Gründe
Nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass
der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. In der
Entwurfsbegründung (BT-DRS. 14/5943, Seite 28 zu Nr. 65) wurde ausgeführt: " ... Es wird dem Gericht ermöglicht, in Fällen,
in denen Beteiligte oder ihre Vertreter bzw. Bevollmächtigte schuldhaft das Verfahren verzögert haben, ganz oder teilweise
die dadurch verursachten Kosten aufzuerlegen. Entsprechendes gilt, wenn der Beteiligte auf die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreites
sowie auf eine mögliche Kostentragungspflicht durch den Vorsitzenden in einem Termin hingewiesen worden ist. Außerdem wird
dem Gericht entsprechend § 34 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) die Möglichkeit eröffnet, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen, wenn die Erhebung der Klage oder sonstige Verfahrenshandlungen
als Missbrauch des grundsätzlich kostenfreien sozialgerichtlichen Rechtsschutzes anzusehen sind (z. B. bei substanzlosen Klagen
in Bagatellfällen) ... Diese Regelung trägt dem Schadensersatzprinzip Rechnung. Kosten im Sinne dieser Vorschrift können deshalb
vor allem die dem Gericht entstandenen Kosten für eine Beweisaufnahme, für das Absetzen eines schriftlichen Urteils oder die
allgemeinen Gerichtshaltungskosten sein ..."
Der Senat leitet aus dieser klaren Regelung in §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGG zunächst ab, dass auch weiterhin Verschuldenskosten erhoben werden können. Aus dem Verweis auf § 34 BVerfGG scheint es im Übrigen auch naheliegend, die schuldhaft verursachten Kosten einem Vertreter oder Prozessbevollmächtigten aufzuerlegen
(Krauß in Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetzt, 2014, § 192, Rn. 11).
§
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG erfordert nach Auffassung des Senats folgende Voraussetzungen:
a) Bezüglich des Begriffs der Missbräuchlichkeit kann wegen des Bezugs auf § 34 BVerfGG auf die Bestimmung des Begriffs der Missbräuchlichkeit nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen zurückgegriffen
werden (Krauß in Roos/Warendorf, Sozialgerichtsgesetzt, 2014, § 192, Rn. 25, m.w.N.) Missbräuchlich ist danach insbesondere
eine offensichtlich unzulässige oder unbegründete Rechtsverfolgung, die von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen
werden muss (z.B. BVerfG, Beschluss vom 25.10.2011-2 BvR 751/11-, Rn. 7; BVerfGK 6, 219 (219); 10, 94 (97); 14, 468 (470)). Offensichtlich aussichtslos ist allerdings eine Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung nur dann, wenn sich die maßgeblichen Rechtsfragen entweder unmittelbar aus dem Wortlaut der einschlägigen
Vorschriften beantworten lassen oder durch höchstrichterliche Rechtsprechung zweifelsfrei geklärt sind (Krauß in Roos/Warendorf,
Sozialgerichtsgesetzt, 2014, § 192, Rn. 26, m.w.N.). Hängt der Ausgang eines Rechtsstreites maßgeblich von einer Beweiswürdigung
ab, kann sich die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung auch als offensichtlich aussichtslos darstellen, wenn ein gesteigertes
Maß an Aussichtslosigkeit besteht (vergleiche z.B Bay. LSG, Beschluss vom 20.12.2006 - L 8 AL 130/05). Allein eine ungünstige Beweissituation oder Beweislage wird einen Missbrauch jedoch noch nicht begründen können. Vielmehr
muss ein gewisses Maß an Aussichtslosigkeit bestehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Gutachten oder gar ein Gutachten
nach §
109 SGG das Begehen nicht stützen. Ergibt sich die Position des Klägers jedoch aus einem Gutachten, wird sich eine Missbräuchlichkeit
nur schwer begründen lassen.
b) Die Frage, ob eine objektivierte Einsichtsfähigkeit, wenn also ein verständiger Kläger von der Rechtsverfolgung Abstand
nehmen oder ein verständiger Beklagter den geltend gemachten Anspruch ohne Weiteres anerkennen würde (Krauß in Roos/Warendorf,
Sozialgerichtsgesetzt, 2014, § 192, Rn. 30), ausreichend oder auf die subjektive Einsichtsfähigkeit abzustellen ist (Schmidt
in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt,
SGG, 12. Aufl., §
192, Rn. 9a), ist vorliegend nicht zu klären, da die Klägerin anwaltlich vertreten ist und die Einsichtsfähigkeit der Bevollmächtigten
ausreicht.
c) Weitere Voraussetzung für die Auferlegung von Missbrauchskosten nach §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG ist, dass der Vorsitzende den Beteiligten die Missbräuchlichkeit seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darlegt
und ihn außerdem auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen hat (Warnfunktion)
(Krauß in Roos/Warendorf, Sozialgerichtsgesetzt, 2014, § 192, Rn. 31). Insoweit reicht auch eine schriftliche Aufklärung der
Beteiligten aus.
d) Die Entscheidung nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGG steht im Ermessen des Gerichts. Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Dabei sollte das Gericht den Grad
der Missbräuchlichkeit oder der Schwere des Verschuldens, die Höhe der entstandenen Kosten und die wirtschaftlichen Verhältnisse
der Betroffenen berücksichtigen. Daneben stellt sich im Rahmen des Ermessens auch die Frage, ob der Klägerin oder gegebenenfalls
dem Prozessbevollmächtigten Verschuldenskosten aufzuerlegen sind. Bezüglich der Höhe der beabsichtigten Gerichtskosten ist
zu beachten, dass es sich hier nicht um Gerichtskosten im Sinne von § 1 GKG, sondern um eine Regelung über Schadensersatz handelt. Als Mindestbetrag ist die Pauschgebühr nach §
184 Abs.
2 SGG für die jeweilige Instanz anzusetzen. Darüber hinaus können Gebühren erhoben werden, welche jedoch im Einzelfall begründet
werden müssen. e) Nur, wenn der Beteiligte trotz des richterlichen Hinweises den Rechtsstreit fortführt, so können diese Verschuldenskosten
erhoben werden.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2018 darauf
hingewiesen hat, dass die Klage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben kann. Ausdrücklich ist im Protokoll vermerkt:
"Das Gericht weist die Klägerin darauf hin, dass laut §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG ihr durch Beschluss ganz oder teilweise die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können, wenn sie den Rechtsstreit fortführt,
obwohl ihr von der Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden ist." Das Sozialgericht hat vor
Einholung des Sachverständigengutachtens durch Dr. K. einen Befundbericht des behandelnden Psychiaters D. eingeholt.
In der Begründung des angegriffenen Urteils des Sozialgerichts München vom 26.06.2018 wurde auf Seite 5 ausgeführt: "Das Gericht
kann im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte
den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm von der Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt
wurde und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Den Beteiligten
steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach §
184 Abs.
2 SGG für die jeweilige Instanz, das sind 150.- Euro. Die Vorsitzende hat die Missbräuchlichkeit der Weiterführung ausführlich
in der Sitzung am 26.06.2018 dargelegt und auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung nach §
192 SGG hingewiesen. In der mündlichen Verhandlung wurde von der Klägerseite darauf hingewiesen, Hintergrund der Fortführung des
Rechtsstreits sei, dass die Klägerin den GdB von 50 solange wie möglich behalten möchte, auch wenn er ihr nicht mehr zusteht,
da sie dann diverse Vorteile länger wahrnehmen könne. Der Klägerin und ihrer Bevollmächtigten wurde die Missbräuchlichkeit
dieses Verhaltens eindeutig dargelegt. Es erfolgte keine Stellungnahme zum Gutachten. Ein Antrag nach §
109 SGG wurde nicht gestellt. Die Ergebnisse der Beweisaufnahme sind somit eindeutig und wurden nicht angezweifelt. Die Fortführung
des Rechtsstreits ist rechtsmissbräuchlich, da sie alleine zur Erlangung nicht mehr zustehender Vergünstigungen erfolgt. Das
Gericht legte der Klägerin daher Verschuldenskosten in Höhe von 150.- Euro auf."
Das Sozialgericht hat zwar das Ermessen in §
192 SGG zutreffend erkannt. Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Gerichts war jedoch nicht möglich, da dem Gericht die weiteren
vom Beklagten beigezogenen Befundberichte und Unterlagen aus der Rentenakte nicht vorlagen. Im Übrigen ist nicht erkennbar,
ob dem Gericht im Rahmen der Ermessensentscheidung bewusst war, dass die Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch bezieht. Dies ergibt sich jedenfalls nicht aus den Urteilsgründen.
Im Übrigen hat die Klägerbevollmächtigte ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Landessozialgericht
bestritten, in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München auf die Wirkungen des § 199 Sozialgesetzbuch Neuntes
Buch Bezug genommen zu haben. Dies musste jedoch nicht weiter aufgeklärt werden, da bereits die zuvor aufgeführten Ermessensaspekte
zur Aufhebung der Kostenentscheidung führten.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.