Tatbestand
Der Kläger begehrt die Freistellung von Kosten für eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-CT Untersuchung in Höhe von
1.361,29 EUR.
Am 08.03.2010 stellte Dr. S (radiologische und nuklearmedizinische Gemeinschaftspraxis N) bei dem am 00.00.1948 geborenen
Kläger in der Lunge einen neu aufgetretenen Rundherd mit einem Durchmesser von knapp 2 cm im Oberlappen rechts mit Verbindung
zur Pleura fest. Dr. S empfahl die Durchführung eines PET/CT. Am 11.03.2010 stellte die Internistin Dr. L eine Überweisung
zur Durchführung einer PET/CT Untersuchung aus.
Am 11.03.2010 gab der Kläger folgende "Erklärung zur Kostenübernahme für eine PET/CT-Untersuchung" gegenüber der radiologischen
und nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis N ab:
"Meine Krankenkasse erstattet die Kosten der o. g. Untersuchung nicht oder nur teilweise. Hiermit erkläre ich mich bereit,
den Rechnungsbetrag oder den verbliebenen Rechnungsbetrag selbst zu erstatten."
Am 12.03.2010 beantragte Dr. L1 (radiologische und nuklearmedizinische Gemeinschaftspraxis N) bei der Beklagten die Kostenübernahme
für die Untersuchung. Diese sei zur Abklärung des Rundherdes dringend erforderlich. Eine invasive Abklärung sei aufgrund der
Lage des Herdes und wegen einer Vorerkrankung nicht möglich.
Die Untersuchung wurde am 15.03.2010 in der radiologischen und nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis N durchgeführt.
Nach Einholung eines Gutachtens des MDK teilte die Beklagte Herrn Dr. L1 mit, dass eine Kostenübernahme nicht in Betracht
komme, weil eine invasive Abklärung des Befundes möglich sei (Schreiben vom 06.04.2010). Am 19.05.2010 stellte die Praxis
dem Kläger für die Durchführung der PET/CT Untersuchung daraufhin 1.361,29 EUR in Rechnung.
Mit Schreiben vom 05.08.2010 "erläuterte" die Beklagte (ohne Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung) dem Kläger, dass aufgrund
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 18.01.2007 eine Kostenübernahme für die durchgeführte Untersuchung
nur zulässig sei bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik
nicht möglich sei. Nach dem Gutachten des MDK stehe beim Kläger eine invasive Methodik in Form einer Punktion zur Verfügung.
Eine am 04.10.2010 hiergegen erhobene Klage werteten die Beteiligten als Widerspruch gegen das Schreiben vom 05.08.2010. Diesen
wies die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2011 zurück, wogegen der Kläger am 24.01.2011 Klage erhoben hat.
Der Kläger hat gemeint, dass eine invasive Abklärung wegen einer damit verbundenen erheblichen Gesundheitsgefährdung nicht
möglich gewesen sei. Zudem habe es sich um eine unaufschiebbare Maßnahme gehandelt.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2011 zu verurteilen,
die Kosten der PET/CT-Untersuchung gemäß Rechnung vom 19.05.2010 zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2011 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen. Als Anspruchsgrundlage für das Begehren
des Klägers komme allein §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V in Betracht. Da der Kläger die Leistung am 15.03.2010 vor der Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte am 06.04.2010
erhalten habe, fehle es an dem nach dieser Vorschrift erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Ablehnung und
der Kostenbelastung. Bei der durchgeführten Untersuchung habe es sich auch nicht um eine unaufschiebbare Maßnahme gehandelt.
Es sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Untersuchung bereits drei Tage nach Antragstellung habe durchgeführt
werden müssen.
Gegen diese am 20.10.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 10.11.2011 erhobene Berufung des Klägers. Die Beteiligten
wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem bisherigen Verfahren.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 14.10.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 05.08.2010 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der PET/CT-Untersuchung gemäß
Rechnung vom 19.05.2010 in Höhe von 1.361,29 EUR zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie legt ergänzend ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 24.02.2012 vor. Gestützt hierauf meint sie weiterhin, dass
eine invasive Abklärung möglich und zumutbar gewesen sei. Selbst bei einem positiven PET-Befund sei eine weitere Abklärung
mittels histologischer Sicherung medizinisch angezeigt gewesen.
Der Senat hat einen Bericht von Herrn Dr. L1 vom 17.01.2012 eingeholt, auf dessen Inhalt verwiesen wird.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung allein durch den
Berichterstatter erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Berichterstatter mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §
155 Abs.
3,
4 SGG anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung (§
124 Abs.
2 SGG) entscheidet, ist zulässig, nicht aber begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid
ist nicht rechtswidrig i.S.d. §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von Kosten für die PET/CT-Untersuchung.
Die allein für einen derartigen Anspruch in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse
in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Ist - wie hier - eine Leistung noch nicht bezahlt,
ist eine Freistellung von Kosten der Anspruchsinhalt nach dieser Vorschrift (ständige Rechtsprechung, vergl. nur BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 24/05 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 9 = BSGE 97, 6).
1. Unter Zugrundelegung des auf die medizinische Beurteilung von Dr. L1 gestützten Vorbringens, wonach ein erhöhtes Operationsrisiko
bestand und eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich war, trifft den Kläger keine Kostenbelastung,
von der die Beklagte ihn freizustellen hätte. Denn dann wären die Voraussetzungen für einen entsprechenden Behandlungsanspruch
als Sachleistungsanspruch erfüllt.
Gemäß §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch unterliegt den
sich aus §§
2 Abs.
1,
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Die Leistungen müssen hiernach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das
Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der
medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die Krankenkassen sind daher
nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn eine Untersuchungsmethode im Einzelfall befürwortet wird. Vielmehr muss die Methode
rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V nur der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch diese Richtlinien
wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen und damit der Umfang der den Versicherten
von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8).
Bei der PET/CT-Untersuchung handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode. Nach dem Beschluss des GBA vom 18.01.2007 (Anfügung
von Anlage I Nr. 14 zur Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) darf die PET als vertragsärztliche Leistung (u.a.)
erbracht werden zur Charakterisierung von Lungenrundherden, insbesondere zur Beurteilung der Dignität peripherer Lungenrundherde
bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich
ist. Wenn diese Umstände vorlagen, waren die vom GBA aufgestellten Leistungsvoraussetzungen erfüllt. Die Leistung musste dann
als Sachleistung zu Lasten der Krankenversicherung erbracht werden, ohne dass den Kläger eine Kostenbelastung trifft. Die
Erklärung des Klägers vom 11.03.2010 ist für diesen Fall rechtlich unbeachtlich. Der Arzt ist nicht befugt, das Risiko, ob
eine Leistung vom Sachleistungsanspruch umfasst ist, auf den Versicherten abzuwälzen. Die für den Versicherten eingetretenen
Leistungserbringer müssen einen Streit über die Leistungspflicht der Krankenkasse unmittelbar mit dieser austragen (BSG, Urteil vom 16.02.2005 - B 1 KR 18/03 R, SozR 4-2500 § 39 Nr. 4 = BSGE 94, 161; Urteil vom 02.11.2007 - B 1 KR 14/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 5 = BSGE 99, 180).
2. Sollten - entgegen der von Dr. L1 selbst geäußerten Einschätzung - die vom GBA im Beschluss vom 18.01.2007 aufgestellten
Voraussetzungen hingegen nicht vorliegen, würde der geltend gemachte Freistellungsanspruch ebenfalls ausscheiden. Der Freistellungsanspruch
reicht nicht weiter, als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung
zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl.
nur Urteil des Senats vom 06.10.2011 - L 1 (16) KR 207/09).
Außerhalb der vom GBA aufgestellten Voraussetzungen gehört die PET/CT-Untersuchung nicht zu den Leistungen, die die Krankenkasse
als Dienst- oder Sachleistung zu erbringen hat. Für diesen Fall fehlt es an einer positiven Empfehlung des GBA und damit an
einer Voraussetzung für einen Leistungsanspruch.
Anhaltspunkte dafür, dass der Ausschluss der PET/CT auf einem Systemversagen (hierzu näher BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54) beruht, sind nicht ersichtlich.
3. Der Kläger kann sich für den Fall, dass die vom GBA im Beschluss vom 18.01.2007 aufgestellten Zulassungsvoraussetzungen
nicht vorliegen, auch nicht mit Erfolg auf eine notstandsähnliche Krankheitssituation unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1995 - 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 6 = BVerfGE 115, 25) berufen. Denn für diesen Fall stehen allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Untersuchungsmethoden
- die von der Beklagten genannte invasive Diagnostik - zur Verfügung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.