Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente.
Die Klägerin wurde 1948 geboren. Ab 01. Oktober 1981 bewohnte sie mit Herrn O S, welcher 1931 geboren worden war, das in ihrem
Eigentum stehende Einfamilienhaus Nstr. in B. Die Klägerin gibt den Wert des Hausgrundstücks mit 450.000,00 € an. Im Sommer
2002 wurde bei der Klägerin ein Mammakarzinom festgestellt. Es folgte eine Brustkrebsoperation. Danach fanden Nachbehandlungen
statt.
Herr S unterzog sich vom 03. bis zum 13. März 2003 einer stationären Krankenhausbehandlung in der Zentralklinik B. Nach dem
Arztbericht vom 14. März 2003 bestanden folgende Diagnosen: linksseitige Thoraxschmerzen unklarer Genese (kein Anhalt für
KHK), Herzrhythmusstörungen in Form gehäuft auftretender ventrikulärer, nicht symptomatischer Extrasystolen, anamnestisch
Leberzirrhose (Child-Pugh-Score 0 Punkte), narbige Residuen im rechten medialen Leberlappen, wahrscheinlich nach Übernähung
und Laparotomie 9/01 wegen intraabdominaler Blutung, Zustand nach prothetischer Ersatzoperation der A. subclavia links bei
Aneurysma der A. subclavia links am 27. Juli 1999. Im Herbst 2003 unterzog sich Herr S einer Prostatauntersuchung, derentwegen
auf den Arztbericht von Dr. F M und anderer vom 15. November 2003 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen wird, wonach wegen
der nur gering ausgeprägten Miktionsbeschwerden eine Behandlung zur Zeit nicht erforderlich sei.
Am 17. Dezember 2003 schlossen die Klägerin und Herr S die Ehe. Die Klägerin erzielte im Jahre 2004 aus ihrer Erwerbstätigkeit
als Immobilienmaklerin ein Einkommen von 47.064,00 €, vgl. Einkommenssteuerbescheid vom 03. Februar 2006. Am 21. Januar 2004
schlossen die Klägerin und Herr S einen Ehe- und Erbvertrag, wonach sie den gesetzlichen Güterstand und den Versorgungsausgleich
ausschlossen und auf nachehelichen Unterhalt wechselseitig verzichteten. Die Klägerin setzte Herrn S unter Befreiung von allen
Beschränkungen zum alleinigen Vorerben vor ihrem Bruder ein. Herr S setzte die Klägerin zu seiner Alleinerbin ein und beschränkte
seine Tochter auf den gesetzlichen Pflichtteil. Die Klägerin und Herr S behielten sich den Rücktritt von dem Erbvertrag vor
und gaben den Wert ihres gemeinsamen Vermögens nach Abzug der Verbindlichkeiten mit 250.000,00 € an.
Herr S befand sich vom 28. bis zum 30. September 2004 in stationärer Krankenhausbehandlung im C Klinikum, wo bei ihm ein Leberkarzinom
festgestellt wurde. Im Arztbericht vom 14. Dezember 2004 heißt es unter anderem, dass bei Herrn S seit 2001 ein HCC (gemeint:
hepatozelluläres Karzinom) bestehe. Es wurde eine riesige Leber mit kompletter Durchsetzung mit unzähligen malignen Läsionen
und ausgeprägter Aszitesbildung mit Indizien für eine Peritonealkarzinose festgestellt. Nachdem sich Herr S ab dem 15. November
2004 einer erneuten stationären Behandlung im C Klinikum unterzogen hatte, verstarb er am 17. November 2004. In dem Arztbericht
vom 24. Mai 2005 lautet die Diagnose: Weit fortgeschrittenes HCC bei C2-toxischer Leberzirrhose. Herr S bezog zuletzt eine
Rente in Höhe von rund 480 €.
Die Klägerin beantragte am 16. Dezember 2004 bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung Herrn
S. Sie reichte ein ärztliches Attest des Herrn S behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin und Akupunktur Dr. med. H vom
06. April 2005 ein, wonach dieser sowohl die Klägerin als auch Herrn S seit fast 20 Jahren ärztlich behandelt habe. Es sei
unter Berücksichtigung des Alters von Herrn S wiederholt zu stationären Therapien vorwiegend im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems
gekommen, welche Herr S völlig problemlos überstanden habe. Eine Einschränkung der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit
des Patienten habe nicht bestanden. Es sei bei Herrn S im September 2001 zu einer akuten intraabdominalen Blutung gekommen,
welche eine operative Versorgung notwendig gemacht habe. Hierbei sei ein Leberparenchymschaden diagnostiziert worden; bei
strikter Umstellung der Ernährungsweise und Diät hätten sich die Laborparameter in der Folgezeit völlig stabil gehalten. Der
anfängliche Verdacht auf ein bösartige Erkrankung der Leber, der im Dezember 2001 in der Zentralklinik B geäußert worden sei,
habe bei einer Nachuntersuchung in der Zentralklinik im Oktober 2002 widerlegt werden können. Eine Verlaufskontrolle durch
ein Kernspintomogramm des Abdomens habe keine suspekten Herde des Leberlappens gezeigt, so dass bei unauffälligen Laborparametern
nicht von einem Leberzellkarzinom habe ausgegangen werden können. Es sei mithin davon auszugehen, dass die Klägerin im Zeitpunkt
der Eheschließung mit Herrn S dessen Tod habe nicht auf absehbare Zeit erwarten können.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. med. H vom 20. Juli 2005 ein, wonach zum Zeitpunkt der Eheschließung
das Ableben Herrn S in absehbarer Zeit nicht zu erwarten gewesen sei, weil das tödlich verlaufene Leberkarzinom erst im September
2004 endgültig diagnostiziert worden sei. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 04. August 2005 und
der Begründung ab, dass die besonderen Umstände, welche die gesetzliche Vermutung einer so genannten Versorgungsehe bei einer
Ehedauer von weniger als einem Jahr widerlegen könnten, hier nicht vorlägen. Vielmehr unterstreiche das langjährige eheähnliche
Zusammenleben die Rechtsvermutung, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung gewesen sei, einen Anspruch
auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Klägerin erhob am 12. August 2005 Widerspruch. Sie führte zur Begründung aus, dass weder aus der Stellungnahme des beratenden
Arztes der Beklagten noch aus derjenigen des behandelnden Arztes Anhaltspunkte zu gewinnen seien, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung
das Ableben Herrn S in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen sei.
Die Beklagte führte für die Klägerin eine fiktive Rentenberechnung ab Januar 2004 durch, wonach sich eine Erwerbsminderungsrente
bei einem Leistungsfall im Dezember 2003 auf 432,66 € monatlich belief. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 28. Dezember 2005 und der Begründung zurück, dass die Klägerin besondere von der Rechtsprechung anerkannte Umstände für
die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung weder dargelegt noch bewiesen habe. Angesichts der Diagnosen der Zentralklinik
B aus dem Arztbericht vom 14. März 2003 sei die Klägerin über den ernsthaften Gesundheitszustand Herrn S im Zeitpunkt der
Eheschließung hinreichend informiert gewesen. Allein schon die Feststellung eines Verdachts auf Leberkarzinom durch die behandelnden
Ärzte begründe einen so schwerwiegenden Hinweis auf die Gefahr eines baldigen Ablebens, dass dies bereits Anlass für das Treffen
entsprechender Vorkehrungen sein könne. Insbesondere stelle die im Arztbericht der Zentralklinik B vom 14. März 2003 diagnostizierte
Leberzirrhose eine unumkehrbare progrediente narbig bindegewebige Umwandlung der Leber dar. Zudem unterstreiche das langjährige
eheähnliche Zusammenleben die Rechtsvermutung, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung gewesen sei,
einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 19. Januar 2006 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage weiterverfolgt und sich
hierbei zunächst im Wesentlichen auf die ärztlichen Stellungnahmen Dr. H und Dr. H bezogen. Die gesetzliche Vermutung einer
Versorgungsehe sei zudem durch die Einkommenssituation der Klägerin und Herrn S widerlegt. Es sei zu der Eheschließung gekommen,
weil Herr S habe versorgt werden sollen, als sie damals Krebs gehabt habe. Sie habe sichergehen wollen, dass Herr S das Haus
bekomme, wenn ihr etwas passiere, nachdem zuvor ihre junge Nichte und ihre ehemalige Schwägerin an Krebs verstorben gewesen
seien. Sie sei sich nicht sicher gewesen, wie sich ihre Geschwister verhalten würden, wenn sie stürbe und Herr S im Haus bleiben
wolle. Versorgungsausgleich und gesetzlicher Güterstand seien ausgeschlossen worden, weil es ja hätte passieren können, dass
sie und Herr S sich noch einmal zerstritten. Die Tochter Herrn S sei nur mit einem Pflichtteil bedacht worden, weil Herr S
schon lange keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt habe. Ihr sei daran gelegen gewesen, dass das Haus nach dem Tod ihres Ehemanns
in der Familie bleibe, zumal sich das Grundstück schon seit Generationen im Familienbesitz befinde. Zudem hätte Herr S im
Falle ihres Todes eine so hohe Erbschaftsteuer zahlen müssen, dass er das Haus hätte verkaufen müssen, was nur durch eine
Eheschließung habe umgangen werden können. Die Beklagte hat im Wesentlichen ihr vorgerichtliches Vorbringen vertieft.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 26. November 2008 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass
keine besonderen Umstände festzustellen seien, die ausnahmsweise die Anwendung des Anspruchsausschlusses ausschließen würden.
Es sei für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe nicht der erforderliche Vollbeweis des Gegenteils
erbracht worden. Die Klägerin habe vielmehr selbst angegeben, dass die Ehe aus Versorgungsgründen geschlossen worden sei.
Die Klägerin habe aufgrund der eigenen Erkrankung damit rechnen müssen, künftig keine wesentlichen Einkünfte mehr aus selbständiger
Tätigkeit erzielen zu können; aus der gesetzlichen Rentenversicherung hätte sie für diesen Fall lediglich eine Zahlung von
432,66 € monatlich zu erwarten gehabt, weshalb einer möglichen Witwenrente durchaus wirtschaftliche Bedeutung zugekommen sei.
Eine mögliche Witwenrente sei auch angesichts des Wertes ihres Hausgrundstücks, welchen sie mit 450.000,00 € beziffere, nicht
wirtschaftlich bedeutungslos, zumal die Klägerin vorgetragen habe, dass ihr die Veräußerung ihres Hauses nur schwer vorstellbar
sei.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 20. Januar 2009 zugestellte Urteil am 27. Januar 2009 Berufung eingelegt. Sie verweist zunächst
auf ein Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2007 - L 16 R 487/06 -, wonach für die Widerlegung genüge, dass beide Partner eine dauerhafte Beziehung mit Heiratsabsicht aufgebaut hätten, die
gerade nicht auf gegenseitige Versorgungsansprüche ausgerichtet gewesen sei. Dass im Zeitpunkt der Eheschließung der Tod des
Versicherten in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen sei, sei dann unschädlich. Sie ist unter Bezugnahme auf das Urteil des
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. August 2008 - L 1 R 193/06 - der Auffassung, dass die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bereits dann widerlegt sei, wenn lediglich für einen
der Ehegatten die Absicht, dem überlebenden Partner eine Versorgung zu verschaffen, bei der Eheschließung nachweislich nicht
maßgebend gewesen sei. Sie ist unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 17. Juli 2008 -
L 8 R 583/08 - der Meinung, dass die Dauer einer vorehelichen Lebensgemeinschaft Argument für als auch gegen das Vorliegen einer solchen
Versorgungsehe sei, weshalb maßgebend in diesem Zusammenhang die Umstände des Einzelfalls seien, welche hier für sie sprechen
würden. Der Zusammenbruch ihres Ehemanns im Jahr 2001 sei schrecklich gewesen. Sie habe damals und immer wieder Angst gehabt,
dass was passieren könne. Sie habe gedacht, man müsse jetzt entsprechende Regelungen treffen und alles ordnen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. August 2005 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Witwenrente aus der Versicherung
des O S zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält im Wesentlichen an ihrem bisherigen Vorbringen fest.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen
Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide
sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung Herrn S. Dies folgt aus §
46 Abs.
2 a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB VI), wonach Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente haben, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr
gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der
alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Begriff der
besonderen Umstände ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten
mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt,
ohne dass sich aus der Vorschrift selbst ergibt, was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist. Da §
46 Abs.
2 a SGB VI vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§
65 Abs. 6 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB VII]) und der Kriegsopferversorgung (§ 36 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes
[BVG]) nachgebildet ist (vgl. Bundestagsdrucksache 14/5495 Seite 44; siehe auch die inhaltsgleiche Norm des § 19 Abs. 1 S.
2 Nr. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes [BeamtVG]), kann an die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Begriff
der besondere Umstände angeknüpft werden, wonach Umstände alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls sind, welche auf
einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen, wobei es auf die gegebenenfalls
auch voneinander abweichenden Beweggründe beider Ehegatte ankommt, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten
beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasste. Die Annahme des anspruchsausschließenden
Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand nur dann
nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht
verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder, weil der Wortlaut auf den alleinigen oder
überwiegenden Zweck der Heirat abhebt, zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten
andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht
verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich
für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat. Eine abschließende Typisierung
und Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen ("besonderen") Gründe im Rahmen der Vorschrift ist angesichts
der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalles.
Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich - isoliert - zu
betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die
Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist.
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits-/Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung
zu. So kann ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand insbesondere dann
anzunehmen sein, wenn der Tod des Versicherten, bei welchem bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens
bekannt war, unvermittelt, das heißt plötzlich oder unerwartet eingetreten ist. Auf der anderen Seite ist bei Heirat eines
zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel
der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2 a Hs. 2
SGB VI nicht erfüllt. Indes ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose
und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest
gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung
diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen umso gewichtiger seien, je offenkundiger
und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt
mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem
Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besondere Umstände, welche von diesem für die Widerlegung der
gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres
nach Eheschließung angeführt werden. Bei alldem ist der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2 a Hs. 2
SGB VI nur erfüllt, wenn insoweit nach §
202 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in Verbindung mit §
292 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit;
die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Hiernach ist eine Tatsache bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich
ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen
Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Eingedenk des im sozialgerichtlichen Verfahrens
gemäß §
103 SGG geltenden Amtermittlungsgrundsatzes muss der Betroffene zur Anspruchsbegründung den Sachverhalt nicht darlegen und beweisen.
Er muss allerdings dann mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente rechnen, wenn nach
Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" im Sinne des §
46 Abs.
2 a Hs. 2
SGB VI nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender
Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige,
welcher den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R-, zitiert nach Juris Rdnr. 18 ff.).
Hiervon ausgehend vermag der Senat keine besondere Umstände im Sinne von §
46 Abs.
2 a Hs. 2
SGB VI zu erkennen, welche die volle richterliche Überzeugung dahin zu erbringen vermögen, dass es nicht der alleinige oder überwiegende
Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Begründung des Sozialgerichts trifft
zu. Hervorzuheben ist, dass in der Tat allein schon das Vorbringen der Klägerin, wonach Zweck der Ehe die Versorgung ihres
Ehemanns für den Fall ihres eigenen Ablebens gewesen sei, dafür spricht, dass die Ehe aus Versorgungsgesichtspunkten geschlossen
wurde. Sie bestätigt den Versorgungszweck der Eheschließung selbst ausdrücklich, indem sie in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat vorträgt, bereits durch den Zusammenbruch ihres Ehemanns im Jahr 2001 zur Einschätzung gelangt zu sein, dass etwas
passieren könnte, entsprechende Regelungen getroffen werden müssten beziehungsweise alles geordnet werden müsste. Der notarielle
Ehe- und Erbvertrag belegt den Versorgungszweck der Eheschließung ebenfalls. Aus ihm wird deutlich, dass die Eheleute nicht
nur eine Absicherung der Klägerin, sondern zumindest eine wechselseitige Absicherung bezweckten, indem Herr S die Klägerin
als seine Alleinerbin einsetzte. Davon abgesehen wirft insbesondere der beidseitige Ausschluss des Zugewinn- und Versorgungsausgleiches
die Frage auf, ob die Eheleute überhaupt noch davon ausgingen, dass der Tatbestand für einen Zugewinn oder Versorgungsausgleich
eintreten könnte. Auch angesichts des Umstandes, dass nachehelicher Unterhalt ausgeschlossen wurde, obwohl gerade Herr S nach
den von der Klägerin vorgetragenen Einkommensverhältnissen von einer nachehelichen Unterhaltsregelung hätte profitieren können,
vermag das Vorbringen der Klägerin, wonach der Ehe- und Erbvertrag vor allem der Versorgung Herrn Ss gedient habe, von vornherein
nicht zu überzeugen. Dass die Eheleute in der Tat auch eine Versorgung der Klägerin vor Augen hatten, wird letztendlich durch
den erbvertraglichen Teil des notariellen Vertrages belegt, wonach sie sich gegenseitig als Erben einsetzten und teilweise
vorrangige Erbansprüche verdrängten. Das gesamte Regelwerk des Ehe- und Erbvertrages deutet darauf hin, dass die Eheleute
für die Regelung nachehelicher Ansprüche gar kein Bedürfnis sahen, sondern im Wesentlichen nur noch die Erbfolge regeln wollten.
Für das von den Eheleuten gesehene Bedürfnis einer erbrechtlichen Regelung bot indes vor allem Herr S Gesundheitszustand hinreichenden
Anlass. Spätestens nach seinem Zusammenbruch im Jahr 2001 mit einer intraabdominalen Blutung und nach der nächsten stationären
Krankenhausbehandlung in der Zentralklinik E B, bei welcher unter anderem eine Leberzirrhose diagnostiziert wurde, war bei
Herrn S eine Leberkrankung in irreversiblem Endstadium gegeben und bekannt. Auch wenn damals noch ein Leberzellkarzinom ausgeschlossen
werden konnte, so stand neben dem Leberleiden auch angesichts der festgestellten Herz-Kreislauf-Beeinträchtigungen ein medizinischer
Sachverhalt fest, bei welchem ein alsbald eintretender Tod weder vollkommen überraschend noch ganz plötzlich erschienen wäre.
Diese Einschätzung teilte die Klägerin nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch selbst.
Demgegenüber lässt sich die von der Klägerin vorgetragene Befürchtung ihres eigenen baldigen Ablebens für den Zeitpunkt der
Eheschließung nicht verobjektivieren. Aus den von ihr vorgelegten ärztlichen Berichten, wonach im Sommer 2002 eine Brustkrebsoperation
stattfand, welche bis Ende Oktober 2002 mit einer Strahlentherapie nachbehandelt wurde, sowie aus ihren Angaben ergibt sich,
dass ihre Brustkrebserkrankung bereits im Zeitpunkt der Eheschließung erfolgreich behandelt worden und sie wieder voll berufsfähig
war.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision ist mangels Revisionszulassungsgrundes nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht zuzulassen.