Sonderbedarfszulassung eines (Fach-)arztes zur kassenärztlichen Versorgung
Tatbestand:
Die klagende Kassenärztliche Vereinigung wendet sich gegen die der Beigeladenen zu 1) vom Beklagten erteilte Sonderbedarfszulassung
für den Versorgungsbereich internistische Rheumatologie.
Die im Jahre 1964 geborene Beigeladene zu 1) ist seit dem Jahr 2001 Fachärztin für Innere Medizin und führt seit dem Jahr
2005 die Schwerpunktbezeichnung "Rheumatologie". Sie war seit März 2002 (und bis März 2011) in der Rheumaklinik B tätig; in
dieser "311er-Einrichtung" nahm sie mit dem Faktor von 0,5 an der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der Rheumatologie
teil.
Im Juli 2009 beantragte die Beigeladene zu 1) bei dem Zulassungsausschuss für Ärzte im Zulassungsbezirk Berlin ihre Zulassung
zur vertragsärztlichen Versorgung als Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie im Rahmen des Sonderbedarfs. Für die Versorgung
von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen bestehe im Zulassungsbezirk Berlineine andauernde Unterversorgung.
Die Klägerin vertrat gegenüber dem Zulassungsausschuss die Auffassung, dass ein Bedarf für eine Sonderzulassung nicht bestehe;
in den letzten Jahren habe sich die Anzahl der Vertragsärzte mit der Zusatzbezeichnung Rheumatologie annähernd verdoppelt;
derzeit seien im Zulassungsbezirk Berlin 33 internistische Rheumatologen und 32 Rheumatologen anderer Fachrichtungen (Orthopädie,
Chirurgie) zugelassen.
Mit Beschluss vom 24. Februar 2010 (schriftlicher Bescheid vom 19. März 2010) lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte den
Antrag der Beigeladenen zu 1) auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Fachärztin für Innere Medizin/fachärztliche
Versorgung im Rahmen einer Sonderbedarfsfeststellung für Rheumatologie ab. Es sei davon auszugehen, dass im Zulassungsbezirk
Berlin elf Ärzte für internistische Rheumatologie gemäß § 24 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte zugelassen seien und zehn weitere Ärzte in "311er-Einrichtungen" [darunter die Beigeladene zu 1)] bzw. in MVZ tätig seien.
Weil der Planungsbereich Berlin für die Zulassung von fachärztlich tätigen Internisten gesperrt sei, komme nur eine Zulassung
unter dem Gesichtspunkt des Sonderbedarfs in Betracht. Die Voraussetzungen hierfür lägen jedoch nicht vor. Insbesondere bestehe
kein besonderer Versorgungsbedarf. Der Planungsbereich Berlin sei in der Fachgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit
147,1% überversorgt. Die zurzeit niedergelassenen und die in 311er-Einrichtungen bzw. in MVZ tätigen Berliner Fachärzte für
Innere Medizin/Rheumatologie sowie die an der AOK-Rheuma-Vereinbarung teilnehmenden Ärzte seien in der Lage, den bestehenden
Versorgungsbedarf hinreichend zu decken.
Auf den hiergegen von der Beigeladenen zu 1) erhobenen Widerspruch trat der Beklagte in Ermittlungen zur Versorgungslage im
Bereich der internistischen Rheumatologie ein. So ermittelte er zunächst, dass das Planungsgebiet Berlin über elf Facharztinternisten
mit dem Schwerpunktbereich Rheumatologie, über neun hausärztliche Internisten mit dem Schwerpunktbereich Rheumatologie (davon
vier in MVZ) sowie über 9,5 Rheumatologen in Kliniken [MVZ und 311er-Einrichtungen, darunter wiederum die Beigeladene zu 1)]
verfügt. Sodann versandte der Beklagte Fragebögen zur Feststellung der Versorgungssituation auf dem Gebiet der internistischen
Rheumatologie an die im Planungsgebiet tätigen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen internistischen Rheumatologen.
Der Fragebogen erhob u.a. Auskunft über die Zahl der in der jeweiligen Praxis behandelten Patienten mit rheumatischen Erkrankungen
sowie zur Praxisauslastung und zur Wartezeit der Patienten. 29 Ärzte sandten den Fragebogen ausgefüllt zurück; von diesen
gaben 21 Ärzte an, der Versorgungsbedarf im Bereich der internistischen Rheumatologie könne "nur durch die (unbefristete)
Zulassung eines oder mehrerer (internistischer) Rheumatologen gedeckt werden". Ebenfalls 21 Ärzte gaben an, die Wartezeit
für einen Termin zur Erstuntersuchung betrage in der Regel zwei bis drei Monate. Zur Versorgungssituation in Berlin erbat
der Beklagte außerdem eine Auskunft vom Deutschen Rheumaforschungszentrum Berlin, die dieses am 28. Juli 2010 durch Prof.
Dr. Z erteilte. Darin heißt es u.a., dass der Versorgungsbedarf durch die in Berlin niedergelassenen internistischen Rheumatologen
nicht gedeckt sei. Auszugehen sei als Untergrenze des Bedarfs von einem internistischen Rheumatologen je 50.000 Einwohnern.
Dies seien bei 2,9 Mio. Erwachsenen 58 Ärzte; angesichts der Verschiebung der Altersstruktur zu einem hohen Anteil Älterer
in Berlin seien 60 internistische Rheumatologen eine sinnvolle Anhaltszahl. Bei derzeit nur 29 zugelassenen (und weiteren
fünf ermächtigten) internistischen Rheumatologen bestehe also eine Minderausstattung von 26 Ärzten. Auch die Wartezeit für
einen Ersttermin liege in Berlin mit 5,6 Wochen über dem Bundesdurchschnitt (4,9 Wochen). Die Symptomdauer bis zum Ersttermin
betrage in Berlin 32,8 Wochen, während sie in anderen Stadtstaaten bei nur 9,2 Wochen (Bremen) bzw. 22,3 Wochen (Hamburg)
liege; gleichzeitig sei eine fachgerechte Früherkennung und -behandlung bei rheumatischen Erkrankungen besonders wichtig.
Für eine angemessene Diagnosestellung und Therapieeinleitung sei der internistische Rheumatologe unverzichtbar. Er werde in
der dauerhaften Betreuung z.B. dann gebraucht, wenn Therapien wegen Nebenwirkungen oder unzureichender Wirksamkeit umzustellen
seien, während die dauerhafte Krankheitsbegleitung beim Hausarzt liege. Zu den Aufgaben des internistischen Rheumatologen
gehöre auch die gezielte Indikationsstellung zur Therapie mit neuen hochwirksamen, aber auch sehr teuren Medikamenten und
deren Überwachung. Schließlich erbat der Beklagte bei der Klägerin Auskunft über die Anzahl der in Berlin tätigen internistischen
Rheumatologen und ihr Abrechnungsverhalten; die Klägerin übersandte daraufhin eine Liste von 20 vertragsärztlich tätigen internistischen
Rheumatologen [darunter die Beigeladene zu 1)], die in den Quartalen II/09 bis I/10 die spezifisch internistisch-rheumatologischen
EBM-Nummern 13690, 13691, 13692, 13700 und 13701 abrechneten. Um Auskunft bat der Beklagte auch den Vorsitzenden der Rheumatologiekommission
der Klägerin; eine Antwort auf dieses Ersuchen erfolgte nicht. Wegen des Ergebnisses der Ermittlungen des Beklagten wird im
Übrigen auf den Inhalt des Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 26. Januar 2011 (schriftlicher Bescheid vom 25. Februar 2011) entschied der Beklagte, die Beigeladene zu
1) auf der Grundlage von § 24 Satz 1 Buchstabe b) der Bedarfsplanungsrichtlinie im Rahmen von Sonderbedarf zur Behandlung
von Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen zur vertragsärztlichen Versorgung zum 1. Mai 2011 zuzulassen. Die Zulassung
erfolge mit der Maßgabe, dass für die Beigeladene zu 1) nur die ärztlichen Leistungen abrechnungsfähig seien, die in Zusammenhang
mit der Behandlung rheumatologischer Erkrankungen stehen. Gleichzeitig ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung des
Beschlusses an. Zur Begründung bezog der Beklagte sich im Wesentlichen auf die Stellungnahme des Deutschen Rheumaforschungszentrums
Berlin vom 28. Juli 2010, die eine für Berlin besonders ungünstige Versorgungslage dargestellt habe. Bei 2,9 Millionen erwachsenen
Einwohnern in Berlin ergebe sich ein Bedarf an 58 internistischen Rheumatologen; demgegenüber verzeichne das Bundesarztregister
lediglich 29 vertragsärztlich tätige und 5 ermächtigte internistische Rheumatologen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte
der Beklagte weiter an, die Klägerin habe ihm lediglich 20 vertragsärztlich tätige fachärztliche Internisten genannt, die
rheumatologische EBM-Nummern abrechneten. Auch die Befragung der internistischen Rheumatologen zu ihrer Praxisauslastung und
zur Wartezeit der Patienten belege eine Unterversorgung. Die Mehrheit der Befragten habe einen zusätzlichen Versorgungsbedarf
gesehen. Mehr als die Hälfte der befragten Ärzte habe Wartezeiten für einen ersten Termin von drei Monaten angegeben. Bei
einer Erkrankung, die eine frühzeitige Diagnostik und Behandlung erfordere, sei diese Wartezeit nicht hinnehmbar. Die Anhaltszahl
von einem internistischen Rheumatologen je 50.000 erwachsenen Einwohnern sei nicht ansatzweise erreicht; selbst wenn ein internistischer
Rheumatologe auf 100.000 erwachsene Einwohner Berlins kommen müsse, bestünde ein Bedarf von 29 Ärzten, der gegenwärtig ebenfalls
nicht erreicht sei, weil in Berlin lediglich insgesamt 20 Ärzte rheumatologische EBM-Ziffern abrechneten. Damit liege insgesamt
ein besonderer Versorgungsbedarf vor, wie er durch den Schwerpunkt internistische Rheumatologie umschrieben sei. Die Beigeladene
zu 1) habe hierfür die erforderliche Qualifikation durch die entsprechende Facharztbezeichnung, verbunden mit dem Schwerpunkt
Rheumatologie, nachgewiesen. Die Versorgung rheumakranker Menschen in Berlin sei nicht ausreichend sichergestellt. Für die
Beurteilung des Bedarfs fielen orthopädische Rheumatologen aus, weil deren Leistungsspektrum sich eher auf die Behandlung
der Folgen rheumatischer Erkrankungen bzw. die Linderung entsprechender Beschwerden beziehe. Internistische Rheumatologen
hätten als Zielrichtung die jedenfalls zu Beginn der Erkrankung noch mögliche vollständige Heilung durch entsprechende Medikation.
Gerade daher sei es erforderlich, ausreichende Behandlungsmöglichkeiten bei internistischen Rheumatologen vorzuhalten.
Ein von der Klägerin im Hinblick auf die Aussetzung der Vollziehung dieses Beschlusses angestrengtes Eilverfahren (Sozialgericht
Berlin, S 83 KA 153/11 ER) hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 26. April 2011). Im Mai 2011 nahm die Beigeladene zu 1) ihre vertragsärztliche Tätigkeit
als internistische Rheumatologin mit Praxissitz in B auf.
Die Klägerin hat gegen den Beschluss des Beklagten vom 26. Januar 2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen
vorgebracht: Zu Unrecht habe der Beklagte angenommen, dass in dem Planungsbereich ein Versorgungsdefizit in Bezug auf internistische
Rheumatologen bestehe. Derzeit - März 2011 - seien 27 Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie sowie
31 Fachärzte für Orthopädie mit dem Schwerpunkt Rheumatologie zugelassen. Hinzu kämen insgesamt 44 Ärzte, die an der AOK-Rheuma-Vereinbarung
teilnähmen. Über die genannten Fachgruppen hinaus nähmen auch die jeweiligen Hausärzte und andere Facharztgruppen rheumatologische
Versorgung wahr. Die Charité-Universitätsmedizin Berlin sei als Hochschulambulanz für Rheumatologie ermächtigt. Dies hätte
bei Ermittlung des Versorgungsbedarfs nicht außer Betracht bleiben dürfen. Ins Auge zu fassen seien auch die im Land Berlin
zur ambulanten Behandlung von rheumatologischen Erkrankungen nach §
116 b Abs.
2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (
SGB V) bestimmten Krankenhäuser. Auch dies habe der Beklagte zu Unrecht außer Betracht gelassen.
Mit Urteil vom 7. September 2011 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Rechtlich beanstandungsfrei habe der Beklagte einen besonderen Versorgungsbedarf ermittelt. Bei der Beurteilung, ob in einem
bestimmten Versorgungsbereich ein Versorgungsdefizit bestehe, habe der Beklagte einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren
Beurteilungsspielraum. Der Beklagte habe seine Bedarfsprüfung auf den Bereich der internistischen Rheumatologen beschränken
dürfen. Zu Recht habe er insoweit angeführt, dass es für internistische Rheumatologen besondere Regelungen im einheitlichen
Bewertungsmaßstab gebe und diese andere Behandlungsziele verfolgten als orthopädische Rheumatologen. Unter Mitwirkung der
Klägerin habe der Beklagte ermittelt, dass nur 22 internistische Rheumatologen die im EBM-Ä aufgeführten Leistungen erbrächten;
nicht fehlerhaft sei es dabei, bei der Ermittlung des bestehenden Bedarfs auf das überarbeitete Memorandum der Deutschen Gesellschaft
für Rheumatologie e. V. sowie eine Stellungnahme des Deutschen Rheumaforschungszentrums Berlin zurückzugreifen, wonach von
einem Bedarf von einem Rheumatologen pro 50.000 erwachsenen Einwohnern ausgegangen werden müsse. Der so errechnete Bedarf
von 58 internistischen Rheumatologen sei nicht ansatzweise gedeckt. Zudem habe die von dem Beklagten durchgeführte Befragung
der internistischen Rheumatologen ergeben, dass, insbesondere im Vergleich zu den anderen Stadtstaaten, lange Wartezeiten
für einen Ersttermin bestünden und ein großer Teil der Befragten davon ausgehe, dass weiterer Versorgungsbedarf bestehe. Eine
Wartezeit von etwa drei Monaten für einen ersten Termin habe der Beklagte rechtsfehlerfrei als zu lang bewerten dürfen. Damit
habe der Beklagte die sich ihm aufdrängenden Ermittlungen angestellt und den dabei festgestellten Sachverhalt unter fehlerfreier
Ausübung seines Beurteilungsspielraums dahingehend bewertet, dass ein qualitativ spezieller Versorgungsbedarf für Leistungen
fachärztlich internistischer Rheumatologen bestehe. Zwar hätte der Beklagte die nach §
117 SGB V ermächtigte Hochschulambulanz der Charité und die beiden nach §
116 b Abs.
2 SGB V zur Behandlung schwerer rheumatologischer Erkrankungen bestimmten Kliniken der Charitégrundsätzlich bei der Bedarfsermittlung
berücksichtigen müssen. Jedoch hätte sich durch solche Ermittlungen kein anderes Bild hinsichtlich der Bedarfslage ergeben.
Für die beiden Einrichtungen nach §
116 b Abs.
2 SGB V weise der Beklagte nämlich zutreffend darauf hin, dass die Bestimmung jeweils nur zur Behandlung von Patienten mit schweren
Verlaufsformen rheumatologischer Erkrankungen erfolgt sei. Die Zulassung der Beigeladenen zu 1. beruhe aber gerade auf der
Erwägung, dass bereits im Frühstadium der Erkrankung mit der Behandlung eingesetzt werden müsse, damit der Eintritt schwerer
Verläufe verhindert werde. Dies erfordere, dass gerade zur Diagnostik und Behandlung des Frühstadiums ausreichend Ärzte zur
Verfügung stünden. Dieser Bedarf werde durch die Krankenhäuser nach dem Inhalt der Bestimmung im Sinne von §
116 b Abs.
2 SGB V gerade nicht gedeckt. Dasselbe gelte für die Hochschulambulanz nach §
117 SGB V, deren Betrieb nicht darauf ausgerichtet sei, rheumatologische Erkrankungen im erforderlichen Umfange im Frühstadium zu erkennen
und zu behandeln. Zudem habe der Beklagte auch die in der rheumatologischen Fachambulanz der Charité tätigen Ärzte in die
Bedarfsermittlung einbezogen und auch diese befragt. Außerdem habe das mit einer Stellungnahme beauftragte Deutsche Rheumaforschungszentrum
seinen Sitz an der Charité; dort seien auch Universitätsprofessoren der Charitétätig. Daher dürfe unterstellt werden, dass
dem Deutschen Rheumaforschungszentrum Behandlungsumfang und Kapazitäten der Rheumatologischen Hochschulambulanz bei Abgabe
der Stellungnahme zur Versorgungslage bekannt gewesen seien.
Gegen das ihr am 13. September 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Zu Unrecht
habe der Beklagte bei Ermittlung des Bedarfs die Arztgruppe der orthopädischen Rheumatologen außer Betracht gelassen. In den
Weiterbildungsvorschriften für Rheumatologie seien zwar Unterschiede zwischen den Regelungen für Internisten und denen für
Orthopäden normiert. Angesichts der im Verhältnis zu den niedergelassenen internistischen Rheumatologen größeren Zahl niedergelassener
orthopädischer Rheumatologen sei aber davon auszugehen, dass die Behandlung rheumatischer entzündlicher Erkrankungen insgesamt
in größerem Umfange von den orthopädischen Rheumatologen wahrgenommen werde. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Betreuung
der Rheumakranken typischerweise nur von den internistischen Rheumatologen wahrgenommen werde. Im Planungsbezirk Berlin-Bundeshauptstadt
seien derzeit (im November 2011) 29 orthopädische und 30 internistische Rheumatologen tätig. Auch hätte nicht außer Acht gelassen
werden dürfen, wie viele Rheumatologen an der Rheumavereinbarung mit der AOK teilnehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. September 2011 sowie den Beschluss des Beklagten vom 26. Januar 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, internistische und orthopädische Rheumatologen
pflegten unterschiedliche Therapieansätze. Die internistischen Rheumatologen betrieben in verstärktem Maße Labordiagnostik
und spezifische medikamentöse Therapie, anders als orthopädische Rheumatologen, deren Inanspruchnahme regelmäßig erst bei
bereits erheblichen und mit der typischen orthopädischen Diagnostik feststellbaren Gelenkschäden erfolge. Zudem sei das Diagnose-
und Behandlungsangebot von Orthopäden und Internisten in Bezug auf rheumatische Erkrankungen schon unter Berücksichtigung
des Zugangs zu diesen Fachgruppen nach der Weiterbildungsordnung unterschiedlich, auch wenn die gleiche Erkrankung behandelt
werde. Es komme zur Behandlung unterschiedlicher Krankheitsbilder in unterschiedlichen Krankheitsstadien mit unterschiedlichen
Ansätzen.
Auch die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt ergänzend aus: Zu Recht habe der Beklagte bei der Ermittlung des Bedarfs die orthopädischen Rheumatologen außer
Betracht gelassen, denn deren Praxis sei eher chirurgisch ausgerichtet und ziele eher auf eine Basistherapie, während eine
intensive und insbesondere im Falle rheumatischer Erkrankungen erforderliche Langzeitbetreuung unter intensiver Medikation
rheumatologischen Internisten obliege. Nach ihren Erfahrungen seit Eröffnung der Praxis im Mai 2011 bestehe nach wie vor eine
eindeutige Unterversorgung im Planungsgebiet. Ohne überhaupt durch Werbung in Erscheinung getreten zu sein, könne sie sich
vor Anfragen kaum retten und stoße bereits jetzt mit der neu gegründeten Praxis an die Kapazitätsgrenze. Im Übrigen betreibe
sie ihre Praxis ganz bewusst in Koexistenz mit einer ebenfalls im Hause befindlichen Rheuma-orthopädischen Praxis gerade vor
dem Hintergrund der unterschiedlichen Kompetenzbereiche beider Arztgruppen. Soweit die Klägerin auf die AOK-Rheuma-Vereinbarung
Bezug nehme, sei nicht ersichtlich, dass es bei den in diesem Rahmen tätigen Ärzten etwa zu kürzeren Wartezeiten komme. Außerdem
habe der Beklagte die an der Vereinbarung teilnehmenden Ärzte in seine Befragung einbezogen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte zum Eilverfahren
S 83 KA 153/11 ER sowie des Verwaltungsvorganges des Beklagten und des Verwaltungsvorganges der Klägerin Bezug genommen, der, soweit wesentlich,
Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Der Beschluss des Beklagten vom 26. Januar 2011 ist rechtlich
nicht zu beanstanden; die Beigeladene zu 1) hat einen Anspruch auf die erteilte Sonderbedarfszulassung. Zu Recht hat daher
das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen.
1. Zulassungen sind in Planungsbereichen, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen - wie hier - gemäß §
103 Abs.
1 und
2 SGB V wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat, für die davon betroffenen Arztgruppen nur im Wege der Praxisnachfolge
(§
103 Abs.
4 SGB V), der Sonderzulassung zur Ausübung belegärztlicher Tätigkeit (§
103 Abs.
7 SGB V) oder aufgrund besonderen (lokalen oder qualifikationsbezogenen) Versorgungsbedarfs (§
101 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB V) möglich. Auf einen solchen Sonderbedarf stützt der Beklagte die Zulassung der Beigeladenen zu 1) zur vertragsärztlichen
Versorgung.
In solchen Planungsbereichen, in denen Neuzulassungen wegen Überversorgung beschränkt sind, lässt das Gesetz nur ausnahmsweise
die Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze zu, nämlich gemäß §
101 Abs
1 Satz 1 Nr.
3 SGB V dann, wenn diese zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung unerlässlich sind. Die Vorgabe solcher Ausnahmeregelungen
dient dem Ziel, im Einzelfall sicherzustellen, dass angeordnete Zulassungssperren das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht
unverhältnismäßig beschränken und die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt; die Beschränkungen gelten deshalb
dann nicht, wenn in der konkreten örtlichen Situation ein Versorgungsdefizit besteht. Dies im Einzelnen zu konkretisieren,
hat der Gesetzgeber gemäß §
101 Abs.
1 Satz 1
SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) übertragen, der dementsprechend in seiner "Richtlinie über die Bedarfsplanung sowie
die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung" (Bedarfsplanungsrichtlinie,
ÄBedarfsplRL) die Voraussetzungen für solche ausnahmsweisen Besetzungen zusätzlicher Vertragsarztsitze festgelegt hat (§
101 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB V i.V.m. §§
24 bis
26 ÄBedarfsplRL a.F. bzw. §§ 36 und 37 ÄBedarfsplRL in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung) . Gegen die Übertragung
der Befugnis zur Normkonkretisierung auf den GBA bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal der Gesetzgeber
Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (zum Ganzen
siehe Bundessozialgericht, Urteil vom 2. September 2009, B 6 KA 34/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11)2. Von den Tatbeständen des § 24 Satz 1 Buchst. a) bis e) ÄBedarfsplRL a.F. kam vorliegend
allein eine qualifikationsbezogene (Sonderbedarfs-)Zulassung der Beigeladenen zu 1. nach § 24 Satz 1 Buchst. b) in Betracht.
Zu Recht hat der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Tatbestandes angenommen und der Beigeladenen zu 1. eine
auf ihren Schwerpunktbereich beschränkte Sonderbedarfszulassung erteilt.
a) Der Senat würdigt den vorliegenden Fall anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses des
Berufungsausschusses. Daher sind für die rechtliche Würdigung die Vorschriften der ÄBedarfsplRL in der bis zum 31. Dezember
2012 geltenden Fassung maßgebend. Auch für die Beurteilung der Sachlage ist allein auf die Erkenntnisse abzustellen, die der
Berufungsausschuss am 26. Januar 2011 zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat. Denn die Beigeladene zu 1) ist auf der
Grundlage des für sofort vollziehbar erklärten Beschlusses des Beklagten vom 26. Januar 2011 seit Mai 2011 vertragsärztlich
tätig und hat insoweit weit reichende Dispositionen getroffen; ihre Fallzahlen entsprechen denen der vertragsärztlich tätigen
Berufskollegen. Ein im Hinblick auf die sofortige Vollziehung der Zulassung von der Klägerin angestrengtes Eilverfahren hatte
keinen Erfolg. Daher genießt die Beigeladene zu 1) dergestalt Vertrauensschutz, dass jedwede gegebenenfalls zu ihrem Nachteil
zwischenzeitlich eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage außer Betracht bleiben muss. Zwar hat das Bundessozialgericht
herausgestellt (aaO., Rdnr. 26 bis 28), dass in Zulassungsstreitigkeiten selbst dann alle Tatsachen- und Rechtsänderungen
bis zur mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen sind, wenn Gegenstand des Rechtsstreits die
Klage einer Kassenärztliche Vereinigung gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses ist; zugleich hat das Bundessozialgericht
aber betont (aaO., Rdnr. 28), dass in Ausnahmefällen die Berücksichtigung nachteiliger Änderungen verwehrt ist, wenn ein Arzt
auf eine Entscheidung aufgrund einer bestimmten früheren Sach- oder Rechtslage, die ihm Zulassungschancen bot, vertrauen durfte.
So liegt es zur Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall angesichts der vom Beklagten gerichtsfest angeordneten sofortigen
Vollziehbarkeit seiner Zulassungsentscheidung.
Unabhängig davon bleibt festzustellen, dass die ÄBedarfsplRL in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung aus Sicht der
Beigeladenen zu 1. zu keiner Verschlechterung der Rechtslage geführt hat. Denn § 37 ÄBedarfsplRL n.F. enthält insoweit keine
maßgeblichen Änderungen gegenüber dem zuvor geltenden § 24 Satz 1 Buchst. b) ÄBedarfsplRL a.F. Nach alter wie nach neuer Rechtslage
erfordert die Prüfung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs das Vorliegen einer bestimmten Qualifikation des Bewerbers,
die gerade auch in einer Schwerpunktbezeichnung liegen kann; außerdem bedarf es nach wie vor der Feststellung eines besonderen
Versorgungsbedarfs vor dem Hintergrund eines bestehenden Versorgungsdefizits.
b) Nach § 24 Satz 1 Buchst. b) ÄBedarfsplRL a.F. ist ein besonderer Versorgungsbedarf in einem Bereich erforderlich, "wie
er durch den Inhalt des Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet
nach der Weiterbildungsordnung umschrieben ist". Voraussetzung ist dabei nach Buchst. b) Satz 2, "dass die ärztlichen Tätigkeiten
des qualifizierten Inhalts in dem betreffenden Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen und dass
der Arzt die für den besonderen Versorgungsbedarf erforderlichen Qualifikationen durch die entsprechende Facharztbezeichnung
sowie die besondere Arztbezeichnung oder Qualifikation (Schwerpunkt, fakultative Weiterbildung, Fachkunde) nachweist". Eine
mögliche Leistungserbringung in Krankenhäusern bleibt dabei außer Betracht (§ 24 Satz 1 Buchst. b Satz 3). Mit anderen Worten:
Die Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst. b) ÄBedarfsplRL a.F. erfordert die Feststellung einer besonderen Qualifikation
des Arztes und eines dementsprechenden Versorgungsbedarfs; letzterer muss dauerhaft bestehen und sich grundsätzlich auf die
gesamte Breite des Schwerpunkts erstrecken (vgl. dazu Bundessozialgericht, aaO., Rdnr. 19).
aa) Die besondere Qualifikation der Beigeladenen zu 1. im Bereich der internistischen Rheumatologie ist zwischen den Beteiligten
unumstritten und bedarf daher keiner weiteren Erörterung.
bb) Rechtsfehlerfrei hat der Beklagte auch einen besonderen Versorgungsbedarf angenommen bzw. im Planungsbereich Berlin -
Bundeshauptstadt ein Versorgungsdefizit im Bereich der internistischen Rheumatologie festgestellt.
(1) Bei der Beurteilung, ob bzw. inwieweit die bereits zugelassenen Ärzte eine ausreichende Versorgung gewährleisten oder
ob in diesem Versorgungsbereich der Versorgungsbedarf nicht gedeckt ist, verfügen die Zulassungsgremien in weitem Umfang über
einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (st. Rspr., vgl. hierzu und zum Folgenden nur Bundessozialgericht,
aaO., Rdnr. 15 bis 18). Ihre Beurteilung ist durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren geprägt. Einen Beurteilungsspielraum
haben die Zulassungsgremien zunächst bei der Bewertung, Gewichtung und Abwägung der ermittelten Tatsachen. Sie haben einen
Beurteilungsspielraum aber auch - und vor allem - bei der schlussfolgernden Bewertung, ob und inwieweit der Versorgungsbedarf
bereits durch das Leistungsangebot der zugelassenen Ärzte gedeckt ist oder ob noch ein Versorgungsbedarf besteht. Liegen Leistungsangebote
von Ärzten vor, so ist bei der Frage der Deckung des Versorgungsangebots deren Erreichbarkeit mit zu berücksichtigen; den
Versicherten - das gilt auch für Fälle von Kindern - sind weitere Wege umso eher zuzumuten, je spezieller die betroffene Qualifikation
ist.
Soweit die Zulassungsgremien z.B. dem Umfang der Leistungserbringung durch die bereits zugelassenen Ärzte entscheidende Bedeutung
beimessen, muss ihr Beurteilungsergebnis auf ausreichend fundierte Ermittlungen gegründet sein. Ihnen obliegt es, diejenigen
Ärzte bzw. Praxen, die solche Leistungen möglicherweise bereits erbringen bzw. erbringen können, zu befragen und deren Angaben,
da diese interessenorientiert sein könnten, anhand ihnen zugänglicher weiterer Unterlagen - insbesondere der so genannte Anzahlstatistiken
- zu verifizieren (vgl. hierzu auch Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2011, B 6 KA 34/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28). Soweit ein Versorgungsbedarf auch Bereiche umfasst, in denen die Leistungserbringung
eine medizinisch-technische Ausstattung und/oder zusätzliche persönliche Qualifikationen erfordert, ist zu ermitteln, ob der
Bewerber darüber verfügt. Bei der Bewertung, Gewichtung und Abwägung der ermittelten Tatsachen im konkreten Einzelfall haben
sie allerdings, wie ausgeführt, einen Beurteilungsspielraum. Einen Beurteilungsspielraum haben sie hingegen nicht bei der
Frage, wie weit sie ihre Ermittlungen erstrecken. Denn der Umfang ihrer Ermittlungen ist durch § 21 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) vorgegeben; die Ermittlung des Sachverhalts muss das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche Maß ausschöpfen, d.h. so
weit gehen, wie sich weitere Ermittlungen als erforderlich aufdrängen. In diesem Bereich ist kein Raum für die Annahme eines
Beurteilungsspielraums.
Die Ermittlungen der Zulassungsgremien zur Bedarfsdeckung müssen sich dabei an der Versorgungsrealität ausrichten. Deshalb
kommt Angaben über die Zahl der im betroffenen Planungsbereich zugelassenen Vertragsärzte und deren Fallzahlen allenfalls
indizielle Aussagekraft zu. Wenn z.B. Ärzte bei Anwendung eines statistischen Fallzahlvergleichs nicht ausgelastet sind, zusätzliche
Patienten aber nicht versorgen wollen, besteht lediglich ein potenzielles, nicht aber ein reales Versorgungsangebot. Nur eine
Versorgung, die den Versicherten tatsächlich zur Verfügung steht, kann ihren Versorgungsbedarf decken. Solange die Versorgung
nicht real gewährt wird oder jedenfalls eine Bereitschaft dazu besteht, ist eine Versorgungslücke gegeben, die der Deckung
durch Sonderbedarfszulassungen - oder notfalls durch Ermächtigungen - zugänglich ist.
Bei der Bewertung der Leistungserbringung und der Leistungsangebote anderer Ärzte als der zugelassenen Vertragsärzte ist eine
differenzierende Bewertung geboten. Wie in § 24 Satz 3 ÄBedarfsplRL a.F. ausdrücklich bestimmt ist, hat eine Leistungserbringung
in Krankenhäusern außer Betracht zu bleiben. Aber nicht nur die stationären Leistungen der Krankenhäuser, sondern auch deren
ambulante Leistungen sind unberücksichtigt zu lassen, soweit diese Leistungserbringung gegenüber derjenigen der niedergelassenen
Ärzte nachrangig ist. So müssen Versorgungsangebote von Krankenhausärzten, die gemäß §§
116 SGB V, 31a Ärzte-ZV ermächtigt wurden, bei der Prüfung eines Versorgungsbedarfs für Sonderbedarfszulassungen außer Betracht bleiben, weil die
Versorgung aufgrund solcher Ermächtigungen nachrangig ist gegenüber der Versorgung durch niedergelassene Vertragsärzte. Aus
dem gleichen Grund der Nachrangigkeit sind auch Versorgungsangebote aufgrund von Ermächtigungen z.B. gemäß § 31 Abs. 1 Buchst. a) Ärzte-ZV, §
116a, §
119a SGB V unberücksichtigt zu lassen. Anderes gilt indessen für Ermächtigungen, die bedarfsunabhängig erteilt werden, wie z.B. im Falle
des §
117 SGB V, wonach Hochschulambulanzen nach Maßgabe der Erfordernisse von Forschung und Lehre - unabhängig von einem durch die Vertragsärzte
gedeckten oder nicht gedeckten Versorgungsbedarf - zur Erbringung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen ermächtigt werden.
Die hierdurch erfolgende Bedarfsdeckung ist zu berücksichtigen und kann bei der Prüfung und Feststellung, ob ein nicht gedeckter
Versorgungsbedarf besteht, zur Ablehnung einer Sonderbedarfszulassung führen.
(2) Bei Zugrundelegung all dieser Maßstäbe hat der Beklagte auch zur Überzeugung des Senats von seinem Beurteilungsspielraum
rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht und die gesetzlichen Vorgaben hinreichend beachtet, indem er ein Versorgungsdefizit für
den Bereich der internistischen Rheumatologie angenommen hat. Insbesondere hat der Beklagte seine Ermittlungen auf ausreichend
fundierte und fehlerfrei eingegrenzte Ermittlungen gegründet.
Zu Recht hat der Beklagte für die Ermittlung des Versorgungsbedarfs lediglich die vertragsärztlich tätigen internistischen
Rheumatologen in seine Befragung einbezogen und nicht auch die orthopädischen Rheumatologen. Das Vorbringen der Klägerin,
auf das sie ihre Berufung maßgeblich stützt, geht insoweit fehl. Um die Tätigkeitsbereiche der beiden verschiedenen Facharztrichtungen
vergleichen zu können, nimmt der Senat die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin in den Blick. Der Facharzt für Innere
Medizin und Rheumatologie hat eine 72monatige Weiterbildungszeit abzuleisten, davon 36 Monate Rheumatologie, davon wiederum
sechs Monate obligat in einem rheumatologisch-immunologischen Labor. Ziel der Weiterbildung ist der Erwerb von Kenntnissen,
Erfahrungen und Fertigkeiten insbesondere auch auf dem Gebiet der immunsuppressiven und -modulatorischen medikamentösen Therapie
entzündlich-rheumatischer Systemerkrankungen. Die orthopädische Rheumatologie erfordert dagegen eine 36monatige Weiterbildungszeit;
sie zielt auf die medikamentöse Therapie nur unkomplizierter Fälle und im Übrigen primär auf Vorbeugung, Erkennung und operative
Behandlung von Gelenk-, Wirbelsäulen- und Weichteilmanifestationen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, auf die Durchführung
rheumaorthopädischer Operationen und physikalische Therapiemaßnahmen. All dies belegt grundlegend unterschiedliche Herangehens-
und Behandlungsweisen der verschiedenen Facharztgruppen. Lediglich die internistischen Rheumatologen in die Befragung einzubeziehen,
die überdies (wie auch die orthopädischen Rheumatologen) über eigene Abrechnungsnummern nach dem EBM-Ä verfügen, ist daher
frei von Beurteilungsfehlern.
Durfte der Beklagte danach seine Erhebung auf eine Befragung der internistischen Rheumatologen beschränken, hat diese Befragung
ein eindeutiges Ergebnis erbracht: Ganz überwiegend (21 von 29 Antwortenden) hat die Befragung unvertretbar lange Wartezeiten
für einen Ersttermin ergeben, die gerade wegen der Notwendigkeit frühzeitiger medikamentöser Therapie ein Versorgungsdefizit
belegen. Zudem haben ebenfalls 21 von 29 Antwortenden die Notwendigkeit gesehen, weitere internistische Rheumatologen zuzulassen,
um das Versorgungsdefizit zu beheben.
Der Beklagte musste auch keinen Anlass sehen, an der Richtigkeit der Angaben der befragten internistischen Rheumatologen zu
zweifeln; deren Angaben bedurften keiner weiteren Objektivierung bzw. Verifizierung etwa durch Anzahlstatistiken (vgl. dazu
Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2011, B 6 KA 34/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28 f.). Denn es ist nichts dafür zu erkennen, dass diejenigen Ärzte, die über lange Wartezeiten
von bis zu drei Monaten berichten und eine Neuzulassung weiterer internistischer Rheumatologen für wünschenswert halten -
immerhin jeweils 21 von 29 antwortenden Ärzten -, interessengeleitet handeln und ihre Angaben nicht der tatsächlichen Versorgungssituation
entsprechen. Grundsätzlich kann nämlich davon ausgegangen werden, dass niedergelassene Vertragsärzte in einer Befragung wie
der vorliegenden tendenziell eher dergestalt interessengeleitet antworten, dass sie die Konkurrenz durch andere Ärzte derselben
Fachrichtung gering halten wollen, um eigene Fallzahlen und Umsätze stabil zu halten. Wenn dann aber mehr als vier Fünftel
aller antwortenden Ärzte zu lange Wartezeiten für die Patienten beklagen und Bedarf an weiteren Fachkollegen sehen, spricht
dies für sich. Zu Recht hat der Beklagte daher die 29 Antworten der befragten Fachärzte keiner weiteren Verifizierung unterzogen.
Im Übrigen wäre diese Verifizierung auch schwerlich möglich, da insbesondere den Angaben zur Wartezeit für eine erstmalige
Vorstellung beim internistischen Rheumatologen Wahrnehmungen zugrunde liegen, die ausschließlich in die Sphäre der befragten
Ärzte fallen.
Frei von Rechtsfehlern hat der Beklagte sich für seine Annahme eines Versorgungsdefizits auch auf die Auskunft des Deutschen
Rheumaforschungszentrums Berlin vom 28. Juli 2010 gestützt. Auch diese Stellungnahme, die von einer anerkannten Forschungseinrichtung
der Leibniz-Gemeinschaft stammt und ein erhebliches Versorgungsdefizit beschreibt, ist ohne Weiteres in der Lage, die Sachentscheidung
des Beklagten zu tragen. Nicht weiter in Frage stellen musste der Beklagte den errechneten Bedarf von mindestens 58 internistischen
Rheumatologen, basierend auf der Annahme, für je 50.000 erwachsene Einwohner sei ein internistischer Rheumatologe erforderlich.
Zum einen basiert diese Annahme nämlich auf einem Memorandum der größten einschlägigen medizinischen Fachgesellschaft, der
Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, die die "Anhaltszahl" von 50.000 nachvollziehbar wissenschaftlich begründet hat
(http://dgrh.de/anhaltszahlen00.html); zum anderen liegt die tatsächliche Anzahl internistischer Rheumatologen im Planungsbezirk
Berlin - Bundeshauptstadt so weit unter 58 - nur 20 Ärzte rechnen die internistischen Rheumatologen vorbehaltenen EBM-Nummern
ab -, dass es nicht entscheidend darauf ankam, ob die Zahl 50.000 gegebenenfalls zu niedrig gegriffen war. Vor allem aber
beschrieb auch das Deutsche Rheumaforschungszentrum Berlin anhand empirisch gewonnenen Zahlenmaterials überlange Wartezeiten
auf einen Ersttermin: Die Symptomdauer bis zum Ersttermin betrage 32,8 Wochen, während sie in anderen Stadtstaaten nur 9,2
Wochen (Bremen) bzw. 22,3 Wochen (Hamburg) betrage; gleichzeitig sei eine fachgerechte Früherkennung und -behandlung bei rheumatischen
Erkrankungen besonders wichtig. Das Deutsche Rheumaforschungszentrum Berlin sah für Berlin "besonders ungünstige" Werte. Ohne
Weiteres durfte der Beklagte diese wissenschaftlich fundierte Auskunft einer anerkannten Forschungseinrichtung zur Grundlage
seiner Entscheidung machen; dies ist von seinem Beurteilungsspielraum gedeckt.
Die beiden nach §
116b Abs.
2 SGB V zur Behandlung "schwerer rheumatologischer Erkrankungen" bestimmten Kliniken der Charité (Campus Mitte und Campus Benjamin
Franklin) musste der Beklagte bei Ermittlung des Versorgungsbedarfs im Bereich der internistischen Rheumatologie nicht maßgeblich
einbeziehen. Nachvollziehbar hat der Beklagte insoweit ausgeführt, dass das Versorgungsdefizit im ambulanten vertragsärztlichen
Bereich insbesondere zu langen Wartezeiten auf einen Ersttermin führe, gleichzeitig aber eine möglichst frühzeitige Versorgung
neu an Rheuma Erkrankter besonders erforderlich sei, um einen zuverlässigen Heilungserfolg herbeiführen zu können. Weil aber
die beiden Kliniken der Charité nur über eine Bestimmung zur Behandlung schwerer rheumatologischer Erkrankungen verfügen,
wäre ihre Einbeziehung in die Erhebung zur Versorgungssituation im Bereich der allgemeinen internistischen Rheumatologie sachfremd.
Davon abgesehen haben die beiden nach §
116b SGB V tätigen Kliniken offensichtlich keinen maßgeblichen Einfluss auf die Versorgungssituation, weil es sonst nicht zu den belegten
langen Wartezeiten im Bereich der internistischen Rheumatologen käme. Die Zulassung der Beigeladenen zu 1. erfolgte gerade
in der Absicht, überlange Wartezeiten bei Erstvorstellungen aufgrund einsetzender Rheumakrankheit abzusenken; damit zielt
die Sonderbedarfszulassung auf einen Umstand, der die beiden nach §
116b SGB V tätigen Kliniken nicht betrifft, denn die dortige hoch spezialisierte spezialärztliche Versorgung zielt insbesondere auf
langjährig und schwer erkrankte Patienten.
Etwas anderes gilt in Bezug auf die nach §
117 SGB V ermächtigte rheumatologische Hochschulambulanz der Charité: Sie ist grundsätzlich bei der Ermittlung des Versorgungsbedarfs
zu berücksichtigen [s.o. 2. b) bb) (1)]. Allerdings besteht die Ermächtigung gemäß §
117 Abs.
1 Satz 2
SGB V nur in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang, so dass auch der Betrieb der Hochschulambulanz nicht darauf ausgerichtet
sein kann, die Versorgungssituation in einer Millionenstadt maßgeblich zu beeinflussen bis hin zu einer ins Gewicht fallenden
Verringerung der Wartezeiten für Patienten in vertragsärztlichen Praxen. Der Senat schließt insoweit aus, dass der Beklagte,
hätte er die nach §
117 SGB V ermächtigte rheumatologische Hochschulambulanz der Charité in seine Beurteilung einbezogen, zu einem anderen Ergebnis hätte
kommen können; denn angesichts der erheblichen Versorgungslücke zwischen mindestens 58 benötigten internistischen Rheumatologen
und den nur 20 tatsächlich zur Verfügung stehenden rheumatologische EBM-Ziffern abrechnenden Ärzten ist undenkbar, dass allein
eine Hochschulambulanz in der Lage wäre, diese evidente und gravierende Versorgungslücke zu schließen, zumal die in der Ambulanz
tätigen Klinikärzte neben der Ambulanz auch noch den stationären Bereich abzudecken haben und die Kapazität zur ambulanten
Versorgung von Patienten daher von vornherein begrenzt ist.
Zu Recht hat das Sozialgericht insoweit auch betont, dass den befragten internistischen Rheumatologen das Vorhandensein der
Einrichtungen der ambulanten Hochschulmedizin bewusst gewesen sein muss; gleichwohl haben sich die befragten Ärzte aber so
geäußert wie oben dargestellt. Seine Erklärung findet dies darin, dass die Hochschulmedizin auf weit fortgeschrittenem Niveau
mit überwiegend schwer erkrankten Problemfällen arbeitet [was im Parallelverfahren L 7 KA 86/12 der dortige Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat], während das vom Beklagten beurteilungsfehlerfrei
erkannte Versorgungsdefizit auf anderer Ebene liegt, nämlich in der flächendeckenden und zeitnahen Betreuung gerade auch neu
erkrankter Patienten mit leichten und mittelschweren Verlaufsformen, also der "Normalfälle", die den Weg in die Hochschulmedizin
in der Regel gerade nicht finden.
cc) Keinen Zweifel hegt der Senat schließlich daran, dass der rechtsfehlerfrei belegte Versorgungsbedarf auch dauerhaft besteht
und sich auf die gesamte Breite des Schwerpunkts internistische Rheumatologie erstreckt. Gegenteiliges ist weder behauptet
noch sonst ersichtlich.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach §
160 Absatz
2 SGG nicht vorliegen.