Anspruch auf Arbeitslosengeld; Höhe des Bemessungsentgelts nach einem Bezug von Transfer-Kurzarbeitergeld in einer Beschäftigungsgesellschaft
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) ab 01. Juli 2006. Streitig ist die Höhe des Bemessungsentgelts nach einem
einjährigen Bezug von Transfer-Kurzarbeitergeld in einer Beschäftigungsgesellschaft.
Der 19H. geborene Kläger war vom 04. Oktober 1977 bis zum 30. Juni 2005 bei der Firma I., J., als Sachbearbeiter beschäftigt.
In der Zeit vom 01. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2005 erzielte der Kläger nach der Arbeitsbescheinigung dieser Arbeitgeberin
vom 15. August 2005 ein Jahresarbeitsentgelt einschließlich Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld in Höhe von 44.700,28 EUR. Das
Arbeitsverhältnis wurde am 24. Juni 2005 einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 89.793,42 EUR aufgelöst,
um ab 01. Juli 2005 auf der Basis eines Interessenausgleichs und Sozialplans vom 08. Juni 2005 in eine Transfergesellschaft
zu wechseln.
Am 28. Juni 2005 schloss der Kläger mit der Personalentwicklungsgesellschaft K. mbH L. einen befristeten Arbeitsvertrag vom
01. Juli 2005 bis zum 30. Juni 2006. Inhalt des Arbeitsverhältnisses waren die gleichen Arbeitsbedingungen, wie diese zwischen
dem Kläger und der früheren Arbeitgeberin bestanden hatten mit der Maßgabe, dass ein Beschäftigungsanspruch entfiel, "Kurzarbeit
Null" - d. h. die vollständige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht - angeordnet wurde, der Kläger Transfer-Kurzarbeitergeld
sowie einen Aufzahlungsbetrag zum Kurzarbeitergeld in Höhe von 10 % des für das Kurzarbeitergeld maßgeblichen Bemessungsentgelts
erhielt, während die betriebliche Altersversorgung nicht übernommen, beziehungsweise fortgeführt wurde (§ 2 des Dreiseitigen
Vertrages vom 28.06.2005). Geschäftsgrundlage des Vertrages war, dass die Beklagte für die Dauer des Arbeitsverhältnisses
Transfer-Kurzarbeitergeld zahlte, andernfalls sollte die Vereinbarung von Anfang an unwirksam sein (§ 3 Nr. 2 des Dreiseitigen
Vertrages). In § 5 waren die Leistungen des Klägers bestehend aus Kurzarbeitergeld, einem Zuschuss von 10 % des regelmäßigen
Bruttoentgeltes und den Feiertagsbezügen an gesetzlichen Feiertagen geregelt. Als Grundlage der verschiedenen Berechnungen
wurde ein Gehaltsanspruch von 3.566,88 EUR monatlich vereinbart (§ 6 des Dreiseitigen Vertrages). Darüber hinaus sah der Vertrag
eine Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche und einen Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen je Kalenderjahr vor. Während der
Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses war der Kläger verpflichtet, an der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz aktiv mitzuwirken,
an angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen und anderen Aktivitäten teilzunehmen, die dieses Ziel verfolgten. Die Arbeitsvertragsparteien
vereinbarten ferner, dass in Anbetracht der Besonderheit des Arbeitsverhältnisses die aktive Mitwirkungspflicht zentraler
Bestandteil des Arbeitsvertrages war. Zuwiderhandlungen stellten eine grobe Verletzung des Arbeitsverhältnisses dar und konnten
ganz oder zum Teil zum Wegfall der Zahlungen gemäß § 2 des Dreiseitigen Vertrages führen (§ 14 Nr. 1 und 2 des Dreiseitigen
Vertrages).
Am 17. Mai 2006 meldete sich der Kläger zum 01. Juli 2006 arbeitslos und legte eine Arbeitsbescheinigung der L. vom 08. Juni
2006 vor, nach der er vom 01. Juli 2005 bis zum 30. Juni 2006 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt mit Einmalzahlungen
in Höhe von 42.802,56 EUR (12 x 3.566,88 EUR) erzielte. Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 2006 Alg
ab 01. Juli 2006 für 540 Kalendertage in Höhe von 46,88 EUR täglich auf der Basis eines täglichen Bemessungsentgelts von 117,27
EUR (42.802,56 EUR: 365 Tage). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, weil nach seiner Auffassung auch die einmaligen
Sonderzahlungen in die Bemessungsgrundlage einfließen müssten. Zu diesem Zweck legte er eine neue Arbeitsbescheinigung der
L. - weiterhin mit Datum 08.06.2006 - über ein erzieltes Bruttoarbeitsentgelt von 42.879,74 EUR vor. Mit Änderungsbescheid
vom 09. August 2006 bewilligte die Beklagte vom 01. Juli bis zum 16. Juli 2006 Alg in Höhe von 46,95 EUR täglich auf der Basis
eines Bemessungsentgelts von 117,48 EUR täglich (42.879,74 EUR: 365 Tage). Im Übrigen wurde der Widerspruch durch Widerspruchsbescheid
vom 14. August 2006 als unbegründet zurückgewiesen, weil die frühere Verwaltungspraxis, als Arbeitsentgelt nach §
131 Abs.
3 Nr.
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (
SGB III) das Bruttoeinkommen einschließlich Einmalzahlungen zugrunde zu legen, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall beim ehemaligen
Arbeitgeber und nicht bei der Transfergesellschaft erhalten hätte, nach neuer Weisungslage ab 20. Mai 2006 nicht mehr angewendet
werden dürfe.
Der Kläger nahm ab 17. Juli 2006 eine Arbeit bei den M. auf, die die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2006 für die Restanspruchsdauer
an Alg von 524 Kalendertagen mit Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer gemäß § 421j
SGB III förderte. Auch mit der Höhe der Entgeltsicherung war der Kläger nicht einverstanden, weil die Beklagte die Sonderzahlungen
im täglichen Bemessungsentgelt erneut nicht berücksichtigt hatte. Nach Änderungsbescheid vom 09. August 2006 wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2006 auch diesen Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 21. August 2006 legte der Kläger eine dritte Arbeitsbescheinigung der L. - ebenfalls mit Datum vom 08.06.2006 - vor, aus
der für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis 30. Juni 2006 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 47.277,87 EUR hervorgeht
(10 x 3.566,88 EUR, für November 2005 einschließlich Weihnachtsgeld: 6.017,82 EUR, für Juni 2006 einschließlich Urlaubsgeld:
5.591,22 EUR).
Am 01. September 2006 hat der Kläger gegen beide Widerspruchsbescheide vom 14. August 2006 Klage erhoben und die Verurteilung
der Beklagten begehrt, bei der Berechnung des Alg sowie der Höhe der bewilligten Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer
ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 129,53 EUR (47.277,87 EUR: 365 Tage) zugrunde zu legen. Er ist der Auffassung,
dass die neue Weisungslage ab 20. Mai 2006 diesen Leistungsfall nicht erfasse, weil er auf die frühere Verwaltungspraxis vertraut
habe. Schließlich habe die frühere Weisungslage beim Eintritt in die Transfergesellschaft ab 01. Juli 2005 noch gegolten.
Unabhängig davon komme es bei der Regelung in §
131 Abs.
3 Nr.
1 SGB III auf das Arbeitsentgelt an, das der Arbeitslose ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit erzielt hätte. Zu berücksichtigen
als Bemessungsentgelt seien deshalb auch die Leistungen gemäß Tarifvertrag über Sonderzahlungen und das zusätzliche Urlaubsgeld
für die Metallindustrie Niedersachsen. Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, sie sei an die neue Weisung gebunden. Zu
berücksichtigen sei nur das Bruttoarbeitsentgelt, welches durch das Transfer-Kurzarbeitergeld ersetzt worden sei.
Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 12. Dezember 2007 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen
hat es ausgeführt, die Beklagte habe die Höhe des Alg ab 01. Juli 2006 richtig berechnet. Über die gleichzeitig angefochtenen
Bescheide bezüglich der Höhe der Entgeltsicherungsleistungen für ältere Arbeitnehmer ab 17. Juli 2006 hat das SG nicht entschieden. Der Kläger hat gegen das ihm am 27.12.2007 zugestellte Urteil am 25.01.2008 Nichtzulassungsbeschwerde
erhoben. Mit Beschluss vom 22.09.2008 (Az. L 7 AL 1/08 NZB) hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 12.12.2007 zugelassen.
Die Beteiligten haben im Termin am 30.03.2011 den Streitgegenstand auf den Zeitraum vom 1. Juli bis 16. Juli 2006 beschränkt
und hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer nach §
421 j
SGB III für den Zeitraum ab 17. Juli 2006 einen Unterwerfungsvergleich geschlossen.
Der Kläger trägt vor, der Gesetzgeber habe zwischen normalem Kurzarbeitergeld und Transferkurzarbeitergeld im Rahmen des §
131 Abs.
3 Nr.
1 SGB III nicht unterschieden. Daraus ergebe sich, dass beim Bezug von Arbeitslosengeld nach vorherigem Bezug von Transferkurzarbeitergeld
die Entgeltbestandteile in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien, die der Kläger erhalten hätte, wenn kein Kurzarbeitergeld
gezahlt worden wäre. Hierzu seien auch das Urlaubsgeld und die Sonderzahlung zu zählen, die der Kläger beim früheren Arbeitgeber
bei beiderseitiger Tarifbindung erhalten hätte. Hiervon sei die Beklagte selbst bei der Gründung der Transfergesellschaft
und Vorabklärung des Anspruchs auf Transferkurzarbeitergeld im Frühjahr 2006 ausgegangen, weil erst im Mai 2006 eine andere
Weisung ergangen sei. Darauf habe sich der Kläger verlassen, auch wenn keine schriftliche Bestätigung der Beklagten erfolgt
sei.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 12. Dezember 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2006
in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2006 zu ändern,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01. bis 16. Juli 2006 höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung
eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 129,53 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 12. Dezember 2007 zurückzuweisen, hilfsweise die
Revision zuzulassen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG Hildesheim vom 12. Dezember 2007 weiterhin für zutreffend.
Aus den Durchführungsanweisungen (DA Alg 1.3.1. zu §
131 SGB III) ergebe sich, dass der Bemessungszeitraum durch die Zeiten des Kurzarbeitergeldbezuges zu bilden sei, auch wenn für einen
Zeitraum von mehr als einem Monat kein Arbeitsentgelt gezahlt worden sei. Das Versicherungspflichtverhältnis bestehe nämlich
in diesen Fällen gemäß §
24 Abs.
3 SGB III fort. Als Bemessungsentgelt sei das Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das ohne den Arbeitsausfall durch die Transfergesellschaft
zu zahlen gewesen wäre.
Wegen des vollständigen Sachverhalts und des umfassenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte sowie auf die
den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Kunden-Nr.: N., 1 Band) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß §§
143,
145 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft, weil der Senat sie aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des SG Hildesheim vom
12. Dezember 2007 (Az.: L 7 AL 1/08 NZB) zugelassen hat. Die auch im Übrigen zulässige Berufung (§
151 SGG) ist teilweise begründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 01. bis 16. Juli 2006 einen Anspruch auf höheres Alg unter Berücksichtigung
eines jährlichen Brutto-Arbeitsentgeltes in Höhe von 44.700,28 EUR. Soweit der Kläger Leistungen nach einem noch höheren Bemessungsentgelt
verlangt, ist die Berufung unbegründet.
a) Nach §
118 Abs.
1 SGB III haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben
und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate
in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§
123 Abs.
1 Satz 1
SGB III). Die Rahmenfrist beträgt nach §
124 Abs.
1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Der Kläger
war seit dem 01. Juli 2006 arbeitslos und hat sich am 17. Mai 2006 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Die Anwartschaftszeit
hat er ebenfalls erfüllt. Die Rahmenfrist beginnt nach §
124 Abs.
1 SGB III mit dem 30.06.2006, denn erst am 01.07.2006 lagen alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg vor. Die Rahmenfrist erstreckt
sich ab diesem Tag zwei Jahre zurück, also bis zum 01.07.2004. In dieser Zeit war der Kläger jedenfalls noch zwölf Monate
bei der O. GmbH beschäftigt (01.07.2004 bis 30.06.2005). Er hat also schon mit dieser Beschäftigung die Anwartschaftszeit
erfüllt.
b) Die Höhe des Alg richtet sich nach den §§
129 - 134
SGB III. Nach §
129 Nr. 2
SGB III in der ab dem 01. August 2001 geltenden Fassung beträgt das Alg für Arbeitslose ohne steuerlich berücksichtigungsfähige Kinder
60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt,
das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Das Bemessungsentgelt selbst ist gemäß §
131 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallene beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum
erzielt hat. Nach §
130 Abs.
1 SGB III in der ab dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten
Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst
ein Jahr und endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Nach
§
130 Abs.
3 Satz 1
SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt
enthält (Nr. 1) oder es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem
Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen (Nr. 2).
c) Die Begriffe Bemessungsrahmen und Bemessungszeitraum haben seit der Neufassung des §
130 Abs.
1 SGB III ab 1. Januar 2005 einen unterschiedlichen Inhalt (vgl. BT-Drucks. 15/1515 S. 85). Der Bemessungsrahmen ist nur eine kalendermäßige
Eingrenzung, in der die eigentliche Bemessungsgrundlage - der Bemessungszeitraum - liegt. Der Bemessungsrahmen knüpft wie
nach der Rechtslage bis zum 31.12.2004 an das letzte Versicherungspflichtverhältnis nach §§
24 - 26
SGB III an und kann auch Zeiten umfassen, die keinen Eingang in die Bemessungsgrundlage finden. Dagegen bezieht der Bemessungszeitraum
ab 1.1.2005 nur Entgelt aus versicherungspflichtigen Beschäftigungen und nicht aus sonstigen Versicherungspflichtverhältnisses
(BSG 18.5.2010 - B 7 AL 49/08 R - Rdnr. 15) mit ein.
d) Bei Anwendung dieser Regelungen ist zunächst ein Regelbemessungsrahmen von einem Jahr festzusetzen; in einem zweiten Schritt
- das verkennt die Beklagte - ist zu überprüfen, ob dieser Entgeltabrechnungszeiträume mindestens 150 Tagen Arbeitsentgelte
aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung umfasst. Wenn dies nicht der Fall ist, ist der Bemessungsrahmen auf zwei
Jahre zu erweitern. Enthält auch dieser erweiterte Bemessungsrahmen keine ausreichende Bemessungsgrundlage, ist eine fiktive
Bemessung nach §
132 SGB III erforderlich.
e) Vorliegend endet der Regelbemessungsrahmen gemäß §
130 Abs.
1 SGB III mit Beendigung des letzten Versicherungspflichtverhältnisses am 30.06.2006 und reicht bis zum 1.7.2005 zurück. In dieser
Zeit hat der Kläger Transfer-Kurzarbeitergeld erhalten, was gemäß §
24 Abs.
3 SGB III ein Versicherungspflichtverhältnis begründet. Danach bleibt bei Beschäftigten, obwohl sie nicht arbeiten und kein Arbeitsentgelt
erhalten, das Beschäftigungsverhältnis bestehen, wenn sie einen Entgeltersatz im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld
beziehen. Hierzu gehört auch das Transfer-Kurzarbeitergeld nach § 216 b
SGB III, obwohl es nicht mehr unter dem klassischen Kurzarbeitergeld in §§
169 ff
SGB III angeführt, sondern als besonderer Leistungstyp bei der Transferleistung (§ 216 a
SGB III) normiert ist. Auch das Transfer-Kurzarbeitergeld stellt eine Entgeltersatzleistung dar (Gutzler in: NK
SGB III, 3. Aufl., §
116 Rdn. 18; Valgolio in: Hauck/Noftz,
SGB III Stand: August 2009, §
131 Rnd. 48a); Zeiten seines Bezugs sind Zeiten des Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne des §
24 Abs.
3 SGB III.
f) Dem kann nicht mit dem Einwand begegnet werden, ein Versicherungspflichtverhältnis sei gar nicht entstanden, weil in einer
Beschäftigungsgesellschaft nicht gearbeitet werde und Kurzarbeit-Null keine Beschäftigung sei (so Thüringer LSG 23.9.2009
- L 10 AL 143/06 -, Revision anhängig: B 7 AL 20/10 R). Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass die Tätigkeit in einer Beschäftigungsgesellschaft bei Bezug von Transfer-Kurzarbeitergeld
nach § 216 b
SGB III ein Versicherungspflichtverhältnis gemäß §
24 ff
SGB III darstellt. Zwar ist eine derartige versicherungspflichtige Beschäftigung gemäß §
25 Abs.
1 SGB III bei Personen gegeben, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Beschäftigung ist die nicht
selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§
7 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch -
SGB IV). Sie ist im Wesentlichen durch eine fremdbestimmte Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit im Rahmen einer vorgegebenen
Betriebsorganisation gekennzeichnet. Durch die Schaffung des Transfer-Kurzarbeitergeldes in § 216 b
SGB III im Rahmen von besonderen Transferleistungen hat der Gesetzgeber ein neues Versicherungspflichtverhältnis "sui generis" zur
Verfügung gestellt. Anders als beim Kurzarbeitergeld-Null stehen jetzt nicht mehr Frühverrentungsstrategien im Vordergrund;
vielmehr sollen die aktivierenden Elemente der Transfergesellschaft gestärkt werden (BT-Drucks. 15/1515 S. 92). Inhalt der
Transfergesellschaft ist also nach dem Willen des Gesetzgebers keine 100 % Nichtbeschäftigung; die geschuldete Arbeitsleistung
im Rahmen einer fremdbestimmten Organisation besteht für den Arbeitnehmer in einer Transfergesellschaft z.B. in der Teilnahme
an Coachingmaßnahmen, Fortbildung, Bewerbungsaktivitäten usw. (a.A. offenbar: LSG Nordrhein-Westfalen 2.4.2009- L 7 AL 43/08 -).
g) Vorliegend entsprach der Inhalt des befristeten Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der L. im Wesentlichen den Arbeitsbedingungen,
wie diese zwischen dem Kläger und seiner früheren Arbeitgeberin bestanden hatten. Zwar entfiel der Beschäftigungsanspruch
des Klägers. Auch war der Kläger von seiner Arbeitspflicht befreit. Allerdings waren im Arbeitsvertrag die Arbeitszeiten und
der Urlaubsanspruch des Klägers, welcher mit der L. abzustimmen war, trotz Entfallens der Beschäftigung geregelt. Der Kläger
war auch entsprechend § 14 des Dreiseitigen Vertrages in besonderem Maße zur Mitwirkung u. a. an angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen
verpflichtet; diese Verpflichtungen gehen über eine reine Nichtbeschäftigung hinaus. Der Kläger stand folglich in einem versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis.
h) Im Bemessungsrahmen vom 01.07.2005 bis 30.06.2006 ist aber kein Bemessungszeitraum mit Entgeltabrechnungszeiträumen festzustellen,
denn der Kläger hat während seiner Beschäftigung bei der L. kein Arbeitsentgelt erzielt. Vielmehr hat er mit dem bezogenen
Struktur-Kurzarbeitergeld einschließlich des Zuschusses der Arbeitgeberin eine Entgeltersatzleistung, mithin eine Sozialleistung,
erhalten (BSG SozR 3-4100 Nr. 17). Nach dieser BSG-Entscheidung war der Bemessungszeitraum auch nach alter Rechtslage vor Beginn der Kurzarbeitsperiode anzusetzen (vgl. dort
Rdnr. 16: a.A. LSG Schleswig-Holstein, 15.3.2011 - L 3 B 49/10 AL NZB). Da der Regelbemessungsrahmen vom 01.07.2005 bis 30.06.2006 keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfasst,
ist der Bemessungsrahmen im Sinne des §
130 Abs.
3 Nr.
1 SGB III auf 2 Jahre zu erweitern. Im erweiterten Bemessungsrahmen vom 1.7.2004 bis zum 30.6.2006 ist ein Bemessungszeitraum 01. Juli
2004 bis 30. Juni 2005 festzustellen, in dem der Kläger beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 44.700,28
EUR (vgl. Arbeitsbescheinigung der Firma P. GmbH vom 15.08.2005) erzielt hat. Dieses jährliche Arbeitsentgelt ist der Berechnung
des dem Kläger zustehenden Alg zugrunde zu legen, weil der Bemessungszeitraum mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt
enthält. Daraus ist nach Maßgabe des §
133 SGB III das Leistungsentgelt und nach §
129 SGB III der Leistungssatz zu ermitteln.
i) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Alg auf der Grundlage eines noch höheren Bemessungsentgelts nicht zu. Das in der dritten
Arbeitsbescheinigung der L. vom 08.06.2006 bescheinigte Bruttoarbeitentgelt (47.277,87 EUR), in welchem ein Weihnachtsgeld
sowie ein Urlaubsgeld eingerechnet sind, kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Berechnung des ihm ab dem 01.
Juli 2006 zustehenden Alg zugrunde gelegt werden. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis
der Beklagten vor Änderung der Weisungslage am 20. Mai 2006. Nach damaliger Weisungslage war das Arbeitsentgelt einschließlich
Einmalzahlungen nach §
131 Abs.
3 Nr.
1 SGB III zugrunde zu legen, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall beim ehemaligen Arbeitgeber - und nicht bei der Transfergesellschaft
- erhalten hätte. Insofern kann der Kläger sich nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz berufen, weil die aufgegebene Rechtsauffassung
der Beklagten zu §
131 Abs.
3 Nr.
1 SGB III auch vor Einführung des Transfer-Kurzarbeitergeldes in § 216b
SGB III unrichtig war. Bemessungsentgelt für die Dauer des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dieser Vorschrift ist ausschließlich
das Arbeitsentgelt jenes Arbeitgebers, welches zeitgleich geschuldet war und durch das Kurzarbeitergeld ersetzt wurde (also
hier: die Transfergesellschaft). Auch ist dem Dreiseitigen Vertrag vom 28. Juni 2005 nicht zu entnehmen, dass die L. zur Zahlung
der tariflichen Sonderzahlungen verpflichtet war, zumal dieses Arbeitsentgelt - abgesehen von dessen (hier unbekannter) wirksamer
Geltendmachung - auch nicht im Sinne des §
131 Abs.
1 SGB III "erzielt" wurde. Jedenfalls sind die Sonderzahlungen nicht durch das Transfer-Kurzarbeitergeld ersetzt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen, weil die Rechtsfrage, wie das dem Alg zugrunde liegende Bemessungsentgelt zu berechnen ist, wenn der Arbeitslose
unmittelbar vor der Beantragung von Alg Transfer-Kurzarbeitergeld bezogen hat, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.