Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2110 der
Berufskrankheitenverordnung (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen
im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können - BK Nr. 2110).
Der 1940 geborene Kläger arbeitete unter anderem von 1958 bis 1962 als Hilfsarbeiter und anschließend bis zu einem Unfall
am 7. Juli 1997, bei dem es zu einer Wirbelsäulenstauchung kam, überwiegend als Kraftfahrer bei verschiedenen Arbeitgebern.
Mit Schreiben vom 30. Januar 1998 bzw. 13. Juli 1998 zeigten die für den Kläger zuständige Krankenkasse bzw. sein Arbeitgeber
der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit an.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten teilte mit Schreiben vom 12. Februar 1999 unter anderem mit, die arbeitstechnischen
Voraussetzungen zur Annahme einer gefährdenden Belastung des Klägers im Sinne der BK Nr. 2108 seien nicht gegeben. Hinsichtlich
der BK Nr. 2110 seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen während der Tätigkeit von Oktober 1962 bis April 1989 gegeben.
Daraufhin veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch den Chefarzt der Klinik für Neurologie der Landesklinik
B Dr. M. Dieser führte unter dem 28. Mai 1999 unter anderem aus, bei dem Kläger liege eine Osteochondrose der Lendenwirbelsäule
mit besonderer Betonung des Übergangssegmentes L5/S1 vor. In diesem Segment sei es zusätzlich zu einem Bandscheibenprolaps
gekommen, der zu einer Wurzelkompression linksseitig führe. Die nachgewiesene berufsbedingte Ganzkörperschwingung, der der
Kläger langjährig in sitzender Position ausgesetzt gewesen sei, sei ursächlich als schädigendes Ereignis für die aufgetretenen
Lendenwirbelsäulenschäden anzusehen. Die MdE betrage 40 v. H. Er empfehle der Beklagten die Anerkennung des Beschwerdebildes
des Klägers nach BK 70 DDR-BKVO. Der mit der Erstellung einer gutachterlichen Stellungnahme beaufttragte Facharzt für Chirurgie und Arbeitsmedizin Dr. O
führte unter dem 29. Juni 1999 aus, dass unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufes, mit Beginn der Beschwerden circa
acht Jahre nach Beendigung der relevanten Expositionen, und der Befundkonstellation, mit Hinweisen auf eine Anlagestörung
in Form einer Dysostose, die auch im MRT vom 4. Mai 1999 beschrieben werde, sowie eines engen Spinalkanals eher von einer
vorwiegend endogenen Verursachung des Krankheitsbildes auszugehen sei. Nachdem auch der Facharzt für Arbeitsmedizin und Gewerbearzt
Dr. J in seiner Stellungnahme vom 20. Juli 1999 dem zugestimmt hatte, lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung einer
BK Nr. 70 BKVO-DDR mit Bescheid vom 27. September 1999 ab.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren wies der Kläger unter anderem darauf hin, dass er auch über den März 1989 bis zu seinem
Unfall am 07. Juli 1997 als Kraftfahrer tätig gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im anschließenden Klageverfahren (Az.
S 8 U 24/00) veranlasste die Beklagte eine erneute Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes, der unter dem 7. August 2000 unter
anderem ausführte, die Nutzfahrzeuge, die der Kläger ab April 1989 geführt habe, seien innerhalb der Lenkzeit nicht geeignet
gewesen, ausreichende Tagesdosiswerte zu verursachen. Eine Gesamtbelastungdosis der Lendenwirbelsäule infolge von Ganzkörperschwingungen,
die im Sitzen einwirken würden, habe nicht errechnet werden können. Es werde festgestellt, dass die Nutzfahrzeuge nicht geeignet
gewesen seien, eine gefährdende Belastung im Sinne der BK Nr. 2110 zu begründen.
Der in diesem Verfahren als Sachverständiger bestellte Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. L führte in seinem Gutachten vom 31.
Oktober 2001 unter anderem aus, bei dem Kläger bestehe ein Zustand nach Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers. Dieser
sei Folge des Unfalls vom 7. Juli 1997. Es lägen Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1996 bis 2000 vor. Im Jahr 1996, also vor
dem Unfall, sei eine Keilwirbelbildung des 1. Lendenwirbelkörpers nicht nachweisbar. Die Röntgenaufnahmen vom 7. Juli und
14. Juli 1997 seien sicher in direktem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall angefertigt worden. In beiden Aufnahmen sei
eindeutig bereits eine Reduktion der Vorderkantenhöhe nachweisbar. Diese Abnahme sei innerhalb der kurzen Zeit nach dem Unfall
um einige Millimeter zunehmend. Eine eindeutige und sichtbare Keilwirbelbildung sei in den nachfolgenden Aufnahmen nachweisbar.
Diese, in den Röntgenaufnahmen in unmittelbarem Zusammenhang zum Unfall nachweisbare Keilwirbelbildung, sei mit Wahrscheinlichkeit
Ergebnis des Unfalls. Die gesamte Lendenwirbelsäule des Klägers und auch die oberen Anteile der Brustwirbelsäule würden degenerative
Veränderungen aufweisen. Bandscheibenvorfälle in der unteren Lendenwirbelsäule und Einengungen der Neuroforamina würden beschrieben.
Es sei die Frage, ob die Beschwerden des Klägers eher durch die Keilwirbelbildung oder durch die allgemeinen degenerativen
Veränderungen hervorgerufen würden. Bei genauer Betrachtung des klinischen Bildes und des Beschwerdebildes müsse festgestellt
werden, dass der Ursprung der Beschwerden eher in den oberen Abschnitten der Lendenwirbelsäule lokalisiert werde. Die Beschwerden
würden in die unteren Bereiche der Brustwirbelsäule ringförmig um den Thorax und in den unteren Rücken ausstrahlen. Auch klinisch
sei der Hauptschwerpunkt der Beschwerden in die oberen Anteile der Lendenwirbelsäule zu projizieren. Auch anamnestisch seien
Rückenbeschwerden erst ab dem Unfalltag ein relevantes Problem. Hätte man vor dem Unfall 1997 die Frage gestellt, ob die Bedingungen
für eine BK Nr. 2110 erfüllt seien, so hätte man dies verneinen müssen. Der Kläger sei zwar in erheblichem Maße bis 1989 und
wahrscheinlich auch bis 1997 Ganzkörperschwingungen ausgesetzt gewesen. Die starken degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule
könnten als belastungsadäquates Schadensbild gewertet werden. Die relativ sporadisch auftretenden Rückenbeschwerden seien
damals aber in keiner Weise ein chronisches, funktionell relevantes und zu erheblichen Beeinträchtigungen führendes Krankheitsbild
gewesen. Direkt ab dem Unfallereignis habe jedoch eine erhebliche Beschwerdesymptomatik bestanden. Zu beachten sei auch, dass
die massive Stauchung im Zusammenhang mit dem Unfall auf eine bereits vorgeschädigte Wirbelsäule getroffen sei und den Prozess
möglicherweise verstärkt oder klinisch relevant gemacht habe. Eine exaktere Differenzierung, in welchem Maße das jetzige Beschwerdebild
allein auf die Stauchung oder auf die degenerativen Veränderungen zurückzuführen sei, sei nicht möglich. Eine genaue Abgrenzung
des Schadensbildes von einer BK Nr. 2110 sei ebenso wenig möglich. Eine besonders hohe und langjährige Belastung durch Ganzkörperschwingungen
habe vorgelegen. Die massiven degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und der unteren Brustwirbelsäule seien als
belastungskonformes Schadensbild zu werten. Das Beschwerdebild selbst sei aber eher unmittelbar Folge des Unfallereignisses.
Die MdE durch das Wirbelsäulenleiden infolge des Unfalls schätze er auf 30 v.H. ein.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2001 hat der Kläger die Klage (Az. S 8 U 24/00), gerichtet auf die Anerkennung einer BK nach Sonderentscheid nach dem Recht der ehemaligen DDR zurückgenommen und gleichzeitig
einen Antrag bei der Beklagten gestellt, ihm aufgrund des Arbeitsunfalls vom 07. Juli 1997, hilfsweise wegen einer BK Nr.
2110 eine Unfallrente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.
Nach Abschluss des Klageverfahrens hinsichtlich der Anerkennung von bleibenden Folgen des Arbeitsunfalls vom 07. Juli 1997
beantragte der Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember 2004 die Anerkennung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als BK Nr. 2110 und
führte unter anderem aus, er gehe zunächst davon aus, dass das bei ihm vorliegende Krankheitsbild auf die festgestellten beruflichen
Einwirkungen bis 1989 zurückzuführen sei. Außerdem bestreite er, dass er lediglich bis 1989 Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen
ausgesetzt gewesen sei. Er habe auch darüber hinaus bis zum 7. Juli 1997 als Berufskraftfahrer gearbeitet und sei hier Ganzkörperschwingungen
ausgesetzt gewesen. In der daraufhin von der Beklagten erneut veranlassten Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes
vom 3. Februar 2005 führte dieser unter anderem aus, die Tätigkeit des Klägers sei geeignet gewesen, eine Gefährdung im Sinne
der BK Nr. 2110 zu begründen. Bis zum 31. Dezember 1992 habe noch eine gefährdende Schwingungsbelastung in der überwiegenden
Anzahl der Arbeitstage und bis zum 31. Dezember 1994 in der nicht überwiegenden Anzahl der Arbeitstage bestanden.
Der von der Beklagten mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Chirurg Dr. E führte in seinem Gutachten vom 27. April
2005 unter anderem aus, unter Berücksichtigung der Röntgenaufnahmen von 1996/1997 mit nahezu unauffälligen Bandscheibenräumen
L3/L4, L4/L5, L5/S1 könne eine Berufskrankheit durch Vibrationsbelastungen der Bandscheiben nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Das Ausmaß der Veränderungen im Bereich dieser Segmente überschreite zusätzlich nicht das in diesem Alter zu erwartende. Von
einem seit langen Jahren bestehenden Beschwerdebild könne nicht ausgegangen werden. Ein durchgehendes Beschwerdebild bestehe
letztendlich erst seit 1997 nach Feststellung einer Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers. Hier würden sich auch weiterhin die
Hauptbeschwerden projizieren, die Beschwerden in den Lendenwirbelsäulensegmenten L4/L5, L5/S1 seien als eher gering anzusehen.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2005 lehnte die Beklagte nach Auswertung
dieses Gutachtens die Anerkennung einer BK Nr. 2110 ab.
Der im anschließenden Klageverfahren als Sachverständiger bestellte Chirurg und Sozialmediziner Dr. B hat in seinem Gutachten
vom 23. Dezember 2005 sowie einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. September 2006 unter anderem ausgeführt, der Kläger leide
nicht nur unter Verschleißerscheinungen im Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich, sondern auch im Halswirbelsäulenbereich.
Bei der Untersuchung anlässlich der Begutachtung seien funktionale Einschränkungen in sämtlichen Wirbelsäulenabschnitten nachweisbar
gewesen. Es lägen also generalisierte Wirbelsäulenveränderungen vor und nicht eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule
allein, die durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen zu Stande gekommen sei.
Auch habe der Kläger seine Tätigkeit nicht aufgegeben, weil solche Einwirkungen zu einem schwerwiegenden Körperschaden geführt
hätten. Es sei vielmehr nachweisbar, dass der Kläger auch in Wirbelsäulenabschnitten, die nicht den Lendenwirbelsäulenbereich
betreffen würden, immer wieder auftretende Beschwerden gehabt habe. Darüber hinaus werde auch auf eine Fehlhaltung der Wirbelsäule
und auf eine Spinalkanalstenose hingewiesen. Diese Veränderungen seien schicksalhaft aufgetreten. Die anlässlich der Begutachtung
durchgeführte radiologische Untersuchung habe zweifelsfrei ergeben, dass die Veränderungen im Halswirbelsäulenabschnitt und
im Brustwirbelsäulenabschnitt noch stärker entwickelt seien als in der Lendenwirbelsäule selbst. Insofern seien aus medizinischen
Gründen keine gesundheitlichen Voraussetzungen vorhanden, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule anzunehmen,
die berufsbedingt sei. Vielmehr liege ein generalisierter Verschleißprozess der Wirbelsäule mit besonderer Betonung der Halswirbelsäule
vor. Funktionale Einschränkungen seien in sämtlichen Wirbelsäulenabschnitten nachweisbar. Auch die radiologischen Untersuchungsbefunde,
die eine Spinalkanalstenose schon vor Jahren gesichert hätten, würden darauf hinweisen, dass bei dem Kläger erhebliche anlagebedingte
Vorschäden vorliegen würden, die die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bedingen würden. Die Gesundheitsstörungen, die festgestellt
worden seien, würden nicht die medizinischen Voraussetzungen nach der
Berufskrankheitenverordnung BK Nr. 2110 erfüllen. (Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Gutachtens sowie der ergänzenden Stellungnahme wird auf Blatt
41 bis 67 sowie 76 bis 77 der Gerichtsakte verwiesen).
Der gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ebenfalls als Sachverständiger bestellte Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. L hat in seinem Gutachten vom 16. Oktober 2007
unter anderem ausgeführt, im Vordergrund des von dem Kläger aktuell geklagten Beschwerdebildes seien die seit 1997 bestehenden
chronischen linksseitig pseudoradikulär ausstrahlenden Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule zu nennen. Sowohl die vorliegenden
konventionellen Röntgenaufnahmen als auch die Befunde der MRT- und CT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule würden seit 1997
bestätigen, dass sich in der gesamten Lendenwirbelsäule, aber auch der unteren Brustwirbelsäule des Klägers deutliche degenerative
Veränderungen finden lassen würden. Zusätzlich zu den Zeichen der Osteochondrosis intervertebralis sowie der Spondylosis vertebralis
seien im MRT 2001 auch ein Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 mit Einengung des Neuroforamens und eine Bandscheibenprotrusion
L4/L5 darstellbar. Weiterhin sei eine keilförmige Wirbelkörperdeformierung des 1. Lendenwirbelkörpers als Zustand nach Kompressionsfraktur
beschrieben. In neueren Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule (2005) würden auch in der unteren Halswirbelsäule geringe bis
mäßige Verschleißumformungen mit Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose nachgewiesen. Es könne damit die Diagnose
eines chronischen linksseitigen pseudoradikulär ausgeprägten lumbalen Schmerzsyndroms bei deutlichen degenerativen Veränderungen
der gesamten Lendenwirbelsäule und der unteren Anteile der Brustwirbelsäule und Keilwirbelbildung des 1. Lendenwirbelkörpers
gestellt werden. Dieses Krankheitsbild entspreche dem Krankheitsbild Typ 1 der Konsensempfehlungen. Zu fordern sei zusätzlich,
dass Grundlage für das klinische Bild altersuntypische degenerative (bandscheibenbedingte) Veränderungen der Lendenwirbelsäule
seien. Die Konsenskriterien würden dafür klare qualitative und quantitative Richtlinien für die Bewertung der entsprechenden
degenerativen Veränderungen (Chondrosegrad, Sklerose, Spondylarthrose, Spondylose, dorsale Spondylophyten, Bandscheibenvorfall)
nennen. Diese Kriterien habe er auf die vorliegenden Röntgenaufnahmen und MRT- bzw. CT-Befunde und Aufnahmen im vorliegenden
Fall angewandt. Unter Verwendung der vorliegenden Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule vom 22. Dezember 2005 würden sich
stark ausgeprägte (altersuntypische) degenerative Veränderungen insbesondere in der unteren Lendenwirbelsäule mit Chondrose,
Sklerose, Spondylosen, Spondylarthrose und Bandscheibenvorfall finden. Leichte ausgeprägte Veränderungen, die (ausgenommen
die Sklerosierung) noch alterstypisch seien, fänden sich aber auch in der oberen Lendenwirbelsäule. Hinzuweisen sei auf die
Keilwirbelbildung des 1. Lendenwirbelkörpers, die wahrscheinlich als Folge des Stauchungstraumas 1997 entstanden sei. Im Vergleich
zu den Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule aus dem Jahr 1996 (26. Februar 1996) sei festzustellen, dass 1996 die Chondrose
der unteren Lendenwirbelsäule geringer ausgeprägt gewesen sei. Spondylotische Kantenanbauten seien jedoch schon vorhanden
gewesen. Degenerative Veränderungen fänden sich auch im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule. Die Veränderungen in der Halswirbelsäule
seien aber nicht stärker ausgeprägt. Es sei außerdem kein entsprechendes klinisches Bild vorhanden, der Kläger klage weder
über Nacken- noch Schulter-Nackenschmerzen noch habe die klinische Untersuchung pathologisch relevante Auffälligkeiten ergeben.
Als konkurrierende Ursache sei die Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers zu diskutieren. In den Konsensempfehlungen werde angegeben,
dass insbesondere in Fehlstellung verheilte Lendenwirbelkörperfrakturen als konkurrierende Ursachen für die BK Nr. 2108 und
BK Nr. 2110 zu betrachten seien. Das Stauchungstrauma 1997 habe damals nicht unmittelbar zu einer Zerstörung des 1. Lendenwirbelkörpers
geführt, sondern sei wohl eher eine Stauchung der Vorderkante gewesen, die im Laufe der Zeit zu einer Keilwirbelbildung geführt
habe. Durch die röntgenologisch nachweisbare Keilwirbelbildung sei jedoch weder eine ausgeprägte Kyphosierung der Wirbelsäule
noch eine Instabilität bedingt worden. Versteifungen in dem Bewegungssegment mit biomechanischer Relevanz für die untere Lendenwirbelsäule
lägen nicht vor. Anzumerken sei jedoch, dass die vom Kläger geäußerten Beschwerden (auch) in der oberen Lendenwirbelsäule
lokalisiert würden. In der klinischen Untersuchung seien besonders die Dornfortsätze der oberen Lendenwirbelsäule klopfschmerzhaft
gewesen. Andererseits seien die pseudoradikulär in das linke Bein ausstrahlenden Schmerzen und Beschwerden auf die degenerativen
Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule zu beziehen. In seinem Gutachten von 2001 habe er bereits darauf hingewiesen,
dass es Schwierigkeiten bereite, die mit dem Stauchungstrauma in Zusammenhang stehenden Beschwerden von den Beschwerden abzugrenzen,
die durch die ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule hervorgerufen würden. Hilfreich könne in diesem
Fall sein, wenn man das Stauchungstrauma nicht als eigenständige Einwirkung betrachte, sondern als eine Form einer Einwirkung
mechanischer Schwingungen. Im aktualisierten Merkblatt zur BK Nr. 2110 werde ausdrücklich auf das erhöhte Gesundheitsrisiko
bei der Einwirkung stoßhaltiger und besonders intensiver Schwingungen hingewiesen. Der Unfallhergang 1997 sei in diesem Verständnis
eine besonders intensive (einmalige) Einwirkung mechanischer Schwingungen (Stoßbelastung) auf die Lendenwirbelsäule. Zu beachten
sei auch, dass die massive Stauchung im Zusammenhang mit dem Unfall auf eine bereits vorbelastete Wirbelsäule getroffen sei
und dies den Degenerationsprozess möglicherweise verstärkt oder klinisch relevant gemacht habe. Offen bleibe die Tatsache,
dass in Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule die degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule trotz der langjährigen
Schwingungsbelastung 1997 nur moderat ausgeprägt gewesen seien. Das Schadensbild einer BK Nr. 2110 liege vor. Eine besonders
intensive und langjährige Belastung durch Ganzkörperschwingungen sei bestätigt. Die massiven degenerativen Veränderungen der
unteren Lendenwirbelsäule seien als belastungskonformes Schadensbild zu werten. Der Ursachenzusammenhang zwischen der besonderen
Einwirkung und dem Schadensbild könne entsprechend den Kriterien der Konsensempfehlungen wahrscheinlich gemacht werden. Das
Stauchungstrauma der Lendenwirbelsäule könne sicher unterschiedlich bewertet werden. Entweder sei es direkt als Folge einer
besonders intensiven, einmaligen mechanischen Schwingungseinwirkung zu sehen. Dann würden sich die Folgen in das Schadensbild
einordnen. Werde es separat eingeordnet, bleibe jedoch bestehen, dass der Kläger unter einer Erkrankung aufgrund altersuntypischer,
bandscheibenbedingter degenerativer Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule leide und eine langjährige Exposition gegenüber
Ganzkörperschwingungen bestanden habe. Arbeitsbedingte Faktoren würden im Ursachengefüge überwiegen. Die MdE schätze er auf
20 v.H. ein. (Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf Blatt 92 bis 120 der Gerichtsakte verwiesen).
Die Beklagte ist dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L unter Berufung auf ein von ihr übersandtes Gutachten des Chirurgen
und Sozialmediziners M vom 5. Februar 2008, der insbesondere darauf hinwies, dass auf den zeitnah zur Aufgabe der belastenden
Tätigkeit erstellten Röntgenaufnahmen 1996 und 1997 noch keine Veränderungen nachgewiesen worden seien, die für eine Berufskrankheit
sprechen würden, entgegengetreten. (Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf Blatt 128 bis 141 der Gerichtsakte
verwiesen).
Mit Urteil vom 15. Mai 2008 hat das Sozialgericht Neuruppin die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt,
unter Beachtung der im Unfallversicherungsrecht geltenden Beweismaßstäbe lasse sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
nachweisen, dass die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule des Klägers auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen
seien. Dies ergebe sich nachvollziehbar aus den Ausführungen des Dr. E im Verwaltungsverfahren und werde gestützt durch die
Feststellung des Sachverständigen Dr. B im Klageverfahren. Dem Gutachten des Dr. L habe sich die Kammer nicht anschließen
können.
Gegen das ihm am 17. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. August 2008 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung beruft er sich insbesondere auf das seiner Ansicht nach überzeugende
Gutachten des Sachverständigen Dr. L.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 15. Mai 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 5. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen einer Berufskrankheit
nach Nr. 2110 der Anlage der
Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Sachverständige Dr. L hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. Juni 2010 unter anderem ausgeführt, vorliegende degenerative
Veränderungen würden sich auch nach Wegfall der schädigenden Einwirkungen weiter entwickeln. Das Ende der Belastung durch
mechanische Ganzkörperschwingungen im Jahr 1997 werde nicht mit der Erwartung verbunden, dass danach die bestehenden degenerativen
Veränderungen quasi zum Stillstand kommen würden. Andererseits sei bekannt, dass durch ein Stauchungstrauma auch degenerative
Veränderungen induziert werden könnten. Das damals gestauchte Wirbelsegment sei nicht versteift, so dass man typischerweise
von verstärkten Belastungen der darunter und der darüber liegenden Wirbelsäulensegmente ausgehen könne. Die Entwicklung des
Krankheitsbildes in dem direkten Zusammenhang zu dem Stauchungstrauma sei aber stets auffällig gewesen. Im Gutachten selbst
habe er bereits betont, dass die Differenzierung zwischen dem Schaden, der durch das Stauchungstrauma und dem Schaden, der
durch die langjährige Ganzkörpervibrationsbelastung induziert worden sei, nur schwer zu unterscheiden sei. Er habe bereits
in seinem Gutachten die relativ moderate Ausprägung der degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule in 1997
betont.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Az. ...) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage
hinsichtlich der Anerkennung einer BK Nr. 2110 zu Recht abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid in der Gestalt, die er
durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, rechtmäßig ist und den Kläger nicht beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch
auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2110.
Das Sozialgericht hat ausführlich die Rechtsgrundlagen für die Anerkennung einer BK Nr. 2110 dargelegt, diese auf der Grundlage
des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Sachverständigen Dr. B sowie des im Verwaltungsverfahren tätigen Gutachters
Dr. E verneint und sich ebenfalls ausführlich mit dem wenig überzeugenden Gutachten des Dr. L auseinandergesetzt. Der Senat
sieht daher von einer weiteren umfangreichen Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß §
153 Abs.
2 SGG ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist. Ergänzend ist lediglich
folgendes auszuführen: Die Konsensempfehlungen (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten
der Lendenwirbelsäule - Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbeurteilung, in: Trauma und Berufskrankheit 3-2005, S. 211 ff.)
weisen unter Nr. 1.4 4. Spiegelstrich darauf hin, dass die geforderte ausreichende berufliche Belastung eine plausible zeitliche
Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss und folgern hieraus, dass die Wahrscheinlichkeit
des Ursachenzusammenhangs mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung
abnimmt. An einer solchen plausiblen zeitlichen Korrelation fehlt es zur Überzeugung des Senats vorliegend, denn sämtliche
im Verfahren tätigen Gutachter und Sachverständigen, auch der gemäß §
109 SGG auf Antrag des Klägers beauftragte Dr. L haben stets ausgeführt, dass sich aus den Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1996 und
Juli 1997, also aus den Röntgenaufnahmen kurz vor bzw. zum Zeitpunkt der Aufgabe der Berufstätigkeit, gerade kein einer BK
Nr. 2110 entsprechendes Schadensbild ableiten lässt. Ein solches konnte Dr. L erst den Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2005,
also acht Jahre nach Aufgabe jeglicher Tätigkeit, entnehmen. Aus der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten
vom 03. Februar 2005 folgt sogar, dass der Kläger seit dem 01. Januar 1993 nicht mehr in der überwiegenden Anzahl von Arbeitstagen
und ab dem 01. Januar 1995 nicht mehr gefährdenden Schwingungsbelastungen ausgesetzt war. Damit lagen zwischen Aufgabe der
belastenden Tätigkeit und Feststellung eines belastungskonformen Schadensbildes sogar 11 bzw. 13 Jahre. Hierzu hat der Sachverständige
Dr. L in seiner ergänzende Stellungnahme vom 18. Juni 2010 zwar ausgeführt, dass bestehende degenerative Veränderungen auch
nach Ende der Belastung durch mechanische Ganzkörperschwingungen nicht zum Stillstand kommen, was sicherlich richtig ist.
Hieraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass auch die nach Ende der Exposition fortschreitenden degenerativen Veränderungen
(noch) berufsbedingt sind. So weist auch Dr. L darauf hin, dass die degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule
1997 eine relativ moderate Ausprägung hatten und die Entwicklung des bei dem Kläger vorliegenden Krankheitsbildes in direktem
zeitlichen Zusammenhang zu dem Stauchungstrauma stets auffällig gewesen sei. Auch er geht somit davon aus, dass sich das die
Voraussetzungen einer BK Nr. 2110 erfüllende Schadensbild erst nach 1997 entwickelt hat. Dann kann aber zur Überzeugung des
Senates in Anwendung der Konsensempfehlungen nicht von einer Ursächlichkeit zwischen den bis 1994 bzw. bis längstens 1997
bestehenden schädigenden beruflichen Einwirkungen und dm zeitlich deutlich danach auftretenden Gesundheitsschaden ausgegangen
werden.
Nach alldem ist die Berufung zurückzuweisen.