Rechtsanwaltsvergütung in sozialgerichtlichen Verfahren
Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts über die Erinnerung gegen eine Kostenfestsetzung
Kammervorsitzender des Sozialgerichts als "Einzelrichter"
Prüfung der Beschwerdebefugnis
Gründe
Die (sinngemäß erhobene) Beschwerde des Beschwerdeführers ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
1. Über die Beschwerde entscheidet der Senat mit drei Berufsrichtern, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gemäß
§ 33 Abs. 8 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hat.
Die Rechtssache hat deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, dass ein Landessozialgericht
(LSG) über Beschwerden gegen die Entscheidung des Sozialgerichts über die Erinnerung gegen eine Kostenfestsetzung (§ 56, § 33 RVG) stets mit drei Berufsrichtern zu entscheiden habe, auch wenn die Sache keine grundsätzliche Bedeutung aufweise (LSG Nordrhein-Westfalen
(NRW), Beschluss vom 16.12.2009, L 19 B 180/09 AS, [...]). Dieser Rechtsprechung ist der erkennende Senat in dem Beschluss vom 24.03.2015 - L 1 KR 482/14 B gefolgt.
An der in dem zitierten Beschluss vertretenen Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Diese Rechtsprechung fußt auf der
Annahme, die Regelung des § 33 Abs. 8 Satz 1 Hs. 2 RVG, wonach der Einzelrichter über die Beschwerde auch entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter
erlassen worden ist, finde im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, wenn die angefochtene Entscheidung durch den
Kammervorsitzenden allein ergangen sei. Die Norm des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG weise die Entscheidung dem Einzelrichter als Mitglied des Gerichts zu. Der Kammervorsitzende des Sozialgerichts entscheide
nicht als einzelnes Mitglied der Kammer, sondern als Kammer in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter, denn diese wirkten
gemäß §
12 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren sei daher keine
Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG (zum Vorstehenden Senat, Beschluss vom 24.03.2015 - L 1 KR 484/14 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 16.12.2009, L 19 B 180/09 AS; ebenso LSG NRW, Beschlüsse vom 30.03.2012, L 19 AS 2092/11 B, sowie vom 31.05.2013, L 19 AS 590/13 B, alle [...]).
Der erkennende Senat schließt sich nunmehr der gegenteiligen Auffassung (LSG NRW, Beschluss vom 10.02.2011, L 9 AS 1290/10 B, [...]) an. Hierfür sprechen die folgenden Aspekte: Zum einen findet die zuvor wiedergegebene Rechtsauffassung im Wortlaut
des § 33 Abs. 8 RVG keinen Niederschlag. Das RVG unterscheidet hinsichtlich der Besetzung des Beschwerdegerichts nicht zwischen sozialgerichtlichen und sonstigen Rechtssachen.
Der Gesetzgeber hat eine pauschale Regelung getroffen, ohne hinsichtlich der Sozialgerichtsbarkeit zu differenzieren. Zu einer
solchen Differenzierung war er aber von Verfassungs wegen nicht gehalten. Zum anderen rechtfertigen auch Sinn und Zweck nicht
die dargestellte restriktive Lesart des § 33 Abs. 8 RVG. Zur Entscheidung berufen ist gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Hs. 1 RVG vielmehr grundsätzlich der Einzelrichter (Pukall in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 56 Rn. 30 mit Rn. 15). Für dieses Ergebnis spricht nicht zuletzt die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung
des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMG) vom 11.11.2003 (BT-Drs.15/1971, 157 f., 196). Danach soll u.a.
die Akzeptanz der auf die Beschwerde ergehenden Entscheidungen durch die Betroffenen sichergestellt werden, indem Entscheidungen
eines Kollegialgerichts auch nur durch ein Kollegialgericht korrigiert werden können. Zur Überzeugung des erkennenden Senats
folgt daraus im Umkehrschluss, dass der Einzelrichter zur Beschwerdeentscheidung dann berufen ist, wenn die angefochtene Entscheidung
durch einen einzelnen Richter erlassen wurde. Dieser gesetzgeberische Wille hat seinen Ausdruck in der Fassung des nachfolgenden
Halbsatzes 2 des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG gefunden. Eine Ausnahme hiervon gilt gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG nur dann, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat (zum Vorstehenden LSG NRW, Beschluss vom 10.02.2011, L 9 AS 1290/10 B, [...]).
2. Der Beschwerdeführer ist als Kläger des Ausgangsverfahrens nicht beschwerdebefugt.
Antragsteller und Beschwerdeführer ist in Verfahren, welche die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe
betreffen, der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin selbst; Beschwerdegegner ist in diesen Verfahren die Landeskasse, vertreten
durch den Bezirksrevisor. Die Landeskasse kann ebenfalls Beschwerdeführerin sein. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte
Partei ist am Verfahren nicht beteiligt (vgl. LSG NRW, Beschlüsse vom 14.05.2009, L 9 B 220/07 AS, und vom 31.05.2010, L 9 B 59/09 AS).
Beschwerdebefugt ist damit - entsprechend der Erinnerungsbefugnis nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG - der beigeordnete Rechtsanwalt (oder die Landeskasse), nicht dagegen der Kläger selbst (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt,
RVG, 21. Aufl. 2013, § 56 Rn. 18 mit Rn. 7; Pukall, a.a.O., § 56 Rn. 22; LSG NRW, Beschluss vom 31. Mai 2013, L 19 AS 590/13 B, [...]).
3. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
4. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).