Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners, mit der er sich gegen die einstweilige Verpflichtung zur Zahlung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe des Regelbedarfs nach § 20 SGB II an den Antragsteller ohne Anrechnung von Einkommen der Zeugin B wendet, ist unbegründet.
Einstweilige Anordnungen sind nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt
grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung.
Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung
(Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln (ständige Rechtsprechung des
Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 20.02.2019 - L 7 AS 1916/18 B ER und vom 30.08.2018 - L 7 AS 1268/18 B ER). Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren
nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller
umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 30.08.2018 - L 7 AS 1268/18 B ER, vom 05.09.2017 - L 7 AS 1419/17 B ER und vom 21.07.2016 - L 7 AS 1045/16 B ER).
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat nach §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG Bezug nimmt, hat das Sozialgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme ohne Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c, Abs. 3a SGB II dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung vom 01.02.2021 bis zum 29.07.2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II in Höhe des Regelbedarfs nach § 20 SGB II zugesprochen.
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 29.03.2021 ist ergänzend auszuführen:
Ob eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen.
Bei den Kriterien "Partnerschaft" und "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" handelt es sich dabei um objektive Tatbestandsvoraussetzungen,
die Anknüpfungstatsachen der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II sind (BSG Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R). Diese objektiven Kriterien müssen von Amts wegen nach § 20 SGB X bzw. §
103 SGG ermittelt werden. Liegen sie vor, obliegt es dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die Vermutung einer Verantwortungs-
und Einstandsgemeinschaft zu widerlegen (vgl hierzu Urteil des Senats vom 09.10.2019 - L 7 AS 1614/18). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3, 3a SGB II nicht abschließend zu klären (Beschluss des Senats vom 09.09.2019 - L 7 AS 935/19 B ER).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie dem Akteninhalt steht nach Wertung der Gesamtumstände außer Frage, dass sowohl
Indizien für als auch gegen die Annahme eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und der
Zeugin B iSv § 7 Abs. 3 Nr. 3c, Abs. 3a SGB II vorliegen. Dem Antragsgegner mag zuzustimmen sein, dass es grundsätzlich der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, Verantwortung
füreinander zu tragen, wenn man bereits seit Jahren zusammen in verschiedenen Wohnungen lebt und gemeinsam Urlaub an einem
Ort, wenn auch nach dem Vortrag in getrennten Zimmern in einem Apartment, verbracht hat. Jedoch kann im Einzelfall eine andere
Bewertung erfolgen, wenn die Umstände des Einzelfalls, hier der Versuch nach einem gelösten Verlöbnis nach schwerem Unfall
der Zeugin eine Freundschaft im Rahmen einer Wohngemeinschaft weiterzuführen, sowie getrennte Girokonten, Anlass dazu geben,
weil der Vortrag schlüssig ist und ohne erkennbares Verschweigen von Tatsachen erfolgt. Auch unter Berücksichtigung der vom
Antragsgegner im Schriftsatz vom 29.03.2021 aufgezeigten unzweifelhaft bestehenden Anhaltspunkte für das Bestehen einer Verantwortungs-
und Einstandsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II verneint der Senat daher nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen summarischen Prüfung diese im streitigen
Zeitraum.
Auch wenn der Sachverhalt insoweit als offen betrachtet werden würde, wären Leistungen in Höhe des Regelbedarfs ohne Anrechnung
von Einkommen der Zeugin B im Wege der Folgeabwägung zuzusprechen. Denn unter Berücksichtigung des existenzsichernden Charakters
der Leistungen nach dem SGB II und der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei nicht möglicher abschließender Aufklärung der Sach- und
Rechtslage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Folgenabwägung, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung
dann gerechtfertigt.
Weitere Ermittlungen, beispielsweise die Durchführung eines Hausbesuchs unter Einschaltung des Beklagten, die Nachfrage, seit
wann eine getrennte Kontoführung erfolgt und die Vernehmung weiterer Zeugen, die über die Lebensumstände des Antragstellers
Auskunft geben können, wie auch eine ergänzende Befragung der Zeugin B bleiben dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).