Sozialversicherungspflicht im Rahmen einer Tätigkeit Baudienstleister; Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nach dem
Zustandekommen eines Arbeitsvertrages zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Versicherungspflicht des Beigeladenen in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung
im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin als Baudienstleister.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Unternehmen zur Sanierung/Renovierung von
Gebäuden zum Zwecke der Vermietung bzw. Weiterveräußerung. Die Klägerin hat als angestellte Mitarbeiter eine Sekretärin, eine
Finanzmanagerin und einen Polier, Herrn F. I., zur Sozialversicherung gemeldet. Die anderen Tätigkeiten - insbesondere die
Kernaufgaben des Unternehmens wie Sanierung und Renovierung - werden an "Subunternehmer" vergeben. Die Bauleitung obliegt
nach Angaben der Klägerin dem Architekten R ...
Am 04.11.2010 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status
für sechs für sie tätige "Subunternehmer" u. a. für den Beigeladenen C ...
In dem Antrag, mit dem die Feststellung begehrt wurde, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliegt, gab der
am 06.01.1981 in Polen geborene Beigeladene an, in Polen eine Gesellschaft gegründet zu haben (ZUS). Er beschäftige keine
Arbeitnehmer oder Auszubildende. Er sei für mehrere Auftraggeber, nämlich die Klägerin und die Firma W. tätig und erbringe
für diese Baudienstleistungen. Sein Gewerbe übe er seit dem 09.06.2010 aus. Dieses sei bei der Landeshauptstadt A-Stadt angemeldet
worden. Das Gewerbe umfasst laut Gewerbeanmeldung unter anderem
die Tätigkeiten Akustik- und Trockenbauarbeiten,Bodenlege- und Abbrucharbeiten,Hausmeisterarbeiten,Einbau von genormten Fertigteilen,Kabelverlegearbeiten
sowie zulassungsfreies Fliesenlegerhandwerk,Raumausstatter-, Parkettleger- und Estrichlegerhandwerk.
Weiter wurde vorgelegt ein zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen abgeschlossener Dienstvertrag (DV) vom 07./09.06.2010.
Dieser wurde mittlerweile mit Kündigung der Klägerin vom 09.01.2013 zum 31.01.2013 gekündigt. Das Kündigungsschreiben war
wie folgt formuliert:
" ...bedanken wir uns für Ihre Mitarbeit und wünschen Ihnen für Ihren weiteren privaten und beruflichen Weg alles Gute".
In dem Vertrag vom 07./09.06.2010 wurde unter anderem geregelt, dass der Beigeladene ab dem 09.06.2010 für den Kläger als
freier Mitarbeiter (Handwerker) tätig werde. Er könne seine Tätigkeit vollkommen selbständig gestalten, insbesondere "Termine
im Zusammenhang mit Architekten frei disponieren". Er sei an keine Vorgaben zu Arbeitszeit und -ort gebunden, lediglich projektbezogene
Zeitvorgaben seien einzuhalten (§ 1 Abs. 2 DV). Er sei berechtigt, nach vorheriger Anzeige eigene Mitarbeiter einzusetzen
(§ 1 Abs. 3 DV). Die Vergütung sollte auf der Basis eines Stundenhonorars in Höhe von 18,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer bei
monatlicher Abrechnung unter Darlegung des Zeitaufwandes erfolgen (§ 2 DV). Dem Beigeladenen sollten Reisespesen ersetzt werden.
Für die Nutzung überlassener Betriebsmittel wurde eine Entschädigungsverpflichtung festgelegt (§ 3 DV). §
616 BGB wurde abbedungen (§ 5 DV). Die Klägerin erhielt ein Kündigungsrecht für den Fall dass die Vermutung des §
7 Abs.
4 SGB IV erfüllt ist (§
6 DV). Der Beigeladene wurde verpflichtet, mitzuteilen ob und in welchem Umfang er für andere Auftraggeber tätig ist (§ 8 DV).
Anhang 1 zu diesem Vertrag enthält eine Tätigkeitsbeschreibung, in der detailliert aufgelistet ist, welche konkreten Handwerkerleistungen
in den jeweiligen Bauvorhaben der Klägerin zu erbringen sind.
Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 18.03.2011 vom Beigeladenen weitere Informationen. Dieser beantwortete das Schreiben
sowie Erinnerungen nicht. Vielmehr legte die Klägerin unter anderem dar, dass der Beigeladene auf verschiedenen Baustellen
im Stadtgebiet A-Stadt als Handwerker tätig sei. Er verfüge über eigene Arbeitsmittel wie Kleinwerkzeuge, Sägen, Schleifgeräte,
Hämmer und Sicherheitskleidung. Er sei in seiner Zeiteinteilung frei, halte sich aber meist an die bauüblichen Zeiten. Die
Aufträge würden telefonisch erteilt. Er stimme sich allenfalls mit den vor Ort anwesenden Kollegen, die ebenfalls "Freie Mitarbeiter"
der Klägerin seien ab. Bei Nichterscheinen informiere er den Bauleiter und kümmere sich ggf. um die Vertretung. Die Klägerin
stelle die allgemeine Baustelleneinrichtung (z. B. Gerüst, Baucontainer) und die Großgeräte (Bagger, Gabelstapler, Betonmischer)
zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 20.06.2011 stellte die Beklagte nach Anhörung gegenüber dem Beigeladenen und der Klägerin fest, dass die
Tätigkeit bei der Klägerin als Handwerker seit dem 01.06.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt
werde und Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht
der Arbeitsförderung begründe. Nach Gesamtwürdigung aller Umstände würden die Merkmale für eine solche Beschäftigung überwiegen.
Während für eine selbständige Tätigkeit der Einsatz von eigenen Arbeitsmitteln in geringem Umfang sowie die Gewerbeanmeldung
spreche, spreche für eine abhängige Beschäftigung, dass er mit anderen Mitarbeitern der Klägerin zusammenarbeite, die Klägerin
die kostenintensiven Großgeräte zur Verfügung stelle, der Beigeladene Reisespesen erhalte und über Tätigkeiten für andere
Auftraggeber Mitteilung machen müsse. Schließlich bestünden keine eigenen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Arbeitszeit,
-ort und Art und Weise der Tätigkeit. Auch unternehmerische Risiken und Chancen seien nicht erkennbar. Ein erheblicher Kapitaleinsatz
liege nicht vor. Die Tätigkeit werde in Teamarbeit ausgeführt, was für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers
spreche.
Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Ergänzend zur vorangegangenen Stellungnahme führte sie aus, der Dienstvertrag
lege lediglich die Rahmenbedingungen für die zu erbringenden Handwerkerleistungen fest. Im jeweiligen Einzelfall würden die
Aufträge gesondert erteilt. Der Beigeladene könne seine Tätigkeit vollkommen selbständig gestalten. Die Übergabe, Kontrolle
und Abnahme der erbrachten Arbeiten erfolge durch den Polier der Klägerin. Bei Nichtabnahme müsse der Beigeladene auf eigene
Kosten nachbessern. Das Unternehmerrisiko bestehe darin, dass er eigene Betriebsmittel einsetze, ggf. auf eigene Kosten nachbessern
müsse und bei pauschaler Vergütung das Risiko einer zeitlichen Fehlkalkulation trage. Der Beigeladene arbeite auch nicht mit
anderen Mitarbeitern der Klägerin zusammen, als festangestellter Mitarbeiter sei lediglich der Polier vor Ort. Die übrigen
auf den Baustellen der Klägerin tätigen Personen seien ebenfalls freie Mitarbeiter.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben. Mit Urteil vom 18.10.2012 hat das Sozialgericht den Bescheid
vom 20.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids dahingehend abgeändert, dass die Versicherungspflicht erst ab dem
09.06.2010 eintritt. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt,
dass der Beigeladene über kein echtes unternehmerisches Risiko verfüge. Der finanzielle Aufwand für die Anschaffung seiner
Werkzeuge sei überschaubar. Alle sonstigen Baumaterialien würden von der Klägerin bereitgestellt werden. Der Beigeladene habe
lediglich seiner Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Auch sei die Klägerin die Hauptauftraggeberin. Aus der Zusammenschau
der einzelnen Rechnungen und des vereinbarten Stundensatzes von 18,00 EUR bzw. des gezahlten Pauschbetrages ergebe sich, dass
der Beigeladene keinen Spielraum für weitere nennenswerte Aufträge gehabt habe.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Über das bisherige Vorbringen hinaus, hat die Klägerin vorgetragen, dass der
Beigeladene kein einziges Mal Reiskosten bzw. Ersatz sonstiger Aufwendungen erhalten habe. Der Beigeladene trage auch ein
Unternehmerrisiko, denn er würde für einen Pauschalpreis arbeiten und müsse ggf. auf eigene Kosten nachbessern. Die Zurverfügungstellung
von Baumaterialien durch den Kläger sei alleine aus Kostenminimierungsgründen erfolgt. Ferner habe eine Beweisaufnahme im
Parallelverfahren vor dem Sozialgericht München - S 15 R 325/12 -; Senat L 5 R 710/14 - ergeben, dass zunächst der geschäftsführende Gesellschafter Herr D. den jeweiligen Auftrag vorgebe. Sodann gebe der - selbständige
- Architekt Herr R. den Handwerkern vor, welcher Auftrag bis wann (projektbezogenes Fertigstellungsdatum) gemacht werden solle.
Der Polier, Herr F. I., habe die Arbeiten der Handwerker nicht kontrolliert und keine Anweisungen erteilt.
Der Bruder des Beigeladenen, A. W. C., der selbst Beigeladener im Parallelverfahren - L 5 R 710/14 - ist, hat den Beigeladenen mit Wirkung zum 01.01.2014 angestellt. In der Zeit vom Februar bis Dezember 2013 hatte der Beigeladene
seinem Bruder für die ausgeführten Arbeiten als selbständiger Subunternehmer Rechnungen gestellt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.10.2012 sowie den Bescheid vom 20.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14.12.2011 insoweit aufzuheben als Versicherungspflicht für den Beigeladenen ab 09.06.2010 festgestellt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Urteil des Eufach0000000027s vom 18.10.2012.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht München hat zu Recht
die Klage gegen den Bescheid vom 20.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2011 für die Zeit ab dem 09.06.2010
abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene
ist in seiner Tätigkeit als Baudienstleister bei der Klägerin seit dem 09.06.2010 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
tätig. Ein Handwerker, der über maßgebliches Werkzeug, ohne das die Arbeit nicht erbracht werden kann, nicht selbst verfügt,
ist grundsätzlich abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig.
1.
Rechtsgrundlage der gegenständlichen Entscheidung der Beklagten ist §
7a SGB IV. Danach entscheidet die Beklagte auf Antrag, ob eine Tätigkeit versicherungspflichtig in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt
wird oder als selbständige Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt
sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht (§
5 Abs.
1 Nr.
1 V; §
20 Abs.
1 S. 2 Nr.
1 SGB XI; §
1 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI; §
25 Abs.
1 SGB III). Nach §
7 Abs.
1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung ist
dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem in Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung
umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer
Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine
selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die
Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild
der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111,257 mwN).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich
relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung
vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich
vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von
ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder es sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur
ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf
die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung
rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen
(BSGE 45, 199, 200 ff; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich
zulässig ist (vergleiche hierzu insgesamt BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 Rdnr. 17, 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R; 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).
2.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles ist der Beigeladene seit 09.06.2010
in seiner Tätigkeit als Baudienstleister für die Klägerin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig.
a)
Für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis sprechen folgende Gesichtspunkte:
aa)
Eine weisungsgebundene Eingliederung des Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin ergibt sich bereits daraus, dass dem Beigeladenen
die Art und Weise der Erledigung der übertragenen Aufgaben u. a. vor Ort auf den jeweiligen Baustellen durch Vertreter der
Klägerin vorgegeben wurde.
Aus der Tätigkeitbeschreibung als Anhang 1 des Dienstvertrages vom Juni 2010 ist zwar ersichtlich, dass dem Beigeladenen von
der Klägerin detailliert vorgegeben wurde, welche in dem Objekt der Klägerin durchzuführen sind. Eine konkrete Beschreibung
des geschuldeten Erfolgs ist grundsätzlich typisch für einen Werkvertrag. Vorliegend ist jedoch festzustellen, dass nach Abschluss
des Dienstvertrages vom Juni 2010 für die nachfolgenden Baustellen der Klägerin keine neuen Verträge abgeschlossen wurden.
Da der Dienstvertrag - ohne die überholte Anlage - nur eine allgemein definierte Umschreibung der Arbeitsleistung enthält,
mussten für die jeweiligen weiteren Baustellen zur Ausfüllung des Inhalts der Tätigkeiten Einzelweisungen erteilt werden.
Diese Praxis ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den glaubhaften Angaben der Zeugen I. und R. im Parallelverfahren
- S 15 R 325/12 - vor dem Sozialgericht München. Die Baumaßnahmen wurden von der Klägerin geplant, organisiert und auf Baustellen durchgeführt,
die im Eigentum der Klägerin stehen. Der Beigeladene ist wie ein Erfüllungsgehilfe in den arbeitsteiligen Prozess der Klägerin
eingebunden, ohne bei der Bauausführung einen eigenen Gestaltungsspielraum zu haben. Dem Beigeladenen werden insbesondere
auch von der Klägerin Weisungen erteilt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Parallelverfahren vor dem SG A-Stadt - S 15 R 325/12 - steht fest, dass der von der Klägerin beauftragte Architekt R. den "Subunternehmern" Weisungen erteilt. Der Architekt erklärte,
im Gespräch mit dem Gesellschafter der Klägerin, Herrn D. und dem Beigeladenen, gebe er diesen vor "was er haben möchte und
bis wann er es haben möchte". Die Niederschrift des Sozialgerichts München vom 08.05.2014 - S 15 R 325/12 - wurde durch Verlesung in der mündlichen Verhandlung auch zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht. Es kommt auch nicht
darauf an, ob der Architekt als Weisungsgeber selbst Beschäftigter nach §
7 Abs.
1 SGB IV der Klägerin ist. Es reicht aus, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Organisationsmacht das Weisungsrecht auf den Architekten
übertragen hat und dieser organisatorisch auf der Arbeitgeber- bzw. "Unternehmerseite" steht. Da Herr R. in der mündlichen
Verhandlung des Senats als alleiniger Sitzungsvertreter der Klägerin aufgetreten ist, steht unzweifelhaft fest, dass der dem
"Lager" der Klägerin zuzuordnen ist.
bb)
Der Beigeladene erzielte ausweislich der von ihm erstellten Rechnungen von der Klägerin monatliche Einkünfte von teilweise
über 4.000,00 EUR. Unter Zugrundelegung eines nach § 2 des Dienstvertrages vereinbarten Stundensatzes von 18,00 EUR ergibt
sich, dass der Beigeladene nahezu seine ganze Arbeitskraft - zum Teil über 50 Stunden/Woche - der Klägerin zur Verfügung stellte
und keine nennenswerten Kapazitäten für weitere Auftraggeber hatte. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass zum Teil eine
"Pauschalvergütung" gezahlt wurde, da sich diese an der vertraglichen Vereinbarung orientierte. Dieses Ausmaß der zeitlichen
Inanspruchnahme des Beigeladenen - hier über Jahre - belegt eine Eingliederung in die von der Klägerin vorgegebene Arbeitsorganisation,
wie sie für Arbeitsverhältnisse typisch ist. Für weitere unternehmerisches Tätigwerden des Beigeladenen für andere Auftraggeber
blieb kein nennenswerter Spielraum. Dies zeigt sich auch darin, dass der Beigeladene keine nennenswerte Werbung für sein "Unternehmen"
machte. Der faktischen Eingliederung steht nicht entgegen, dass dem Beigeladenen die Möglichkeit eingeräumt war, einzelne
Arbeitsangebote der Klägerin abzulehnen (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13).
cc)
Der Beigeladene arbeitet auch "Hand in Hand" mit anderen Beschäftigten des Auftraggebers - z. B. dem Polier und weiteren "Subunternehmern"
- und ist teilweise auf deren Mitarbeit angewiesen. So bestellt alleine der Polier nach den glaubhaften Angaben neue Arbeitsmittel
ohne die der Beigeladene seinen Arbeitserfolg nicht erreichen kann. Diese steht zur Überzeugung des Senats fest nach der glaubhaften
Aussage der Zeugen I. im Parallelverfahren - S 15 R 325/12 - vor dem Sozialgericht München. Auch dies bewirkt eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und damit eine abhängige
Beschäftigung (vgl. nur Segebrecht, in: jurisPK, 2013, §
7 SGB IV Rn. 116).
dd)
Der vertraglich vereinbarte Stundenlohn von 18,00 Euro entspricht nicht der typischen Vergütung eines selbständigen Handwerkers.
Im Freistaat Bayern beträgt z. B. der durchschnittliche Stundenlohn eines selbständigen Handwerkers 47,00 EUR (http://www.fachwerk-online.de/stundenlohn-handwerker/).
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Selbständige aus ihren Einnahmen zusätzlich u. a. folgende Ausgaben bestreiten
müssen:
EinkommensteuerGewerbesteuerMitgliedsbeiträge (z.B. IHK)Krankenversicherung (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil)Altersvorsorgeweitere
berufliche oder betriebliche Versicherungenbetriebliche Kosten wie Miete, Technik etc.
ee)
Für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis spricht insbesondere auch, dass dem Beigeladenen die maßgeblichen
Werkzeuge und Arbeitsmittel fehlen, ohne die die Arbeit nicht erbracht werden kann.
Die Klägerin stellt - trotz § 3 Abs. 3 DV - zum einen die allgemeine Baustelleneinrichtung und Baustelleninfrastruktur (Z.
B. Außen- und Innengerüst, Bauschuttcontainer) und das Großgerät (Bagger, Gabelstapler, Betonmischer, Kompressor) unentgeltlich
zur Verfügung. Ohne diese Geräte und Einrichtungen wären die einzelnen Tätigkeiten nicht durchführbar gewesen. Zum anderen
werden von der Klägerin alle Baumaterialien gestellt. Das unternehmerische Risiko ist somit erheblich begrenzt, da alle kostenintensiven
Materialien und Werkzeuge von der Klägerin bereitgestellt werden (ebenso verhält es sich in den von der Rechtsprechung bislang
entschiedenen Konstellationen, wie beispielsweise bei einem Kranführer ohne eigenen Kran [vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 11. November 2005 - L 13 R 112/05 - [...]Dokument] oder einem Busfahrer ohne eigenen Bus [LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 3083/02 - [...]Dokument]). Der Beigeladene stellt alleine seine Arbeitskraft und Kleingeräte zur Verfügung und stimmt sich auf den
Baustellen mit den anderen "Subunternehmern" der Klägerin ab. Wer aber, wie der Kläger, über keine wesentlichen Betriebsmittel
verfügt und alleine seine eigene Arbeitskraft verfügt, leistet in der Regel abhängige Arbeit und ist als sozial schutzbedürftig
anzusehen (vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss 23.06.2014 - L 8 R 206/13 B ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 3083/02 -, [...]). Anders als vom Kläger vorgetragen, enthält weder der Dienstvertrag vom Juni 2010 Regelungen zur Gewährleistung,
die den Beigeladenen bei mangelhafter Arbeitsleistung treffen, noch ist ersichtlich, dass derartige Ansprüche in der Vergangenheit
geltend gemacht wurden.
ff)
Gegen unternehmerisches Handeln des Beigeladenen spricht weiter, dass er seine Vergütung nicht individuell ausgehandelt hat.
Dem Beigeladenen wurde ein - wie auch den anderen "Subunternehmern" - von der Klägerin erstellter und einseitig formulierter
Muster-Dienstvertrag vorgelegt. Auf Grund mangelnder Deutschkenntnisse des Beigeladenen (vgl. Niederschrift Sozialgericht
v. 09.08.2012 - S 56 R 3063/11 - und Senat v. 18.11.2014) war es ihm nicht möglich, die wirtschaftliche Verwertung seiner Arbeitskraft selbst zu steuern
und Einfluss auf die Vertragsgestaltung zu nehmen (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 19.07.2012 - L 11 R 1789/12 ER-B).
gg)
Auch der Inhalt und die Formulierung des Kündigungsschreibens v. 09.01.2013 (Bl. 29 LSG Akte) " ...bedanken wir uns für Ihre
Mitarbeit und wüschen Ihnen für Ihren weiteren privaten und beruflichen Weg alles Gute", zeigt, dass die Klägerin wohl selbst
von einem Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis ausgegangen ist.
b)
Dagegen treten die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Elemente im Wege der Gesamtabwägung zurück: Z. B.
GewerbeanmeldungWeitere AuftraggeberKeine Verpflichtung zur persönlichen ArbeitserbringungKein Urlaubsanspruch/Entgeltfortzahlung
Bei der Anmeldung eines Gewerbes wird nicht geprüft, ob eine im Sinne des Sozialrechts selbständige Tätigkeit vorliegt. Die
Gewichtung dieses formalen Merkmals ist im Rahmen der Abwägung als gering einzustufen. Wie oben unter 2a bb) ausgeführt, ist
der Beigeladene über mehrere Jahre hinweg für die Klägerin in einem Umfang von über 50 Stunden die Woche tätig. Die Tätigkeit
für weitere Auftraggeber konnte daher in keinem nennenswerten Umfang erfolgen. Gegenstand der Statusfeststellung ist im Übrigen
ausschließlich das im Antrag benannte Auftragsverhältnis (vgl. dazu BSG, Urteil v. 28.09.2011 - B 12 R 17/09.). Bei abhängiger Beschäftigung ist die Arbeitsleistung in aller Regel höchstpersönlich zu erbringen und die Einschaltung
Dritter (Erfüllung- und Verrichtungsgehilfen) nicht vorgesehen (vgl. §
613 Satz 1
BGB). Die Regelung des §
1 Abs.
3 DV - keine Verpflichtung zur persönlichen Arbeitserbringung - spricht zwar durchaus für eine selbständige Tätigkeit. Im Rahmen
der Gesamtabwägung tritt die Regelung auf dem Papier jedoch hinter die festgestellte faktische persönliche Arbeitsleistung
als deutliches Merkmal eines abhängigen Versicherungsverhältnisses zurück. Die Vorenthaltung der gesetzlichen Arbeitnehmerrechte
wie Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz macht den Beschäftigten nicht zum Unternehmer.
Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte und nicht zuletzt
die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen soll.
c)
Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen - trotz Kündigung
zum 31.01.2013 - nach §
10 Abs.1 S. 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (
AÜG) auch über den 31.01.2013 hinaus.
aa)
Nach §
1 Abs.
1 S. 1
AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen
Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, der Erlaubnis. Vorliegend hat der Bruder des Beigeladenen, A. W. C., der
selbst Beigeladener im Parallelverfahren - L 5 R 710/14 - ist, den Beigeladenen mit Wirkung zum 01.01.2014 angestellt. In der Zeit vom Februar bis Dezember 2013, hat der Beigeladene
seinem Bruder für die ausgeführten Arbeiten "Rechnungen geschrieben". Die Tätigkeit des Beigeladenen hat sich im Hinblick
auf die Klägerin seit der Kündigung zum 31.01.2013 jedoch nicht Wesentlich geändert. Der Beigeladene ist weiterhin in die
Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden und verrichtet die gleichen Tätigkeiten im gleichen zeitlichen Umfang wie bis
zum 31.01.2013. Dies steht aufgrund der glaubhaften Aussage des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2014
fest. Sein Bruder verfügt über keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Somit hat Herr A. W. C. als Verleiher der Klägerin
den Beigeladenen als Arbeitnehmer überlassen, ohne über die erforderliche Erlaubnis zu verfügen. Nach §
9 Nr. 1
AÜG sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam, wenn der Verleiher
nicht die nach §
1 erforderliche Erlaubnis hat. Nach §
10 Abs.
1 S. 1
AÜG gilt: Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach §
9 Nr. 1
AÜG unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher
für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen. Nach geltendem Recht ist Folge der illegalen Vertragskonstruktion,
dass die Klägerin weiterhin Arbeitgeber des Beigeladenen ist.
bb)
Mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer entsteht in der Regel und vorliegend auch
ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. §
7 Abs.
1 SGB IV, sodass den Entleiher neben den arbeitsrechtlichen Arbeitgeberpflichten auch die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages
nach den Grundsätzen des §
28e Abs.
2 SGB IV trifft (vgl. auch BSG, Urteil v. 27.7.1987, 2 RU 41/85, NZA 1988, 263; BSG, Urteil v. 18.3.1987, 9b RU 16/85, SozR 7815 Art 1 § 10 Nr. 3; Senat, Beschluss v. 27.7.2009, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
Die Berufung der Klägerin hat aus oben genannten Gründen keinen Erfolg.
3.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.