Übernahme der Kosten einer ambulanten Autismus-Therapie im Wege der Eingliederungshilfe
Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Übernahme der Kosten seiner ambulanten Autismus-Therapie.
Bei dem am 30. Mai 2003 geborenen Antragsteller besteht eine Trisomie 21 und eine schwere geistige Behinderung mit autistischen
Zügen. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen G und H anerkannt und erhält Pflegegeld
nach Pflegestufe III. Er lebt zusammen mit seinem ebenfalls (nach Pflegestufe I) pflegebedürftigen Zwillingsbruder im Haushalt
seiner berufstätigen Eltern und besucht nach Absolvierung des heilpädagogischen Kindergartens die dritte Klasse der D., Förderschule
geistige Entwicklung in E ... Er verfügt nicht über Sprache oder Gestik, ist weitgehend hilfebedürftig und zeigt autoaggressive
Verhaltensweisen.
Am 23. Dezember 2010 und 2. Juli 2011 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner die Kostenübernahme für eine ambulante
Autismus-Therapie im Umfang von zwei bis vier Fachleistungsstunden pro Woche mit dem Ziel der Förderung sozialer Interaktion,
Kommunikation, Körperwahrnehmung, Minderung selbstverletzenden Verhaltens, Aufbau sinnhafter Handlungs- und Spielmöglichkeiten
und einer Anleitung und Beratung der Bezugspersonen. Ein bei der Pflegekasse gestellter Kostenübernahmeantrag wurde von dieser
mit Bescheid vom 2. März 2011 abgelehnt.
Der Antragsgegner holte eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes Wolfenbüttel vom 26. Juli 2011 ein. Danach geht es um eine
Intensivierung von Therapien, die auch in der Schule angewandt werden, es wurde eine Empfehlung von zwei bis vier Fachleistungsstunden
pro Woche für ein Schuljahr ausgesprochen. Daraufhin gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30. August 2011 im Wege der
ambulanten Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII, 55
SGB IX eine Kostenübernahme für die ambulante Autismus-Therapie durch das DRK im Umfang von zwei Fachleistungsstunden pro Woche
für die Zeit vom 7. Juli bis zunächst 30. September 2011. Eine Weitergewährung erfolgte mit Bescheid vom 11. Oktober 2011
für die Zeit vom 4. Oktober 2011 bis 27. Januar 2012. Die übersandten Rechnungen des DRK beliefen sich auf durchschnittlich
400,00 EUR pro Monat. Nachdem das DRK über eine deutliche Weiterentwicklung des Antragstellers in der Zeit vom 4. Oktober
2011 bis 15. Januar 2012 berichtet hatte und eine weitere Förderung im bisherigen Rahmen empfahl, gewährte der Antragsgegners
auf der Grundlage einer Hilfeplankonferenz vom 23. Januar 2012 eine weitere Kostenübernahme im bisherigen Umfang für die Zeit
vom 28. Januar 2012 bis 27. Januar 2013 (Bescheid vom 17. Februar 2012).
Mit Schreiben vom 17. September 2012 forderte der Antragsgegner die Eltern des Antragstellers auf, Auskunft über ihre wirtschaftlichen
Verhältnisse zu erteilen, hörte, nachdem die Eltern hierzu nicht bereit waren, mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 zu einer
beabsichtigten Einstellung der Hilfeleistungen ab 1. Dezember 2012 an und nahm mit Bescheid vom 20. November 2012 den Bescheid
vom 17. Februar 2012 für die Zeit ab 1. Dezember 2012 auf der Grundlage des § 45 SGB X zurück. Zugleich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung an. Gegen die Einstellung der Leistungen erhob der Antragsteller
am 26. November 2012 Widerspruch und stellte zugleich bei dem Sozialgericht Braunschweig (SG) einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs (S 32 SO 206/12 ER). Das Verfahren wurde
für erledigt erklärt, nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 27. November 2012 auf die sofortige Vollziehung verzichtete
und hinsichtlich einer vorübergehenden Weitergewährung der Leistungen ein Anerkenntnis abgegeben hatte. Gegen den seinen Widerspruch
zurückweisenden Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 1. März 2013 ist bei dem SG ein Klageverfahren anhängig (S 32 SO 57/13).
Am 8. Januar 2013 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Weitergewährung der Leistungen, den der Antragsgegner mit Bescheid
vom 25. Januar 2013 unter Hinweis auf die nicht offengelegten Einkommensverhältnisse der Eltern ablehnte. Der Widerspruch
blieb erfolglos (weiterer Widerspruchsbescheid vom 1. März 2013). Zwar werde ein Förderbedarf nicht in Abrede gestellt, es
handele sich jedoch um Hilfe zum Leben in der Gemeinschaft in Form von lebenspraktischen Fähigkeiten und nicht um einkommensunabhängig
zu gewährende Hilfe zur Schulbildung. Da die Eltern nicht bereit seien, ihre Einkommensverhältnisse offen zu legen, sei eine
Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht.
Am 26. März 2013 hat der Antragsteller vor dem SG Klage erhoben (S 32 SO 56/13) und zugleich einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Er hat die Ansicht
vertreten, bei der Autismus-Schulung handele es sich um eine einkommensunabhängig zu gewährende Hilfe zur angemessenen Schulbildung,
und hinsichtlich einer Notwendigkeit der Therapie auf einen Entwicklungsbericht des DRK vom 19. März 2013 und Berichte des
sozialpädiatrischen Zentrums des Klinikum F. vom 1. November 2011, 27. Januar 2012 und 21. März 2013 verwiesen. Auf Aufforderung
des SG haben die Eltern umfangreiche Unterlagen zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorgelegt, wonach der Vater als
Bundespolizist über ein monatliches Netto-Einkommen von 3.550,00 EUR und die Mutter über ein Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung
verfügt. Daneben erzielen die Eltern Einkünfte aus der Vermietung einer Eigentumswohnung, denen eine entsprechende Belastung
aus einem Darlehen gegenübersteht. Für beide Kinder wird Kindergeld gewährt, für den Antragsteller ein Pflegegeld nach Pflegestufe
III und für den Bruder G. ein Pflegegeld nach Pflegestufe I. Die Eltern leben in einem finanzierten Eigenheim, für das sie
u.a. eine monatliche Darlehensrate von 1.391,00 EUR aufzubringen haben.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 13. Mai 2013 auf der Grundlage einer Folgenabwägung abgelehnt. Es sei offen, ob es sich
um eine Hilfe zur Schulbildung handele. Diese sei gekennzeichnet durch eine unmittelbare Ausrichtung auf die Schule, die hier
fraglich sei. Eine Fortsetzung der Therapie sei im Hinblick auf das Einkommen der Eltern jedoch nicht gefährdet.
Gegen den ihm am 15. Mai 2013 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Juni 2013 eingelegte Beschwerde des Antragstellers.
Er ist der Ansicht, der Antragsgegner habe im Wege der Amtsermittlung zu prüfen, ob es sich um eine Leistung im Rahmen der
Hilfe zur Schulbildung handele. Im Hauptsacheverfahren sei deshalb die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt
worden. Ohne die Therapie sei in der Schule die Vermittlung eines angemessenen Unterrichts nicht durchführbar, die Schule
greife die Erkenntnisse aus der Therapie in enger Zusammenarbeit mit den Therapeuten auf und es bestehe ein ständiger und
direkter Kontakt zwischen den Lehrkräften und den Therapeuten. Weder der Antragsteller selbst noch dessen Eltern seien in
der Lage, die monatlichen Therapiekosten von rund 400,00 EUR zu verauslagen. Zur Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Therapie
verweist der Antragsteller auf eine Stellungnahme der Förderlehrerin vom 18. August 2013.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, auch ohne die Therapie gerate ein erfolgreicher Schulbesuch nicht in Gefahr. Die Therapie
sei keine unabdingbare Voraussetzung für den Schulbesuch.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren S 32 SO 206/12 ER, S 32 SO 56/13 und S 32 SO 57/13 sowie die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§
172,
173 SGG zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 13. Mai 2013 ist begründet. Der Antragsteller hat weiterhin einen Anspruch auf vorläufige Übernahme der ihm entstehenden
Kosten seiner ambulanten Autismus-Therapie.
Einstweilige Anordnungen sind nach §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass
ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass
der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit
eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG iVm §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung ZPO). Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung der Hauptsacheklage nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers
in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss
vom 12. Mai 2005 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich
sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden.
Artikel
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) stellt jedoch besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn wie hier ohne die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren
nicht mehr zu beseitigen wären. In einem solchen Fall müssen die Gerichte nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfG, wenn
sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern
abschließend prüfen. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen
an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht überspannen; Fragen des Grundrechtsschutzes sind einzubeziehen.
Ist dem Gericht hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand
einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in
die Abwägung einzustellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser
grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern
(BVerfG, ebenda, vgl. auch die Senatsentscheidungen vom 2. April 2008, L 8 SO 11/08 ER und vom 13. Mai 2008, L 8 SO 36/08
ER).
Davon ausgehend entscheidet der Senat auf Grund einer Folgenabwägung, weil nach dem derzeitigen Sachverhalt offen ist, ob
das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlich ist.
Der Antragsteller hat das Vorliegen eines dem Grunde nach bestehenden Anspruchs auf Eingliederungshilfeleistungen gemäß §§
53, 54 Abs. XII iVm der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung -EinglH-VO-) hinreichend glaubhaft gemacht. Bei ihm bestehen neben dem frühkindlichen Autismus eine Trisomie 21 und eine
schwere geistige Behinderung. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine seelische Behinderung. Vorrangige Maßnahmen nach
§ 35a SGB VIII, für die eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begründet wäre, kommen damit nicht in Betracht.
Es kann im Rahmen dieses Verfahrens jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob die streitige Maßnahme eine Leistung zur
angemessenen Schulbildung darstellt. Dem streitigen Anspruch des Antragstellers kann nicht von vornherein entgegen gehalten
werden, dass er sich vorrangig um vom Nachranggrundsatz des SGB XII umfasste sonderpädagogische Förderleistungen durch die Schulverwaltung bemühen müsse. Der Antragsteller besucht bereits eine
Sonderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung. Neben dem schulischen Förder- und Bildungsbedarf kann jedoch ein ergänzender
Anspruch auf Eingliederungshilfe bestehen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. März 2007, L 13 SO 187/06 ER; Senatsbeschluss
vom 1. Dezember 2009, L 8 SO 54/09 B ER). Von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers können damit auch Maßnahmen umfasst
sein, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehören. Ausgeschlossen sind lediglich Maßnahmen, die dem Kernbereich der
pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, denn dieser Kernbereich liegt nach Sinn und Zweck der §§ 53, 54 SGB XII außerhalb der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers. Unterstützende, persönlichkeitsfördernde Maßnahmen außerhalb der Schule,
wie z. B. eine Montessori-Therapie, gehören nicht zu diesem Kernbereich (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2013 - B 8 SO 30/10 R -, juris, Rdnrn. 20 ff.). Danach kann z.B. eine Verpflichtung zur Übernahme einer
Autismus-Therapie durch den Sozialhilfeträger im Rahmen einer Leistung zur Schulbildung in Betracht kommen, wenn die Therapie
als heilpädagogische Maßnahme erforderlich und geeignet ist, den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht in dem
Sinne zu erleichtern, dass das betroffene Kind in die Lage versetzt wird, die Schule erfolgreich zu besuchen (vgl. OVG Lüneburg,
Beschluss vom 19. April 2004, 12 ME 78/04, juris Rdnr. 7 mwN).
Selbst wenn es vorrangige Aufgabe der Schulbehörde ist, die angemessene Beschulung eines autistischen Kindes sicherzustellen
(vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. März 2007, L 13 SO 6/06 ER), steht vorliegend der Grundsatz des Nachrangs
der Sozialhilfe einem Anspruch des Antragstellers nicht entgegen. Zwar besucht dieser eine Förderschule mit dem Schwerpunkt
geistige Entwicklung. Die Klassenlehrerin hat in ihrer aktuellen Stellungnahme vom 18. August 2013 jedoch nachvollziehbar
dargelegt, dass die Schule weder personell noch räumlich noch von der pädagogischen Aufgabenbeschreibung her in der Lage sei,
die für die schulische Förderung entscheidende Arbeit um die Aspekte Kommunikationsanbahnung bzw. Erweiterung zu leisten.
Solange jedoch die Schule eine gebotene Hilfe nicht gewährt, ist außerhalb des Kernbereichs pädagogischer Arbeit eine Leistungspflicht
des Sozialhilfeträgers anzunehmen, der ggf., jedenfalls nach Auffassung des BSG (Urteil vom 22. März 2012, aaO., juris Rdnr. 25), mittels einer Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII beim zuständigen Schulträger Rückgriff nehmen bzw. als Geschäftsführer ohne Auftrag einen Aufwendungsersatzanspruch nach
§
683 BGB geltend machen kann (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2009, L 8 SO 5/09 B ER). Die Realisierungschancen eines solchen Anspruchs
sind dabei unbeachtlich, jedenfalls dann, wenn sich wie hier zwei Personen des öffentlichen Rechts gegenüberstehen.
Ob und in welchem Umfang die begehrte Autismus-Therapie geboten ist und eine für den Antragsteller angemessene Eingliederungshilfe
darstellt, kann der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend entscheiden. Gleiches gilt für die sich
daran anschließende Frage, ob es sich um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII iVm § 12 Nr. 1 EinglH-VO handelt, die, soweit nicht Kosten des Lebensunterhalts erspart werden, gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII unabhängig von Einkommen und Vermögen des Antragstellers und dessen Eltern zu erbringen wäre, oder aber um eine nicht entsprechend
privilegierte Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach §§ 53 Abs. 1 SGB XII iVm §
55 SGB IX. Insbesondere sieht der Senat sich nicht in der Lage, den tatsächlichen Bedarf des Antragstellers zu beurteilen, weil bislang
ein kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten über den Antragsteller nicht vorliegt und die sozialpädiatrischen Stellungnahme
zur Bedarfsfeststellung nicht ausreichend sind. Danach handelt es sich um ein schwer retardiertes Kind, das aufgrund seiner
Behinderungen kaum in der Lage ist zu kommunizieren. In erster Linie wird eine medikamentöse Behandlung durchgeführt und empfohlen.
Die nach Aktenlage gefertigte ärztliche Stellungnahme der für das Gesundheitsamt E. tätigen Amtsärztin H. vom 26. Juli 2011,
wonach es bei der ambulanten Autismus-Therapie um Intensivierung von Therapien gehe, die auch in der Schule angewendet werden
und den Antragsteller dabei unterstützen, Aggressionen und Autoaggressionen abzuschwächen sowie die Eigenwahrnehmung zu verbessern,
ist Grundlage der mit Bescheiden vom 30. August 2011, 11. Oktober 2011 und 17. Februar 2012 erfolgten Leistungsgewährung ohne
Abgrenzung der Leistungsart (Hilfe zur Schulbildung oder Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) gewesen.
Nach § 12 Nr. 1 EinglH-VO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen
zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem
behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Demgegenüber
sollen nach §
55 Abs.
2 Nr.
3 und Nr.
7 SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen
oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen. Sie umfassen insbesondere Hilfen zum Erwerb praktischer
Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am
Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, sowie Hilfen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben.
Es steht anhand der vorliegenden Entwicklungsberichte und Stellungnahmen der Klassenlehrerin außer Frage, dass der Antragsteller
infolge der ambulanten Autismus-Therapie Erfolge in seiner Entwicklung erzielt hat, die auch dem Schulbesuch zugutekommen
werden. Bereits aus dem ersten Entwicklungsbericht des DRK für die Zeit vom 4. Oktober 2011 bis 15. Januar 2012 zeigt sich,
dass sich der Antragsteller in der bislang kurzen Förderzeit deutlich weiterentwickelt und die erlernte Interaktionsfähigkeit
seine Eigen- und Fremdwahrnehmung geweckt habe. Dadurch zeige er ein aufmerksameres, spontaneres und zielgerichtetes Verhalten,
spiele z. B. in der Schule gezielt mit seiner Eisenbahn, höre auf seinen Namen und könne einfachen Anweisungen folgen. So
sei es gelungen, erste Grundsteine für den Aufbau natürlicher Lern- und Entwicklungsvorgänge zu legen. Die jeweiligen Lerninhalte
würden an Eltern, Lehrer und Assistenzkräfte weitergegeben und die begonnene Methode, z.B. der Umgang mit im Rahmen der Therapie
verwandten Bildkarten, im Alltag und Schulalltag angewandt. Diese Lerninhalte seien in der Folgezeit weiter ausgebaut worden.
Dem weiteren DRK-Bericht vom 2. Oktober 2012 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller ursprünglich wenig Interesse an dargebotenen
Unterrichtsinhalten gezeigt habe und Ziel der Autismus-Förderung gewesen sei, grundlegende Fähigkeiten der Kommunikation und
sozialen Interaktionen zu entwickeln als Voraussetzung dafür, dass der Antragsteller sich seiner Umwelt zuwenden könne und
somit schulisches Lernen überhaupt möglich werde. Infolge der Therapie sei mittlerweile ein deutlicher Wille zur Kommunikation
zu beobachten. Durch den regelmäßigen und engen Austausch zu den Lehrkräften sei eine Übertragung der Förderinhalte in den
Unterricht gewährleistet mit dem Ziel, grundlegende Voraussetzungen für schulisches Lernen zu entwickeln und Rahmenbedingungen
zu schaffen, in denen der Antragsteller ein auf ihn abgestimmtes Lernangebot erhalte und kognitive Potenziale erkannt und
genutzt werden können. Zwischenzeitlich, so der Entwicklungsbericht vom 31. Januar 2013, zeige der Antragsteller infolge der
Therapie mehr Interesse und Aufmerksamkeit an seiner Umgebung und den Mitmenschen und nehme Blickkontakt auf, wodurch es möglich
geworden sei, dass er mithilfe seiner Bezugsperson in der Schule den Frühstückstisch decken könne. Die Förderung habe im hohen
Maße dazu beigetragen, dass der Antragsteller die schulischen Inhalte besser aufnehmen und umsetzen könne und der Rückzug
in stereotype Verhaltensweisen geringer geworden sei. Ziele der weiteren Förderung seien deshalb insbesondere die Eigenwahrnehmung,
das Erweitern funktioneller Fähigkeiten und das Vertiefen und Erweitern der kommunikativen Fähigkeiten sowie das Übertragen
erlernter Fähigkeiten in die Schule und den Alltag.
Auch nach den Stellungnahmen der Klassenlehrerin I. vom 10. Oktober 2012 und 18. August 2013 stehen im Vordergrund der Therapie
der Aufbau und Ausbau der kaum vorhandenen Kommunikationsfähigkeiten des Antragstellers. Die Autismus-Therapie habe maßgebliche
Impulse für die kommunikative und damit emotionale Entwicklung des Antragstellers gesetzt und zu einer verbesserten Teilnahme
am Unterricht beigetragen. Im Austausch mit der Therapeutin würden in der Therapie erarbeitete Kommunikationswege und Formen
der Körperarbeit aufgegriffen und versucht, diese durch den Unterricht zu generalisieren.
Nicht hinreichend geklärt ist jedoch, ob der Antragsteller einer Therapie, die im Wesentlichen dem Aufbau kommunikativer Fähigkeiten
dient, wegen des Autismus bedarf und die begehrte Autismus-Schulung deshalb das gebotene Mittel der Eingliederungshilfe darstellt,
oder die mangelnde Fähigkeit zur Kommunikation nicht vielmehr Ausfluss der geistigen Behinderung ist und dieser ggf. mit anderen
Therapiemöglichkeiten Rechnung getragen werden sollte.
Die Frage des tatsächlichen Bedarfs des Antragstellers kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geklärt werde. Die
danach gebotene Folgenabwägung ergibt, dass die weitere Förderung des Antragstellers im Rahmen der bisherigen Therapie Vorrang
hat vor den fiskalischen Interessen des Antragsgegners an der Vermeidung unrechtmäßiger Zahlungen öffentlicher Mittel. Da
die Eltern des Antragstellers nach den Berechnungen des Antragsgegners vom 24. April 2013 über ein ggf. als Kostenbeitrag
einzusetzendes Einkommen von 288,94 EUR verfügen, bleibt es dem Antragsgegner unbenommen, sich mit der vorläufigen Gewährung
der Leistungen die Erhebung eines Kostenbeitrages vorzubehalten, der dann auch rückwirkend nacherhoben werden kann.
Die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Kostenübernahme ist zunächst bis zum Ablauf des laufenden Schuljahres
befristet worden, um den Beteiligten und dem SG bis dahin die Möglichkeit zu geben, Art und Umfang des Bedarfs des Antragstellers im Rahmen weiterer Sachaufklärungen zu
ermitteln.
Die Kostentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren hat keinen Erfolg,
weil das für die Bewilligung von PKH erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt, nachdem der Senat entschieden hat, dass die
außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten sind.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.