Entschädigung von Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren; Anforderungen an eine Entschädigung für Verdienstausfall bei
selbständiger Tätigkeit in geringem Umfang; Erstattung von Kosten für eine Kinderbetreuung
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädiungsgesetz (JVEG) für das Erscheinen der Beschwerdeführerin bei einem Gerichtstermin.
In dem beim Sozialgericht (SG) Regensburg unter dem Aktenzeichen S 16 AL 239/13 geführten Klageverfahren wurde die Antragstellerin und jetzige Beschwerdeführerin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) als
Zeugin für eine mündliche Verhandlung am 26.02.2014 in Regensburg geladen. Die Beschwerdeführerin nahm an der auf 12.15 Uhr
terminierten mündlichen Verhandlung teil, die von 13.10 Uhr bis 13.30 Uhr dauerte.
Am 01.03.2014 beantragte sie die Entschädigung wegen des Termins der mündlichen Verhandlung. Sie gab dabei Folgendes an: Sie
sei um 8.00 Uhr von zuhause weggefahren und um 16.00 Uhr wieder zurückgekommen. Die Fahrtstrecke mit dem PKW habe insgesamt
80 km betragen. Zudem habe sie ein Ticket des RVV für 2,20 EUR erworben. Weiter machte sie Zehrkosten in Höhe von 9,80 EUR
unter Vorlage einer entsprechenden Quittung geltend. Ihr sei für die Zeit von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr ein Verdienstausfall
als selbständige Näherin entstanden, wobei sie für diese Tätigkeit einen Stundensatz von 15,- EUR angab. Zudem teilte sie
mit, dass sie für 8 Stunden eine Aushilfe für ihre Änderungsschneiderei und ebenso für 8 Stunden eine weitere Person für Kinderbetreuung
beschäftigt habe. Beiden Aushilfskräften habe sie 15,- EUR in der Stunde, also jeweils 120 EUR, gezahlt.
Die Kostenbeamtin des SG setzte mit Schreiben vom 17.04.2014 eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 104,70 EUR (Entschädigung für Verdienstausfall
von 5,5 Stunden - von 10.00 Uhr bis 15.30 Uhr - und von 20,- EUR, Fahrtkosten für die von der Beschwerdeführerin angegebenen
80 km sowie 2,20 EUR für das Ticket des RVV) fest.
Auf den anschließend von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung hat der Kostenrichter
des SG mit Beschluss vom 10.12.2014 die Entschädigung wie zuvor die Kostenbeamtin auf 104,70 EUR festgesetzt. In den Gründen des
Beschlusses ist erläutert worden, dass bei Berücksichtigung einer (mehr als) angemessenen Fahrt- und Wartezeit eine zeitliche
Entschädigung von 5,5 Stunden nicht zu beanstanden sei. Eine weitere Entschädigung wegen Zeitversäumnis bei der Haushaltsführung
(Kinderbetreuung und Kochen) könne nicht gewährt werden, da der Beschwerdeführerin bereits ein mehr als angemessener Verdienstausfall
für ihre selbständige Tätigkeit bewilligt worden sei. Ein Nebeneinander von zwei Entschädigungstatbeständen sei durch das
JVEG nicht vorgesehen. Als Fahrtkostenersatz würden der Beschwerdeführerin für die beantragten 80 km 20,- EUR gewährt. Zehrkosten
stünden ihr nicht zu, da die erforderliche Abwesenheitsdauer vom Wohnort nicht mindestens 8 Stunden betragen habe.
Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26.01.2015 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt
und diese wie folgt begründet:
Die Kinderbetreuungskosten seien zu erstatten, da sie im Wohnhaus die Änderungsschneiderei untergebracht habe und das Kleinkind
während der Arbeit beaufsichtige. Dies sei wegen des Gerichtstermins nicht möglich gewesen. Eine Kinderbetreuung benötige
sie, weil sie ein Kleinkind nicht zum Gericht mitnehmen könne. Die Aushilfe in der Änderungsschneiderei könne nicht zugleich
die Kinderbetreuung übernehmen. Zehrkosten seien entstanden, weil sie während der Mittagszeit im Gericht gewesen sei.
Auf Nachfrage des Senats hat die Beschwerdeführerin am 13.07.2015 eine Quittung vom 26.02.2014 über Kosten der Kinderbetreuung
durch Frau C. M. in Höhe von insgesamt 120,- EUR (8 Stunden zu 15,- EUR) und eine weitere Quittung vom selben Tag von Frau
M. E. über die Kosten der Aushilfe in der Änderungsschneiderei über 120,- EUR vorgelegt.
Der Senat hat die Akten des SG sowohl in der Kostensache als auch zum Klageverfahren beigezogen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Der Beschwerdeführerin steht eine Entschädigung in Höhe von 123,95 EUR und
nicht nur von 104,70 EUR, wie dies noch das SG festgestellt hat, zu.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde ist nicht - wie das SG am Ende des Beschlusses ausgeführt hat - wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts gemäß § 4 Abs. 3 JVEG unzulässig. Vielmehr ist der Beschwerdewert erreicht.
Eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Festsetzung der Entschädigung ist nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands
200,- EUR übersteigt oder wenn sie das SG aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist die Differenz zwischen dem von
einem Beschwerdeführer angestrebten Betrag und der erfolgten Festsetzung des Gerichts (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.08.2012,
Az.: L 15 SF 139/12 B NZB, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).
Bei einer wie hier auf 104,70 EUR festgesetzten Entschädigung muss der angestrebte Betrag daher über 304,70 EUR liegen, um
den für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlichen Beschwerdewert zu erreichen. Dies ist vorliegend der Fall.
Unter Zugrundelegung und vollständiger Übernahme der Angaben der Beschwerdeführerin im Entschädigungsantrag vom 01.03.2014,
die die Grundlage für den von ihr angestrebten Entschädigungsbetrag darstellen, ergibt sich eine beantragte Entschädigung
von 392,- EUR (Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 120,- EUR, Kosten für die Aushilfe in der Änderungsschneiderei in
Höhe von 120,- EUR, Kosten für Kinderbetreuung in Höhe von 120,- EUR, Fahrtkosten (für 80 km) in Höhe von 20,- EUR, Zehrkosten
in Höhe von 9,80 EUR, RVV-Ticket in Höhe von 2,20 EUR). Die Beschwerde ist damit zulässig.
2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren
Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände
zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (ständige Rspr. des Senats, vgl.
z.B. Beschluss vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B - m.w.N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden
hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 18; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 4 JVEG, Rdnr. 28).
3. Fahrtkosten
Der Beschwerdeführerin sind antragsgemäß Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG in Höhe von insgesamt 22,20 EUR zu erstatten.
Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels.
Wählt der Zeuge bzw. Beteiligte (für einen Teil der Strecke) die Anreise mit dem Kraftfahrzeug, werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG für jeden gefahrenen Kilometer 0,25 EUR ersetzt. Reist ein Zeuge bzw. Beteiligter (einen Teil der Strecke) mit einem öffentlichen,
regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittel an, werden ihm gemäß § 5 Abs. 1 JVEG die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der
Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.
Zu entschädigen sind die objektiv erforderlichen Fahrtkosten. Was objektiv erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der
im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln. Dabei geht der Senat in ständiger Rechtsprechung
und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt wird, davon aus, dass nicht nur die
Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind. Weitere Ausnahmen
kommen dann in Betracht, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (z.B. Unzumutbarkeit der kürzesten
bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen) (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12).
Die Ermittlungen zur Streckenlänge können unter Zuhilfenahme der im Internet jedermann zugänglichen Routenplaner vorgenommen
werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13).
Macht ein Antragsteller keine Angaben zur gefahrenen Strecke oder ist seine Streckenangabe nicht nur geringfügig höher als
die Entfernung, wie sie sich bei Zuhilfenahme der Routenplaner im Internet ergibt, ist dem Fahrtkostenersatz grundsätzlich
die dem Routenplaner zu entnehmende Streckenlänge zur schnellsten Route ohne einen Toleranzaufschlag zugrunde zu legen (vgl.
Beschluss des Senats vom 21.10.2015, Az.: L 15 RF 38/15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht die kürzeste Strecke mit einem
nur geringen zeitlichen Mehraufwand verbunden ist, sodass ein wirtschaftlich denkender Reisender, der die Kosten selbst tragen
müsste, wegen der Mehrkosten nicht die schnellste, sondern die kürzeste Strecke wählen würde.
Bei insgesamt von der Beschwerdeführerin angegebenen und plausiblen 80 km Fahrtstrecke und einer Entschädigung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer errechnet sich ein Fahrtkostenersatz von 20,- EUR. Für die im Übrigen
mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahrene Strecke sind die von der Beschwerdeführerin durch Vorlage der Fahrkarte nachgewiesenen
Kosten in Höhe von 2,20 EUR zu erstatten.
Insgesamt errechnet sich daher ein Fahrtkostenersatz von 22,20 EUR.
4. Entschädigung für Verdienstausfall
Der Beschwerdeführerin steht eine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG nicht zu, da nicht nachgewiesen ist, dass sie infolge des Gerichtstermins überhaupt einen Verdienstausfall erlitten hat.
In seiner Grundsatzentscheidung vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, hat sich der Senat umfassend mit der Frage der Entschädigung für Verdienstausfall auseinander gesetzt. Er hat dabei - kurz
zusammen gefasst - folgende Kernaussagen getroffen:
* Um das Tatbestandsmerkmal des Verdienstausfalls im Sinn des § 22 JVEG bejahen zu können, bedarf es (nur) des Nachweises, dass überhaupt ein solcher Ausfall entstanden ist, nicht aber in welcher
Höhe. * Dieser Nachweis ist im Vollbeweis zu führen, da das JVEG keine Beweiserleichterung enthält. * Dieser Beweismaßstab gilt sowohl bei abhängig beschäftigten als auch bei selbständig
tätigen Anspruchstellern. Wegen der bei letzterer Berufsgruppe wesensmäßig vorliegenden Nachweisschwierigkeit ist durch das
Gericht im Rahmen der ihm obliegenden freien Beweiswürdigung gemäß §
128 Abs.
1 SGG aber sicher zu stellen, dass der gesetzlich vorgesehene Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall nicht faktisch leer
läuft. * Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, ist die Beurteilung am Tag des Gerichtstermins,
der den Entschädigungsanspruch nach dem JVEG zur Folge hat. Spätere Entwicklungen bleiben bei der Festsetzung der Entschädigung unberücksichtigt. * Zu entschädigen ist
die nach objektiven Maßstäben zu ermittelnde "gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten",
nicht mehr wie früher unter Geltung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen die "versäumte Arbeitszeit". Die konkret ausgefallene Arbeitszeit ist daher nicht zu ermitteln; eine fiktive Mittagspause
kann nicht in Abzug gebracht werden (vgl. auch Beschluss des Senats vom 06.12.2013, Az.: L 15 SF 39/13).
An diesen Grundsätzen hat sich auch im hier zu entscheidenden Fall die Beantwortung der Frage zu orientieren, ob und wenn
ja in welcher Höhe der Beschwerdeführerin eine Entschädigung für Verdienstausfall zu gewähren ist.
Bei Würdigung sämtlicher Umstände ist der Nachweis, dass durch den Gerichtstermin überhaupt ein Verdienstausfall entstanden
ist, nicht geführt.
Bei der Überzeugungsbildung, ob ein Verdienstausfall an sich, d.h. unabhängig von der konkreten Höhe, eingetreten ist, dürfen
die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht nur im Sinn der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie
(Leitgedanke der Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, und vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), sondern insbesondere auch um zu vermeiden, dass die gesetzliche Regelung des § 22 JVEG für Selbständige ins Leere läuft, nicht überspannt werden (vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11). Gleichwohl können unbelegte Angaben zu einer selbständigen Tätigkeit und einem behaupteten Verdienstausfall nicht völlig
ungeprüft oder ohne Plausibilitätsprüfung einer Entschädigung zugrunde gelegt werden. Vielmehr muss - im Rahmen der niederschwelligen
Prüfpflichten - nachgewiesen sein, dass die selbständige Tätigkeit von einer gewissen Nachhaltigkeit und Regelmäßigkeit ist
(vgl. Landgericht - LG - Stendal, Beschluss vom 20.11.2008, Az.: 23 O 515/07). Denn wenn ein Selbständiger nur mit deutlich reduziertem zeitlichem Einsatz seiner Tätigkeit nachgeht, wird er oft in der
Lage sein, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen. Daraus ergibt sich die durchaus nicht fernliegende Möglichkeit, dass er
durch den Gerichtstermin überhaupt keinen Verdienstausfall erleidet, weil er die von ihm im Rahmen der beruflichen Tätigkeit
zu erbringenden Arbeiten an einem anderen Tag erledigen kann und wegen des Gerichtstermins überhaupt keinen Auftrag ablehnen
muss (vgl. Beschluss des Senats vom 08.04.2015, Az.: L 15 SF 387/13; LG Rostock, Beschluss vom 15.11.2002, Az.: 2 T 23/01). Diese nicht fernliegende Möglichkeit, dass durch den Gerichtstermin überhaupt kein Verdienstausfall eingetreten ist, steht
dem im Vollbeweis zu erbringenden Nachweis eines Verdienstausfalls entgegen. Denn Vollbeweis bedeutet, dass die zu beweisende
Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderliche Tatsache mit absoluter Gewissheit feststeht.
Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses
des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsache zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92).
Kann daher nur von einer nicht regelmäßig oder nur mit zeitlich reduziertem Aufwand ausgeübten selbständigen Tätigkeit ausgegangen
werden, wird ein Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall regelmäßig scheitern (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 28.07.1998,
Az.: L 19 RJ 257/95.Ko; Beschlüsse des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12, und vom 22.10.2015, Az.: L 15 RF 24/15). Daraus folgt beispielsweise, dass eine Entschädigung für Verdienstausfall ausgeschlossen
sein dürfte, wenn Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezogen werden, da der Bezug von Leistungen nach dem SGB II - von seltenen Ausnahmefällen abgesehen - Beleg für die fehlende Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit der selbständigen Tätigkeit
ist; dies gilt jedenfalls bei Leistungsbezug nach dem SGB II in Höhe des Regelsatzes (vgl. Beschlüsse des Senats vom 08.04.2015, Az.: L 15 SF 387/13, und vom 16.04.2015, Az.: L 15 SF 330/14).
Im vorliegenden Fall steht der Annahme eines im Vollbeweis nachgewiesenen Verdienstausfalls entgegen, dass die Beschwerdeführerin
im Jahr 2014 aus der von ihr ausgeübten selbständigen Tätigkeit als Änderungsschneiderin nur Einkünfte in Höhe von 257,- EUR
bezogen hat. Daraus lässt sich der Rückschluss ziehen, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 keiner relevanten selbständigen
Tätigkeit nachgegangen ist. Darauf, dass die von der Beschwerdeführerin angegebene Tätigkeit als selbständige Änderungsschneiderin
nur von geringem Umfang gewesen sein kann, sprechen auch die Angaben der Beschwerdeführerin im Antrag vom 01.03.2014 zu ihrem
Stundensatz von 15,- EUR. Ausgehend von der Richtigkeit dieser Angabe kann der zeitliche Umfang dieser selbständigen Tätigkeit
nur gering ausgeprägt gewesen sein; anders wäre der dem Einkommenssteuerbescheid zu entnehmende minimale Gewinn aus selbständiger
Tätigkeit nicht zu erklären (vgl. auch Beschlüsse des Senats vom 16.04.2015, Az.: L 15 SF 330/14, und vom 22.10.2015, Az.: L 15 RF 24/15).
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat noch auf folgende zwei Gesichtspunkte hin:
* Sofern das SG noch - anders als der Senat jetzt - von einem Verdienstausfall ausgegangen ist, ist dies bei Zugrundelegung der dem SG bekannten Tatsachen und bei Beachtung der in der Rechtsprechung des Kostensenats postulierten niederschwelligen Prüfpflichten
nachvollziehbar und zutreffend gewesen. Im Beschwerdeverfahren haben sich jedoch aufgrund des Hinweises des Bezirksrevisors
im Schreiben vom 13.11.2015 gewichtige Zweifel an den Angaben der Beschwerdeführerin ergeben, die sich dann durch die Angaben
im Einkommenssteuerbescheid für 2014 bestätigt haben. * Dass einer Entschädigung für Verdienstausfall grundsätzlich auch die
Tatsache entgegenstehen würde, dass von der Beschwerdeführerin zur Vermeidung eines Verdienstausfalls eine Vertretung beschäftigt
worden ist und die Kosten dafür dem Gericht in Rechnung gestellt werden, bedarf mangels Entscheidungserheblichkeit keiner
weiteren Erläuterung.
5. Entschädigung für Zeitversäumnis
Der Beschwerdeführerin steht aber eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG in Höhe von 19,25 EUR zu.
5.1. Ob der Entschädigung für Zeitversäumnis
Eine Entschädigung für Zeitversäumnis wird regelmäßig dann zu erbringen sein, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile
bei der Haushaltsführung geltend gemacht werden können. Denn bei dieser Entschädigung für sonstige Nachteile ist es nicht
erforderlich, dass dem Berechtigten geldwerte Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 20, Rdnr. 4). Zudem besteht mit § 20 letzter Halbsatz JVEG eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein Nachteil erstanden ist.
Mit der Frage, wann die gesetzliche Vermutung als widerlegt zu betrachten ist, hat sich der Senat eingehend in seinem Grundsatzbeschluss
vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, auseinander gesetzt. Danach ist lediglich dann, wenn einem Antragsteller "ersichtlich" kein Nachteil entstanden ist, eine
Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zu leisten. Davon, dass ersichtlich kein Nachteil entstanden ist, ist dann auszugehen,
wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte,
oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist. Von ersterem ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller
im Antrag nichts angibt, was auf eine Zeitversäumnis hindeutet und nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle
im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl.
z.B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E). Ob der Nichteintritt eines Nachteils aus anderen Gründen ersichtlich, d.h. offensichtlich erkennbar ist, ist anhand
der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten sind dabei angesichts der gesetzlichen
Vermutung nur sehr gering (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Denn mit der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG wird auch der Verlust von Freizeit entschädigt, wobei die Verwendung von Freizeit sehr vielgestaltig ist und im Belieben
des Einzelnen steht. Eine Beurteilung der Wertigkeit der Freizeitgestaltung steht dem Kostenbeamten genauso wie dem Kostenrichter
nicht zu.
Dadurch, dass die Beschwerdeführerin eine Entschädigung für Verdienstausfall beantragt hat (, die ihr aber nicht zugesprochen
werden kann), kann ihr nicht unterstellt werden, dass sie die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, sodass ihr
die nachrangig zustehende Entschädigung für Zeitversäumnis, die sie nicht explizit beantragt hat, zuzusprechen ist (vgl. Beschlüsse
des Senats vom 24.04.2013, Az.: L 15 SF 62/13, vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13, und vom 14.09.2015, Az.: L 15 RF 25/15; zur vergleichbaren Situation wie hier, dass Entschädigung für Verdienstausfall beantragt
wird, ein Verdienstausfall aber nicht nachgewiesen ist: vgl. Beschluss des Senats vom 18.11.2013, Az.: L 15 SF 121/11 - m.w.N.). Ihr kann nicht entgegen gehalten werden, dass sie nicht explizit eine Entschädigung für Zeitversäumnis geltend
gemacht hat. Denn dies ist darauf zurückzuführen, dass sie eine finanziell höherwertige Entschädigung für Verdienstausfall
beantragt hat.
5.2. Zu entschädigende Zeitdauer
Es ist eine Entschädigung für 5,5 Stunden zu gewähren.
Die Dauer der zu entschädigenden Zeit ergibt sich aus § 19 Abs. 2 JVEG. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG ist die "gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten" zu berücksichtigen. Diese Regelung
gilt für alle nach Zeit zu bemessenden Entschädigungstatbestände.
Die Notwendigkeit der Dauer der Heranziehung ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung - nach objektiven Kriterien
zu ermitteln (vgl. zur Fahrtstrecke: Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12; zu Verpflegungskosten: Beschluss des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 277/10; zur Begleitperson: Beschluss des Senats vom 02.11.2012, Az.: L 15 SF 82/12). Dabei ist auch die im gesamten Kostenrecht geltende Kostenminimierungspflicht zu beachten (vgl. Beschluss des Senats vom
02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12). Dies darf aber nicht dazu führen, dass nur die retrospektiv ermittelte unverzichtbare Abwesenheitszeit entschädigt wird.
Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, ob die tatsächlich vorliegende Abwesenheitszeit nicht aus nachvollziehbaren Gründen
länger war als die unverzichtbare Zeit (vgl. Beschlüsse des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 15.05.2014, Az.: L 15 SF 118/14). So hat beispielsweise der Zeuge bzw. Beteiligte bei der Anfahrt zum Gericht gewisse Unsicherheitsfaktoren (z.B. Staugefahr)
zu berücksichtigen. Ein vernünftig denkender Zeuge bzw. Beteiligter wird zudem ein gewisses Zeitpolster einkalkulieren, sodass
er eine rechtzeitige Ankunft, die insbesondere auch im Interesse des ladenden Gerichts liegt, nicht gefährdet. Gegebenenfalls
benötigt ein Beteiligter vor dem Termin auch noch etwas Zeit, um den Fall mit seinem Bevollmächtigten zu besprechen. Bei entsprechend
langer Abwesenheit von zu Hause oder der Arbeitsstelle kann es auch erforderlich sein, dass der Zeuge bzw. Beteiligte eine
Pause macht, um sich für die weitere Fahrt zu stärken. Da hier bei Berücksichtigung der spezifischen Einzelfallumstände zahlreiche
Konstellationen denkbar sind, die eine etwas längere Zeit begründen, dürfen im Sinn der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie
an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (Leitgedanke der Rechtsprechung
des Kostensenats, vgl. dazu die oben bei Ziff. 4. angeführte Rechtsprechung). Sofern die vom Zeugen bzw. Beteiligten angegebene
Zeit nicht lebensfremd erscheint, wird sie daher regelmäßig der Entschädigung zugrunde zu legen sein (ständige Rspr. des Senats,
vgl. z.B. Beschluss vom 15.05.2014, Az.: L 15 SF 118/14).
Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 JVEG wird die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen;
anderenfalls beträgt die Entschädigung die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.
Begrenzt ist die Dauer gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG auf 10 Stunden je Tag.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin eine Abwesenheitszeit von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr, also von 8 Stunden angegeben.
Auch bei der gebotenen großzügigen Betrachtungsweise und einem für 12.15 Uhr geladenen Gerichtstermin, dessen Beginn sich
um 55 Minuten verzögert hat, kann diese Zeitdauer nicht mehr als objektiv erforderlich betrachtet werden, zumal sich aus dem
Routenplaner nur eine Fahrtzeit von einfach knapp einer Stunde ergibt. Es kann daher bei für die Beschwerdeführerin ausgesprochen
großzügiger Betrachtung und Berücksichtigung dessen, dass die Beschwerdeführerin für die Fahrt zum SG auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen ist, allenfalls eine gerichtsterminsbedingte Abwesenheit von insgesamt 5,5 Stunden
zugrunde gelegt werden, wie dies auch das SG getan hat.
5.3. Ergebnis bei der Entschädigung für Zeitversäumnis
Bei einem gemäß § 20 JVEG zugrunde zu legenden Stundensatz von 3,50 EUR ergibt sich bei einer zu entschädigenden Zeitdauer von 5,5 Stunden eine Entschädigung
für Zeitversäumnis in Höhe von 19,25 EUR.
6. Erstattung von Kosten für eine Vertretung in der Änderungsschneiderei der Beschwerdeführerin
Der Beschwerdeführerin sind die geltend gemachten Kosten für die Beschäftigung einer Vertretung in ihrer Schneiderei in Höhe
von 120,- EUR nicht zu erstatten.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 JVEG kann ein Zeuge bzw. Beteiligter den Ersatz von Kosten für eine Vertretung als sonstige Aufwendung verlangen. § 7 Abs. 1 JVEG lautet wie folgt:
"Auch die in den §§ 5, 6 und 12 nicht besonders genannten baren Auslagen werden ersetzt, soweit sie notwendig sind. Dies gilt
insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen."
Die Prüfung orientiert sich an der Prüfung der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Begleitung zu einem Gerichtstermin (zu
letzterem vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, und vom 09.12.2014, Az.: L 15 SF 313/14).
6.1. Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten für eine Vertretung - Allgemeines
Die Entschädigung setzt zunächst den Nachweis voraus, dass überhaupt Kosten ("bare Auslagen") für die Vertretung entstanden
sind (s. unten Ziff. 6.2.). Berücksichtigungs- und damit erstattungsfähig sind diese Kosten dann, wenn sowohl die Notwendigkeit
der Vertretung (s. unten Ziff. 6.3.) als auch die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Kosten nachgewiesen sind. Es
wird daher auch von einer doppelten Notwendigkeitsprüfung gesprochen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, und vom 21.10.2015, Az.: L 15 RF 38/15; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 06.01.2000, Az.: L 4 B 240/99 SF).
Die Notwendigkeit der Vertretung und der dafür entstandenen Kosten ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung
- nach objektiven Kriterien zu ermitteln (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E - m.w.N.).
Die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu
entscheiden (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 20.07.2009, Az.: L 15 SF 152/09, und vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 02.04.2007, Az.: L 6 B 116/06 SF; vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 7, Rdnr. 15).
Die entstandenen Kosten sowie die doppelte Notwendigkeit müssen, den allgemeinen Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren
folgend, im Vollbeweis (zu diesem Begriff vgl. oben Ziff. 4.) nachgewiesen sein.
6.2. Für die Vertretung entstandene Kosten
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die ihr entstandenen Kosten durch die Vorlage einer Quittung der Vertreterin
Frau E. vom 26.02.2014 über den Erhalt von 120,- EUR nachgewiesen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Quittung nur zum Schein ausgestellt worden wäre, um einen möglichst hohen Entschädigungsanspruch
geltend machen zu können, kann der Senat bei Berücksichtigung seines die gesamte Rechtsprechung zum JVEG durchziehenden Leitgedankens, wonach im Sinn der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie an die Prüfpflicht der Kostenbeamten
und Kostenrichter keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (Leitgedanke der Rechtsprechung des Kostensenats, vgl. dazu
die oben bei Ziff. 4. angeführte Rechtsprechung), nicht erkennen (vgl. auch Beschluss des Senats 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).
6.3. Notwendigkeit der Vertretung
Angesichts der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen hat sich der Senat nicht die Überzeugung davon verschaffen
können, dass eine Vertretung in der Änderungsschneiderei der Beschwerdeführerin objektiv erforderlich war. Auf einen Vertrauensschutz
kann sich die Beschwerdeführerin nicht berufen.
Die Zweifel des Senats, die einem Nachweis der Notwendigkeit der Vertretung im Sinn des Vollbeweises entgegenstehen, ergeben
sich aus der von der Beschwerdeführerin durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 2014 dargelegten Einkommenssituation.
Daraus ergibt sich, dass die von der Beschwerdeführerin ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Änderungsschneiderin nur von
geringem Ausmaß gewesen sein kann (s. dazu näher oben Ziff. 4.). Die gering ausgeprägte selbständige Tätigkeit legt es nahe,
dass es der Beschwerdeführerin ohne Probleme möglich gewesen wäre, den Tag des Gerichtstermins von Arbeiten im Rahmen ihrer
selbständigen Tätigkeit freizuhalten. Es bestehen daher nicht unerhebliche Zweifel daran, dass es objektiv erforderlich gewesen
ist, für diesen Tag eine Vertreterin in der Änderungsschneiderei zu beschäftigen.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat daraufhin, dass kein Anhaltspunkt für einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich
der Vertretungskosten ersichtlich ist.
7. Kinderbetreuungskosten
Der Beschwerdeführerin sind Kosten der Kinderbetreuung für 5,5 Stunden in Höhe von 82,50 EUR zu erstatten.
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 JVEG sind einem Zeugen bzw. Beteiligten im JVEG nicht besonders genannte angefallene Kosten zu ersetzen, wenn sie notwendig gewesen sind.
Die Prüfung orientiert sich an der Prüfung der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Begleitung zu einem Gerichtstermin (zu
letzterem vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, und vom 09.12.2014, Az.: L 15 SF 313/14) und folgt daher den gleichen Grundsätzen, wie sie bei der Beurteilung der Frage, ob eine Vertretung im Beruf erforderlich
war (vgl. oben Ziff. 6.), zugrunde zu legen sind.
Nicht entgegen steht einer Entschädigung wegen der für die Kinderbetreuung entstandenen Kosten, dass der Beschwerdeführerin
eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht. Denn ein pauschales Verbot eines Nebeneinanders von zwei Entschädigungstatbeständen,
wie sie vorliegend im Raum stehen, enthält das JVEG nicht. Vielmehr wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob ein Nebeneinander plausibel ist oder nicht. Insofern - darauf weist
der Senat nur am Rande hin, ohne dass dies hier entscheidungsrelevant wäre - kann es im besonders gelagerten Einzelfall durchaus
auch möglich sein, dass neben einer Entschädigung für Verdienstausfall auch Kosten für eine Kinderbetreuung erstattungsfähig
sind - nämlich dann, wenn es nachvollziehbar ist, dass ohne den Gerichtstermin gleichzeitig einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen
und das Kind betreut worden wäre.
7.1. Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten für eine Kinderbetreuung - Allgemeines
Die Entschädigung setzt zunächst den Nachweis voraus, dass überhaupt Kosten ("bare Auslagen") für die Vertretung entstanden
sind (s. unten Ziff. 7.2.). Berücksichtigungs- und damit erstattungsfähig sind diese Kosten dann, wenn sowohl die Notwendigkeit
der Vertretung (s. unten Ziff. 7.3.) als auch die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Kosten (s. unten Ziff. 7.4.)
nachgewiesen sind. Es wird daher auch von einer doppelten Notwendigkeitsprüfung gesprochen (vgl. oben Ziff. 6.1.).
Die Notwendigkeit der Vertretung und der dafür entstandenen Kosten ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung
- nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. oben Ziff. 6.1.).
Die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu
entscheiden (vgl. oben Ziff. 6.1.)
Die entstandenen Kosten sowie die doppelte Notwendigkeit müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein (vgl. oben Ziff. 6.1.).
7.2. Für die Kinderbetreuung entstandene Kosten
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die ihr entstandenen Kosten durch die Vorlage einer Quittung von Frau M. vom
26.02.2014 über den Erhalt von 120,- EUR nachgewiesen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Quittung nur zum Schein ausgestellt worden wäre, um einen möglichst hohen Entschädigungsanspruch
geltend machen zu können, kann der Senat bei Berücksichtigung seines die gesamte Rechtsprechung zum JVEG durchziehenden Leitgedankens, wonach aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die
Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht überspannt werden dürfen (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.06.2015,
Az.: L 15 SF 255/14 E), nicht erkennen (vgl. auch Beschluss des Senats 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).
7.3. Notwendigkeit der Kinderbetreuung
Angesichts der plausiblen Angaben der Beschwerdeführerin hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die Sicherstellung einer
anderweitigen Kinderbetreuung durch die Beschwerdeführerin objektiv erforderlich war. Bei zwei betreuungsbedürftigen Kindern
mit 3 und 11 Jahren, die ansonsten von der Beschwerdeführerin parallel neben ihrer zeitlich eingeschränkten selbständigen
Tätigkeit (s. oben Ziff. 4) betreut werden, hat die Beschwerdeführerin für den Tag des Gerichtstermins eine anderweitige Betreuung
sicherstellen müssen. Mit Blick auf die geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter folgt der Senat den Angaben
der Beschwerdeführerin, dass nur eine kostenpflichtige Betreuung in Betracht gekommen ist, zumal der angegebenen Stundensatz
von 15,- EUR in einem solchen Fall nicht fernliegend ist.
7.4. Notwendigkeit der für die Kinderbetreuung entstandenen Kosten
Für den Senat ist nur eine objektive Notwendigkeit für eine Zeit der Betreuung von 5,5 Stunden (vgl. oben Ziff. 5.2 - zur
objektiv notwendigen gerichtsterminsbedingten Abwesenheitszeit) und damit von Kinderbetreuungskosten in Höhe von 82,50 EUR
nachgewiesen. Diese Zeit ist auch bei der Entschädigung für die Kinderbetreuungskosten zugrunde zu legen, da aus der von der
Beschwerdeführerin vorgelegten Quittung ersichtlich ist, dass die Kinderbetreuung nach Stundenzahl abgerechnet worden ist.
Im Übrigen ergibt sich auch aus einem weiteren Verfahren der Beschwerdeführerin beim Senat, dass die Kinderbetreuung durch
Frau M. stundenweise abgerechnet wird. Denn in diesem anderen Verfahren hat die Beschwerdeführerin eine Quittung über 6 Stunden
vorgelegt, was beweist, dass von der Beschwerdeführerin jeweils nur die Zeit der tatsächlich erfolgten Kinderbetreuung bezahlt
werden muss.
7.5. Ergebnis bei der Entschädigung für Kosten der Kinderbetreuung
Es errechnet sich daher eine Entschädigung für 5,5 Stunden zu je 15,- EUR und damit von insgesamt 82,50 EUR.
8. Tagegeld (Zehrkosten)
Der Beschwerdeführerin ist keine Entschädigung für die von ihr geltend gemachten Zehrkosten zu gewähren. Ein Anspruch auf
Entschädigung für Aufwand gemäß § 6 Abs. 1 JVEG (Tagegeld) besteht nicht.
Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten pauschal abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder
der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind
als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
5 Satz 2 i.V.m. §
9 Abs.
4a Satz 3 Einkommenssteuergesetz (
EStG) wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner
Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mehr als acht bis unter 24 Stunden am Kalendertag ist seit dem 01.01.2014
infolge der Neufassung des §
9 Abs.
4a Satz 3 Nr.
3 EStG ein Pauschalbetrag von 12,- EUR anzusetzen.
Eine durch den Gerichtstermin objektiv erforderlich gewordene Abwesenheit von dieser Mindestdauer ist mit 5,5 Stunden im vorliegenden
Fall nicht gegeben, sodass eine Entschädigung für Aufwand in Form von Tagegeld nicht in Betracht kommt.
Der Beschwerdeführerin steht daher für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 26.02.2014 eine Entschädigung von insgesamt 123,95
EUR, nicht aber in Höhe von 392,- EUR, wie dies ihrem Begehren entspricht, zu.
Die Beschwerdeführerin hat daher mit ihrer Beschwerde nur geringen Erfolg.
Das Bayer. LSG hat gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).