei, da sie mögliche Arbeitsplätze nicht erreichen könne, kann dies nach Auffassung des Senats
nicht hinreichend belegen. Zwar ist die Gehfähigkeit der Klägerin erheblich eingeschränkt und - zwischen den Beteiligten insoweit
unstrittig - bereits seit Rentenantragstellung unter den von der Rechtsprechung geforderten Umfang (4 mal täglich mehr als
500 Meter in jeweils weniger als 20 Minuten - vgl. z.B. BSG, Urt. v. 17.12.1991, Az. 13/5 RJ 73/90 - nach [...]) abgesunken. Damit ist - abstrakt - ausgeschlossen, dass die Klägerin Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln
zu Fuß erreichen kann, unabhängig von der konkreten Situation im Einzelfall.
Ein Wegfall der Wegefähigkeit wäre aber nur zu bejahen gewesen, wenn die Klägerin auch nicht anderweitig in der Lage wäre
bzw. gewesen wäre, einen potentiellen Arbeitsplatz zu erreichen.
Das Erreichen eines potentiellen Arbeitsplatzes mit einem PKW scheitert aus Sicht des Senates nur daran, dass das in der Familie
zur Verfügung stehende Fahrzeug werktäglich vom Ehemann der Klägerin genutzt wird. Dagegen verfügt die Klägerin über eine
entsprechende Berechtigung ein Kraftfahrzeug zu führen - Führerschein - und hat diesen nicht etwa wegen gesundheitlicher Einschränkungen
zurückgegeben. Auch ist nichts vorgetragen worden oder sonst bekannt geworden, dass im Führerschein der Klägerin besondere
Auflagen etwa zur Ausstattung des Kfz gemacht worden wären. Auch wenn ärztlicherseits keine abschließende Aussage dazu erfolgt
ist, ob die Klägerin tatsächlich zukünftig sicher ein Kraftfahrzeug führen kann, ist nach dem gegenwärtigen Stand davon noch
auszugehen.
Da die Klägerin jedoch belegen konnte, dass sie keinen eigenen PKW besitzt und auch keinen zur Verfügung hat, nachdem ihr
Ehemann diesen zum Erreichen seines Arbeitsplatzes nutzt, hatte die Beklagte der Klägerin für die Zeit bis 28.02.2013 eine
zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsfähigkeit zugebilligt. Begründet war dies damit, dass die Klägerin in dieser
Zeit nicht in der Lage gewesen sei, einen möglichen Arbeitsplatz zu erreichen. Für den Zeitraum vor dem 01.03.2013 liegt ein
angenommenes Teilanerkenntnis vor, so dass dieser Zeitraum nicht mehr streitgegenständlich ist.
Im verbliebenen streitgegenständlichen Zeitraum ab 01.03.2013 hat die Beklagte mit dem Bescheid über die Gewährung von Teilhabeleistungen
vom 27.02.2013 der Klägerin diese Mobilität ermöglicht und zwar in gleicher Weise, wie wenn die Klägerin für das Erreichen
eines vorhandenen oder potentiellen Arbeitsplatzes ein Kfz zur Verfügung gehabt hätte. Nach dem Urteil des BSG vom 21.03.2006 (B 5 RJ 51/04 R - nach [...]) reicht es zur Behebung der Wegeunfähigkeit nicht aus, dass Teilhabeleistungen der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) für den Fall einer Arbeitsaufnahme lediglich in Aussicht gestellt werden. Vielmehr soll bereits eine Bewilligung derartiger
Leistungen erfolgen. Diese Rechtsprechung und die damit verbundenen Maßstäbe bestätigt der 13. Senat des BSG ausdrücklich (Urt. v. 12.12.2011, Az. B 13 R 21/10 R).
Gleichwohl sieht der 13. Senat des BSG es als möglich an, auch in Fällen, in denen noch kein konkreter Arbeitsplatz für den Betroffenen zur Verfügung steht, Teilhabeleistungen
so konkret zuzusichern, dass damit die Wegeunfähigkeit beseitigt sein kann. Die Grenze für einen derartigen Ausnahmefall lässt
sich sowohl in der Entscheidung über die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs (Az. B 13 R 79/11 R) als auch in dem Fall der Zurückverweisung (Az. B 13 R 21/10 R) näher erkennen. Es können sowohl unmittelbar bewilligte Leistungen, aber auch Zusicherungen nach §
34 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) ausreichen, wenn sie hinreichend konkret und vorbehaltlos sind.
Diesen Anforderungen kommt zur Überzeugung des Senats der Bescheid vom 27.02.2013 nach. Im Einzelnen enthält er folgende Passage:
"Um die eingeschränkte Wegefähigkeit auszugleichen, übernehmen wir für Sie die notwendigen Fahrkosten, um Vorstellungsgespräche
zur Erlangung eines Arbeitsplatzes zu führen und Ihren künftigen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz regelmäßig erreichen zu
können." Weiter wird ausgeführt: Der Bescheid bleibe gültig bis ein neuer Bescheid nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) ergehe; die Aufnahme einer Beschäftigung sei mitzuteilen, dann ergehe eine neue Entscheidung. Es sei die kostengünstigste
Beförderungsmöglichkeit zu nutzen.
In dem Wortlaut erfolgt zunächst eine vorbehaltlose rechtliche Bindung der Beklagten: "Wir übernehmen". Die Textgestaltung
begrenzt die Zusicherung allerdings in die Zukunft hinsichtlich einer Änderung der Verhältnisse. Darin liegt aber kein unzulässiger
Vorbehalt oder eine Einschränkung der Rechtswirksamkeit des Bewilligungsbescheides. Vielmehr wird lediglich darauf hingewiesen,
dass es bei einer Änderung der Verhältnisse rechtlich zulässig und inhaltlich sinnvoll ist, einen bisher bestehenden, unanfechtbar
gewordenen Bescheid für die Zukunft anzupassen d.h. abzuändern. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lässt dies ausdrücklich so zu. Erst mit einer auf eine solche Änderung gestützten neuen Entscheidung soll die Wirkung der
bisherigen Entscheidung entfallen. Auch inhaltlich ist es sinnvoll, bei Vorliegen eines Dauerarbeitsplatzes die neuen Gegebenheiten
noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob andere Teilhabeleistungen wie Kostenzuschuss zur Beschaffung eines eigenen Kfz oder
die Stellung eines regelmäßigen Beförderungsdienstes dann vorrangig erscheinen.
Auch der Hinweis darauf, dass die Übernahme von Beförderungskosten im Rahmen der "Notwendigkeit" und "Kostengünstigkeit" erfolgt,
stellt keinen unzulässigen Vorbehalt dar. Es handelt sich dabei um allgemeine Klauseln zum Umgang mit Ressourcen der Versichertengemeinschaft,
die klarstellen sollen, dass Luxusvarianten für die Beförderung nicht abgerechnet werden können. Soweit durch die konkrete
Formulierung "kostengünstigste" bei der Klägerin individuell gleichwohl eine Unsicherheit aufgekommen sein könnte, ob individuelle
Beförderungsdienste (Taxifahrten) damit ausgeschlossen werden sollten, wäre dies durch eine Rückfrage bei der Beklagten leicht
aufklärbar gewesen. Die Klägerin hat auch sonst den Kontakt mit der Beklagten gesucht. Der Senat sah keinen unzulässigen Vorbehalt,
auch wenn die Beklagte zukünftig ihre Formulierungen hier noch etwas verbessern könnte.
Die nachfolgenden tatsächlichen Geschehnisse bei der Anwendung des Bescheids vom 27.02.2013 und die Äußerungen der Beklagten
in diesem Zusammenhang vermögen den Bescheidinhalt und damit die zugesicherten Ansprüche nicht abzuändern. Ergänzend merkt
der Senat an, dass er darin auch inhaltlich keine stichhaltigen Argumente für das Vorliegen eines Rentenanspruches der Klägerin
erkennen würde. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass weder die Übernahme einer tatsächlichen Beförderung, noch
die Zahlung von Vorschüssen durch die Beklagte zugesichert waren. Ebenso ist die Kostenerstattung zu Recht nur für Fahrten
zu Vorstellungsgesprächen und Probearbeit sowie in der Anfangszeit einer regelhaften Beschäftigung - bis zum Erlass eines
neuen Bescheids - zugesichert, während Fahrten zu Besuchsterminen bei der Bundesagentur für Arbeit nicht in den Zuständigkeitsbereich
der Beklagten fallen. Ein weitergehender Inhalt der Zusicherung ist deshalb nicht erforderlich gewesen. Aus der Ablehnung
weitergehender Wünsche der Klägerin - Stellung eines Fahrdienstes, Zahlung eines Vorschusses - erwächst kein Nachteil für
die Beklagte. Ihren zugesicherten Verpflichtungen ist die Beklagte nachgekommen: auch die Klägerseite bestätigt die Übernahme
der Taxikosten für den Probearbeitstermin.
Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist nicht beantragt worden; sie käme für die Zeit ab März 2013 ebenfalls nicht
in Betracht, da die Klägerin weder die Voraussetzungen des §
43 Abs.
1 SGB VI noch des §
240 SGB VI erfüllt.
Dementsprechend ist die Entscheidung der Beklagten, die einen Rentenanspruch der Klägerin über das Teilanerkenntnis hinaus
nicht als belegt ansieht, nicht zu beanstanden und die Berufung der Klägerin gegen das dies bestätigende Urteil des Sozialgerichts
Bayreuth vom 24.06.2014 war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.