Rentenversicherung
Rückforderung nach Tod des Rentenbeziehers
Entreicherungseinwand der kontoführenden Bank
Gutgläubigkeit der Bank hinsichtlich der Berechtigung des über das Konto Verfügenden
1. Das BSG hat bereits entschieden, dass selbst bei einem zum Zeitpunkt des Eingangs des Rückforderungsverlangens im Soll befindlichen
Konto das Geldinstitut sich nicht auf den anspruchsvernichtenden Einwand der Entreicherung nach §
118 Abs.
3 Satz 3 Halbsatz 1
SGB VI berufen könne, wenn es bei Ausführung der in Betracht kommenden Verfügung Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers und Rentenempfängers
gehabt habe.
2. Als "anderweitige Verfügung" i.S.v. §
118 Abs.
3 Satz 3 Halbsatz 1
SGB VI sei jedes abgeschlossene bankübliche Zahlungsgeschäft zu Lasten des Rentenüberweisungskontos anzusehen, durch das sich eine
kontoverfügungsberechtigte Person des Kontos zur Bewirkung einer Zahlung oder Auszahlung bediene.
3. In Fällen, in denen die Bank den "Schutzbetrag" (Betrag der zu Unrecht auf das Konto des verstorbenen Versicherten überwiesenen
Rentengutschrift) trotz Kenntnis von dessen Tod an einen Erben oder einen Dritten auszahle, liege kein bankübliches Zahlungsgeschäft
und damit schon begrifflich keine anderweitige Verfügung i.S. des §
118 Abs.
3 Satz 3
SGB VI vor.
4. Selbst wenn sich diese Rechtsfolge nicht bereits aus dem Begriff der anderweitigen Verfügung ableite, sei das Ergebnis
kein anderes; denn die Gutgläubigkeit der Bank hinsichtlich der Berechtigung des über das Konto Verfügenden sei ein ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal des §
118 Abs.
3 Satz 3 Halbs 1
SGB VI; dies folge aus dem systematischen Gefüge sowie aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie ihrer Entstehungsgeschichte.
5. Die Kenntnis der Bank vom Tod des Kontoinhabers bei Ausführung einer Verfügung zu Lasten von dessen Konto schließe den
Einwand der anderweitigen Verfügung i.S. der vorgenannten Bestimmung aus.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) der Beklagten ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
Das Rechtsmittel der Berufung, das nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) vorliegend ausgeschlossen ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- € nicht übersteigt, ist nicht nach §
144 Abs.
2 SGG zuzulassen. Die in den Nrn. 1 bis 3 dieser Vorschrift normierten Zulassungsvoraussetzungen liegen nicht vor.
Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG zu. Sie wirft eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, nicht auf. Die vorliegend
entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob bei einem existierenden Konto die Kenntnis des Kreditinstituts vom Tod der Kontoinhaberin
und Rentenberechtigten dem Auszahlungseinwand des §
118 Abs.
3 Satz 3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI) entgegensteht, ist entgegen der Auffassung der Beklagten in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt, und zwar in dem vom Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Sinne.
Das BSG hat seine Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass selbst bei einem zum Zeitpunkt des Eingangs des Rückforderungsverlangens
im Soll befindlichen Konto das Geldinstitut sich nicht auf den anspruchsvernichtenden Einwand der Entreicherung nach §
118 Abs.
3 Satz 3 Halbsatz 1
SGB VI berufen könne, wenn es bei Ausführung der in Betracht kommenden Verfügung Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers und Rentenempfängers
gehabt habe. Als "anderweitige Verfügung" iSv §
118 Abs.
3 Satz 3 Halbsatz 1
SGB VI sei jedes abgeschlossene bankübliche Zahlungsgeschäft zu Lasten des Rentenüberweisungskontos anzusehen, durch das sich eine
kontoverfügungsberechtigte Person des Kontos zur Bewirkung einer Zahlung oder Auszahlung bediene (vgl BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 13 R 48/07 R = SozR 4-2600 § 118 Nr 9, Rn 19 mwN).In Fällen, in denen die Bank den "Schutzbetrag" (= Betrag der zu Unrecht auf das Konto
des verstorbenen Versicherten überwiesenen Rentengutschrift) trotz Kenntnis von dessen Tod an einen Erben oder einen Dritten
auszahle, liege kein bankübliches Zahlungsgeschäft und damit schon begrifflich keine anderweitige Verfügung iS des §
118 Abs.
3 Satz 3
SGB VI vor (vgl BSG, Urteil vom 5. Februar 2009 - B 13 R 87/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 8 Rn 32). Selbst wenn sich diese Rechtsfolge nicht bereits aus dem Begriff der anderweitigen Verfügung
ableite, sei das Ergebnis kein anderes. Denn die Gutgläubigkeit der Bank hinsichtlich der Berechtigung des über das Konto
Verfügenden sei ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des §
118 Abs.
3 Satz 3 Halbs 1
SGB VI. Dies folge aus dem systematischen Gefüge sowie aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie ihrer Entstehungsgeschichte.
Die Kenntnis der Bank vom Tod des Kontoinhabers bei Ausführung einer Verfügung zu Lasten von dessen Konto schließe den Einwand
der anderweitigen Verfügung iS der vorgenannten Bestimmung aus. Der 5a-Senat des BSG hatte dies in seinem Urteil vom 22. April 2008 (B 5a/4 R 79/06 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 6 Rn 16 f) näher begründet und der 13. Senat ist dem in seinen Urteilen vom 5. Februar 2009 (B 13/4 R 91/06 R - juris - Rn 34 f; - B 13 R 59/08 R = SozR 4-2600 § 118 Nr 7 Rn 34 f; - B 13 R 87/08 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 8 Rn 31 f) gefolgt. Der 5. Senat hat diese Rechtsprechung in seinen Urteilen vom 3. Juni 2009 (-
B 5 R 120/07 R - BSGE 103, 206 = SozR 4-2600 § 118 Nr 10, Rn 23; - B 5 R 65/07 R - juris - Rn 16 nochmals bekräftigt; auch das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen (vgl Urteil vom 24. Juni
2010 - 2 C 14/09 - Buchholz 239.1 §
52 BeamtVG Nr 1 - juris - Rn17).Der 13. Senat hat diese Rechtsprechung mit Urteil vom 24. Februar 2016 (- B 13 R 22/15 R = SozR 4-2600 § 18 Nr 14 - juris -) mit ausführlicher Begründung auch zu verfassungsrechtlichen Fragen fortgeführt und
keine durchgreifenden verfassungs- bzw europarechtlichen Bedenken gegen diese Gesetzesauslegung gesehen.
Aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Beschluss des 5. Senats des BSG vom 7. April 2016 (- B 5 R 26/14 R - juris) folgt keine andere Beurteilung. Darin hat der 5. Senat den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die in §
118 Abs.
3 Satz 2
SGB VI angeordnete Rücküberweisung zu Unrecht erbrachter Rentenleistungen nur erfolgen kann, wenn das Rentenzahlkonto noch vorhanden
ist, weil die Rücküberweisungspflicht sich nur auf dieses Konto beziehe (aaO. Rn 16). Indes ist vor dem Hintergrund dieser
Entscheidung eine Divergenz oder ein "diametraler Gegensatz" zur Rspr des 13. Senats in Bezug auf die vorliegend entscheidungserheblichen
Rechtsfragen, die eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründen könnte, nicht ersichtlich. Denn auch der 5. Senat
ging in der zitierten Entscheidung, in der das Kreditinstitut am 24. November 2009 Kenntnis vom Tod des 2009 verstorbenen
Rentenberechtigten hatte, danach am 30. November und 30. Dezember 2009 Rentengutschriften erfolgt waren und das Rückforderungsverlangen
erst am 26. März 2010 beim beklagten Kreditinstitut eingegangen war, davon aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen für einen
Rückzahlungsanspruch vorlagen (aaO. Rn 13), was denklogisch voraussetzt, dass der anspruchsvernichtende Auszahlungseinwand
mit der tatsächlichen Kenntnis des Todes nicht mehr geltend gemacht werden kann. Einer Rückzahlung stehe indes die Auflösung
des Rentenkontos entgegen. Allein deswegen erfolgte eine Anfrage beim 13. Senat (und zwar nur) dahingehend, ob dieser an seiner
Ansicht festhalte, dass ein Rücküberweisungsanspruch nicht die weitere Existenz des Rentenempfängerkontos voraussetze. Auch
die Ausführungen des 5. Senats, dass §
118 Abs.
3 SGB VI eine Haftung der Geldinstitute mit eigenem Vermögen nicht vorsehe, beziehen sich lediglich auf die Rechtsfrage, ob ein Rückgriff
auf andere Konten als das Rentenüberweisungskonto bzw eigene Konten des Kreditinstituts in Betracht kommt (vgl aaO. Rn 26ff).
Letzteres ist vorliegend aber nicht entscheidungserheblich und daher auch nicht klärungsbedürftig, weil das entsprechende
Konto noch existiert. Dass die Beklagte die für den vorliegenden Sachverhalt einschlägige und insoweit auch übereinstimmende
Rechtsauffassung der Rentensenate des BSG nicht teilt, rechtfertigt nicht die Annahme grundsätzlicher Bedeutung.
Es liegt auch im Übrigen keine - entscheidungserhebliche - Abweichung von einer Entscheidung eines der in §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG aufgeführten Gerichte vor. Das Sozialgericht (SG) hat keinen - entscheidungserheblichen - abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung der
genannten Gerichte widersprechen würde, zu denen das SG München (Urteil vom 16. März 2017 - S 31 R 502/16 -) nicht zählt. Die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist im Rahmen der NZB nicht zu prüfen. Schließlich
hat die Beklagte mit ihrer Beschwerde auch keinen Verfahrensmangel bezeichnet, der der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegt
und auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§
144 Abs.
2 Satz 2 Nr.
3 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §
197a Abs.
1 SGG iVm §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).