Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der gewährten Hinterbliebenenrenten.
Der Versicherte UC starb am 28. September 2006 wegen der Folgen eines am selben Tag erlittenen Arbeitsunfalls. Der Versicherte
hinterließ zwei Kinder aus seiner ersten Ehe, und zwar die 1981 geborene und seit dem 08. August 2007 verheiratete Beigeladene
zu 1) (Y S, geb. C) und die 1984 geborene Beigeladene zu 2) (J C). Aus seiner am 29. Juni 2001 geschlossenen zweiten Ehe mit
der am 07. März 1967 geborenen Klägerin zu 1) (I F) ist der 1990 geborene Kläger zu 2) (C F) hervorgegangen.
Mit drei Bescheiden vom 20. Dezember 2006 gewährte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen. Der Klägerin zu 1) bewilligte sie
eine Witwenrente für das Sterbevierteljahr in Höhe von zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) und anschließend ab
dem 01. Januar 2007 bis zum Ende des Monats einer etwaigen Wiederheirat oder der Begründung einer neuen Lebenspartnerschaft
i. H. v. 40 v. H. des JAV, solange sie ein waisenrentenberechtigtes Kind erziehe (§ 65 Abs. 2 Nr. 3 a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch
[SGB VII]). Der Zahlbetrag der Witwenrente betrug ab dem 01. Januar 2007 unter Anrechnung des aus einer Erwerbstätigkeit erzielten
Einkommens der Klägerin zu 1) 485,26 Euro monatlich. Dem Kläger zu 2) gewährte sie eine Waisenrente i. H. v. 20 v. H. des
JAV ab dem 28. September 2006 bis zum Ende des Monats, in dem der Kläger zu 2) das 18. Lebensjahr vollendet. Der Beigeladenen
zu 2) gewährte sie ebenfalls ab dem 28. September 2006 eine Waisenrente i. H. v. 20 v. H. des JAV für die Dauer der Schulausbildung
bzw. Berufsausbildung als Sportassistentin. Die Rente ende mit Ablauf des Monats, in dem sie die Ausbildung abbreche oder
unterbreche, spätestens aber am 31. Juli 2007. Die Waisenrente des Klägers zu 2) und der Beigeladenen zu 2), die keine Halbwaisenrente
von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg erhielten (Bescheide vom 08. Januar 2007 und 24. Januar 2007), betrug
jeweils 424,91 Euro monatlich.
Die Beigeladene zu 1) hatte nach ihrer Ausbildung am 11. Februar 2002 die Gesellenprüfung im Augenoptikerhandwerk erfolgreich
abgelegt und war im Anschluss daran bei verschiedenen Optikern als Augenoptikerin tätig. Ab dem Sommersemester 2007 war sie
als Studentin in dem Studiengang Augenoptik/Optometrie mit dem angestrebten Abschluss eines Bachelor of Science an der Technischen
Fachhochschule B immatrikuliert. Sie legte der Beklagten am 14. Februar 2007 eine Immatrikulationsbescheinigung vor und gab
als voraussichtliches Ausbildungsende September 2010 an. Sie erklärte außerdem, die Unterrichtszeit betrage wöchentlich ca.
36 Stunden. Ab dem 01. April 2007 werde sie wegen des Vollzeitstudiums auch kein Einkommen mehr erzielen. Daraufhin gewährte
die Beklagte auch der Beigeladenen zu 1) eine Waisenrente ab dem 01. April 2007 längstens bis zum Erreichen des 27. Lebensjahres
im August 2008 i. H. v. 339,93 Euro monatlich. Die Beklagte verwies darauf, dass Renten zugleich an mehrere Hinterbliebene
zu zahlen seien und somit diese Renten den gesetzlichen Höchstbetrag nach §
70 SGB VII überstiegen. Die Rente sei daher im Verhältnis zur Höhe der anderen Renten zu kürzen (Bescheid vom 07. März 2007).
Mit den weiteren Bescheiden vom 07. März 2007 berechnete die Beklagte auch die Witwenrente der Klägerin zu 1) und die Waisenrente
des Klägers zu 2) ab dem 01. April 2007 neu. Ab diesem Zeitpunkt ergab sich für die Klägerin zu 1) nach Anrechnung des Einkommens
ein monatlicher Zahlbetrag von nur noch 315,29 Euro und für den Kläger zu 2) von 339,93 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 07.
März 2007 wurde auch die Rente der Beigeladenen zu 2) ab dem 01. April 2007 neu berechnet und ebenfalls i. H. v. dann nur
noch 339,93 Euro monatlich gezahlt. Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) legten Widerspruch gegen die Neufeststellung ihrer
Rente ein und begründeten diesen damit, die Beigeladene zu 1) habe keinen Anspruch auf Halbwaisenrente, denn sie habe eine
abgeschlossene Berufsausbildung und sei in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen worden. Kinder hätten aber nur einen
Anspruch auf eine durch die Eltern finanzierte Ausbildung, so dass für die Eltern keine Pflicht bestehe, dem Kind eine zweite
Ausbildung, eine Weiter- oder eine Fortbildung zu finanzieren. Die Beigeladene zu 1) habe seit ihrem Berufsabschluss mehrere
Jahre in ihrem Beruf gearbeitet und somit ihren eigenen Lebensunterhalt bestritten. Aus ihrer Selbständigkeit heraus habe
sie sich jetzt entschlossen, im April 2007 ein Studium anzufangen. Das sei für sie eine freiwillige Entscheidung und könne
nicht von ihnen mitfinanziert werden. Bei der Beigeladenen zu 2) sei es selbstverständlich, dass ihr die Halbwaisenrente zustehe,
da sie sich noch in Ausbildung befinde.
Mit den beiden Widerspruchsbescheiden vom 30. Mai 2007 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zu 1) und des Klägers
zu 2) zurück. Nach §
67 Abs.
3 Nr.
2 a SGB VII werde Halbwaisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt, wenn sich die Waise in Berufsausbildung befinde. Der
Besuch einer Hochschule sei regelmäßig als Berufsausbildung anzuerkennen, wenn das Kind als ordentlich Studierender immatrikuliert
sei und das Studium einen bestimmten beruflichen Abschluss zum Ziel habe. Dies sei bei der Beigeladenen zu 1) der Fall. Diese
befinde sich seit dem 01. April 2007 in einer Berufsausbildung, die zur Zahlung einer Waisenrente führe.
Dagegen haben sich die bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klagen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) gerichtet, mit
der weiterhin die Auffassung vertreten worden ist, dass die Beigeladene zu 1) keinen Anspruch auf eine Halbwaisenrente habe,
da sie ihre Selbständigkeit und ihren eigenen Lebensunterhalt aufgegeben habe, um jetzt, aus freiwilliger Entscheidung heraus,
mit einem Studium anzufangen. Wenn der Versicherte noch leben würde, so hätte er für das Studium der Beigeladenen zu 1) auch
keinen Unterhalt mehr leisten müssen, da sie die erste Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und im Anschluss daran fünf Jahre
in ihrem Beruf gearbeitet habe.
Die zu dem Verfahren notwendig Beigeladene zu 1) hat ausgeführt, sie habe im Jahr 1998 bei der Firma R Optik eine Lehre zur
Augenoptikerin begonnen. Da sie kein Abitur habe, habe sie nach abgeschlossener Ausbildung mindestens vier Jahre in diesem
Beruf arbeiten müssen, um an einer Hochschule berufsaufbauend studieren zu können. Dieses Studium sei für sie und ihren beruflichen
Werdegang sehr wichtig, um sich auf dem Gebiet der Augenoptik weiterzuentwickeln. Der Studiengang Augenoptik/Optometrie sei
keine zweite oder alternative Ausbildung, sondern eine Fortführung ihrer abgeschlossenen Ausbildung zur Augenoptikerin. Der
erfolgreiche Abschluss des Studiums ermögliche ihr in ihrem erlernten Beruf weitere Aufstiegschancen.
Mit den Bescheiden vom 06. Juni 2007 sind die Hinterbliebenenrenten ab dem 01. Juli 2007 angepasst worden. An die Klägerin
zu 1) sind ab diesem Zeitpunkt 299,84 Euro und an den Kläger zu 2) sowie die Beigeladenen zu 1) und 2) jeweils 341,76 Euro
monatlich ausgezahlt worden.
Außerdem hat die Beigeladene zu 2) mitgeteilt, nach Beendigung ihrer Ausbildung zur Sportassistentin am 01. Oktober 2007 eine
Ausbildung zur Physiotherapeutin anzufangen, die am 30. September 2010 beendet werden solle. Daraufhin hat die Beklagte durch
Bescheid an die Beigeladene zu 2) vom 15. Juni 2007 entschieden, dass die Rente für die Dauer der Ausbildung zur Physiotherapeutin
gezahlt und mit Ablauf des Monats, in dem die Ausbildung abgebrochen oder unterbrochen werde, spätestens jedoch am 30. September
2010 ende. Der Rentenzahlbetrag hat unverändert 341,76 Euro monatlich betragen.
Durch Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2008 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 07. März 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 30. Mai 2007 aufgehoben und ausgeführt, die Beklagte habe die den Klägern gewährten Renten zu Unrecht auf 4/5 des bis
zum 31. März 2007 gezahlten Betrags gekürzt. Die Waisen- bzw. Halbwaisenrente erfülle den Zweck, nach dem Tod des Ernährers
den Unterhalt für die infolge des Versicherungsfalls unversorgten hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Sie solle monatlich
anteilig den Ausfall eines typisierend unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten (§§
1601 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) ausgleichen, solange das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse gehindert sei, sich seinen Lebensunterhalt
durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Nach allgemeiner Wertung sei dies stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
der Fall, danach nur in den Monaten, in denen ein anerkannter Erwerbshinderungsgrund vorliege. Eine Berufsausbildung werde
immer dann als beendet angesehen, wenn der erste auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Abschluss erreicht sei. In einem solchen
Fall bestehe grundsätzlich auch kein weiterer zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch. Wenn aber zivilrechtlich kein Unterhalt
von dem verstorbenen Elternteil zu leisten sei, bestehe auch kein Anlass, einen nicht bestehenden Unterhaltsanspruch durch
Zahlung einer Waisen- bzw. Halbwaisenrente zu kompensieren. Der von der Klägerin absolvierte Studiengang Augenoptik/Optometrie
stelle zwar eine Schul- bzw. Berufsausbildung i. S. d. Gesetzes dar, nach den Regelungen des §
67 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 SGB VII solle allerdings lediglich eine Erstausbildung durch Zahlung einer Waisenrente unterstützt werden. Nach ihrer abgeschlossenen
Erstausbildung zur Augenoptikerin sei die Beigeladene zu 1) in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbst durch eigene Erwerbstätigkeit
zu bestreiten und habe dies auch mindestens vier Jahre lang in dem von ihr erlernten Beruf getan. Bei dieser Sachlage erscheine
die Teilnahme an einem Studiengang Augenoptik/Optometrie nicht durch die Gewährung von Halbwaisenrente förderungswürdig. Unerheblich
sei in diesem Zusammenhang, dass die Beigeladene zu 1) durch ihr Studium in ihrem erlernten Ausbildungsberuf Aufstiegschancen
haben möge. Es solle hier auch nicht der Sinn eines entsprechenden Studiums in Abrede gestellt werden. Wenn sich die Beigeladene
zu 1) aber unter Aufgabe ihrer beruflichen Tätigkeit zu einem solchen Studium entschließe, so könne dies aus den vorgenannten
Gründen den von Hinterbliebenenleistungen abhängigen Klägern nicht zum Nachteil gereichen.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, es gebe keine Regelung im
SGB VII, wonach nur die Erstausbildung einen Anspruch auf Waisenrente begründe. Ebenso wenig finde sich ein Verweis auf einen gesetzlichen
Unterhaltsanspruch. Zweck der Waisenrente sei es, der Waise die Entscheidung für eine möglichst gründliche und qualifizierte
Ausbildung zu ermöglichen oder zu erleichtern und die Realisierung der gewählten Ausbildung zu gewährleisten.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2008 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) beantragen sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleiben bei ihrer bisher vertretenen Auffassung.
Die Beigeladene zu 1) hat ausgeführt, nach Abschluss der 10. Klasse im Jahr 1998 mit dem Realschulabschluss bei der Firma
R Optik eine Lehre zur Augenoptikerin begonnen zu haben, die sie im Februar 2002 mit der Gesellenprüfung abgeschlossen habe.
Sie sei direkt im Anschluss an die Lehre übernommen worden und dann bis April 2007 in diesem Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung
tätig gewesen, obwohl in diesem Zeitraum zwei Übernahmen stattgefunden hätten (R Optik, Soptik, A Optik). Zu Beginn des ersten
Semesters ihres Studiums Optometrie am 01. April 2007 sei die Arbeitszeit an die Studienzeit angepasst bzw. ihren Wünschen
entsprechend heruntergesetzt worden. Das Arbeitsverhältnis bestehe weiterhin.
Die Beigeladene zu 1) hat ihren Ausbildungsvertrag ab dem 01. September 1998, die Bescheinigung über die abgelegte Gesellenprüfung
vom 11. Februar 2002, einen Arbeitsvertrag mit der Firma R Optik GmbH vom 13. Februar 2002, einen Änderungsarbeitsvertrag
mit der Soptik GmbH vom 01. Juni 2004 sowie eine Bescheinigung über den Betriebsübergang vom 29. Oktober 2004 und einen Anstellungsvertrag
mit der A Optik GmbH und Co. KG vom 19. Mai 2005 vorgelegt.
Mit Beschluss vom 13. Oktober 2008 ist auch die Schwester der Beigeladenen zu 1) notwendig beigeladen worden. Die Beigeladene
zu 2) hat geltend gemacht, ihre Schwester habe schon während ihrer Berufstätigkeit den Wunsch geäußert, ein Studium zu beginnen.
Da sie kein Abitur gehabt habe, habe sie mindestens vier Jahre arbeiten müssen, um überhaupt für den Bachelorstudiengang Optometrie
zugelassen zu werden. Es handele sich nicht um ein artfremdes Studium, sondern es baue auf der Berufsausbildung auf.
Der Senat hat eine Auskunft zu den Voraussetzungen der Aufnahme eines Studiums der Augenoptik von der B Hochschule für Technik
B eingeholt. Auf das Antwortschreiben vom 05. März 2010 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn die zum Termin nicht erschienen
Kläger und Beigeladenen sind in der Terminsmitteilung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig aber unbegründet. Die Bescheide an die Klägerin
zu 1) und den Kläger zu 2) vom 07. März 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. Mai 2007 sind daher aufzuheben
gewesen.
Streitgegenstand sind nur die beiden Bescheide vom 07. März 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. Mai 2007.
Die Bescheide vom 06. Juni 2007 zur Rentenanpassung ab dem 01. Juli 2007 sind nicht gemäß §
96 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden, denn sie schreiben allein den bereits zuerkannten Wert des Rechts auf Rente fort (vgl.
BSG in SozR 3-2600 § 248 Nr. 8 m. w. N. zu den Rentenanpassungsmitteilungen im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung).
Die Kläger haben dagegen auch keine Einwendungen erhoben oder die Aufhebung dieser Bescheide beantragt.
Streitig ist auch nur der Zeitraum vom 01. April 2007 bis zum 31. August 2008, dem Zeitpunkt der Vollendung des 27. Lebensjahres
der Beigeladenen zu 1).
Nach §§
63 Abs.
1,
65 und 67
SGB VII haben Hinterbliebene u. a. Anspruch auf Hinterbliebenenrenten in Form von Witwen- und Halbwaisenrenten, wenn der Tod infolge
des Versicherungsfalls eingetreten ist, was hier unstreitig der Fall ist.
Die Witwenrente beträgt gemäß §
65 Abs.
1 und
2 Nr.
3 a)
SGB VII 40 v. H. des JAV nach Ablauf des dritten Kalendermonats, in dem der Ehegatte verstorben ist, solange die Witwe ein waisenberechtigtes
Kind erzieht und solange die Witwe nicht wieder geheiratet hat.
Die Kinder von verstorbenen Versicherten erhalten eine Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben. Die Rente wird
gezahlt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) oder bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn
die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet. Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung liegt nur vor,
wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert (§
67 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 und Satz 2
SGB VII). Die Höhe der Halbwaisenrente beträgt 20 v. H. des JAV (§
68 Abs.1 Nr. 1
SGB VII).
Diesen Vorgaben entsprechend hat die Beklagte den Klägern zu 1) und 2) sowie der Beigeladenen zu 2) zu Recht Hinterbliebenenleistungen
gewährt. Ausgehend von einem JAV von 25.494,45 Euro beträgt bis zum 01. April 2007 die Witwenrente ohne Anrechnung des von
der Klägerin erzielten Erwerbseinkommens (§
65 Abs.
3 SGB VII) 849,82 Euro monatlich, die Halbwaisenrenten betragen monatlich 424,91 Euro. Zwar hat die Beigeladene zu 2) ebenfalls ein
Einkommen im Rahmen eines Minijobs erzielt, allerdings übersteigt dieser Betrag nicht den Freibetrag nach §
68 Abs.
2 SGB VII. Dies ist ebenfalls unstreitig.
Wegen der Aufnahme einer Fachhochschulausbildung zum 01. April 2007 durch die am 05. August 1981 geborene Beigeladene zu 1),
die das 27. Lebensjahr erst am 04. August 2008 vollendet hat, hat die Beklagte dieser mit Bescheid vom 07. März 2007 ebenfalls
eine Waisenrente gewährt und die Kürzung der übrigen Waisenrenten nach §
70 Abs.
2 i. V. m. Abs.
2 SGB VII vorgenommen. Ob diese Vorschrift einen Selbstvollzug der Verwaltung erlaubt oder ob die Kürzung nur nach Maßgabe des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse durchzuführen ist, kann hier dahin stehen, da auch die an sich strengeren
Anforderungen des § 48 SGB X wegen der hier nur erfolgten Änderung mit Wirkung für die Zukunft keinen Ermessensspielraum eröffnen oder eine Vertrauensschutzprüfung
zu erfolgen hat. Allerdings verlangt die Aufhebung nach § 48 SGB X eine vorherige Anhörung der Beteiligten nach § 24 SGB X, die aber von der Literatur (vgl. Keller in Hauck/Noftz,
SGB VII, §
70 RdNr. 12, Ricke in Kasseler Kommentar, §
70 SGB VII, RdNr. 4) auch bei der unmittelbaren Anwendung der Kürzungsvorschrift des §
70 SGB VII als erforderlich angesehen wird. Eine solche Anhörung ist hier gegenüber den Klägern zu 1) und 2) zwar nicht erfolgt. Wegen
der Durchführung des Widerspruchsverfahrens, in dem die Kläger ausreichend Gelegenheit gehabt haben, sich zu äußern, und davon
auch Gebrauch gemacht haben, kann der Mangel der fehlenden Anhörung jedoch als geheilt angesehen werden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Die Beklagte hat rechnerisch richtig die Kürzung der Hinterbliebenenrenten vorgenommen. Der Höchstbetrag von 80 v. H. des
JAV von 25.494,45 Euro macht 20.395,56 Euro aus, dividiert durch 12 Monate/Jahr ergibt 1.699,63 Euro monatlich. Die auf vier
Hinterbliebene zu zahlenden Renten machen einen Betrag von 2.124,55 Euro monatlich [849,82 + (424,91 x 3)] aus, die damit
den Höchstbetrag um 424,92 Euro übersteigen. Auf die Klägerin zu 1) entfällt ein Abzugsbetrag von 40 v. H. der Differenz,
also 169,97 Euro, so dass die Rente vor Anrechnung des Einkommens nur noch 679,85 Euro beträgt. Bei dem Kläger zu 2) und den
Beigeladenen zu 1) und 2) sind 20 v. H. des Differenzbetrags, also 84,98 Euro, von der Waisenrente abzuziehen, so dass nur
noch ein Betrag von 339,93 Euro monatlich verbleibt.
Damit ist die Kürzung der Hinterbliebenenrenten der Kläger zwar rechnerisch richtig, die Beklagte hätte die Kürzung jedoch
nicht durchführen dürfen, denn die Beigeladene zu 1) hatte keinen Anspruch auf die Gewährung einer Waisenrente ab dem 01.
April 2007, so dass ohne ihre Rente der Höchstbetrag von 80 v. H. des JAV nicht überschritten würde.
Die Waisenrente erfüllt den Zweck, nach dem Tod des Ernährers den Unterhalt für die infolge des Versicherungsfalls unversorgt
hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Sie soll den Ausfall eines in pauschalierter Höhe unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs
gegen den Versicherten (§§
1601 ff.
BGB) ausgleichen. Hiervon ist stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auszugehen, danach nur noch in den Monaten, in denen
das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse gehindert ist, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit
zu finanzieren (Keller in Hauck/Noftz, aaO. § 67 RdNr. 1 m. w. N.). Die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Waisenrente
aus der gesetzlichen Unfallversicherung stimmen weitgehend mit denjenigen der Waisenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung
(§ 48 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]) überein, so dass die Rechtsprechung hierzu im Rahmen des §
67 SGB VII berücksichtigt werden kann. Dagegen können entgegen der Ansicht der Beklagten die Grundsätze des Kindergeldrechts wegen der
unterschiedlichen Zweckbestimmung (Waisenrente: Unterhaltsersatzfunktion; Kindergeld: Das aus Steuermitteln gezahlte Kindergeld
dient dem Familienlastenausgleich; es soll den erhöhten Aufwand der Familie mit unterhaltsberechtigten Kindern teilweise ausgleichen)
nicht ohne weiteres auf §
67 SGB VII übertragen werden (vgl. BSG in SozR 3-2200 § 1267 Nr. 3, Keller in Hauck/Noftz, aaO., § 67 RdNr. 4).
Durch die Aufnahme des Studiums der Optometrie an der Technischen Fachhochschule B hat sich die Beigeladene zu 1) nicht in
Schulausbildung befunden, denn eine Schulausbildung erfordert eine Ausbildung im Rahmen der Organisationsform Schule, bei
welcher eine allgemeine Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung vorgeschrieben und deren Dauer nicht allein der Selbstverantwortung
des Schülers überlassen ist. Dies ist in jedem Fall bei dem Besuch öffentlicher oder privater allgemein bildender Schulen
gewährleistet, wenn der Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen gestaltet wird.
Bei einer Berufsausbildung werden dagegen Fachkenntnisse vermittelt. Die Ausbildung an Fachschulen, Universitäten oder ähnlichen
Instituten ist demnach zur Berufsausbildung zu rechnen (Keller in Hauck/Noftz, aaO., § 67 RdNr. 22, 22 b m. w. N.). Es bedarf
hier keiner Frage, dass die am 01. April 2007 begonnene Ausbildung in der Optometrie den von der Rechtsprechung entwickelten
Kriterien (vgl. dazu die Übersicht bei Keller in Hauck/Noftz, aaO., § 67 RdNr. 26) einer Berufsausbildung entspricht.
Problematisch ist hier, dass Kinder grundsätzlich nur Anspruch auf eine Ausbildung haben, nicht dagegen auf eine Zweitausbildung
(ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs [BGH], vgl. BGH in NJW 1995, 231 ff. m. w. N.; Scholz in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. A. 2004, § 2 RdNr. 58).
Eine Zweitausbildung ist durch einen Berufswechsel gekennzeichnet. In diesem Fall sind die Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig,
wenn sie dem Kind mit der Erstausbildung eine optimale begabungsbezogene Berufsausbildung haben zuteil werden lassen, da das
Kind dann nicht mehr außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (vgl. BSG in SozR 4-2600 § 48 Nr. 2 m. w. N. und BGHZ 69,
190). Die Beigeladene zu 1) hat bereits im Februar 2002 eine Ausbildung abgeschlossen, die sie in die Lage versetzt hat, vollumfänglich
erwerbstätig zu sein und für ihren Unterhalt selbst aufzukommen. Einen Berufswechsel hat die Beigeladene zu 1) jedoch mit
der Aufnahme des Studiums nicht vorgenommen, sie hat sich vielmehr in ihrem Berufsfeld weiter ausbilden lassen. Die Gründe,
aus denen ausnahmsweise eine Zweitausbildung unterhaltspflichtig sein kann (vgl. Scholz in Wendl/Staudigl, aaO. RdNr. 74),
liegen hier im Übrigen nicht vor.
Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte ausnahmsweise die Weiterbildung unterhaltspflichtig,
wenn sie von vorneherein angestrebt war oder wenn eine besondere Begabung des Kindes erst während der ersten Ausbildung zutage
getreten ist und eine Weiterbildung erfordert oder der schon erreichte Abschluss ohne die Weiterbildung aus unvorhergesehenen
Gründen keine hinreichende Lebensgrundlage bildet (Born in Münchener Kommentar, 4. A. 2002, § 1610 RdNr. 252). Dies setzt
außerdem
1. die Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis
2. einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ausbildungen
3. einen zeitlichen Zusammenhang zur Grundausbildung
4. die Gleichbehandlung der Ausbildungsgänge Abitur-Studium und Abitur-Lehre-Studium
5. die wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Eltern
voraus (vgl. Diederichsen in Palandt, 63. A. 2004, § 1610 RdNr. 24 ff; Scholz in Wendl/Staudigl, aaO. RdNr. 78 ff.; Born in
Münchener Kommentar, aaO., § 1610 RdNr. 254 ff.).
Zu beachten ist, dass im Allgemeinen nicht darauf abgestellt werden kann, ob die weitere Ausbildung als Weiterbildung oder
Zweitausbildung zu qualifizieren ist, zumal insoweit nicht selten erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen. Es genügt
auch nicht, dass mit der Erstausbildung die formelle Berechtigung zum Studium erlangt wurde. Mit dieser Begründung würde sonst
bereits jede im ersten oder zweiten Bildungsweg erlangte förmliche Studienberechtigung die Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung
des Studiums nach sich ziehen. Die Entscheidung, ob eine zu finanzierende Weiterbildung vorliegt, ist im Rahmen einer Zumutbarkeitsabwägung
in tatrichterlicher Verantwortung auf Grund der Sachlage des konkreten Einzelfalls zu treffen (Scholz in Wendl/Staudigl, aaO.
RdNr. 79; Born in Münchener Kommentar, aaO. § 1610 RdNr. 253).
Hinter dem Erfordernis des zeitlich engen Zusammenhangs steht der Gedanke, dass die Reichweite der Unterhaltspflicht der Eltern
von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach Schulabschluss und nach einer Lehre
noch weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Da es zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der
eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird, wird eine Unterhaltspflicht um
so weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Denn umso
weniger müssen die Eltern damit rechnen, dass er daran noch den Besuch einer weiterführenden Schule und ein Studium anschließen
wird. Diese aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgenden Gesichtspunkte wirken sich nicht erst bei der Prüfung der wirtschaftlichen
Zumutbarkeit für die Eltern aus, sondern beeinflussen bereits die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der eingeschlagene
Ausbildungsweg noch Bestandteil der geschuldeten einheitlichen Vorbildung zu einem Beruf ist. Je älter er indessen bei Schulabgang
ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die
Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann
eine zu lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit
ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabungen und Fertigkeiten verdienen muss. §
1610 Abs.
2 BGB mutet den Eltern nicht zu, sich gegebenenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen
und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr mit der Nachholung der Hochschulreife und der Aufnahme eines Studiums rechnen
mussten, einem Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es sich dabei um Zeiträume
handelt, in denen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile aufgrund des fortgeschrittenen
Alters des Kindes unabhängig von seinem Ausbildungsstand wegfallen. Bei Beginn des Studiums im 27. Lebensjahr müssen danach
Eltern im Normalfall nicht mehr damit rechnen, noch auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden (so BGH in FamRZ
1998, S. 671 ff.).
Die Ausbildung zur Augenoptikerin und das Studium der Augenoptik/Optometrie stehen offenkundig in einem engen sachlichen Zusammenhang.
Auch war die Berufsausübung vor der Aufnahme des Studiums wegen der fehlenden Hochschulreife erforderlich, um das Studium
aufzunehmen. Nach § 11 Satz 1 Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) wird an den Hochschulen im betreffenden Studiengang vorläufig
immatrikuliert, wer - wie die Beigeladene zu 1) - den Realschulabschluss besitzt, eine für das Studium abgeschlossene und
danach eine mindestens vierjährige Berufserfahrung erworben hat. Dies wird auch in dem Schreiben der B Hochschule für Technik
B vom 05. März 2010 bestätigt. Es kann somit zumindest für vier Jahre eine unschädliche Unterbrechung angenommen werden.
Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Beigeladene zu 1) von vorneherein eine Weiterbildung angestrebt hat.
Dass sich bei ihr eine besondere Begabung während der ersten Ausbildung herausgestellt haben sollte, ist ebenfalls nicht belegt.
Weder das eine noch das andere wird von der Beigeladenen zu 1) geltend gemacht und ist angesichts der Verlängerung der dreijährigen
Ausbildung um ein halbes Jahr wegen der nicht bestandenen Gesellenprüfung im Fertigungsteil und der Benotung der schließlich
im Februar 2002 abgelegten Prüfung in diesem Bereich mit der Note ausreichend auch nicht wahrscheinlich. Weiter ist die Dauer
der Unterbrechung zwischen dem ersten und dem zweiten Ausbildungsgang mit fünf Jahren und zwei Monaten länger, als nach §
11 Satz 1 BerlHG verlangt. Zu verlangen ist jedoch eine zielstrebige Aufnahme des Studiums nach dem Abschluss des ersten Ausbildungsteils.
Eine nachvollziehbare Erklärung für die über vier Jahre hinaus andauernde Berufstätigkeit der Beigeladenen zu 1), die bei
der Aufnahme des Studiums immerhin schon 25 Jahre und acht Monate alt war, ist nicht ersichtlich. Die Beigeladene zu 2) hat
zudem erklärt, ihre Schwester, die Beigeladene zu 1), habe - erst - während ihrer Berufstätigkeit den Wunsch geäußert, ein
Studium zu beginnen.
Unter Abwägung aller für und gegen eine Unterhaltspflicht für den zweiten Ausbildungsgang sprechenden Umstände ist eine solche
nicht mehr zu begründen. In der Folge hätte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) keine Waisenrente gewähren und die Hinterbliebenenrenten
der Kläger zu 1) und 2) nicht kürzen dürfen.
Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.