Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Darlegung des Verfahrensmangels einer Entscheidung über den falschen Klagegegenstand
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Zulassung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund (SG) und machen insbesondere geltend, dass SG habe den Streitgegenstand des zugrundeliegenden Verfahrens verkannt.
Die Kläger sind miteinander verheiratet. Sie bezogen in Bedarfsgemeinschaft lebend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von dem Beklagten. Die Leistungen für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 31.12.2015 und für den Zeitraum vom 01.01.2016
bis zum 30.06.2016 wurden zunächst vorläufig bewilligt. Mit zwei Bescheiden vom 09.02.2017 setzte der Beklagte die Leistungen
für die vorgenannten Zeiträume jeweils endgültig fest. Mit zwei weiteren Bescheiden vom 09.02.2017 machte der Beklagte gegenüber
dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) jeweils eine Erstattung von in der Zeit vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 überzahlter
Leistungen, insgesamt je 1.031,11 Euro, geltend. Gegen alle vier Bescheide legten die Prozessbevollmächtigten der Kläger Widerspruch
ein. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.02.2017, betreffend den Bewilligungsbescheid für den Zeitraum vom 01.01. bis
30.06.2016, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2018 zurückgewiesen. Der Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid,
betreffend den Zeitraum 01.10. bis 31.12.2015, wurde nach Erteilung eines Änderungsbescheides vom 07.06.2018 mit Widerspruchsbescheid
vom 14.06.2018, abgesandt am selben Tag und dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zugegangen am 15.06.2018, zurückgewiesen.
Dabei wurde im Widerspruchsbescheid das Geschäftszeichen, unter dem der Widerspruch bei den Prozessbevollmächtigten geführt
wurde, falsch bezeichnet, indem das Geschäftszeichen des Widerspruchs gegen den an die Klägerin zu 2) gerichteten Erstattungsbescheides
angegeben wurde. Der Tenor des Widerspruchs lautet, dass nach Erlass des Änderungsbescheides vom 07.06.2018 der Widerspruch
als unbegründet zurückgewiesen werde. In der Begründung führte der Beklagte zu dem Leistungsanspruch der Kläger im Zeitraum
von Oktober bis Dezember 2015 aus. Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 15.06.2018, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger
zugegangen am 19.06.2018, beschied der Beklagte inhaltlich jeweils die Widersprüche gegen die Erstattungsbescheide. Hinsichtlich
des an den Kläger zu 1) gerichteten Widerspruchsbescheides wurde das Geschäftszeichen, unter dem der Widerspruch bei dem Prozessbevollmächtigten
geführt wurde, ebenfalls falsch bezeichnet und das Geschäftszeichen des Widerspruchs gegen Bewilligungsbescheid vom 09.02.2017,
betreffend den Zeitraum 01.10.-31.12.2015, angegeben, hinsichtlich des an die Klägerin zu 2) gerichteten Widerspruchsbescheides
war das Geschäftszeichen, unter dem das Widerspruchsverfahren des Klägers zu 1) bei dem Prozessbevollmächtigten geführt wurde,
angegeben.
Am 16.07.2018 erhoben die Kläger vor dem SG Klage (Az. S 5 AS 3549/18) mit dem Antrag "die Regelungen des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2018, eingegangen am 15.06.2018, gemäß der Rechtsauffassung
des Gerichts abzuändern" und fügten der Klageschrift den Erstattungsbescheid vom 09.02.2017 gegenüber der Klägerin zu 2),
das darauf bezogene Widerspruchsschreiben und den Widerspruchsbescheid vom 14.06.2018 bei. In weiteren Schriftsätzen der Kläger
heißt es u.a. "hier dürften die Erstattungsbescheide streitig sein" bzw. "der streitige Erstattungsbescheid behandelt offenbar
zwei Zeiträume [...]. Mit einer weiteren am 16.07.2018 erhobenen Klage (Az. S 5 AS 3550/18) beantragten die Kläger, den Erstattungsbescheid der Beklagten vom 09.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
15.06.2018, eingegangen am 19.06.2018, unter Beachtung der Rechtsansicht des Gerichts abzuändern und im Hinblick auf den Monat
November 2015 aufzuheben. Der Klageschrift beigefügt waren der an den Kläger zu 1) gerichtete Erstattungsbescheid vom 09.02.2017,
das Widerspruchsschreiben und der Widerspruchsbescheid vom 15.06.2018, betreffend den Widerspruch der Klägerin zu 2) gegen
den an diese gerichteten Erstattungsbescheid vom 09.02.2017.
Am 18.07.2018 haben die Kläger die dem hiesigen Verfahren zugrunde liegende Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 09.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2018, eingegangen am 19.06.2018, zu
verpflichten, Leistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. In der Klageschrift heißt es u.a.: "Vorliegend geht es zunächst
um die endgültige Festsetzung und nicht um den Erstattungsbescheid. Insoweit ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten nicht
gänzlich nachvollziehbar". Der Klageschrift sind die endgültige Festsetzung vom 09.02.2017, betreffend den Zeitraum 01.10.-31.12.2015
("Anlage 1"), der Widerspruch gegen diesen Bescheid ("Anlage 2") nebst Widerspruchsbegründung ("Anlage 3") und der Widerspruchsbescheid,
betreffend den Erstattungsbescheid bezüglich des Zeitraumes vom 01.10.2015 bis 30.06.2016 ("Anlage 4"), beigefügt gewesen.
In der weiteren Begründung vom 01.03.2019 haben die Kläger u.a. ausgeführt, für eine spätere endgültige Festsetzung sei kein
Raum, da bereits die ursprünglichen Bewilligungsbescheide endgültig gewesen seien. Auf entsprechenden Hinweis des Sozialgerichts
haben die Kläger dargelegt, dass der Beklagte "allerhand Aktenzeichen" verwechselt habe und eine klare Feststellung, welche
Streitgegenstände anhängig seien, nicht habe überprüft werden können. Daraufhin hat das SG mitgeteilt, nach Auslegung richte sich die Klage gegen die endgültige Festsetzung vom 09.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14.06.2018 für den Zeitraum 10/2015 bis 12/2015. Das SG auf eine Versäumung der Klagefrist hingewiesen und mit entsprechend begründetem Beschluss vom 02.03.2020 einen Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Daraufhin haben die Kläger eingewandt, sie hätten den Inhalt des Widerspruchsbescheides
verkannt, jedoch gegen genau diesen Widerspruchsbescheid Klage erheben wollen. Daher sei die Klagefrist, bezogen auf diesen
Widerspruchsbescheidm maßgeblich. Der Klageantrag werde entsprechend dahingehend abgeändert, den Erstattungsbescheid vom 19.02.2017
in Gestalt des Widerspruchsbescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entsprechend zu reduzieren.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2020 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da nicht innerhalb der Klagefrist erhoben.
Streitgegenstand sei der Festsetzungsbescheid vom 09.02.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2017. Die
Klagefrist sei spätestens am 17.07.2018 abgelaufen, die Klage jedoch erst am Mittwoch, dem 18.07.2018, erhoben worden. Gründe
für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien weder ersichtlich noch dargelegt worden. Auch wenn die falsche Zuordnung
des Widerspruchsbescheides und die damit einhergehende Fristversäumnis durch eine Verwechselung des Aktenzeichens der Prozessbevollmächtigten
erklärbar seien, liege kein unverschuldetes Versäumen der Frist vor. Denn aus den Widerspruchsbescheiden sei ansonsten eindeutig
erkennbar, auf welche Ausgangsbescheide sie sich jeweils bezogen. Bei einer sorgfältigen Durchsicht hätte eine Zuordnung und
richtige Berechnung der Klagefrist ohne weiteres erfolgen können. Bereits bei Klageeinlegung unter dem Aktenzeichen S 5 AS 3549/18 am 16.07.2018, welcher der Widerspruchsbescheid vom 14.06.2018 beigefügt gewesen sei, habe die falsche Zuordnung auffallen
müssen. Ein Klageänderung i.S.d. §
99 Abs.
1 SGG liege nicht vor und sei im Übrigen mangels Sachdienlichkeit auch nicht zulässig. Die geänderte Klage sei nämlich wegen anderweitiger
Rechtshängigkeit unzulässig. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.
Gegen den ihnen am 13.05.2020 zugestellten Gerichtsbescheid wenden sich die Kläger mit der am 04.06.2020 beim LSG eingegangenen
Nichtzulassungsbeschwerde. Aus ihrer Sicht sei das Klageverfahren gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.06.2018 noch unter
dem Aktenzeichen S 5 AS 3549/18 weiterhin bei dem Sozialgericht anhängig. Der vorliegenden Klage sei genau der Widerspruchsbescheid beigefügt worden, den
die Kläger auch hätten anfechten wollen, jedoch unter Verkennung des Regelungsgegenstandes dieses Widerspruchsbescheides bzw.
unter Verkennung des Aktenzeichens. Die Entscheidung des Sozialgerichts beruhe auf einem Verfahrensfehler, da über etwas entschieden
worden sei, was gar nicht Verfahrensgegenstand sei. Gegenstand des Verfahrens sei nämlich der Bescheid, auf den sich der Antrag
erstrecke und der auch der Klageschrift beigefügt sei, auch dann, wenn der Inhalt des Bescheides verkannt werde. Anderenfalls
sei es möglich, eine im Bescheid nicht enthaltene Regelung unabhängig davon, ob sie bereits bestandskräftig sei, anzufechten.
Ursprünglicher Klageantrag der Anfechtungsklage sei es, den Bescheid vom 09.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 15.06.2018 unter Beachtung der Rechtsansicht des Gerichts abzuändern und im Hinblick auf den Monat November 2015 aufzuheben.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 30.04.2020, Az. S 5 AS 3583/18, zuzulassen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass Gründe für die Zulassung der Berufung nicht ersichtlich sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
Verwaltungsakten des Beklagten. Die Akten haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung.
II.
1.
Die Beschwerde ist statthaft, weil die Berufung zulassungsbedürftig ist. Gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG bedarf die Berufung der ausdrücklichen Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-
oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt und keine wiederkehrenden
oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelkläger versagt hat und
was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
144 Rn. 14). Die Kläger machen vorliegend geltend, dass nicht der Festsetzungsbescheid vom 09.02.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 14.06.2018, sondern der Erstattungsbescheid vom 09.02.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2018 Gegenstand
des Verfahrens sei, und begehren die Aufhebung des Bescheides für den Monat November 2015. Mit diesem Erstattungsbescheid
verlangt der Beklagte von dem Kläger zu 1) für den Monat November 2015 131,03 Euro erstattet. Der Wert der angegebenen Beschwer
übersteigt damit 750 Euro nicht, zudem sind auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen.
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil Gründe für die Zulassung der Berufung nicht vorliegen.
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die
Entscheidung beruhen kann.
a)
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die
Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit
zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt hierfür nicht (Keller, aaO., §
144 RdNr. 28). Eine solche Rechtsfrage ist nicht ersichtlich. Dass die rechtliche Würdigung durch das SG im vorliegenden Einzelfall nicht der Rechtsauffassung der Kläger entspricht, führt nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache.
b)
Das Urteil des SG weicht auch nicht von einer Entscheidung der in §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte ab. Eine Divergenz setzt voraus, dass einerseits ein abstrakter Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung
und andererseits ein der Entscheidung eines der in §
144 Abs.
2 Satz 2
SGG genannten Gerichte zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Ein abstrakter Rechtssatz liegt dabei nur
bei einer fallübergreifenden, nicht lediglich auf die Würdigung des Einzelfalls bezogenen rechtlichen Aussage vor (Leitherer
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, aaO, § 160 RdNr. 13 mwN). Das Gericht muss der abweichenden Rechtsprechung im
Grundsätzlichen widersprochen haben. Nicht ausreichend ist ein Rechtsirrtum im Einzelfall, wie zB fehlerhafte Subsumtion,
unzutreffende Beurteilung oder auch Übersehen einer Rechtsfrage (Leitherer, aaO, § 160 RdNr. 14). Einen abweichenden Rechtssatz hat das SG ersichtlich nicht aufgestellt. Es hat sich in seinen Urteilsgründen mit der Frage beschäftigt, was Gegenstand des Rechtsstreits
ist und ob die Klage zulässig erhoben wurde. Das Urteil des SG enthält lediglich auf die Würdigung des Einzelfalls bezogene rechtliche Aussagen.
c)
Auch ein Verfahrensmangel i.S.v. §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG, auf dem die Entscheidung beruhen kann, liegt nicht vor. Die Rüge der Kläger, dass das SG verfahrensfehlerhaft über den falschen Klagegegenstand (und infolge dessen durch Prozess- statt Sachurteil) entschieden habe,
greift nicht durch. Der gerügte Verfahrensfehler - die Verletzung von §
123 SGG - liegt nicht vor. Gemäß §
123 SGG entscheidet das Gericht über die von dem Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Diese
Verfahrensnorm ist nicht verletzt, denn das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger mit ihrer Klage (ursprünglich) die endgültige Bewilligung höherer Leistungen
nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.10.-31.12.2015 begehrten. Entgegen der Auffassung der Kläger bestimmt sich der Gegenstand einer Klage
nämlich nicht bloß nach dem Inhalt des mit der Klage übersandten Widerspruchsbescheides.
Streitgegenstand ist - nach der herrschenden prozessualen Theorie - der prozessuale Anspruch, nämlich das von den Klägern
aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine - bestimmte oder bestimmbare - Rechtsfolge
auszusprechen (vgl. Haupt in: Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl. 2020, §
123 SGG, Rn. 2). Der Streitgegenstand ist identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte,
im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge
ergeben soll (stRspr, vgl hierzu nur BSG, Urteil vom 06. April 2011 - B 4 AS 119/10 R -, juris Rn. 28 m.w.N.). Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsprinzips" (vgl. BSG, aaO. m.w.N.) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen (§
123 SGG), dass das Begehren der Kläger möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Gerichte haben sich nicht daran zu orientieren,
was als Klageantrag zulässig ist, sondern was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird. Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen
einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des §
133 BGB entsprechend anzuwenden. Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen
und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für das Gericht und die
übrigen Beteiligten erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (zum Vorstehenden
BSG, a.a.O., mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Das SG durfte hier nach entsprechender Auslegung rechtmäßig davon ausgehen, dass die Kläger mit ihrer Klage zunächst die Aufhebung
des Bewilligungsbescheides und Bewilligung höherer Leistungen nach dem SGB II begehren. Denn die Kläger haben mit der Klageschrift eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass Gegenstand der Klage die endgültige
Festsetzung und nicht der Erstattungsbescheid sein soll und auch in weiteren Stellungnahmen vom 01.03.2019 und 15.04.2019
inhaltlich zur Rechtmäßigkeit des Bescheides über die endgültige Festsetzung referiert. Überdies haben sie ihrer Klage auch
den Bewilligungsbescheid vom 09.02.2017 sowie das dagegen gerichtete Widerspruchsschreiben nebst Begründung beigefügt und
in der Klageschrift die Verwunderung über den Inhalt des Widerspruchsbescheides zum Ausdruck gebracht. Auch der in der Klageschrift
gestellte Klageantrag war - im Gegensatz zu dem Antrag in der unter dem Aktenzeichen S 5 AS 3550/18 erhobenen Klage - nicht auf die Aufhebung eines Erstattungsbescheides gerichtet, sondern auf die Bewilligung von Leistungen.
Selbst nach einem der Aufklärungspflicht gem. §
106 Abs.
1 SGG entsprechenden Hinweis des SG haben die Kläger nur dargelegt, dass der Beklagte "allerhand Aktenzeichen" verwechselt habe und eine klare Feststellung,
welche Streitgegenstände anhängig seien, nicht habe getroffen werden können. Auch wenn die Kläger den Inhalt des Widerspruchsbescheides
vom 15.06.2018 verkannt haben, ist nach ihrem gesamten Klagevortrag nicht ersichtlich, dass sie von Anfang an die Aufhebung
des Erstattungsbescheides, betreffend den Kläger zu 1) begehrten. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, wird - auch in der Zusammenschau mit den weiteren unter den Az. S 5 AS 3549/18 und S 5 AS 3550/18 - erkennbar, dass jeweils die Widerspruchsbescheide den falschen Ausgangsbescheiden zugeordnet wurden, der Klagegegenstand
sich jedoch auf die jeweils beigefügten Ausgangsbescheide beziehen sollte. Erst nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch
Beschluss vom 02.03.2020 haben die Kläger ihren Klageantrag neu gefasst und beantragt, den Erstattungsbetrag zu reduzieren.
Die Entscheidung des Sozialgerichts, dies nicht als Klageänderung anzusehen, ist gem. §
99 Abs.
4 SGG unanfechtbar und kann nicht im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden. Im Übrigen könnten sich die Kläger diesbezüglich
nicht auf einen entsprechenden Verfahrensmangel berufen, da die Entscheidung des Sozialgerichts darauf jedenfalls nicht beruht.
Denn wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, wäre die geänderte Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit ebenfalls
durch Prozessurteil abzuweisen, da der Erstattungsbescheid bereits Gegenstand der zuvor unter dem Aktenzeichen S 5 AS 3550/18 erhobenen Klage ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).
Das Urteil des Sozialgerichts ist damit rechtskräftig (§
145 Abs.
4 Satz 4
SGG).