Weitergewährung einer Verletztenrente
Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen
Theorie der wesentlichen Bedingung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung einer Verletztenrente.
Die am xxxxx 1951 geborene Klägerin erlitt während ihrer Tätigkeit als Krankenschwester am 16. April 2010 einen Arbeitsunfall.
Auf dem Weg zu einer Patientin knickte sie um und zog sich eine Innenknöchelmehrfragmentfraktur rechts mit Maisonneuve-Fraktur
zu. Am gleichen Tag wurde im Rahmen einer Operation eine offene Reposition und eine ORIF (Open Reduction and Internal Fixation)
mit Osteosynthese des Innenknöchels mittels Schraubenosteosynthese sowie Zuggurtung und Anlage einer Stellschraube durchgeführt.
Das Unfallkrankenhaus H. (B.) teilte im Entlassungsbericht vom 4. Mai 2010 mit, dass das Heilverfahren voraussichtlich weitere
8 bis 10 Wochen in Anspruch nehmen werde. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit könne verbleiben und hänge vom weiteren Heilverlauf
ab.
Im Entlassungsbericht des B. vom 3. November 2010 nach Durchführung einer komplexen stationären Rehabilitationsbehandlung
vom 13. September bis 2. November 2010 wird unter Diagnosen aufgeführt, dass eine Bewegungs- und Belastungseinschränkung des
rechten Beines und eine Spitzfußneigung vorlägen. Bei der Entlassung könne die Versicherte jetzt mit zwei Unterarmgehstützen
besser gehen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaß werde wahrscheinlich verbleiben. Ob eine
Rückkehr in den Beruf der Krankenschwester möglich sei, müsse abgewartet werden. Im Anschluss führte die Klägerin noch eine
ambulante Rehabilitation im B. vom 4. November 2010 bis zum 3. Januar 2011 durch. Das B. teilte mit, dass die Klägerin im
Laufe der Behandlung langsam von den Gehhilfen abtrainiert werden konnte. Mit den verordneten orthopädischen Schuhen habe
sie sicher laufen können. Die Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk sei im Wesentlichen gleich
geblieben. Von einer weiteren Verbesserung des Bewegungsausmaßes sei auch unter weiterer intensiver Physiotherapie nicht auszugehen.
Nach Abschluss des Heilverfahrens werde voraussichtlich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verbleiben.
Der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. F. teilte mit Schreiben vom 31. Mai 2011 mit, dass die Klägerin
an jenem Tag, weiterhin über belastungsabhängige Beschwerden geklagt habe. Sie zeige ein leichtes Schonhinken. Die Bewegungseinschränkung
des oberen Sprunggelenkes betrage 10-0-30°. Arbeitsfähigkeit sei zum 1. Juni 2011 festgestellt worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit
aufgrund des Unfalls werde zur Zeit mit 20 Prozent eingeschätzt.
Herr K., Assistenzarzt der Abteilung Unfallchirurgie der A. Klinik S., erstattete am 1. November 2011 ein erstes Rentengutachten.
Bei der Klägerin habe eine Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenkes rechts mit Innenköchelfraktur, proximaler Wandenbeinschaftfraktur,
Syndemosenruptur sowie Abbruch des hinteren Volkmannschen Dreiecks vorgelegen. Die Funktionsprüfung habe im direkten Seitenvergleich
eine Einschränkung der rechten Seite beim Heben und Senken im oberen Sprunggelenk 5/0/35° ergeben. Wesentliche Unfallfolgen
seien Belastungsschmerzen im oberen Sprunggelenk rechts, Bewegungseinschränkungen im oberen Sprunggelenk rechts und eine Schwellungsneigung
des distalen Unterschenkels und Fußes rechts. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage vom 4. Januar 2011 bis zum
6. Juni 2011 50 Prozent und vom 6. Juni 2011 bis zum Tag der Untersuchung 30 Prozent. Danach werde die MdE voraussichtlich
20 Prozent bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall betragen. Aus ärztlicher Erfahrung sei eine messbare Befundverbesserung
nach Materialentfernung zu erwarten.
Der Chirurg/Unfallchirurg und Orthopäde Dr. G. kam in seiner Stellungnahme als beratender Facharzt der Beklagten zu dem Ergebnis,
dass die Einschätzung der MdE durch Herrn K. nicht nachvollziehbar sei. Die vorgeschlagene MdE von 50 Prozent entspreche dem
Verlust eines Beines im Kniegelenk, die MdE von 30 Prozent einer instabilen ungünstigen Arthrodese des oberen Sprunggelenkes.
Aufgrund der geschilderten Unfallfolgen sei die MdE mit 10 Prozent festzulegen. Für eine sechsmonatige Eingewöhnungszeit könne
vorgeschlagen werden, eine MdE von 20 Prozent zu akzeptieren.
Mit Bescheid vom 5. März 2012 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 1. Juni 2011 bis
zum 30. November 2011 unter Berücksichtigung einer MdE von 20 Prozent. Über diesen Zeitraum hinaus liege eine Minderung der
Erwerbsfähigkeit nicht vor. Die Folgen des Arbeitsunfalls seien eine Minderung der Belastbarkeit des rechten Beines, eine
endgradige Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes sowie eine leichte Minderung des Kalksalzgehaltes
der Knochen in diesem Bereich nach operativ versorgten, in guter Stellung knöchern fest durchbauten Brüchen des oberen Sprunggelenkes
und Innenknöchels sowie des Wadenbeins rechts mit noch einliegenden Stabilisierungsmaterial. Nicht im Zusammenhang mit dem
Arbeitsunfall stehe eine Varikosis mit Schwellneigung des rechten Beines.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10. April 2012 Widerspruch ein. Der Arzt habe ihr erklärt, dass eine endgültige
Beurteilung erst nach Entfernung des Stabilisierungsmaterials möglich sei. Trotz Schmerzmitteln und physiotherapeutischer
Behandlung leide sie weiter an Schmerzen. Seit September 2011 bestehe zudem beidseitig eine Plantarfasciitis.
Der Unfallchirurg Dr. K1 vom B., bei dem sich die Klägerin zur Terminierung einer Materialentfernung am 14. Mai 2012 vorstellte,
gab an, dass sich bei freier Einschätzung eine rentenfähige MdE nicht darstelle. Diese Einschätzung wiederholte Dr. K1 erneut
bei einer Vorstellung der Klägerin am 20. August 2011. Am Tag vor der Operation am 7. September 2012 erhoben Dr. K1 und Dr.
Stehr den Befund, dass die Klägerin das Untersuchungszimmer unter Vollbelastung beider unteren Extremitäten im zügigen, raumgreifenden
Gangbild betrete. Es zeige sich eine reizlose Narbe über dem Innenknöchel ohne Rötung, Schwellung oder Überwärmung. Es bestehe
eine endgradige Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im rentenberechtigenden
Ausmaß werde sich voraussichtlich nicht ergeben.
Dr. Kluge und Dr. G1 erstatteten am 19. Oktober 2012 ein unfallchirurgisches Gutachten. Die Klägerin habe unter Vollbelastung
beider Beine mit Einlagenversorgung beidseits das Untersuchungszimmer betreten. Eine wesentliche Gangbildstörung oder Abrollstörung
falle auch aufgrund des Schuhwerkes nicht auf. Ein Entlastungshinken sei nicht ersichtlich. Der Zehen- und Fersenstand könne
problemlos demonstriert werden, die tiefe Hocke regelgerecht eingenommen werden. Das obere Sprunggelenk sei auf der rechten
Seite mit Extension/Flexion 10-0-30° gegenüber 20-0-40° in beiden Bewegungsrichtungen leicht eingeschränkt, das untere Sprunggelenk
sei mit einer Restbeweglichkeit von zwei Dritteln auf der rechten Seite ebenfalls eingeschränkt. Bei Erhebung der Umfangsmaße
finde sich eine Muskelminderung im Bereich der Wade und eine kleine Umfangsvermehrung im Bereich des Knöchels. Die Klägerin
sei vom 1. Dezember 2011 bis zum Tag der Untersuchung mit 10 Prozent in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt gewesen. Eine
rentenberechtigende MdE liege bei gutem Gangbild jedoch nicht vor. Es handele sich um einen Dauerzustand.
Die Klägerin erklärte gegenüber der Beklagten, ihren Widerspruch aufrechterhalten zu wollen. Sie habe immer noch Schmerzen
und müsse des Öfteren ihren Ehemann anrufen, damit er sie abhole oder zu einem Patienten bringe. Sie müsse während ihrer Arbeit
eine große Laufleistung vollbringen.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit am Folgetag zur Post gegebenem Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2013
zurück. Die MdE-Erfahrungswerte schlössen bereits üblicherweise vorhandene Schmerzen mit ein und berücksichtigten sogar besonders
schmerzhafte Zustände. Lediglich in den Fällen, in denen eine über das übliche Maß hinausgehende und eine spezielle ärztliche
Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit vorliege, könnten höhere Werte angesetzt werden.
Die Klägerin hat am 22. März 2013 hiergegen Klage erhoben. Bei ihr sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens
20 Prozent gegeben. Sie könne ihre Berufstätigkeit lediglich aufgrund der Unterstützung ihres Ehemannes ausüben. Ihr Ehemann
fahre sie teilweise zur Arbeit und hole sie ab. Auch Fahrten zwischen den Patienten würden nur durch die Unterstützung ihres
Ehemannes möglich. Weiter leide sie unter Rücken- und Hüftschmerzen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachchirurgischen Gutachtens von Dr. K2 vom 9. Juli 2014. Dieser
hat bei der Klägerin u.a. eine Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk, ein Krampfaderleiden an
beiden Beinen mit wassersüchtigen Gewebseinlagerungen und trophischen Hautveränderungen und Senk-/Spreiz-/Knickfußdeformität
beidseits diagnostiziert. Auf das Ereignis am 16. April 2010 zurückzuführen seien die Bewegungseinschränkung im oberen und
unteren Sprunggelenk sowie der beginnende Verschleiß bzw. fortschreitende Verschleiß in der Sprunggelenksregion rechts. Die
Schwellneigung beider Unterschenkel und Sprunggelenke sei anlagebedingt. Es zeige sich eine seitengleiche Hautverfärbung sowie
eine seitengleiche Stauung. Eine sog. Plantarfasciitis sei nicht zu erkennen gewesen. Beschwerden im Bereich der Fußsohlen
beidseits ließen sich unter anderem schon mit der Senk-/Spreiz-/Knickfußdeformität erklären, die an beiden Seiten gleich stark
ausgeprägt sei. Die MdE sei ab dem 1. Dezember 2011 mit 10 Prozent einzuschätzen. Es liege eine Bewegungseinschränkung im
rechten oberen und unteren Sprunggelenk vor. Die Bewegungsmaße betrügen 10-0-35°. Des Weiteren habe sich in der Zwischenzeit
eine Arthrose entwickelt. In den Bemessungsempfehlungen im Schrifttum werde eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk
für Fußheben/Senken auf 0-0-30° mit einer MdE in Höhe von 10 Prozent bewertet. Die Klägerin könne den Fuß im oberen Sprunggelenk
sogar besser bewegen. Unter Berücksichtigung der Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk lasse sich eine MdE von 10
Prozent dennoch begründen. Ein Sprunggelenksverrenkungsbruch mit einer sekundären Arthrose mit wesentlicher Funktionsstörung
werde mit einer MdE bis zu einer Höhe von 30 Prozent bewertet. Eine Arthrose liege bereits jetzt vor. Dies führe allerdings
noch zu keiner wesentlichen Funktionsstörung, wie sich bei der hiesigen Untersuchung gezeigt habe. Einen Anteil an der Beschwerdesymptomatik
trage die Weichteilschwellung beidseits sowie vor allem auch die Senk-/Spreizfußdeformität beidseits, die anlagebedingt sei.
Langfristig sei mit einer Zunahme der Verschleißumformungen zu rechnen. Dieses könne dann zu einer Verschlechterung der Beweglichkeit
führen. Für den Fall einer zunehmenden Bewegungseinschränkung ließe sich eine MdE in Höhe von 20 Prozent begründen.
Das Sozialgericht hat die Klage nach informatorischer Anhörung des Gutachters Dr. K2 in der mündlichen Verhandlung mit Urteil
vom 26. September 2014 abgewiesen. Das Gericht könne nach den anzuwendenden Kausalitätsgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung
nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Arbeitsunfall der Klägerin noch eine MdE von 20 Prozent
über den 30. November 2011 hinaus begründen würde. Die schlüssigen Feststellungen von Dr. K2 und Dr. G1 deckten sich mit aktuellen
Angaben in der Fachliteratur, nach denen sich ebenfalls nur eine MdE von 10 Prozent begründen lasse.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 28. Oktober 2014 zugestellte Urteil am 3. November 2014 Berufung eingelegt. Dr. K. habe
die Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall auf noch 20 Prozent geschätzt. In
der mündlichen Verhandlung sei Dr. K2 nicht in der Lage gewesen, nachvollziehbar darzustellen, welche medizinischen Fakten
Dr. K. zu seiner Einschätzung bewegt hätten. Die Klägerin habe hingegen in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll und nachvollziehbar
dargestellt, dass auch weiterhin erhebliche Beschwerden bei ihrer Arbeit aufträten. Die vorhandenen Abrollstörungen rechts,
die eingeschränkte Standprobe, die Umfangsdifferenzen sowie die Gewebeeinlagerungen seien unbeachtet geblieben. Weiterhin
lägen eine unzulängliche Außenrotation des rechten Fußes und die Einschränkung der Beweglichkeit des rechten oberen Sprunggelenkes
bei erheblichen Druckschmerzen vor.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. September 2014 aufzuheben und den Bescheid vom 5. März
2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über den 30.
November 2011 hinaus eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen.
Das Landessozialgericht hat einen aktuellen Befundbericht von Dr. Knoop vom 13. Januar 2015 eingeholt, der mitgeteilt hat,
dass bei der Klägerin eine ausgeheilte Maisonneuvefraktur, ein hereditäres Lymphöden rechts und ein Senkspreizfuß rechts vorlägen.
Auf Antrag der Klägerin ist zudem der Chirurg Dr. R. nach §
109 SGG gehört worden. Den Untersuchungsraum habe die Klägerin mit raumgreifendem Gangbild, welches flüssig vorgetragen worden sei,
betreten. Bei der Aufforderung schneller zu gehen, habe sich eine angedeutete Verlangsamung rechts im Sinne eines angedeuteten
Schonhinkens gezeigt. Der Abrollvorgang zeige sich rechtsseitig verkürzt. Bei der Prüfung der Beweglichkeit zeige sich insbesondere
auch im Seitenvergleich für das rechte obere Sprunggelenk nur eine endgradige Bewegungseinschränkung von Dorsalextension zu
Plantarflexion 10-0-25° gegen nur 20-0-30° am linken oberen Sprunggelenk. Passiv lasse sich die Beweglichkeit jeweils um 5°
steigern. Im unteren Sprunggelenk ergebe sich eine um 1/3 geminderte Beweglichkeit im Vergleich zur linken Seite. Beim innenseitig
aufklappenden Stresstest lasse sich eine Schmerzangabe im Verlauf der Tivialis-posterior-Sehne provozieren, die sich leicht
verdickt tasten lasse. Im Ergebnis lägen bei der Klägerin eine reizlos ausgeheilte Narbenbildung über dem Innen- und Außenknöchel,
eine Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk mit einem Bewegungsausmaß von Dorsalextension zu Plantarflexion
10-0-25°, ein um ein Drittel eingeschränktes Bewegungsausmaß des rechten unteren Sprunggelenkes, eine sich in den Röntgenbildern
dokumentierende Verschleißumformung (Arthrose) des rechten oberen Sprunggelenkes mit mittlerweile fast vollständigem Aufbrauch
des Gelenkspaltes des Sprungbeingelenkes in achsenkorrekter Stellung und eine Umfangsvermehrung der Knöchelregion des rechten
oberen Sprunggelenkes gegenüber der linken Seite von 2,5 cm vor. Sämtliche dieser Gesundheitsstörungen seien ursächlich auf
das Ereignis vom 16. April 2010 zurückzuführen. Es sei davon auszugehen, dass zum ganz überwiegenden Anteil die Schwellung
im Sprunggelenkbereich durch die entwickelte Arthrose des oberen Sprunggelenkes aufgrund der dadurch bestehenden permanenten
Entzündungssituation im oberen Sprunggelenk bedingt sei. Somit sei als wesentliche Ursache für die Schwellung in der Knöchelregion
auch das Unfallgeschehen vom 16. April 2010 anzusehen. Die seitengleich ausgebildete Knick-Senk-Fußumbildung sei keine Unfallfolge.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei mit 10 Prozent einzuschätzen. Die von der Klägerin beklagten Beschwerden für den Zeitraum
nach dem Unfall und während der Behandlung seien aufgrund der Schädigung, des Verlaufes und des jetzt vorliegenden Untersuchungsbefundes
und radiologischen Befundes zwar nachvollziehbar, aber entzögen sich naturgemäß einer objektiven Beurteilung und Einschätzung.
Insoweit sei der Gutachter auf die einschlägigen Beurteilungsverfahren angewiesen. Hierzu gebe es hinreichend erarbeitete
Tabellen zur Einschätzung der prozentualen Minderung der Erwerbsfähigkeit, wie sie schon seit Jahren in Gebrauch seien, um
eine entsprechende Gleichbehandlung der Verletzten zu gewährleisten. In diesen Tabellen sei u.a. für die Bewegungseinschränkung
des oberen Sprunggelenkes von Dorsalextension zu Plantarflexion ein Wert von 0-0-30° angegeben. Das Bewegungsausmaß der Klägerin
sei deutlich besser, insbesondere bestehe zumindest schon eine Beweglichkeit in der Dorsalextension, d.h. Fußhebung, was den
Abrollvorgang erleichtere im Vergleich zu einer völlig aufgehobenen Dorsalextension, und zwar gerade auch im Hinblick auf
eine bestehende Arthrose. Demgegenüber werde eine vollständige Einsteifung des oberen Sprunggelenkes mit einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit von 20 Prozent bewertet. Insoweit könne auch im Rahmen der jetzigen Begutachtung keine andere Höhe der Minderung
der Erwerbsfähigkeit festgestellt werden als in den Vorgutachten. Die Schmerzhaftigkeit an sich werde in der Minderung der
Erwerbsfähigkeit nicht entschädigt, da sie sich der objektiven Beurteilung entziehe. Aufgrund der hinzugetretenen Bewegungseinschränkung
des unteren Sprunggelenkes, wie häufig bei Schädigungen des oberen Sprunggelenkes, lasse sich aber insgesamt eine Minderung
der Erwerbsfähigkeit von 10 Prozent unter funktionellen Gesichtspunkten vertreten. Dem Gutachter sei keine Literaturstelle
bekannt, die die gegebene Einschätzung von Herrn K. untermauern würde.
Die Klägerin wendet gegen das Gutachten von Dr. R. ein, dass bei der Bewertung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei,
dass im Juli 2010 in zwei Röntgenaufnahmen eine beginnende Entkalkung des Fußskelettes festgestellt worden sei. Dieses würde
offensichtlich auf eine wesentliche Minderung bzw. Schonung hindeuten. Außerdem stelle der Sachverständige eine angedeutete
Verlangsamung rechts im Sinne eines angedeuteten Schonhinkens fest. Auch zeige sich der Abrollvorgang rechtsseitig verkürzt.
Diese beschriebenen Auffälligkeiten beim Gehen stellten ebenfalls wesentliche Funktionsstörungen des Gangbildes dar, die bei
der Bewertung der MdE entscheidend seien. Eine MdE von 20 Prozent sei angemessen. Insbesondere sprächen auch die schmerzhaften
Verschleißumformungen des rechten oberen Sprunggelenkes und die innenseitig stärker abgelaufenen Laufsohlen für eine wesentliche
Funktionsstörung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozess- und Verwaltungsakte sowie die Sitzungsniederschrift
vom 28. Februar 2018 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§
151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten
sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Versicherte haben Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die
26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist (§
56 Abs.
1 Satz 1 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII)). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens
die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente.
Die MdE richtet sich gemäß §
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten
Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit
des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSG, Urteil vom 26. November 1987 - 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27). Maßgeblich ist aber nicht die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten, sondern eine abstrakte Berechnung
(vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 3/2017, § 56 Rn. 10.1).
Voraussetzung für die Gewährung von Verletztenrente ist das Vorliegen eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalls.
Ein solcher liegt unstreitig vor. Für einen Arbeitsunfall ist nach §
8 Abs.
1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen
ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden
Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder
den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen
aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist hingegen keine Voraussetzung für die Anerkennung
eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente. Die Klägerin ist während ihrer Tätigkeit als Krankenschwester
auf dem Weg zwischen zwei Patienten umgeknickt und hat sich einen Bruch des oberen Sprunggelenkes zugezogen.
Die weitere Voraussetzung für die Gewährung von Verletztenrente ist jedoch nicht erfüllt. Die Klägerin ist in ihrer Erwerbsfähigkeit
nicht um wenigstens 20 Prozent über den 30. November 2011 hinaus gemindert. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung
in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels
des Gesundheitserstschadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen
Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196).
Die Gutachter Dr. K2 und Dr. R. kommen ebenso wie der Gutachter Dr. G1 im Vorverfahren übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass
bei der Klägerin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 Prozent vorliegt. Schlüssig und nachvollziehbar legen die Gutachter
dar, dass bei der Klägerin, die im rechten Fuß noch Bewegungsmaße 10-0-35° erreicht, die MdE mit 10 Prozent einzuschätzen
ist. In den Bemessungsempfehlungen im Schrifttum (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9.
Aufl. 2017, S. 712 f.) wird eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk für Fußheben/Senken auf 0-0-30° mit einer MdE
in Höhe von 10 Prozent bewertet. Die Klägerin erreicht zwar im oberen Sprunggelenk eine bessere Beweglichkeit, jedoch lässt
sich aufgrund der zusätzlichen Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk eine MdE von 10 rechtfertigen. Eine MdE von
20 wird damit jedoch nicht erreicht. Allein Herr K. ist im Verwaltungsverfahren zu einer höher bewerteten MdE gelangt. Jedoch
lassen sich seinem Gutachten keine Anhaltspunkte entnehmen, worauf eine solche Einschätzung beruhen könnte und auch die Gerichtsgutachter
haben überzeugend dargelegt, dass eine solche Bewertung nicht in Betracht kommt und im Widerspruch zu gängigen Bewertungsempfehlungen
steht. Das vom Bevollmächtigten hervorgehobene gestörte Gangbild der Klägerin ist in der MdE von 10 Prozent bereits berücksichtigt,
da dieses letztlich auf der mangelnden Beweglichkeit des Sprunggelenkes beruht, wodurch der Abrollvorgang nicht vollständig
möglich ist.
Die bei der Klägerin vorliegende Arthrose im rechten Sprunggelenk begründet ebenfalls keine höhere MdE, da jedenfalls bei
der letzten gutachterlichen Untersuchung von Dr. R. am 3. Februar 2016 keine wesentliche Funktionsstörung vorlag. Nach den
Bemessungsempfehlungen in der Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, S. 712) wäre bei einem Sprunggelenksverrenkungsbruch
mit sekundärer Arthrose mit wesentlicher Funktionsstörung die MdE mit 30 v.H. zu bewerten. Wesentliche Funktionsstörungen
konnten jedoch bislang nicht festgestellt werden.
Des Weiteren verweist die Klägerin mehrfach auf die vorhandene Schmerzsymptomatik, und zwar insbesondere bei längerem Gehen.
Die Gutachter weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass "übliche Schmerzen" bereits in den gängigen Bewertungstabellen berücksichtigt
worden sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, S. 231). Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin darüberhinausgehende
Schmerzen vorliegen, sind nicht ersichtlich. Eine spezielle Schmerztherapie wurde von ihr nicht in Anspruch genommen. Dr.
K2 geht zudem nachvollziehbar davon aus, dass einen Anteil an der Beschwerdesymptomatik auch die Weichteilschwellung beidseits
sowie vor allem auch die Senk-/Spreizfußdeformität beidseits trägt. Beide Gesundheitsstörungen sind anlagebedingt und nicht
kausal auf den Unfall zurückzuführen. Dies bestätigt sich bereits dadurch, dass beide Beine bzw. Füße hiervon gleichermaßen
betroffen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.