Versicherungspflicht eines Kameramannes in der Sozialversicherung
Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Unternehmerrisiko
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung während
seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1).
Der Kläger ist Kameramann. Der Beigeladene zu 1) bietet als Dienstleistung die Erstellung von Rohmaterial für EB-Video-Produktionen
an, seine Auftraggeber sind öffentlich-rechtliche und private Sendeanstalten sowie Produzenten. Der Kläger wurde in der Zeit
vom 6. Dezember 2007 bis 22. November 2008 jeweils an mehren Tagen für verschiedene Produktionen beantragt. Er berechnete
dem Beigeladenen zu 1) dafür ein Honorar von 250,- € je Drehtag, 25,- € je angefallener Überstunde und stellte ihm auch gelegentlich
Fahrtkosten in Rechnung. Auf die Honorarsumme berechnete der Kläger jeweils Mehrwertsteuer.
Am 23. Mai 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in Bezug
auf seine Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1). Er sei als freiberuflicher Kameramann für mehrere Auftraggeber tätig. Er könne
frei entscheiden, ob er einen Dreh mache oder ihn absage. Beim Dreh sei er nicht weisungsgebunden und könne selbst über kreative
Abläufe entscheiden.
Nach Rückfrage bei dem Beigeladenen zu 1) und dem Kläger zu den Umständen der Tätigkeit hörte die Beklagte die Klägerin und
den Beigeladenen zu 1) dazu an, dass sie beabsichtige, ab dem 6. Dezember 2007 das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung
festzustellen. Ungeachtet der dazu von dem Beigeladenen zu 1) erhobenen Gegenvorstellungen entschied die Beklagte durch an
den Kläger und an den Beigeladenen zu 1) gerichteten Bescheid vom 20. März 2009, dass der Kläger seine Tätigkeit für den Beigeladenen
zu 1) ab dem 06. Dezember 2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Ein Kameramann gehöre in der
Regel nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern. Der Kläger sei in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und habe
vorgegebene Drehzeiten sowie am Arbeitsort die Vorgaben des Autors/Redakteurs zu beachten. Die erforderliche Ausrüstung werde
gestellt. Auch fehle das für Selbständige typische unternehmerische Risiko, da der Kläger kein eigenes Kapital einsetze.
In ihrem Widerspruch erklärte der Beigeladene zu 1), dass der Kläger keinem Direktionsrecht unterliege, vielmehr die inhaltlichen
und gestalterischen Vorstellungen zu Sendebeiträgen mit dem Autor/Redakteur bespreche. Weiter werde ignoriert, dass der Kläger
darüber entscheide, ob die vorhandene Technik ausreichend sei und dass ihm die Gestaltung seiner Bilder selbständig obliege.
Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass sich aus den tatsächlichen Umständen seiner Tätigkeit ergebe, dass er
selbständig sei. Auch gebe es in seinen Verträgen keinerlei Regelungen über Urlaub.
Die Beklagte wies die Widersprüche durch Widerspruchsbescheid vom 1. und 2. Dezember 2009 zurück. Die Tätigkeit des Klägers
als Kameramann trage keinen programmgestaltenden Charakter. Er sei wie ein beschäftigter Kameramann in die Arbeitsabläufe
des Beigeladenen zu 1) eingegliedert. Er trage kein Unternehmerrisiko und setze auch kein eigenes Kapital ein.
Dagegen richtet sich die am 13. Dezember 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage. Durch Bescheid vom 26. April
2010 hat die Beklagte ihren Bescheid vom 20. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2009 dahingehend
abgeändert, dass sie vom 6. Dezember 2007 bis 9. Dezember 2007, 13. Dezember 2007 bis 14. Dezember 2007, am 28. Dezember 2007,
vom 3. Januar 2008 bis 4. Januar 2008, am 7. Januar 2008, vom 25. Januar 2008 bis 26. Januar 2008, vom 2. Februar 2008 bis
3. Februar 2008, am 18. Februar 2008, am 7. März 2008, vom 12. März 2008 bis 16. März 2008, am 25. August 2008, vom 3. November
2008 bis 8. November 2008, vom 12. November 2008 bis 14. November 2008, 20. November 2008 bis 22. November 2008, 2. Dezember
2008 bis 4. Dezember 2008, 28. Dezember 2000 bis 29. Dezember 2008, 16. Januar 2008 bis 18. Januar 2008, 21. Januar 2008 bis
23. Januar 2008, 31. Januar 2008 bis 1. Februar 2008, vom 13. Februar 2008 bis 15. Februar 2008 und vom 12. März 2008 bis
15. März 2008 ab dem 19. Februar 2008 für den Kläger in seiner Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
feststellte.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 10. April 2013 die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seine Tätigkeit
als Kameramann für den Beigeladenen zu 1) nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet habe und die Tätigkeiten
keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem
Recht der Arbeitsförderung bedingten. Die Feststellung, dass der Kläger an den in den Bescheid genannten Tagen der Versicherungspflicht
nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege, sei bereits wegen eines Verstoßes gegen §
27 Abs.
3 Nr.
1 SGB III rechtswidrig. Dort sei nämlich bestimmt, dass Personen versicherungsfrei seien, soweit sie eine unständige Beschäftigung
berufsmäßig ausübten. Überdies sei der Kläger an den im Bescheid genannten Tagen nicht gegen Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen.
Die Merkmale einer Selbstständigkeit würden überwiegen. Der Kläger habe ebenso wenig wie der Beigeladene zu 1) an den im Bescheid
genannten Tagen Arbeitsverhältnisse begründen wollen. Das ergebe sich aus deren Angaben sowie der Tatsache, dass die Verträge
lediglich mündlich geschlossen worden seien und nicht die für einen Arbeitsvertrag typischen Rechte wie Anspruch auf Urlaub
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall enthielten. Auch sei der Kläger bei Annahme eines ihm von dem Beigeladenen zu 1) angebotenen
Auftrags nicht persönlich abhängig gewesen. Zwar habe er die jeweils geschuldete Leistung nicht erbringen können, ohne auf
die sächlichen Mittel (Techniken/Techniker) des Beigeladenen zu 1) zurückzugreifen. Das begründe aber nicht die einem Arbeitnehmer
vergleichbare Eingliederung in den Betriebsablauf des Beigeladenen zu 1). Auch Werkunternehmer seien auf Mittel und Handlungen
des Werkbestellers angewiesen. Der Beigeladene zu 1) habe nicht einseitig bestimmen können, dass der Kläger für ihn tätig
werde. Der Kläger habe vielmehr die Möglichkeit gehabt, Aufträge abzulehnen und habe sich gegenüber dem Beigeladenen zu 1)
nicht vertraglich für einen längeren Zeitraum gebunden. Jeder Vertrag, der zwischen den Beteiligten geschlossen worden sei,
habe nur einen Auftrag betroffen. Der Kläger sei in keine Dienstpläne oder Urlaubspläne eingeteilt gewesen und habe nicht
einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterlegen. Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit und Art
der Leistung habe der Kläger nur von dem Autor/Regisseur/Produzenten erhalten. Diese Vorgaben seien dem Beigeladenen zu 1)
nicht zuzurechnen. Außerdem glichen sie denjenigen, denen jeder Werkunternehmer unterliege. Sie hätten nicht den Gegenstand
der vom Kläger zu erbringenden Leistung betroffen sondern höchstens die Art und Weise, wie diese Leistung zu erbringen war.
Sie hätten sich in künstlerisch-fachlichen Vorgaben erschöpft, die kein Indiz einer persönlichen Abhängigkeit seien. Dem Kläger
seinen Freiheiten verblieben, die über die Freiheiten eines Arbeitnehmers weit hinausgingen. Ihm habe es oblegen, eine eigenschöpferische
Leistung zu erbringen, ohne die das Gesamtwerk nicht gelingen konnte. Ob der Kläger ein Unternehmerrisiko getragen habe, könne
dahinstehen. Denn der fehlenden Absicht, ein Arbeitsverhältnis zu begründen, sowie dem Fehlen einer persönlichen Abhängigkeit
gegenüber dem Beigeladenen zu 1) käme jedenfalls das größere Gewicht zu.
Gegen das ihr am 16. April 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Mai 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
eingegangene Berufung der Beklagten. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht programmgestaltend im Sinne der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts tätig geworden, sondern weisungsgebunden in Produktionsprozesse eingegliedert gewesen. Er sei
zur Bewältigung von Auftragsspitzen zusammen mit fest angestelltem Stammpersonal des Auftraggebers eingesetzt worden. Das
ergebe sich aus den Angaben des Beigeladenen zu 1) im Verwaltungsverfahren. Ein Unternehmerrisiko habe er nicht getragen,
sondern lediglich seine Arbeitskraft zu einem festen Tagessatz zur Verfügung gestellt. Die technische Ausrüstung habe der
Auftraggeber gestellt. Da der Kläger keinen Einfluss darauf habe, ob und welche von ihm gefilmten Szenen übernommen und zusammengeschnitten
würden, habe das entstehende Produkt keine eigene Aussagekraft. Die technische Umsetzung überwiege, das künstlerisch-individuelle
habe nicht im Vordergrund gestanden. Der Kläger habe auch weder über eine eigene Betriebsstätte verfügt noch seine eigene
Arbeitskraft mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt. Stattdessen sei ein erfolgsunabhängiges Pauschalhonorar mit Überstundenabgeltung
gezahlt worden. Auch die Gefahr, bei Schlechtleistungen keine Folgeaufträge zu erhalten, begründe kein Unternehmerrisiko.
Der Kläger sei im streitigen Zeitraum aber nicht unständig beschäftigt gewesen, vielmehr habe eine regelmäßig wiederkehrende
Beschäftigung vorgelegen. Denn die Beschäftigungen seien auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung erfolgt. Aus den vorgelegten
Einzelrechnungen sei auf das Bestehen einer Rahmenvereinbarung zu schließen. Eine Beschäftigung werde auch dann regelmäßig
ausgeübt, wenn der Beschäftigte zu wiederholten Arbeitseinsätzen auf Abruf bereit stehe, ohne dass es auf die Verpflichtung
ankomme, dem Abruf Folge zu leisten. Ob eine regelmäßige Beschäftigung vorgelegen habe, könne sich nach der Rechtsprechung
des BSG auch erst aus der Retrospektive ergeben. Die insofern unzutreffenden Bescheide vom 12. April 2012, mit denen Versicherungspflicht
in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung lediglich an den einzelnen Einsatztagen
festgestellt worden sei, seien daher durch den Bescheid vom 10. Juni 2013 zurückgenommen und durch die Feststellung ersetzt
worden, dass im strittigen Zeitraum eine regelmäßig wiederkehrende Beschäftigung vorlag. In diesem Bescheid wird festgestellt,
dass in der ausgeübten Beschäftigung als Kameramann bei dem Beigeladenen zu 1) vom 6. Dezember 2007 bis 16. März 2008, am
25. August 2008 sowie vom 3. November 2008 bis zum 15. März 2009 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung,
in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. April 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Bereits seine Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung belege, dass eine programmgestaltende Tätigkeit in Form einer
eigenkreativen Bildgestaltung vorgelegen habe. Er sei nicht lediglich zur Bewältigung von Auftragsspitzen eingesetzt worden,
sondern beispielsweise auf ausdrücklichen Wunsch der Regisseurin/Autorin K engagiert worden. Auch könne nicht von einem regelmäßigen
Engagement bei dem Beigeladenen zu 1) gesprochen werden, da er - der Kläger - seit den Jahren 2006 bis 2009 nicht mehr von
dem Beigeladenen zu 1) für Produktionen gebucht worden sei.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtskate und die Verwaltungsakte der Beklagten
verwiesen, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt,
dass der Kläger wegen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) nicht der Versicherungspflicht zu den Zweigen der Sozialversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Der Bescheid vom 20. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 1. Dezember 2009 sowie der Bescheide vom 26. April 2010 und 10. Juni 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten. Der Kläger stand in der Zeit vom 6. Dezember 2007 bis zum 15. März 2009 nicht in einem Beschäftigungsverhältnis
bei dem Beigeladenen zu 1), so dass schon dem Grunde nach keine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung,
zur sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Der Bescheid vom 26. April 2010 ist nach §
96 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Der Bescheid vom 26. April 2010 ergänzte den Bescheid vom 20. März 2009 in der Gestalt
des Widerspruchbescheides vom 1. Dezember 2009, der sich in der (unzulässigen) Feststellung eines einzelnen Elementes der
Versicherungspflicht erschöpfte, nämlich des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses. Wird in einem solchen Fall ein
wegen der Feststellung eines (unselbständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt
um das fehlende (andere) Element, hier das Vorliegen von Versicherungspflicht, zu einer vollständigen Feststellung ergänzt
- und erst damit einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht
-, liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten nach §
96 Abs.
1 SGG mit ergänzt (Urteil des BSG vom 28. September 2011 - B 12 KR 17/09 R -, zitiert nach juris). Abgeändert wurde der Bescheid vom 26. April 2010 dann noch durch den Bescheid vom 10. Juni 2013,
der abweichende Zeiten für das Bestehen von Versicherungspflicht festsetzte.
Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung
wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bestimmt sich nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III, §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V, §
1 Nr.
1 SGB VI und §
20 Abs.
1 Nr.
1 SGB XI. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung
danach erforderliche Beschäftigung wird in §
7 Abs.
1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für
eine Beschäftigung sind nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach
der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit,
Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere
bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige
Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über
die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige
Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des
Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. zum Ganzen BSG Urt. v. 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - juris Rn 16).
Der Kläger ist für den Beigeladenen zu 1) in dem streitigen Zeitraum als Kameramann tätig geworden. Er war nicht schon deswegen
weisungsgebunden in einen fremden Betrieb eingegliedert, weil die Auftraggeber des Beigeladenen zu 1) die Arbeitsergebnisse
des Klägers für die Produktion von Filmen nutzten. Die Tätigkeit des Klägers bezog sich auf einen unterscheidbaren Teilbereich
bei der Filmproduktion. Entsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass ein Filmausstatter bzw. Requisiteur seine Leistungen
grundsätzlich sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbringen kann
(Urteile v. 1. April 2015 und 9. Mai 2014 - L 1 KR 116/13 und L 1 KR 465/12 - juris Rn. 32). Auch setzt die Anerkennung als selbständige Tätigkeit nicht voraus, dass der Kläger als programmgestaltender
Mitarbeiter eingeordnet werden könnte. Dass nach der Rechtsprechung des BVerfG bei programmgestaltenden Mitarbeitern verfassungsrechtliche
Erwägungen gegen die zu weitgehende Einbeziehung in den Kreis der abhängig Beschäftigten der Sendeanstalten sprechen (BVerfG,
Beschluss v. 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u.a. - juris Rn 79/80) bedeutet nicht, dass jeder, der außerhalb des eigentlichen programmgestaltenden Bereichs an der Entstehung
von Rundfunk- oder Fernsehsendungen mitwirkt, ohne Weiteres als Arbeitnehmer anzusehen ist. Entscheidend ist, wie die Tätigkeit
des Klägers von dem Beigeladenen zu 1) bzw. dessen Auftraggebern organisiert und abgefordert worden ist. Maßgebend sind dabei
die Verhältnisse während der einzelnen Einsätze, welche der Kläger mit dem Beigeladenen zu 1) verabredet hatte (vgl. BSG v. 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - juris Rn 22; Urt. v. 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R - juris Rn 17). Auf die Möglichkeit des Klägers, ihm von dem Beigeladenen zu 1) angetragene Aufträge auch abzulehnen zu
können, kommt es dagegen nicht entscheidend an. Denn auch ein Arbeitnehmer ist frei in seiner Entscheidung darüber, ob er
ein Arbeitsverhältnis eingeht oder nicht.
Auszugehen ist zunächst von den zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Abreden. Zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen
zu 1) wurde kein schriftlicher Vertrag geschlossen. Es ist auch kein Inhalt ihrer mündlichen Vereinbarungen bekannt, der über
den Gegenstand des Auftrags und das dafür vereinbarte "Budget" hinausginge. Allerdings spricht die Handhabung der Vertragsabwicklung
dafür, dass die Beteiligten das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit zugrunde legten. Der Kläger hat dem Beigeladenen zu
1) nämlich jeweils projektbezogene Pauschalrechnungen gestellt, die zudem Umsatzsteuer auswiesen. Auch hat es - nach dem klägerseitigen
Vortrag - nie eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder die Gewährung von bezahltem Urlaub gegeben.
Indessen ergibt sich das Entstehen von Versicherungspflicht ohnehin aus dem Gesetz. Entsprechend kann sie nicht Gegenstand
einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche
Ausgestaltung der Verhältnisse, welchen gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen
kann (BSG Urt. v. 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - juris Rn 17; Urt. v. 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris Rn 17). Der Senat ist jedoch nicht zu der Überzeugung gekommen, dass der Kläger jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht
einem Weisungsrecht unterlegen hat, das von dem Beigeladenen zu 1) für seine Auftraggeber begründet worden und geeignet wäre,
eine abhängige Beschäftigung zu begründen.
Nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV entscheidet über das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung insbesondere das Ausüben einer Tätigkeit nach Weisungen und
eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Für eine solche Eingliederung des Beigeladenen zu
1) in eine fremde betriebliche Organisation spricht hier zwar, dass ihm der Termin der Aufnahmen, ihr Anlass und Verwendungszweck
durch die Auftraggeber des Beigeladenen zu 1) vorgegeben wurden, die auch die Arbeitsmittel stellten. Die Auftraggeber formulierten
zudem nach Angaben des Klägers über ihre Autoren ihre künstlerischen/gestalterischen Vorstellungen für die Bildgestaltung.
Allgemeine Vorgaben über den Inhalt der zu erbringenden Leistungen sind aber auch für Handwerker oder Rechtsanwälte üblich,
ohne dass deswegen deren Selbständigkeit in Frage stehen würde. In der Rechtsprechung des BSG ist etwa für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten anerkannt, dass eine abhängige Beschäftigung nicht bereits deswegen anzunehmen
ist, weil dem Dozenten der äußere Ablauf seiner Lehrtätigkeit vorgegeben wird (vgl. BSG Urt. v. 12. Februar 2004 - B 12 KR 26/02 R - juris Rn 29). Auch der Zwang, sich inhaltlich an gewissen Vorgaben auszurichten, führt nicht zur Annahme von Weisungsgebundenheit.
Tätigkeiten sind nämlich auch dann weisungsfrei, wenn zwar ihre Ziele vorgegeben werden, die Art und Weise der Ausführung
aber dem Dienstleister überlassen bleibt. Entsprechend hat der Senat etwa für die Selbständigkeit vom Bundesrat beauftragter
Führer des Besucherdienstes entscheidend darauf abgestellt, dass diese als Honorarkräfte im Kernbereich ihrer Tätigkeit frei
waren (Urt. v. 15. Juli 2011 - L 1 KR 206/09 - juris Rn 171) und auch bei beauftragten psychologischen Krisenberatern und Einzelfallhelfern eine selbständige Tätigkeit
für möglich gehalten (Urt. v. 13. Dezember 2013 - L 1 KR 261/11 - Urt. v. 17. Januar 2014 - L 1 KR 175/12 -).
Entscheidend gegen eine Beschäftigung spricht hier, dass der Beigeladene zu 1) im Kernbereich der von ihm übernommenen Aufgaben
weisungsfrei tätig werden sollte. Dazu hat der Kläger im Verwaltungsverfahren darauf verwiesen, dass er weitgehende gestalterische
Freiheit hat und es seiner eigenen schöpferischen Entscheidung unterliegt, welche Optiken, Lichtgestaltungen, Kran- oder Dollyfahrten
er unternimmt und ob er mit der Handkamera oder vom Stativ filmt bzw. bewegte oder statische Bilder macht. Dies hat er auch
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals ausgeführt.
Auch die dem Kläger vorgegebenen äußeren Rahmenbedingungen reichen nicht aus, um trotz der bestehenden inhaltlichen Gestaltungsfreiheit
die Annahme einer abhängigen Beschäftigung zu tragen. Zwar ist gerade für Tätigkeiten höherer Art charakteristisch, dass sich
die Weisungsgebundenheit auf eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess reduziert. Die Tätigkeit des Beigeladenen
zu 1) erfolgte aber weitgehend außerhalb der von den Auftraggebern des Beigeladenen zu 1) selbst geprägten Arbeitsabläufe.
Der Kläger übte nach seiner Darstellung, an der zu Zweifeln der Senat keine Veranlassung hat, seine Tätigkeit regelmäßig nicht
in arbeitsteiliger Zusammenarbeit mit anderen, von dem Beigeladenen zu 1) oder seinen Auftraggebern beschäftigten oder beauftragten
Kameramännern aus, sondern in einem Drehteam zusammen mit dem Ton- bzw. Technikassistent und der Technik. Wenn es zum Einsatz
von mehreren Kameraleuten kam, dann auf Veranlassung des Klägers, weil er es für künstlerisch geboten hielt oder selbst verhindert
war. Dies hat der Kläger im Verhandlungstermin vor dem Senat nochmals eindrücklich und nachvollziehbar geschildert. Der Kläger
trug danach die Verantwortung und hatte die Entscheidungsbefugnis für alle die Kamera betreffenden Aspekte. Insoweit ist die
von ihm für die Bezeichnung seiner Tätigkeit gewählte Bezeichnung "Regiekameramann" geeignet, seine herausgehobene Bedeutung
für die Produktion zu verdeutlichen Im Übrigen hat er zumindest gelegentlich ein eigenes Arbeitsmittel, nämlich einen Lichtkoffer
benutzt. Der Kläger gehörte - im Gegensatz zu dem Sachverhalt der Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. März 2012
- L 8 R 156/09, die von der Beklagten in Bezug genommen worden ist, nicht einem Pool von Kameramännern an, aus dem er zusammen mit anderen
Kameramännern tätig geworden ist. Der vorliegende Sachverhalt ist vielmehr vergleichbar mit dem Urteil des Landessozialgerichts
Baden-Württemberg vom 23. November 2011 - L 5 R 5703/09. Der dortige Kläger hatte ebenso überwiegend als einziger Kameramann im Team gearbeitet. Zu Unrecht meint die Beklagte aus
der Stellungnahme des Beigeladenen zu 1) im Verwaltungsverfahren herauslesen zu können, dass der Kläger nur beauftragt wurde,
wenn Arbeitsspitzen angefallen waren, die durch eigene Kräfte des Beigeladenen zu 1) nicht mehr bewältigt werden konnten.
Sie blendet dabei nämlich die Angaben des Beigeladenen zu 1) aus, dass der Kläger auch gezielt von den Auftraggebern des Beigeladenen
zu 1) nachgefragt worden ist, sowie den Vortrag des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht,
dass er keine Kameraleute als feste Angestellte habe.
Zwar trug der Kläger kein Unternehmerrisiko. Denn nach seinem Vortrag wurde er je Drehtag und unabhängig von den Ergebnissen
seiner Arbeit bezahlt. Das fehlende Unternehmerrisiko ist zwar ein gegen die Annahme von Selbständigkeit sprechendes Indiz.
Bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung tritt seine Bedeutung aber gegenüber der fehlenden Weisungsgebundenheit zurück. Danach
steht für den Senat fest, dass die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers hier die Annahme einer selbständigen
Tätigkeit rechtfertigt. Für eine selbständige Tätigkeit spricht ergänzend noch, dass der Kläger während des streitgegenständlichen
Zeitraums auch für weitere Auftraggeber tätig geworden ist und demnach werbend am Markt auftrat.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG sind nicht erkennbar.