Statthaftigkeit der Untätigkeitsbeschwerde und die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung im sozialgerichtlichen
Verfahren
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.
1.) Soweit sich die Beschwerde gegen die Untätigkeit des Sozialgerichts Cottbus richtet, zeitnah eine Entscheidung über die
von der Antragstellerin gegen die Kostenrechnung vom 13. Januar 2005 eingelegte Erinnerung vom 16. Februar 2005 zu treffen,
kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Abgesehen davon, dass jedes schutzwürdige rechtliche Interesse an der Untätigkeitsbeschwerde
entfallen ist, nachdem das Sozialgericht mit Beschluss vom 01. August 2012 über die Erinnerung entschieden hat, ist die Untätigkeitsbeschwerde
unstatthaft.
a) Eine Untätigkeitsbeschwerde ist derzeit im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. hierzu und zum Folgenden mit Hinweisen auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21. Mai 2007, B 1 KR 4/07 S, zitiert nach juris). Rechtsbehelfe müssen jedoch in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen
für die Bürger erkennbar sein. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns
führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen. Die rechtliche
Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen
es zulässig ist. Deshalb geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) davon aus, eine richterrechtlich begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde sei kein wirksamer Rechtsbehelf gegen
eine überlange Verfahrensdauer (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 8. Juni 2006, NJW 2006, S. 2389 ff, Sürmeli/Deutschland). Hieran gemessen verbleibt kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage durch Richterrecht eine Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren einzuwirken.
Dementsprechend haben auch der Bundesfinanzhof (Beschluss vom 4. Oktober 2005, II S 10/05) und das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 5. Dezember 2006, L 10 B 68/06; zitiert jeweils nach juris) entschieden, dass es ein Rechtsinstitut der "Untätigkeitsbeschwerde" nicht gibt (LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 30. Mai 2008, L 7 B 22/08 KA, zitiert nach juris).
b) Darüber hinaus gilt: Mit dem am 3. Dezember 2011 in Kraft getretenen Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren
und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I Seite 2302) hat der Gesetzgeber das
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) geändert und diesem Gesetz den Siebzehnten Titel "Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren"
mit den §§
198 bis
201 GVG neu angefügt (Artikel 1 des Gesetzes). Mit diesen Regelungen, die in der Sozialgerichtsbarkeit gemäß §
202 SGG in der Fassung von Artikel 7 Nr. 6 des Gesetzes vom 24. November 2011 entsprechend anzuwenden sind, wird eine Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung
eines Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens oder strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens
unter Normierung der tatbestandlichen Voraussetzungen geschaffen. Mit diesen Regelungen soll der Rechtsschutz bei überlanger
Verfahrensdauer einheitlich und ausschließlich durch einen außerhalb des Ausgangsverfahrens zu verfolgenden Anspruch gewährt
werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2012 - L 19 AS 111/12 B -; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15. März 2012 - 8 W 17/12 -, juris; Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 17/3802 Seite 15 f.). Damit wird dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes
gegen eine überlange Verfahrensdauer hinreichend Rechnung getragen, sodass es einer Untätigkeitsbeschwerde nicht mehr bedarf
(LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. September 2012, L 11 VE 14/12 B, zitiert nach juris).
2.) Soweit sich die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 01. August 2012 richtet, ist sie ebenfalls unstatthaft.
Nach §
178 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) entscheidet das Sozialgericht u. a. über Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten endgültig; sein Beschluss
kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn das Sozialgericht hat mit seinem
Beschluss vom 01. August 2012 über die von der Antragstellerin eingelegte Erinnerung gegen den Kostenansatz des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle vom 13. Januar 2005 entschieden und dem Begehren der Antragstellerin mit Ausnahme der von ihr begehrten
Zinsen entsprochen. Für die nach § 66 Abs. 2 GKG vorgesehene Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist im Sozialrechtsweg wegen des abschließenden Normengefüges
der §§
172 ff.
SGG kein Raum. Danach findet die Beschwerde an das Landessozialgericht gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme
der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte nämlich nur statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas
anderes bestimmt ist (§
172 Abs.
1 SGG). Etwas anderes in diesem Sinne bestimmt jedoch §
178 SGG. Danach sind - wie ausgeführt - auf eine Erinnerung ergangene Beschlüsse des Sozialgerichts unanfechtbar. Die im GKG geregelte Möglichkeit, gegen die Entscheidung über die Erinnerung mit der Beschwerde vorzugehen, kann damit nur im Geltungsbereich
solcher Verfahrensordnungen Platz greifen, die anders als das
SGG einen Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit nicht kennen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 18.
Januar 2007, L 9 B 385/06 KR, unter Bezugnahme auf Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2005, L 9 B 166/02 KR, letzterer veröffentlicht in juris m. w. Nachw.).
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des §
197 a SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
2 VwGO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).