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LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.05.2016 - 10 VE 53/13
Anerkennung von Schädigungsfolgen Psychische Störungen Sexueller Missbrauch von Kindern Begriff der Gewalt
1. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat in ständiger Praxis folgt, ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffs "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" i.S. des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen (wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht des Täters) hat sich die Auslegung weitestgehend gelöst.
2. Dabei hat das BSG je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben; Leitlinie ist der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat das BSG daher aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden.
3. In Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern i.S. von § 176 StGB hat das BSG den Begriff des tätlichen Angriffs weiter verstanden: Es kommt in diesen Fällen nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Allein entscheidend ist, dass die Begehensweise, also sexuelle Handlungen, eine Straftat war.
4. Auch der "gewaltlose" sexuelle Missbrauch eines Kindes kann demnach ein tätlicher Angriff i.S. des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG sein. Diese erweiternde Auslegung des Begriffs des tätlichen Angriffs ist speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG geboten.
Normenkette:
OEG § 1 Abs. 1 S. 1
,
Vorinstanzen: SG Lüneburg 03.09.2012 S 11 VG 3/07
Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 3. September 2012 wird aufgehoben.
Der Bescheid des beklagten Landes vom 17. Juli 2006 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2007 und die Teilanerkenntnisse vom 18. Mai 2012 und vom 24. Januar 2013 gefunden hat, wird geändert.
Das beklagte Land wird verurteilt, der Klägerin aufgrund der festgestellten Schädigungsfolge "psychische Störungen" ab April 2003 Beschädigtenrente nach einer MdE/GdS von 30 zu gewähren.
Das beklagte Land hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

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