Hilfsmittelverzeichnis - Herstellerbegriff - Vertriebsunternehmen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufnahme eines Hilfsmittels mit der Bezeichnung "Angio Press®" in das Hilfsmittelverzeichnis
der gesetzlichen Krankenversicherung (im Folgenden: Hilfsmittelverzeichnis).
Angio Press® ist ein Gerät zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (paVK); es bietet über eine anzulegende
Stiefelmanschette intermittierende pneumatische Kompression von den Füßen und Knöcheln bis zu den Waden.
Das Gerät wurde von der Firma M A A Ltd. (vgl. http://.com) in Israel entwickelt und wird dort von dieser Firma produziert.
M A ist seit dem Jahr 1998 Inhaberin der CE-Kennzeichnung nach Art. 17 der EU-Richtlinie 93/42/EWG vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte und lässt seine Produkte über ein Vertriebsnetz ("Network of Distributors") weltweit
vermarkten. Der Alleinvertrieb in Deutschland, Österreich, Luxemburg und in der Schweiz erfolgt durch die Klägerin, die hierfür
die Geräte von M A bezieht, im eigenen Namen (vgl. http://www.villa-sana.com). Der Internetseite von M A ist zu entnehmen,
dass inner- und außerhalb der europäischen Union eine Vielzahl weiterer Unternehmen mit Vertrieb u.a. von Angio Press® betraut
ist. Auf der Frontseite des Geräts sind das Logo und der Name von M A aufgebracht.
In der deutschsprachigen Gebrauchsanleitung von Angio Press® wird M A als "Produzent" und "Hersteller" bezeichnet. Als autorisierter
Repräsentant in Europa wird R DH A/s in Norwegen angegeben, für den Vertrieb die Klägerin genannt.
Am 20. August 2008 beantragte die Klägerin bei dem beklagten GKV-Spitzenverband im eigenen Namen die Aufnahme von Angio Press®
Typ 802 E Art.-Nr. AP für die Indikation periphere arterielle Verschlusskrankheit in die Produktuntergruppe 17.99.01 (Apparate
zur Kompressionstherapie) in das Hilfsmittelverzeichnis nach §
139 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (
SGB V). In dem Antrag bezeichnete die Klägerin sich als Antragsteller und Hersteller und nannte M A als Produzenten.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2010 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Der medizinische Nutzen von Angio Press® für die Behandlung
von arteriellen Durchblutungsstörungen sei nicht belegt.
Nachdem der hiergegen von der Klägerin erhobene Widerspruch zunächst nicht beschieden wurde, hat die Klägerin am 19. August
2011 Untätigkeitsklage erhoben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Auch nach Auswertung der von der
Klägerin zur Verfügung gestellten Unterlagen zum medizinischen Nutzen von Angio Press® sei ein solcher nicht erwiesen. Zudem
könne nicht bewertet werden, ob es sich bei dem Einsatz von Angio Press® um eine neue Behandlungsmethode im Sinne von §
135 Abs.
1 SGB V handele.
Die Klägerin hat die Klage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides fortgeführt.
Mit Urteil vom 30. Oktober 2013 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im
Wesentlichen ausgeführt: Die Frage des medizinischen Nutzens des Produkts könne dahinstehen, da die Klägerin nicht als "Herstellerin"
im Sinne von §
139 SGB V anzusehen sei. Das Sozialgericht folge dabei dem vom Bundessozialgericht im Urteil vom 15. März 2012 (B 3 KR 6/11 R) entwickelten Hersteller-Begriff, der sich an die Regelung in § 3 Nr. 15 Satz 1 MPG anlehne. Allein der Umstand, gegebenenfalls kein "reines Vertriebsunternehmen" zu sein, führe noch nicht zur Herstellereigenschaft.
Zudem fehle es am "erstmaligen Inverkehrbringen" im Sinne von § 3 Nr. 11 MPG, denn dieses erfolge durch M A. Hätten die von M A hinsichtlich des Europäischen Wirtschaftsraumes vergebenen Alleinvertriebsrechte
jeweils zur Folge, dass die jeweilige Firma auch als Hersteller anzusehen sei, wären auch die weiteren Unternehmer, die das
Alleinvertriebsrecht für andere europäische Länder innehaben, als Hersteller im Sinne von § 3 Nr. 15 MPG anzusehen. Dies sei aber ausgeschlossen, denn im Medizinprodukterecht gebe es nur einen verantwortlichen Hersteller, und
dies sei unzweifelhaft M A, die auch das CE-Kennzeichnungsverfahren in eigenem Namen durchgeführt habe. Aus der Tatsache,
dass auch für die Klägerin als Vertriebsunternehmen gegebenenfalls die nach dem MPG dem Hersteller obliegenden Pflichten bestünden, ergebe sich noch nicht ihre Herstellereigenschaft. Grundsätzlich habe auch
das Gericht die gesetzliche Voraussetzung der Herstellereigenschaft zu prüfen, weshalb es nicht darauf ankomme, dass die Beklagte
diesen Aspekt erst im Klageverfahren thematisiert habe.
Gegen das Ihr am 25. November 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Dezember 2013 Berufung eingelegt, zu deren Begründung
sie ausführt: Angio Press® sei in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen.
Ein gesonderter Nachweis des medizinischen Nutzens sei nicht erforderlich, weil es sich nicht um eine neue Produktart handele.
Unabhängig davon sei der medizinische Nutzen mit der (nur in englischer Sprache vorliegenden) Studie von B et al (2014) inzwischen
belegt.
Sie sei auch als Herstellerin im Sinne von §
139 Abs.
4 SGB V anzusehen. Soweit die Beklagte sich im Klageverfahren unter Berufung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. März
2012 (B 3 KR 6/11 R) erstmals auf eine fehlende Herstellereigenschaft der Klägerin berufen habe, sei dies rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen
Sinn und Zweck der Regelung. Zudem habe der Beklagte anderen Unternehmen in vergleichbarer Position eine Herstellereigenschaft
zuerkannt. Es dürfe nicht darauf ankommen, ob der Hersteller oder die zum exklusiven Vertrieb ermächtigte Gesellschaft den
Antrag auf Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis stelle. Alles andere sei bloße Förmelei und führe zu Grundrechtsverletzungen.
Durch die Übertragung der exklusiven Rechte, insbesondere der Nutzungs- und Vertriebsrechte, sei die originäre Herstellereigenschaft
von M A auf die Klägerin verlagert worden. M A selbst dürfe einen Antrag auf Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis gar nicht
stellen, weil dies die Exklusivrechte der Klägerin verletzen würde. §
139 SGB V sei zumindest analog auf die Klägerin anzuwenden, denn es bestehe eine nicht beabsichtigte Regelungslücke. Zudem dürfe die
Klägerin auch nicht als reines Vertriebsunternehmen angesehen werden, denn sie kombiniere Entwicklung, Service und exklusiven
Vertrieb; die Idee zur Entwicklung von Angio Press® stamme von ihr. Zudem bringe sie das Produkt im Sinne von § 3 Nr. 11 Satz 2 Medizinproduktegesetz (MPG) erstmalig im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr. Auch deshalb fungiere sie rechtlich als "Herstellerin".
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Produkt Angio Press® Typ
802 E, Art.-Nr. AP in sein Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend an: Die Voraussetzungen für eine Aufnahme des
streitigen Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Der medizinische Nutzen sei nach wie
vor nicht belegt. Dies ergebe sich auch auf Grundlage einer Studie des Medizinischen Dienstes des Beklagten vom 6. Januar
2015, in der die von der Klägerin vorgelegte Studie von B et al. (2014) kritisch gewürdigt werde. Davon abgesehen habe auch
das Sozialgericht der Klägerin die Herstellereigenschaft im Rechtssinne zutreffend abgesprochen. Nur wer die Verantwortung
für die Entwicklung und Herstellung eines Produkts trage, komme als "Hersteller" in Betracht. Eine solche Verantwortung trage
sie als Vertriebsunternehmen aber gerade nicht, anders als M A, mit deren Namen das Produkt gekennzeichnet sei und die das
CE-Kennzeichnungsverfahren in eigenem Namen durchgeführt habe. M A fungiere nicht etwa nur als eine Art Lohnherstellerin für
die Klägerin, was sich auch darin zeige, dass sich M A in anderen Ländern anderer Vertriebsunternehmen bediene.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs
der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist
rechtmäßigund verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn sie hat auf der Grundlage von §
139 SGB V keinen Anspruch auf Aufnahme des Produkts Angio Press® in das Hilfsmittelverzeichnis.
1. Nach §
139 SGB V in der seit 1. Juli 2008 geltenden Fassung erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen ein systematisch strukturiertes
Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen (Abs. 1). Die Aufnahme
eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis erfolgt auf Antrag des Herstellers. Über die Aufnahme entscheidet der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen; er kann vom Medizinischen Dienst prüfen lassen, ob die Voraussetzungen nach Absatz 4 erfüllt sind
(Abs. 3).Das Hilfsmittel ist aufzunehmen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der
Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für
eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist (Abs. 4).Die Regelung
nimmt damit Bezug auf die Vorschriften des §
33 SGB V, des §
23 SGB V und des §
31 SGB IX, die den Leistungsanspruch eines Versicherten gegen die Krankenkassen auf die Versorgung mit Hilfsmitteln in der GKV sowie
bei der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen regeln.
Zentrale Anspruchsvoraussetzung für die Aufnahme eines Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis ist danach neben Sicherheit,
Funktionstauglichkeit, Qualität und therapeutischem Nutzen des Hilfsmittels die Herstellereigenschaft des Antragstellers.
Nur der Hersteller des Hilfsmittels besitzt ein Antragsrecht nach §
139 Abs.
3 Satz 1
SGB V; nur der Hersteller selbst kann im eigenen Namen die Eintragung betreiben, andere können nur kraft Vollmacht für ihn tätig
werden (vgl. BeckOK SozR/Knispel
SGB V §
139 Rdnr. 9).
2. Auch zur Überzeugung des Senats erfüllt die Klägerin nicht die danach erforderliche Eigenschaft als Herstellerin, so dass
sie zur Stellung des Antrags nach §
139 Abs.
3 SGB V nicht befugt war.
a) Die Beklagte war ohne Weiteres berechtigt, die Frage der Herstellereigenschaft erstmalig im Laufe des erstinstanzlichen
Verfahrens zu thematisieren. Ein von der Klägerin behaupteter Rechtsmissbrauch liegt hierin nicht. Die Klägerin verkennt insoweit
die regelmäßig bei der Handhabung einfachen Rechts geltenden Mechanismen. Die Herstellereigenschaft ist ein von Gesetzes wegen
zu beachtendes Merkmal für die Befugnis zur Antragstellung nach §
139 Abs.
3 SGB V. Daher wäre selbst der Senat berechtigt und verpflichtet gewesen, die Frage nach der Herstellereigenschaft der Klägerin im
Berufungsverfahren erstmalig zu stellen, selbst wenn dieser Aspekt im gesamten vorangehenden Verwaltungs- und erstinstanzlichen
Gerichtsverfahren nicht erörtert worden wäre.
b) In einer ersten Entscheidung vom 22. April 2009 (B 3 KR 11/07 R) hat das Bundessozialgericht den Begriff des Herstellers in §
139 SGB V eingegrenzt (juris, Rdnr. 45 bis 46). Danach kann - wie §
139 Abs.
3 Satz 1
SGB V ausdrücklich regelt - das Aufnahmeverfahren nur vom Hersteller betrieben werden. Reine Vertriebsunternehmen können weder
selbst die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis beantragen noch das Aufnahmeverfahren betreiben.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Klägerin als "reines Vertriebsunternehmen" in diesem Sinne anzusehen ist. Auf
der Internetseite der Herstellerfirma M A (vgl. http://megoafek.com) wird sie für die Länder Deutschland, Österreich, Luxemburg
und Schweiz als "Distributor" (englisch für Verteiler, Vertreiber) bezeichnet. Mit der Herstellung des Produkts ist die Klägerin,
die in einer Reihe mit einer Vielzahl weiterer Vertriebsunternehmen weltweit steht, auch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht
befasst. Dass sie gegebenenfalls den Endverbrauchern gegenüber bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Serviceleistungen übernimmt
oder Haftungsrisiken unterliegt, ist dabei rechtlich unerheblich. Denn zwar gilt gemäß § 4 Abs. 2 des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) als Hersteller auch, wer ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs
mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum einführt oder verbringt. Dieser für die Belange des Verbraucherschutzes entwickelte weite Begriff des Herstellers
gilt aber nur für den Anwendungsbereich des ProdHaftG und nicht darüber hinaus (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 47). Dies ergibt sich sowohl aus dem Zweck des Gesetzes,
dem Verbraucher die Durchsetzung von Ersatzansprüchen wegen fehlerhafter Produkte zu erleichtern, als auch aus dem Wortlaut
des § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG, wonach "Hersteller im Sinne dieses Gesetzes" die in der Vorschrift aufgeführten Beteiligten sind. Im Anwendungsbereich des
§
139 SGB V dagegen ist der Begriff des Herstellers eng zu verstehen und auf das eigentliche Herstellungsunternehmen beschränkt (Bundessozialgericht,
a.a.O.). Dies soll insbesondere der Gefahr divergierender Entscheidungen vorbeugen. Dass der Gesetzgeber dabei auch an Anträge
ausländischer Hersteller gedacht hat, ergibt sich vor allem aus der Verpflichtung zur Beifügung der für eine ordnungsgemäße
und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache (§
139 Abs.
4 SGB V).
c) Ob ein Vertriebsunternehmen wie die Klägerin berechtigt sein kann, namens und im Auftrag eines Herstellers einen Aufnahmeantrag
nach §
139 SGB V zu stellen, für diesen das Aufnahmeverfahren zu betreiben und in einem Rechtsstreit als gewillkürter Prozessstandschafter
aufzutreten, ist vorliegend nicht zu entscheiden, weil ein solches Handeln im fremden Namen nicht gegeben ist. Zwar hat die
Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren angekündigt, sich insoweit mit M A ins Benehmen setzen zu wollen, mit Schriftsatz
vom 22. Mai 2013 jedoch eingeräumt, dass ein "Informationsaustausch" mit M A nicht möglich gewesen sei. Daher bleibt es dabei,
dass die Klägerin den Aufnahmeantrag ausschließlich in eigenem Namen gestellt hat. Die gescheiterten Bemühungen der Klägerin,
sich mit M A im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit abzusprechen, dürften im Übrigen ein Beleg dafür sein, wie stark
hier die Sphären von Hersteller einerseits und bloßem Vertriebsunternehmen andererseits von einander getrennt sind.
d) In seinem Urteil vom 15. März 2012 (B 3 KR 6/11 R) hat das Bundessozialgericht den Begriff des Herstellers in §
139 SGB V weiter präzisiert. Es hat insoweit auf seine Entscheidung vom 22. April 2009 rekurriert und zunächst erneut betont, dass
nur der Hersteller eines Hilfsmittels einen Aufnahmeantrag stellen und das Aufnahmeverfahren betreiben dürfe. "Reine Vertriebsunternehmen
können weder selbst die Eintragung eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis beantragen noch das Aufnahmeverfahren
betreiben" (Bundessozialgericht, a.a.O., zitiert nach juris, dort Rdnr. 19). Zusätzlich hat das Bundessozialgericht indessen
angeführt, dass der Hersteller-Begriff des §
139 SGB V "jedenfalls im Kern" dem des Medizinprodukterechts folge.
Auch im Lichte des Medizinprodukterechts bleibt es aber dabei, dass der Klägerin keine Herstellereigenschaft beigemessen werden
kann:
aa) Hersteller im medizinprodukterechtlichen Sinn ist gemäß § 3 Nr. 15 Satz 1 MPG "die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung eines Medizinproduktes
im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten
von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden". Mit dieser Begriffsbestimmung
folgt das Medizinproduktegesetz wörtlich der Formulierung in Art. 1 Abs. 2 Buchst. f) der Richtlinie 93/42 EWG über Medizinprodukte. Sie entspricht dem europäischen Rechtsgedanken (also auch dem Zweck
der genannten Richtlinie), dass für den Verbraucher stets derjenige in die Verantwortung genommen werden soll, der das Produkt
als sein Produkt gegenüber dem Anwender darstellt (vgl. hierzu und zum Folgenden Lücker in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl.
2014, Rdnr. 20 zu § 3 MPG); der Verbraucherschutzgedanke ist der Richtlinie 93/42 EWG über Medizinprodukte immanent, was sich insbesondere auch aus
ihrer umfangreichen Präambel ergibt. Für den Begriff des Herstellers kommt es nicht darauf an, ob er tatsächlich das Produkt
selbst produziert oder irgendwelche Produktionsschritte hierzu beigetragen hat. Entscheidend ist allein die Kennzeichnung
mit seinem Namen und der Wille, als Hersteller nach außen in Erscheinung zu treten. Damit entspricht diese Definition auch
der des ProdHaftG, wobei das ProdHaftG - wie gezeigt - aber mehrere Hersteller eines Produkts kennt, was dem MPG fremd ist. Im MPG gibt es nur einen verantwortlichen Hersteller. Entscheidend für die Herstellerdefinition in § 3 Nr. 15 MPG ist zudem, dass auch die Festlegung der Zweckbestimmung als Medizinprodukt im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen
im eigenen Namen die Herstellerqualifikation erzeugen kann; damit besteht für Zwischenhändler die Gefahr, in die Herstellerfunktion
zu gelangen, sobald sie - anders als hier - fremden Medizinprodukten eine andere Zweckbestimmung gegenüber dem Anwender im
eigenen Namen beimessen.
Hieran gemessen bleibt es erst recht dabei, dass die Klägerin nicht als Herstellerin im Rechtssinne begriffen werden kann.
Denn das Produkt Angio Press® ist auf seiner Frontseite mit dem Namen und dem Logo von M A gekennzeichnet und in der Gebrauchsanweisung
bezeichnet M A sich selbst als Hersteller, will also genau so und für den Verbraucher eindeutig nach außen hin auftreten.
Irgendeine Umetikettierung oder Änderung der Zweckbestimmung unternimmt die Klägerin nicht, so dass sie nicht ansatzweise
nach außen hin an Stelle von M A als Herstellerin tritt.
bb) Unter dem von der Klägerin angeführten Aspekt des "erstmaligen Inverkehrbringens" gilt nichts anderes:
Inverkehrbringen ist definiert als "jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe von Medizinprodukten an andere"(§ 3 Nr. 11 Satz 1 MPG) und erstmaliges Inverkehrbringen als "die erste Abgabe von neuen oder als neu aufbereiteten Medizinprodukten an andere im
Europäischen Wirtschaftsraum"(§ 3 Nr. 11 Satz 2 MPG)
Allein das "erstmalige Inverkehrbringen" führt nicht dazu, dass ein bloßes Vertriebsunternehmen zum Hersteller im Sinne von
§
139 SGB V wird, denn der Herstellerbegriff des MPG erfasst stets nur denjenigen, der die Verantwortung für die Entwicklung und Herstellung eines Medizinproduktes trägt und
dieses gegebenenfalls auf der ersten Handelsstufe Dritten überlässt, was schon durch den Verkauf an einen Zwischenhändler
erfüllt wird (vgl. hierzu und zum Folgenden Bundessozialgericht, Urteil vom 15. März 2012, B 3 KR 6/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20). Das folgt im Umkehrschluss auch aus § 3 Nr. 15 Satz 2 MPG, wonach die dem Hersteller nach dem MPG obliegenden Verpflichtungen auch für die natürliche oder juristische Person "gelten", die ein oder mehrere vorgefertigte
Medizinprodukte montiert, abpackt, behandelt, aufbereitet, kennzeichnet oder für die Festlegung der Zweckbestimmung als Medizinprodukt
im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist. Auch dies macht deutlich, dass zu unterscheiden
ist zwischen dem die (Erst-)Verantwortung für Anlage und Produktion des Medizinproduktes tragenden Hersteller einerseits und
den weiteren natürlichen oder juristischen Personen andererseits, die mit zusätzlichen medizinprodukterechtlich relevanten
Tätigkeiten in den darauf folgenden Abgabeprozess einbezogen sind. Demgemäß erlangt zwar die Klägerin durch das erstmalige
Inverkehrbringen von Angio Press® eine medizinprodukterechtliche Verantwortungsstellung. Jedoch wird sie hierdurch nur Adressatin
der Verpflichtungen nach dem MPG, nicht aber selbst Herstellerin im Sinne von § 3 Nr. 15 Satz 1 MPG (noch offen gelassen im Urteil des Senats vom 26. März 2014, L 9 KR 82/11, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22).
e) Für die von der Klägerin für sich beanspruchte Erweiterung des Herstellerbegriffs im Wege einer Gesetzesanalogie ist nach
alledem kein Raum. Für sie mag es zwar bedauerlich bzw. von wirtschaftlichem Nachteil sein, nicht zur Antragstellung nach
§
139 Abs.
3 SGB V befugt zu sein; doch kommt eine analoge Erstreckung des Herstellerbegriffs auf die Klägerin als Vertriebsunternehmen mangels
einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Regelungslücke nicht in Betracht. Die Klägerin verkennt mit ihrem Vorbringen insoweit
die engen Grenzen, die für eine methodengerechte Gesetzesanalogie gelten.
f) Ein Grundrechtsverstoß liegt in alldem nicht.
aa) Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass andere Vertriebsunternehmen in vergleichbarer Position von dem Beklagten
als antragsbefugt nach §
139 Abs.
3 SGB V angesehen worden seien, kann hierin kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art.
3 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) liegen, denn auf Gleichbehandlung im Unrecht (die vorliegend im Übrigen nicht belegt ist) besteht kein Anspruch (st. Rspr.
des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur Beschluss vom 17. Januar 1979, 1 BvL 25/77, zitiert nach juris, dort Rdnr. 59).
bb) Auch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art.
12 Abs.
1 GG ist nicht verletzt. Grundsätzlich haben nämlich Hersteller und erst recht Anbieter von Arzneimitteln oder Medizinprodukten
keine aus Art
12 Abs.
1 GG abzuleitende Rechtsposition inne, kraft derer sie zur gerichtlichen Prüfung stellen können, ob die Ausgestaltung des Leistungsumfangs
der GKV rechtmäßig ist; so können etwa Anbieter von Behandlungsleistungen über die Berufung auf ihr Grundrecht aus Art
12 Abs.
1 GG keine Ausweitung des Leistungskatalogs der GKV erzwingen, ebenso wenig wie etwa Arzneimittelhersteller erreichen können,
dass ein von ihnen angebotenes Arzneimittel für verordnungsfähig erklärt wird. Ob die Leistung überhaupt - also unabhängig
davon, wer sie anbieten darf - zur Leistungspflicht der GKV gehört, können nur an der Versorgung der Versicherten beteiligte
Leistungserbringer, namentlich Ärzte, Krankenkassen bzw. ihre Verbände und - im Rechtsstreit mit ihrer Krankenkasse - Versicherte,
zur gerichtlichen Überprüfung stellen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2015, B 6 KA 28/13 R zitiert nach juris, dort Rdnr. 53, unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2002, 1 BvL 28/95 u.a.). Mit anderen Worten: Das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art.
12 Abs.
1 GG umfasst schon von seinem Schutzbereich her nicht den Willen eines Vertriebsunternehmens, ein bestimmtes Produkt zu Lasten
der GKV vertreiben zu können.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.