Ersatz von Kosten einer Begleitung zu einem Gerichtstermin
Doppelte Notwendigkeitsprüfung
Ermessensentscheidung
Beweisanforderung
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung. Streitig ist insbesondere der Ersatz von Kosten einer Begleitung zum
Gerichtstermin.
In dem beim Sozialgericht (SG) Landshut unter dem Aktenzeichen S 15 SB 750/13 geführten schwerbehindertenrechtlichen Klageverfahren wurde die dortige Klägerin und jetzige Beschwerdeführerin am 22.09.2014
zuerst terminsärztlich begutachtet; anschließend nahm sie an der mündlichen Verhandlung teil. Die Untersuchung durch den Gutachter
und die mündliche Verhandlung dauerten von 11.00 Uhr bis 14.35 Uhr.
Mit Entschädigungsantrag vom 16.10.2014 beantragte die Beschwerdeführerin die Entschädigung wegen des Gerichtstermins. Sie
gab an, in Begleitung ihres Ehemanns angereist zu sein. Sie machte Fahrtkosten für 270 km, Zehrkosten von 30,- EUR und Verdienstausfall
ihres Ehemanns in Höhe von 213,23 EUR für 9,75 ausgefallene Arbeitsstunden geltend. Vom Arbeitgeber des Ehemanns bestätigt,
gab sie an, dass ihr Ehegatte unbezahlten Urlaub genommen habe. Die Notwendigkeit der Begleitung durch den Ehemann begründete
sie mit einer ärztlichen Bescheinigung der praktischen Ärztin S. vom 21.08.2014, wonach sie unter starken Konzentrationsstörungen
und einer ausgeprägten Lärmempfindlichkeit leide und dadurch "die Fahrtüchtigkeit ... erheblich eingeschränkt und Frau A.
nicht zuzumuten" sei. Sie sei daher auf einen Fahrdienst, z.B. durch ihren Mann, angewiesen.
Auf Nachfrage der Kostenbeamtin teilte der Gutachter am 06.11.2014 mit, dass eine Begleitperson nicht notwendig sei, wenn
dies nicht im Gutachten erwähnt werde. Das Gutachten vom 22.09.2014, in dem der Sachverständige zu der Einschätzung gekommen
ist, dass der Grad der Behinderung bei der Beschwerdeführerin 50 betrage, enthält keine Aussagen zu der Notwendigkeit einer
Begleitung.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 19.11.2014 wurde der Beschwerdeführerin eine Entschädigung in Höhe von 77,50 EUR (Fahrtkosten
in Höhe von 65,50 EUR für 262 km, wie dies der Fahrtstrecke laut Routenplaner entspricht, und 12,- EUR Tagegeld) gewährt.
Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass der für den Ehemann geltend gemachte Verdienstausfall nicht übernommen werde, da der Sachverständige
in seinem Gutachten keine Angaben zur Begleitperson gemacht habe bzw. die Notwendigkeit einer Begleitperson im Gutachten nicht
erwähnt worden sei.
Mit Schreiben vom 01.12.2014 haben die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin für diese die gerichtliche Festsetzung der
Entschädigung mit dem Ziel beantragt, dass der Verdienstausfall des Ehemanns in Höhe von 213,23 EUR als Kosten einer notwendigen
Begleitung entschädigt werde. Im Übrigen werde - so die Bevollmächtigten - die festgesetzte Entschädigung nicht beanstandet.
Der Umstand, dass der Gutachter keine Aussage über die Notwendigkeit einer Begleitperson getroffen habe, beinhalte - so die
Bevollmächtigten - nicht, dass die Notwendigkeit nicht gegeben sei. Wie sich aus dem vorgelegten Attest ergebe, sei die Beschwerdeführerin
auf einen Fahrer wie ihren Ehemann angewiesen. Es sei ihr wegen ihrer ängstlichen und selbstunsicheren Persönlichkeitszüge
und der Beeinträchtigung der Gehirnfunktion mit seelischer Störung auch nicht zuzumuten gewesen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln
zum SG zu fahren.
Mit Beschluss vom 31.03.2016 hat die Kostenrichterin des SG die Entschädigung wegen des Termins am 22.09.2014 auf 77,50 EUR festgesetzt. Kosten für die Begleitung durch den Ehemann
sind nicht berücksichtigt worden, da die Notwendigkeit einer Begleitperson nicht zweifelsfrei festzustellen sei.
Gegen diesen Beschluss haben die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24.05.2016 Beschwerde eingelegt
mit dem Ziel, dass der Verdienstausfall des Ehemanns der Beschwerdeführerin für den Gerichtstermin am "22.09.2015" [Anmerkung
des Senats: Gemeint ist der 22.09.2014] zu erstatten sei. Sie haben beanstandet, dass das Attest der Hausärztin vom 21.08.2014
nicht berücksichtigt worden sei. Der gerichtliche Sachverständige habe die Beschwerdeführerin nur ca. 10 Minuten untersucht.
Die Beschwerdeführerin leide an einem beidseitigen Tinnitus und einer starken Lärmempfindlichkeit sowie einer depressiven
Verstimmung, was auch der Sachverständige bestätigt habe. Wegen dieser Gesundheitsstörungen sei es für die Beschwerdeführerin
unmöglich, längere Strecken ohne Begleitperson zu fahren. Sie sei auch im täglichen Leben auf eine Begleitung durch den Ehemann
angewiesen. Sie traue sich lediglich zu, kurze und vertraute Strecken im unmittelbaren Umkreis der Wohnung selbst zu fahren.
Die Beschwerdeführerin meide generell neue Situationen, auf die sie sich nicht einstellen könne. Sie fühle sich schnell überfordert
und hätte auch aus diesem Grund nicht alleine mit einem öffentlichen Verkehrsmittel fahren können. Vom 03.11.2015 bis zum
08.12.2015 habe sie sich auf einer medizinischen Reha befunden; für die Anreise dorthin sei von der Rentenversicherung eine
Begleitperson für die Beförderung anerkannt worden. Der Ehemann habe am Vortag des Gerichtstermins, d.h. am "21.09.2015" [Anmerkung
des Senats: Gemeint ist der 21.09.2014], eine Nachtschicht bis 6.00 Uhr gehabt. Da die Beschwerdeführerin am 22.09. frühmorgens
losfahren habe müssen, hätte er sonst keinen Schlaf gehabt; er habe sich daher für die Nachtschicht unbezahlten Urlaub genommen.
Beigelegt worden sind eine Verordnung einer Krankenbeförderung mit Begleitperson zu einer psychosomatischen Reha in der Klinik
Bad N., beginnend am 03.11.2015, und ein Bescheid der Rentenversicherung vom 07.03.2016 über die Weitergewährung von Rente
wegen voller Erwerbsminderung.
Der Senat hat die Akten des SG sowohl in der Kostensache als auch zum Klageverfahren beigezogen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Der Beschwerdeführerin steht für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am
22.09.2014 eine Entschädigung in Höhe von 79,50 EUR und nicht nur von 77,50 EUR zu. Die Kosten der Begleitung sind nicht zu
ersetzen.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde ist wegen Erreichens des Beschwerdewerts gemäß § 4 Abs. 3 JVEG in Höhe von mehr als 200,- EUR zulässig. Die Beschwerdeführerin begehrt eine weitere Entschädigung über 213,23 EUR wegen
des durch die Begleitung entstandenen Verdienstausfalls ihres Ehemanns.
2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren
Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände
zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie ein Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (ständige Rspr. des Senats, vgl.
z.B. Beschluss vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B - m.w.N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden
hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 18; Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 4 JVEG, Rdnr. 28).
3. Fahrtkostenersatz
Der Beschwerdeführerin sind Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG in Höhe von 67,50 EUR zu ersetzen.
Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels.
Wählt der Zeuge bzw. Beteiligte die Anreise mit dem Kraftfahrzeug, werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG pro gefahrenem Kilometer 0,25 EUR ersetzt.
Der Ermittlung des Fahrtkostenersatzes ist die objektiv erforderliche Fahrtstrecke zugrunde zu legen. Was objektiv erforderlich
ist, ist unter Berücksichtigung der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln. Dabei geht der
Senat in ständiger Rechtsprechung und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt
wird, davon aus, dass nicht nur die Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind. Weitere Ausnahmen
kommen dann in Betracht, wenn die längere Strecke durch besondere Umstände gerechtfertigt ist (z.B. Unzumutbarkeit der kürzesten
bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen) (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12).
Die Ermittlung der Streckenlänge kann unter Zuhilfenahme der im Internet jedermann zugänglichen Routenplaner vorgenommen werden
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13), da davon ausgegangen werden kann, dass, wenn nicht mit einem ähnlich planenden Navigationssystem gefahren wird, derartige
Routenplaner für die An- und Abreise verwendet werden.
Macht ein Antragsteller keine Angaben zur gefahrenen Strecke oder ist seine Streckenangabe nicht nur geringfügig höher als
die Entfernung, wie sie sich bei Zuhilfenahme der Routenplaner im Internet ergibt, ist dem Fahrtkostenersatz grundsätzlich
die dem Routenplaner zu entnehmende Streckenlänge zur schnellsten Route ohne einen Toleranzaufschlag zugrunde zu legen (vgl.
Beschluss des Senats vom 21.10.2015, Az.: L 15 RF 38/15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht die kürzeste Strecke mit einem
nur geringen zeitlichen Mehraufwand verbunden ist, sodass ein wirtschaftlich denkender Reisender, der die Kosten selbst tragen
müsste, wegen der Mehrkosten nicht die schnellste, sondern die kürzeste Strecke wählen würde.
Die Beschwerdeführerin hat eine Fahrtstrecke von insgesamt 270 km angegeben. Diese überschreitet nur geringfügig die sich
aus einem Routenplaner (hier: http://www.falk.de/routenplaner) ergebende empfohlene schnellste Strecke von insgesamt 261 km.
Die von der Beschwerdeführerin angegebenen gefahrenen 270 km können daher, anders als dies die Kostenbeamtin und die Kostenrichterin
des SG getan haben, der Entschädigung noch zu Grunde gelegt werden; damit wird auch etwaigen, auf Ortsunkenntnis beruhenden Umwegen
und einer Parkplatzsuche am Gerichtsort Rechnung getragen.
4. Tagegeld (Zehrkosten)
Der Beschwerdeführerin ist eine Entschädigung für die von ihr geltend gemachten Zehrkosten zu gewähren. Es besteht ein Anspruch
auf Entschädigung für Aufwand gemäß § 6 Abs. 1 JVEG (Tagegeld) in Höhe von 12,- EUR.
Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten pauschal abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder
der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind
als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
5 Satz 2 i.V.m. §
9 Abs.
4a Satz 3 Einkommenssteuergesetz (
EStG) wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner
Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mehr als acht bis unter 24 Stunden am Kalendertag ist seit dem 01.01.2014
infolge der Neufassung des §
9 Abs.
4a Satz 3 Nr.
3 EStG ein Pauschalbetrag von 12,- EUR anzusetzen. Auf die tatsächliche Höhe der Aufwendungen kommt es nicht an.
Eine durch den Gerichtstermin am 22.09.2014 objektiv erforderliche Abwesenheit von dieser Mindestdauer ist mit den von der
Beschwerdeführerin angegebenen und plausiblen 8,75 Stunden im vorliegenden Fall gegeben.
5. Erstattung von Kosten für eine Begleitperson
Für die Begleitung durch ihren Ehemann steht der Beschwerdeführerin keine Entschädigung zu, da die Erforderlichkeit der Begleitung
nicht nachgewiesen ist und sich die Beschwerdeführerin auch auf keinen Vertrauensschutz stützen kann. Eine Berücksichtigung
des Verdienstausfalls des Ehemanns und auch der für ihn am Tag der Gerichtsverhandlung entstandenen Verpflegungskosten ist
daher nicht möglich.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 JVEG kann ein Zeuge bzw. gemäß §
191 SGG ein Beteiligter den Ersatz von Kosten für eine Begleitperson als sonstige Aufwendung verlangen. § 7 Abs. 1 JVEG lautet wie folgt:
"Auch die in den §§ 5, 6 und 12 nicht besonders genannten baren Auslagen werden ersetzt, soweit sie notwendig sind. Dies gilt
insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen."
5.1. Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten für eine Begleitperson - Allgemeines
Die Entschädigung setzt zunächst den Nachweis voraus, dass überhaupt Kosten ("bare Auslagen") für die Begleitung entstanden
sind (vgl. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E). Bei der Begleitung durch einen Ehegatten ist es abweichend vom ansonsten geltenden Grundsatz, dass durch den Begleiteten
Kosten für die Begleitung aufgewendet worden sein müssen, also ein Geldfluss stattgefunden hat (vgl. Beschluss des Senats
vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E), nicht entscheidend, dass der begleitete zu Entschädigende selbst Kosten aufgewendet hat. Es reicht wegen der familiären
Beziehung und des grundgesetzlich verbürgten Schutzes von Ehe und Familie gemäß Art.
6 Abs.
1 Grundgesetz aus, wenn nur dem Begleiter Kosten durch die Begleitung entstanden sind (vgl. Beschluss des Senats vom 09.12.2014, Az.: L 15 SF 313/14).
Berücksichtigungs- und damit erstattungsfähig sind die Kosten dann, wenn sowohl die Notwendigkeit der Begleitung als auch
die Erforderlichkeit der tatsächlich entstandenen Kosten nachgewiesen sind. Es wird daher von einer doppelten Notwendigkeitsprüfung
gesprochen (vgl. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 06.01.2000, Az.: L 4 B 240/99 SF).
Bei der Prüfung der Notwendigkeit der Begleitung ist zu beachten, dass es nicht im Belieben des zu Entschädigenden steht,
durch die Auswahl eines der in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Transportmittel weitere, über § 5 Abs. 1 und 2 JVEG hinausgehende Kosten zu produzieren und deren Erstattung zu verlangen, obwohl bei Inanspruchnahme eines anderen in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten, ihm möglichen und zumutbaren Transportmittels derartige erhöhte Kosten nicht entstanden wären. Dies bedeutet,
dass der zu Entschädigende nicht ein Transportmittel, das er nur mit Begleitung benutzen kann, auswählen und dann die Kosten
der Begleitung im Rahmen des Entschädigungsanspruchs geltend machen kann, wenn ihm die Benutzung des anderen in § 5 genannten
Verkehrsmittels möglich gewesen wäre (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B).
Die Notwendigkeit der Begleitung und der dabei entstandenen Kosten ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung
- nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E - m.w.N.).
Die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu
entscheiden (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 20.07.2009, Az.: L 15 SF 152/09, und vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 02.04.2007, Az.: L 6 B 116/06 SF; vgl. Meyer/Höver/Bach/ Oberlack, a.a.O., § 7, Rdnr. 15).
Die entstandenen Kosten sowie die doppelte Notwendigkeit müssen, den allgemeinen Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren
folgend, im Vollbeweis nachgewiesen sein. Vollbeweis bedeutet, dass die erforderlichen Tatsachen mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen (vgl. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E; Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R). Beweiserleichterungen enthält das JVEG nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11).
Begrenzt durch den Gesichtspunkt der objektiven Notwendigkeit der Kosten ist die Höhe der erstattungsfähigen Kosten einer
notwendigen Begleitung durch den finanziellen Aufwand, der bei einer An- und Abreise zum gerichtlichen Termin mit einem Taxi
entstanden wäre (vgl. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).
Neben der aufgezeigten Konstellation der objektiven Notwendigkeit der Begleitung sind die Kosten einer Begleitung auch dann
zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme einer Begleitperson ist aus wirtschaftlichen Gründen, d.h. bei Berücksichtigung der
entstehenden Gesamtkosten, angezeigt ist. Daran ist z.B. dann zu denken, wenn durch die Anreise mit einer Begleitperson weitere,
sonst entstehende Kosten vermieden werden könnten, sodass letztlich die Anreise ohne Begleitperson der Staatskasse nicht "billiger
käme" (Beispiel: Der führerscheinlose Beteiligte bzw. Zeuge muss wegen ungünstiger Zugverbindung schon am Vortag anreisen.
Wäre er begleitet mit dem Kraftfahrzeug angereist, wären Übernachtungskosten und ggf. ein größerer Verdienstausfall nicht
entstanden.).
Ausnahmsweise sind über die Regelungen des JVEG hinaus, die die objektive Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Begleitperson voraussetzen, zudem aus Vertrauensschutzgesichtspunkten
die Kosten einer Begleitperson zu erstatten. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden
Grundsatzes von Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hat, dass er in Begleitung anreisen durfte. Dabei kann
nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat und den sich
das Gericht daher zurechnen lassen muss (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B), wobei ein Vertrauensschutztatbestand auch dadurch erzeugt wird, wenn ein Beteiligter bzw. Zeuge das Gericht rechtzeitig
über seine Absicht, in Begleitung anzureisen, informiert und darauf keine Reaktion des Gerichts erfolgt (vgl. Beschluss des
Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).
5.2. Keine Erstattung von Kosten für die Begleitung durch den Ehemann der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall
Eine Entschädigung in Form von Auslagenersatz wegen eines Verdienstausfalls ihres Ehemanns steht der Beschwerdeführerin nicht
zu, da die aufgezeigten Voraussetzungen für eine Berücksichtigungsfähigkeit der Begleitung nicht erfüllt sind.
5.2.1. Keine objektive Notwendigkeit der Begleitung nachgewiesen
Weder mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Attest ihrer Hausärztin vom 21.08.2014 noch mit der Zusage der Deutschen
Rentenversicherung vom 23.10.2015, die Kosten einer Begleitung für die Anreise zu einer medizinischen Reha in einem über 380
km und nicht - wie das SG nur rund 135 km - entfernten Ort zu übernehmen, ist die Notwendigkeit der Begleitung zum Gerichtstermin am 22.09.2014 im
Vollbeweis nachgewiesen. Vielmehr bestehen nicht unerhebliche Zweifel an der Notwendigkeit einer Begleitung.
Die Zweifel des Senats gründen sich zunächst darauf, dass der sehr gerichtserfahrene gerichtliche Sachverständige, der die
Beschwerdeführerin am zu entschädigenden Tag des Gerichtstermins untersucht hat, auf Nachfrage der Kostenbeamtin angegeben
hat, dass eine Begleitperson nicht erforderlich sei, wenn dies nicht im Gutachten erwähnt sei. Eine entsprechende Erwähnung
der Erforderlichkeit einer Begleitung ist im Gutachten nicht enthalten. Auch deutet der im Gutachten vom 22.09.2014 beschriebene
objektive Befund nicht auf die zwingende Notwendigkeit einer Begleitung hin, wie dies das SG im angefochtenen Beschluss ausführlich und zutreffend erläutert hat. Die bei der Klägerin vorliegende Beeinträchtigung der
Gehirnfunktion und die seelische Störung, die der Sachverständige zusammen mit einem GdB von 50 bewertet hat, lassen einen
zwingenden Rückschluss darauf nicht zu, dass die Klägerin nicht auch alleine zum Gerichtstermin anreisen hätte können. Die
bei der Beschwerdeführerin ohne Zweifel durch die vorgenannten Erkrankungen eingeschränkte Leistungsfähigkeit in einem Umfang,
wie er sich in einem GdB von 50 widerspiegelt, legt nicht schon per se die Erforderlichkeit einer Begleitung nahe. Irgendwelche
besonderen Gesichtspunkte, in der spezifischen Situation der Beschwerdeführerin an das zwingende Erfordernis einer Begleitung
zu denken, sind für den Senat nicht erkennbar und auch im Attest der Hausärztin vom 21.08.2014 nicht aufgezeigt. Dieses Attest
kann die Einschätzung des SG, die der Senat teilt, nicht dahingehend erschüttern, dass sämtliche vernünftigen Zweifel an der Erforderlichkeit einer Begleitung
ausgeräumt wären. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin eine eigene Anreise mit dem Kraftfahrzeug möglich gewesen
wäre. Dies bezweifelt auch der Senat, obwohl im Abschlussbericht über die vom 04.03. bis 15.04.2013 durchgeführte medizinische
Reha darüber berichtet worden ist, dass nur bis Mitte Mai 2013 - und nicht länger - von einer fehlenden Fahreignung auszugehen
sei. Der Senat hat aber keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Klägerin bei Berücksichtigung der vorliegenden psychischen
Erkrankung und der eingeschränkten geistigen Leistungsfähigkeit ohne Begleitung jedenfalls mit öffentlichen Verkehrsmitteln
anreisen hätte können. Insofern wäre die Klägerin gehalten gewesen, bei einer anzunehmenden Unmöglichkeit einer eigenhändigen
Anreise mit dem Kraftfahrzeug unbegleitet mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Denn es steht nicht im Belieben eines
Beteiligten (oder Zeugen), durch die Auswahl des Transportmittels weitere, über § 5 Abs. 1 und 2 JVEG hinausgehende Kosten zu verursachen und deren Erstattung zu verlangen, obwohl bei Inanspruchnahme eines anderen, möglichen
und zumutbaren Transportmittels derartige erhöhte Kosten nicht entstanden wären (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2012,
Az.: L 15 SF 24/12 B). Schließlich lassen sich auch durch die ohne Begründung gegebene Zusage der Rentenversicherung über die Kostenübernahme
einer Begleitung der Beschwerdeführerin über ein Jahr nach dem Gerichtstermin die aufgezeigten Zweifel an der Erforderlichkeit
einer Begleitung mangels weitergehender Fakten in der Kostenzusage der Rentenversicherung nicht ausräumen.
5.2.2. Keine Berücksichtigungsfähigkeit der Begleitung aus wirtschaftlichen Gründen
Bei einer An- und Abreise zum Gerichtstermin mit öffentlichen Verkehrsmitteln wären gegenüber der Anreise mit dem Ehemann
im Kraftfahrzeug keine Mehrkosten entstanden, die die begleitete Reise günstiger und damit wirtschaftlicher gemacht hätten.
5.2.3. Kein Vertrauensschutztatbestand
Die Voraussetzungen dafür, aus Vertrauensschutzgründen die Erstattung der Kosten der Begleitung vorzunehmen, sind nicht erfüllt.
Insbesondere kann das mit der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs vorgelegte Attest der Hausärztin vom 21.08.2014 bei
der Klägerin keinen Vertrauenstatbestand begründen, der einen Anspruch auf eine Ersatz der Kosten der Begleitung begründen
würde.
Weder hat die Beschwerdeführerin hat das SG (rechtzeitig) vor dem Gerichtstermin über ihre Absicht in Kenntnis gesetzt, in Begleitung anzureisen, noch ist das Attest
der behandelnden Ärztin geeignet, bei der Beschwerdeführerin ein schutzwürdiges Vertrauen darauf zu erzeugen, dass sie mit
Begleitung anreisen könne und dies auch entschädigt werde.
5.2.3.1. Keine vorherige Mitteilung der Beschwerdeführerin an das Gericht
Die Beschwerdeführerin hat das SG nicht, geschweige denn rechtzeitig, vor dem Gerichtstermin über ihre Absicht in Kenntnis gesetzt, in Begleitung anzureisen
(vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E). Dies verwundert, als im Ladungsschreiben des SG für den 22.09.2014 vom 04.08.2014 explizit folgender Hinweis gegeben worden ist: "Falls ... andere Umstände Ihr Erscheinen
erheblich verteuern (z.B. Transport mit ... Begleitperson), ist dies dem Gericht ... sofort mitzuteilen und schriftliche Nachricht
abzuwarten." Insofern wäre es der rechtskundig vertretenen Beschwerdeführerin, gegebenenfalls auch auf einen Hinweis ihrer
Bevollmächtigten hin, ein Leichtes gewesen, etwaige Unklarheiten hinsichtlich der Frage eines Aufwandsersatzes durch eine
rechtzeitige Information des SG schon vor dem Gerichtstermin abzuklären. Wenn sie dies nicht tut, obwohl es sich bei dem aus ihrer Sicht einer unbegleiteten
Anreise entgegenstehenden Gesundheitszustand um einen Dauerzustand und nicht um eine akute und kurzfristige Erkrankung gehandelt
hat, kann dies nicht zu Lasten der Staatskasse gehen. Umso mehr verwundert das Vorgehen der Beschwerdeführerin deshalb, weil
sie zusammen mit dem Entschädigungsantrag eine auf über einen Monat vor dem Gerichtstermin datierte ärztliche Bescheinigung
ihrer Hausärztin vorgelegt hat, mit der ihr die vermeintliche Notwendigkeit einer Begleitung attestiert worden ist. Warum
sie diese Bescheinigung in Anbetracht der oben zitierten gerichtlichen Hinweise nicht vor dem Gerichtstermin vorgelegt hat,
ist nicht nachvollziehbar.
5.2.3.2. Attest der behandelnden Ärztin
Das zusammen mit dem Entschädigungsantrag vorgelegte Attest der Hausärztin vom 21.08.2014 kann kein schutzwürdiges Vertrauen
der Beschwerdeführerin darauf erzeugen, dass ihr die Kosten einer Anreise mit Begleitung zu erstatten seien. Denn es kann
nur ein solcher Vertrauenstatbestand relevant sein, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat und den
sich das Gericht daher zurechnen lassen muss (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B). Die Hausärztin und deren Auskunft sind aber nicht dem Gericht zuzurechnen.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass aus der Erklärung der Deutschen Rentenversicherung vom
23.10.2015, die Kosten einer Begleitung für die Anreise zu einer medizinischen Reha zu übernehmen, schon deshalb kein Vertrauenstatbestand
resultieren kann, weil diese Erklärung erst lange nach dem Gerichtstermin abgegeben worden ist.
6. Keine weiteren Entschädigungstatbestände
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass weitere, bei der Entschädigung zu berücksichtigende
Tatbestände nicht gegeben sind. Insbesondere ist der Beschwerdeführerin keine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des
§ 20 JVEG zu leisten. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E) davon aus, dass ein Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis nicht besteht, wenn sich aus den eigenen Angaben des
Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, oder wenn offensichtlich ist, dass ein
Nachteil nicht eingetreten ist. Von ersterem ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller - wie hier die Beschwerdeführerin
- nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihr eine Zeitversäumnis
entstanden ist.
Die Beschwerdeführerin hat daher mit ihrer Beschwerde nur insofern geringen Erfolg, als ihr für die Teilnahme am Gerichtstermin
am 21.09.2014 eine Entschädigung in Höhe von nicht nur 77,50 EUR, sondern von 79,50 EUR zusteht.
Das Bayer. LSG hat gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).