Rentenversicherung
Zuschuss zur privaten Krankenversicherung
Mitversicherte Familienmitglieder
Zusammengefasste Familienversicherung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines höheren Zuschusses zur privaten Krankenversicherung des Klägers nach §
106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI).
Der im Jahr 1947 geborene verheiratete Kläger stellte am 3. Juli 2012 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Altersrente
für langjährig Versicherte. Ferner begehrte er einen Zuschuss zu seiner privaten Krankenversicherung gemäß §
106 SGB VI. Laut Bescheinigung der Gothaer Krankenversicherung AG vom 19. Juli 2012 war der Kläger dort seit dem 1. Januar 2010 versichert
und hatte von Januar bis Dezember 2010 einen Monatsbeitrag (ohne Anspruch auf Krankentagegeld) von 416,92 Euro und ab dem
1. Januar 2011 eine Monatsbeitrag von 443,33 Euro zu leisten. Der Monatsbeitrag für die mitversicherte Ehefrau belief sich
für die Zeit von Januar bis September 2011 auf 541,30 Euro und für die Zeit ab Oktober 2011 auf 497,64 Euro.
Mit Rentenbescheid vom 24. September 2012 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte beginnend
ab dem 1. November 2012 i.H.v. monatlich 1.967,79 Euro sowie einen Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag i.H.v. 133,88
Euro, so dass sich ein monatlicher Zahlbetrag von 1.967, 79 Euro ergab.
Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es müssten auch die Beitragsaufwendungen für seine
Ehefrau, die kein eigenes Einkommen habe und über ihn privat krankenversichert sei, bei der Berechnung des Zuschusses berücksichtigt
werden. Seine Frau wäre in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert, sofern er selbst gesetzlich versichert
wäre.
Die Beklagte erläuterte dem Kläger in mehreren Schreiben die Rechtslage. Bei privat krankenversicherten Rentnern werde der
Zuschuss gem. §
106 Abs.
3 SGB VI in Höhe des halben Beitrags geleistet, der sich aus der Anwendung des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen
auf den Rentenzahlbetrag ergebe:
Monatliche Rente: 1.833, 91 Euro
Zuschuss zur privaten KV
15,50 % - 0,90 % = 14,60 %
14,60 % von 1.833,91 Euro = 267,75 Euro
davon die Hälfte: = 133,88 Euro
monatlicher Zahlbetrag: 1.967,79 Euro.
Selbst bei einer angenommenen Prämienhöhe i.H.v. 1.000,00 Euro würden für den Kläger nur 133,88 Euro an Beitragszuschuss gezahlt
werden. Der Gesetzgeber kenne keinen zusätzlichen Zuschuss für Familienangehörige, wenn der Versicherte bereits selbst die
maximale Zuschusshöhe ausschöpfe. Erst wenn sich die Rente des Versicherten erhöhe, könne auch ein höherer Beitragszuschuss
gewährt werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2013 als unbegründet zurück.
Mit der vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) am 17. Juni 2013 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und die Gewährung eines monatlichen Beitragszuschusses
zur Krankenversicherung in Höhe der Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen zu seiner privaten Krankenversicherung von 221,67
Euro begehrt. Die Beklagte habe nur einen Zuschuss von maximal 133,88 Euro geleistet, obgleich die gesetzlichen Voraussetzungen
für einen Zuschuss zur Krankenversicherung bei seiner Ehefrau vorgelegen hätten.
Die Beklagte hat nach Hinweis des SG auf die Kommentierung im Kasseler Kommentar (zu § 106 Rn. 15) sowie ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Juni 1993 (BSG SozR 3/2500 § 57 Nr. 1) dahingehend Stellung genommen, dass auch vor dem Hintergrund der Kommentierung und der Ausführungen des BSG die Zahlung eines höheren Zuschusses nicht möglich sei. Die Voraussetzungen für eine mögliche Berücksichtigung von Aufwendungen
für die private Krankenversicherung der Ehefrau seien zwar erfüllt, da sie bei einer Mitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen
Krankenversicherung nach §
10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) familienversichert wäre. Da der Zuschuss (maximal) in Höhe des halben Betrags geleistet werde, der sich aus der Anwendung
des um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatzes auf den Zahlbetrag der Rente ergebe, könne sich die
Frage der Berücksichtigung von Aufwendungen für Familienangehörige erst dann stellen, wenn der Zuschuss auf die Hälfte der
Aufwendungen des Rentenbezieher zu begrenzen sei (§
106 Abs.
3 S. 2
SGB VI). Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn der Kläger schöpfe bereits mit der Hälfte seiner eigenen Aufwendungen (443,33
Euro: 2 = 221,67 Euro) den maximalen Zuschussbetrag aus (für November 2012: 7,3 % von 1.833, 91 Euro = 133, 88 Euro).
Mit Urteil vom 19. Juni 2014 hat das SG ohne mündliche Verhandlung den Bescheid vom 24. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2013
abgeändert und die Beklagte verpflichtet, für die Beitragsaufwendungen der Ehefrau des Klägers zur privaten Krankenversicherung
einen Beitragszuschuss in Höhe der Differenz zwischen seinem Krankenversicherungszuschuss und der Hälfte seiner eigenen Aufwendungen
zu leisten. Bei privat krankenversicherten Rentnern werde der Zuschuss in Höhe des halben Betrags geleistet, der sich aus
der Anwendung des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen auf den Rentenzahlbetrag ergebe (§
106 Abs.
2 bzw. Abs.
3 SGB VI). Da sich die eigenen Aufwendungen des Klägers auf 443,33 Euro beliefen, werde der Zuschuss auf die Hälfte seiner eigenen
Aufwendungen beschränkt, mithin auf maximal 221,67 Euro. Da der Kläger den Maximalbetrag nicht voll ausschöpfe, soweit die
Beklagte für ihn einen Krankenversicherungszuschuss i.H.v. 133,88 Euro für das Jahr 2012 errechnet habe, bestehe in Höhe der
Differenz von 87,79 Euro ein Anspruch auf einen Zuschuss für die Aufwendungen für die Krankenversicherung seiner Ehefrau.
Unrichtig sei die Auffassung der Beklagten, dass generell nie mehr als der um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderte allgemeine
Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Zahlbetrag der gesetzlichen Rente gezahlt werden könne, denn dann
würde die Möglichkeit, einem Beitragszuschuss auch für den Ehegatten zu erhalten, ins Leere laufen. Ein Zuschuss käme nie
in Betracht, da die Hälfte der tatsächlichen privaten Krankenversicherungsbeiträge in keinem Fall geringer sei als der entsprechend
geminderte Zahlbetrag der jeweiligen Rente (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1993 in SozR 3/2500 §
57 Nr. 1; Kasseler Kommentar zu §
106 SGB VI Rn. 15).
Gegen das ihr am 25. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Dezember 2014 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
(LSG) eingelegte Berufung der Beklagten, mit der diese ergänzend ausführt, dass auch dem Urteil des BSG vom 29. Juni 1993 lediglich zu entnehmen sei, dass zwar die Voraussetzungen für eine mögliche Berücksichtigung von Beitragsaufwendungen
Familienangehöriger bestehe, aber keine Ausführungen zur auch im §
257 SGB V enthaltenen Begrenzung auf die Hälfte der Aufwendungen gemacht würden. Da der Kläger bereits mit der Hälfte seiner eigenen
Aufwendungen von 221,67 Euro den maximalen Zuschussbetrag ausschöpfe (für November 2012 i.H.v. 133,88 Euro), komme §
106 Abs.
3 S. 2
SGB VI nicht mehr zum Tragen, so dass sich die weiteren Aufwendungen für die Ehefrau auf die Höhe des Zuschusses zur Krankenversicherung
tatsächlich nicht mehr auswirken könnten. Die Aufwendungen für die Ehefrau führten immer dann erst zu einer Erhöhung des Zuschusses,
wenn die Hälfte der tatsächlichen Aufwendungen des Klägers niedriger als der zunächst gemäß §
106 Abs.
3 S. 1
SGB VI berechnete Zuschuss sei. Es werde verwiesen auf das Urteil des LSG vom 13. Juni 2003 (L 5 RA 61/02) das in der anzuwendenden Begrenzungsregelung, die regelmäßig nicht die Hälfte der tatsächlichen Beitragsaufwendungen zur
privaten Krankenversicherung ausgleiche, keine verfassungsrechtlichen Bedenken sehe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Juni 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Ausführungen des SG und die Rechtsprechung des BSG vom 29. Juni 1993 (12 RK 9/92, SozR 3/2500 § 257 Nr. 1).
Der Kläger hat Versicherungsschein der Krankenversicherung nebst Nachträgen überreicht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, einen Zuschuss für die Beitragsaufwendungen der Ehefrau des Klägers
zur privaten Krankenversicherung in Höhe der Differenz zwischen seinem Krankenversicherungszuschuss und der Hälfte seiner
eigenen Aufwendungen zu leisten.
Nach §
106 Abs.
1,
3 SGB VI (in der hier noch anwendbaren Fassung vom 26. März 2007 (BGBl. I, Seite 378)) erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen,
das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Für
privat versicherte Rentenbezieher wird der monatliche Zuschuss in Höhe des halben Betrages geleistet, der sich aus der Anwendung
des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen auf den Zahlbetrag der Rente ergibt (§§
106 Abs.
2 S. 1
SGB VI, 241, 247, 249
SGB V). Bei pflichtversicherten Rentnern trägt der Träger der Rentenversicherung die Hälfte der aus der Rente zu berechnenden Beiträge
nach dem um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatz (§
249a SGB V). Durch die Gewährung des Beitragszuschusses stehen die freiwilligen Mitglieder in der Beitragsbelastung der Rente den Mitgliedern
der gesetzlichen Krankenversicherung gleich.
Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte den dem Kläger zu seiner privaten Krankenversicherung
zu gewährenden Zuschussbetrag entsprechend errechnet. Grundlage für die Berechnung des Zuschussbetrags ist die tatsächlich
gezahlte monatliche Rente von 1.833,91 Euro. Der einheitliche Beitragssatz gemäß §
241 SGB V beträgt 15,5 % der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Dieser ist gemäß §
249a SGB V um 0,9 Beitragssatzpunkte zu vermindern, beträgt also 14,6 %. Bei Anwendung dieses verminderten Beitragssatzes auf die monatliche
Rente des Klägers ergibt sich ein Betrag von 267,75 Euro (14,6 % von 1.833,91 Euro). Hierauf wird ein monatlicher Zuschuss
maximal in Höhe des halben Betrags geleistet (§
106 Abs.
3 S. 1
SGB VI), also ein Betrag von 133,88 Euro.
Ein höherer Zuschuss ist nicht zu gewähren. Da die Ehefrau des Klägers weder Rentnerin ist noch in einem Beschäftigungsverhältnis
steht, steht ihr kein eigener Anspruch auf Beitragszuschuss zur Krankenversicherung zu. Grundsätzlich besteht zwar die Möglichkeit
der Gewährung eines Beitragszuschusses für Krankenversicherungsaufwendungen für "mitversicherte" Familienmitglieder. Die "zusammengefasste
Familienversicherung" bezieht die im gemeinsamen Haushalt lebende Familie in einen Versicherungsvertrag ein, hierbei wird
die Bezeichnung des jeweilig versicherten Risikos und der dafür zu zahlenden Prämie auf jedes Familienmitglied bezogen. Auch
der vom Kläger überreichte Versicherungsschein weist als versicherte Person auch die Ehefrau mit eigenem Leistungsanspruch
bei eigenem versicherten Risiko aus. Voraussetzung für eine derartige Einbeziehung ist, dass das Familienmitglied bei einem
gesetzlich krankenversicherten Rentner ebenfalls im Sinne des §
10 SGB V familienversichert wären (vgl. Hirsch in LPK,
SGB VI, §
106 Rn. 8, 12). Dass dies - grundsätzlich - auch hinsichtlich der Ehefrau des Klägers der Fall wäre, bestreitet auch die Beklagte
nicht.
Dem Kläger erwächst aus dieser Konstellation kein Anspruch auf einen weiteren Zuschuss in Höhe des Differenzbetrags bis zur
maximalen Begrenzung des Zuschusses auf die Hälfte der Aufwendungen für die Krankenversicherung (§
106 Abs.
3 S. 2
SGB VI), hier also 221,67 Euro. Denn der Kläger hat nur Anspruch auf den nach den oben dargelegten gesetzlichen Vorschriften ermittelten
Zuschussbetrag, wie ihn die Beklagte errechnet hat. Diesen schöpft er voll aus, denn sein Anspruch auf Zuschuss beträgt nach
der zutreffenden Berechnung der Beklagten 133,88 Euro, wogegen die Hälfte seines tatsächlichen zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrags
221,67 Euro beträgt. Die weiteren Aufwendungen für die Versicherung der Ehefrau wirken sich bei dieser Konstellation auf die
Höhe des Zuschusses nicht mehr aus. Die Aufwendungen für die Ehefrau würden nur dann zu einer Erhöhung des Zuschusses führen,
wenn der Kläger mit der Hälfte der zu berücksichtigenden Aufwendungen für seine private Krankenversicherung nicht den für
ihn gemäß §§
106 Abs.
3,
249a SGB V ergebenden zuschussfähigen Betrag erreichen würde, diese also unter 133,88 Euro liegen würden.
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger zitierten Urteil des BSG vom 29. Juni 1993. Zwar führt das BSG aus, dass im dortigen Fall eines privat versicherten Angestellten diesem während des Mutterschutzes und Erziehungsurlaubs
seiner Ehefrau ein Anspruch auf Beitragszuschuss zu deren privater Krankenversicherung zustehe, weil seine Ehefrau im Fall
einer Versicherungspflicht vom Schutz der Familienversicherung nach §
10 SGB V erfasst würde. Hinsichtlich der Höhe des Beitrags des dortigen Klägers verhält sich das Urteil jedoch nicht, da die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses, u.a. die Beachtung des Grenzbetrags (§
257 Abs.
2 S. 2
SGB V), vom LSG bereits als erfüllt angesehen worden waren.
Schließlich führt auch das Argument des Klägers, die Begrenzung des Anspruchs auf Zuschuss auf den verminderten allgemeinen
Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Zahlbetrag der Rente würde dazu führen, dass ein Zuschuss für familienversicherte
Angehörige nie in Betracht käme, nicht zum Erfolg der Klage. Es trifft zwar zu, dass gerade bei älteren Menschen die zu entrichtenden
Beiträge an private Krankenversicherungen häufig höher sein werden als der maßgebliche Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung
mit der Folge, dass der zu gewährende Zuschuss auf die private Krankenversicherung eines Familienmitglieds bereits den gesetzlich
vorgeschriebenen Zuschusshöchstbetrag ausschöpft, so dass kein Zuschuss mehr zu Aufwendungen "mitversicherter" Familienmitgliedern
geleistet werden muss. Allerdings liegen Beiträge zu privaten Krankenversicherungen, z.B. bei jungen Menschen oder bei der
Inanspruchnahme lediglich des Basistarifs, oft unter den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, so dass durchaus Fallkonstellationen
denkbar sind, in denen der gesetzmäßig zu gewährende Zuschuss höher ist als der halbe Beitrag zur privaten Krankenversicherung.
Auch wenn die vom Kläger für sich und seine Ehefrau an die Gothaer Versicherung AG zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge
im Verhältnis zu der bezogenen Rente hoch sind, lässt sich jedenfalls aus dem geltenden Recht kein anderes Ergebnis ableiten.
Nach alledem ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 genannten Gründe vorliegt.