Vergütung technischer Sachverständiger im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. In dem am Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit J. Z. gegen Tiefbau Berufsgenossenschaft
(Az.: L 3 U 111/05) ist der Antragsteller mit Beweisanordnung des BayLSG vom 10.07.2001 gemäß §
106 Abs.
3 Nr.
5 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zum technischen Sachverständigen bestellt worden. Für das "Technische Gutachten zur Frage der vertikalen Ganzkörperschwingungen"
vom 07.08.2008 hat der Antragsteller mit Rechnung vom 13.10.2008 (Beleg-Nr. 1049370233, Kunden-Nr. 272449) insgesamt 8.703,66
EUR geltend gemacht, die sich wie folgt aufschlüsseln: - 59 Stunden Aktenstudium und Organisation einer Altmaschine - 7,5
Stunden Vorbereitung, Durchführung und Reisezeit für Ortstermin an der Altmaschine - 2,5 Stunden Auswertung Ortstermin - 5
Stunden Vorbereitung Ortstermin, Bereitstellung und Kalibrierung der Messgeräte - 9,5 Stunden Durchführung der Messungen,
Reisezeit - 9,5 Stunden Durchführung der Messungen, Reisezeit mit einem Mitarbeiter - 3,5 Stunden Auswertung der Messungen
- 8 Stunden Auswertung der Messungen, Durchführung von Rechnungen, Erarbeitung des Gutachtens - 8 Stunden Erarbeitung des
Gutachtens - 8 Stunden Erarbeitung des Gutachtens.
Dementsprechend sind folgende Positionen in Rechnung gestellt worden:
- 59 Stunden x 80,00 EUR =
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4.720,00 EUR
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- 180 km x 0,30 EUR =
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54,00 EUR
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- 7,5 Stunden Reise x 80,00 EUR =
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600,00 EUR
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- Nebenkosten
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1.940,00 EUR
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- Summe
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7.314,00 EUR
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- + 19 % Umsatzsteuer
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1.389,66 EUR
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- Gesamtbetrag
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8.703,66 EUR
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Bei den Nebenkosten in Höhe von (netto) 1.940,00 EUR handelt es sich um die Kosten der Firma J. E. GmbH (Abbruch, Erdbewegung
usw.) für das Auf- und Abrüsten eines Menck-Baggers M154 samt Nebenkosten. Geltend gemacht worden sind 12 Stunden x 120,00
EUR = 1.440,00 EUR zuzüglich einer Pauschale in Höhe von 500,00 EUR = 1.940,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer. Der
Kostenbeamte des BayLSG hat mit Nachricht vom 11.12.2008 lediglich 4.972,00 EUR netto bzw. 5.916,68 EUR brutto bewilligt.
Entsprechend der Rechtsprechung des 15. Senats des BayLSG als Kostensenat zur Erstellung medizinischer Gutachten könne hier
nur ein Zeitaufwand des Hauptgutachters von 34,5 Stunden anerkannt werden. Wie bei einem medizinischen Kausalitätsgutachten
könne ausnahmsweise eine Vergütung nach M3 = 85,00 EUR pro Stunde der Anlage 1 zu § 9 Abs.1 JVEG gewährt werden. Die Entschädigung
für den Zeitaufwand betrage somit 2.932,50 EUR. Die Kosten der Hilfskraft mit 1.940,00 EUR netto seien hier berücksichtigungsfähig,
auch wenn der Stundensatz der Hilfskraft mit 120,00 EUR höher sei als der des Sachverständigen. Zuzüglich Nebenkosten ergäbe
sich eine Summe von netto 4.972,00 EUR bzw. brutto 5.916,68 EUR. Der Kostenbeamte des BayLSG hat die Angelegenheit dem 15.
Senat des BayLSG als Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt. Die Honorierung technischer Gutachten in sozialgerichtlichen
Verfahren sei grundsätzlich zu klären. Der Antragsteller hat am 07.04.2009 telefonisch zum Ausdruck gebracht, dass auch er
eine Entscheidung über die Kosten anstrebe. Er halte die vorgenommene Kürzung von 2,786,98 EUR nicht für gerechtfertigt. Zu
berücksichtigen sei vor allem, dass eine vergleichbare Maschine dieses Alters in der näheren Umgebung hätte gefunden werden
müssen. Dadurch hätten ansonsten anfallende Fahrt- und Transportkosten erheblich reduziert werden können (geschätzt circa
7.000,00 EUR). Abschließend werde darauf hingewiesen, dass der allgemeine Stundensatz seines Hauses derzeit bei 129,00 EUR
netto liege und der Gerichtskostensatz schon aus diesem Grunde nicht kostendeckend sei.
II. Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte
dies mit Schreiben vom 19.02.2009 sinngemäß und nochmals telefonisch am 07.04.2009 ausdrücklich beantragt. Die Entschädigung
des Antragstellers für die Erstellung eines Gutachtens vom 07.08.2008 ist auf insgesamt 7.665,39 EUR festzusetzen. Dem Antragsteller
sind 1.748,71 EUR nachzuentrichten.
Das "Technische Gutachten zur Frage der vertikalen Ganzkörperschwingungen" vom 07.08.2008 ist vorliegend durch die Besonderheit
gekennzeichnet, dass erst ein vergleichbarer Bagger des Typs Menck M154 hat gefunden und wieder in Betrieb genommen werden
müssen. Diese Tätigkeiten hat der Gutachter nur unter Einschaltung von Hilfspersonen bewerkstelligen können. Der diesbezüglich
angegebene Zeitaufwand sowie der weitere Zeitaufwand für Reisezeiten, Messungen und auch der Zeitaufwand für die Erstellung
des eigentlichen Gutachtens sind in Berücksichtigung der Besonderheiten dieser technischen Begutachtung in sich schlüssig
und antragsgemäß zugrunde zu legen.
In Ansatz kommen somit 59 Stunden der Gutachtenserstellung, 7,5 Stunden Reisezeit sowie 12 Stunden Tätigkeit der Firma J.
E. GmbH. Für insgesamt 78,5 Stunden à 75,00 EUR pro Stunde ergibt sich eine Vergütung von 5.887,50 EUR netto.
Der Stundensatz bemisst sich nach § 9 Abs. 1 JVEG samt Anlage 1. Dort ist bestimmt, dass der Sachverständige für jede Stunde
ein Honorar in der Honorargruppe 6 in Höhe von 75,00 EUR erhält. Die Maßgeblichkeit der Honorargruppe 6 folgt aus der Anlage
1; danach werden Gutachten in dem Sachgebiet "Maschinen und Anlagen" der Honorargruppe 6 zugeordnet.
Der Senat verkennt nicht, dass in der "freien Wirtschaft" Stundensätze von 120,00 bis 129,00 EUR netto als angemessen erachtet
werden, wie von dem Antragsteller versichert. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist jedoch die Vergütung und
Entschädigung gerichtlich bestellter Sachverständiger in § 9 Abs. 1 JVEG und der hierzu ergangenen Anlage detailliert normiert.
Der Stundensatz von 75,00 EUR erscheint auch im Gesamtgefüge der Honorierung gerichtlich bestellter Sachverständiger angemessen
und nicht unbillig. Denn ärztliche Sachverständige werden in sozialgerichtlichen Verfahren regelmäßig nach der Honorargruppe
M2 = 60,00 EUR pro Stunde oder in Ausnahmefällen nach der Honorargruppe M3 = 85,00 EUR pro Stunden entschädigt. Mit einem
Stundensatz von 75,00 EUR pro Stunde liegt die Vergütung des Antragstellers hier zwischen den Stundensätzen für ärztliche
Sachverständige.
Entsprechendes gilt auch für die hinzugezogenen Hilfspersonen. Ein Stundensatz von 120,00 EUR wie von der Firma J. E. GmbH
in Ansatz gebracht, übersteigt den in § 9 Abs. 1 JVEG vorgesehenen Entschädigungsrahmen erheblich.
Der Fahrtkostenersatz ist antragsgemäß mit 54,00 EUR in Ansatz zubringen (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG).
Hinsichtlich der weiteren Nebenkosten fällt auf, dass Rüst-, Betriebsmittel-, Organisations- sowie Schreib- und Portokosten
nicht gesondert aufgegliedert geltend gemacht worden sind, sondern pauschal mit 500,00 EUR. Angesichts des technischen Aufwandes
im Rahmen der Gutachtenserstellung sind entsprechende Kosten glaubhaft (§§
202 SGG,
287 ZPO) und damit gemäß §
12 Abs.
1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 JVEG erstattungsfähig. Es handelt sich nicht um Kosten, die zu den üblichen Gemeinkosten im Sinne von
§ 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG zählen.
Es errechnet sich somit folgende Gesamtentschädigung: 5.887,50 EUR für 78,5 Stunden à 75,00 EUR; 54,00 EUR an Fahrtkostenerstattung;
Nebenkostenpauschale in Höhe von 500,00 EUR = 6.441,50 EUR. Zuzüglich 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 1.223,89 EUR ergibt sich
eine Gesamtvergütung in Höhe von 7.665,39 EUR.
Abzüglich der bereits geleisteten 5.916,68 EUR sind dem Antragsteller 1.748,71 EUR nachzuentrichten.
Der Einzelrichter hat das Verfahren gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen. Technische
Sachverständige können gemäß der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG keinen höheren Stundensatz beanspruchen als vergleichbar tätige
ärztliche Sachverständige.
Die Entscheidung ist gemäß §
177 SGG endgültig. Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§
4 Abs.
8 JVEG).