Transfer-Kurzarbeitergeld
Betriebliche Voraussetzungen
Betriebsänderung
Wesentliche Nachteile für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld
im Zeitraum Mai bis Dezember 2009 in Höhe von 10.446,87 EUR streitig.
Die Klägerin, die ihren Sitz in E hat, führt Transfermaßnahmen für von Betriebsänderungen in Unternehmen betroffene Arbeitnehmer
durch.
Am 07.05.2009 zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass bei ihr in der Zeit vom 01.05.2009 bis zum 30.04.2010 eine betriebsorganisatorische,
eigenständige Einheit (beE) für einen Arbeitnehmer der Firma P, Zweigniederlassung F/G (Landkreis H/Baden-Württemberg), der
P Textile GmbH & Co. KG (deutsche Tochter eines schweizerischen Herstellers von Textilmaschinen mit Sitz in S) eingerichtet
werden sollte. Der Arbeitnehmer H - nachfolgend G. -, der als Monteur am Standort F im Bereich "Sales/After Sales" beschäftigt
war, sei von Arbeitsausfall betroffen, da sein Beschäftigungsbetrieb durch Personalabbau eingeschränkt werde. Es sei die Entlassung
von 16 Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung beabsichtigt.
Hierzu legte die Klägerin einen Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat vom 19.12.2008 vor, welcher
diverse Umstrukturierungsmaßnahmen in verschiedenen Betrieben der P Textile GmbH & Co. KG für die Standorte N, F und V vorsah,
die im Laufe der Jahre 2009 und 2010 umgesetzt werden sollten, insbesondere Verlagerungen und Teilstilllegungen. Am Standort
F waren insgesamt 287 Arbeitnehmer beschäftigt, 98 in der Abteilung "Sales/After Sales".
Nach diesem Gesamt-Interessenausgleich waren für den Standort F - bezogen auf den 30.09.2008 - insgesamt 70 betriebsbedingte
Beendigungskündigungen, 21 Versetzungen/Änderungskündigungen sowie noch einmal 86 standortübergreifende Versetzungen/Änderungskündigungen
geplant. Es sollten den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern an allen deutschen Standorten des Unternehmens -
so auch für die Betriebseinheiten "Sales/After Sales" - angeboten werden, in eine betriebsorganisatorische eigenständige Einheit
- beE (Transfergesellschaft, mit deren Führung und Verwaltung die Klägerin von der Arbeitgeberin beauftragt wurde) zu wechseln.
Für den Bereich "Sales/After Sales" waren allein am Standort F 22 Beendigungskündigungen, 2 Versetzungen/Änderungskündigungen
sowie 36 standortübergreifende Versetzungen/Änderungskündigungen von Arbeitnehmern vorgesehen, d.h. es waren dort insgesamt
60 Arbeitnehmer betroffen. Tatsächlich wurden 60 Arbeitnehmer am Standort F betriebsbedingt gekündigt, von denen 59 hiergegen
- erfolgreich - Kündigungsschutzklagen erhoben haben und nur einer - der Arbeitnehmer G. - in die beE wechselte. Die Kündigungen
waren nach Auffassung des Arbeitsgerichts wegen jeweils nicht ordnungsgemäßer Anhörung des örtlichen Betriebsrats unwirksam.
Mit Schreiben vom 13.08.2009 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die betroffenen Arbeitnehmer bis auf eine Person
(der Arbeitnehmer G.) Kündigungsschutzklage erhoben hätten, so dass der Antrag derzeit nur abgelehnt werden könne, weil das
Gros der Arbeitnehmer nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sei. Die Klägerin vertrat dagegen die Auffassung, dass allein die
Erhebung einer Kündigungsschutzklage die drohende Arbeitslosigkeit nicht abwende und im Übrigen der Arbeitnehmer, der - wie
hier - nicht Klage erhoben habe, die Leistungsvoraussetzungen erfülle (Schreiben vom 23.10.2009).
Mit Bescheid vom 30.10.2009 wies die Beklagte die Anzeige der Klägerin über Arbeitsausfall mit der Begründung zurück, ein
- wie hier - reiner Personalabbau sei nur dann eine Betriebsänderung, wenn die in § 17 des Kündigungsschutzgesetzes - (KSchG) genannte Größenordnung erreicht werde, was vorliegend erst der Fall sei, wenn mehr als 25 Arbeitnehmer betroffen seien.
Tatsächlich sei nur ein Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit betroffen, da die Kündigungsschutzklagen der anderen Arbeitnehmer
Erfolg gehabt hätten.
Hiergegen legte die Klägerin am 09.11.2009 Widerspruch ein und führte aus, es handele sich bei der durchgeführten Betriebsänderung
nicht nur um reinen Personalabbau, da laut Interessenausgleich die Abteilung, in der der Arbeitnehmer G. gearbeitet habe,
verlagert und teilweise geschlossen worden sei. Schon deswegen komme es auf Mindestzahlen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld
nicht an und sei auch für nur einen betroffenen Arbeitnehmer zu bewilligen. Im Übrigen lägen die Anspruchsvoraussetzungen
aber auch bei einem reinen Stellenabbau vor. Die Kündigungen der anderen Arbeitnehmer seien nur aus formalen Gründen gescheitert
und würden entsprechend dem vereinbarten Interessenausgleich unter Überschreitung der Grenzen des § 17 KSchG erneut ausgesprochen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2010 als unbegründet zurück und stützte sich auf § 216b Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - (
SGB III), wonach die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld nur bei einer Betriebsänderung
erfüllt seien. Diese sei zwar angestrebt worden, aber gescheitert, weil letztendlich nur ein Arbeitnehmer von 287 Beschäftigten
betroffen sei. Werde einem Arbeitnehmer gekündigt, so sei kein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen. Selbst wenn nur
auf die Abteilung des letztendlich gekündigten Arbeitnehmers abgestellt werde, sei bei 13 Arbeitnehmern im Bereich Sales/After
Sales nur von einer Personalanpassung von ca. 8% auszugehen, was keine Betriebsänderung im Sinne des § 216b Abs. 3
SGB III bedeute.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.03.2010 bei dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die betroffene
Betriebsabteilung "Sales/After Sales" habe 98 der insgesamt 287 Arbeitnehmer beschäftigt. Davon seien 60 Arbeitnehmer von
Beendigungs- und Änderungskündigungen betroffen gewesen. Teilweise seien Aufgabenbereiche verlagert worden, und zwar innerbetrieblich
und auch örtlich im Rahmen einer Zentralisierung. Damit habe die Betriebsänderung nicht nur aus reinem Personalabbau, sondern
auch in der Verlagerung und Schließung von Betriebsteilen bestanden. Die im Jahr 2009 nicht erfolgreich ausgesprochenen 59
Kündigungen seien nachgeholt worden. Die betrieblichen Umsetzungen, also die Änderungskündigungen, seien wie geplant durchgeführt
worden. Insofern hätten die Kündigungsschutzklagen zwar die Entlassungen verzögert, jedoch nicht verhindert. Auch verliere
eine Personalanpassung ihren Charakter als Betriebsänderung i.S.d. § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes - (BetrVG) nicht dadurch, dass die aufgrund der ausgesprochenen Kündigungen eingereichten Klagen im Nachhinein in großer Zahl erfolgreich
gewesen seien. Maßgeblich sei allein, dass diese Kündigungen ergangen seien, nicht, dass sie sich nachträglich als wirksam
erwiesen. Die Beklagte ignoriere insoweit den Unterschied zwischen kollektivem und Individualarbeitsrecht. Der letztendlich
einzig von der 2008 beschlossenen Kündigungswelle betroffene Arbeitnehmer G., der mit der Klägerin gemäß dreiseitigem Vertrag
vom 16.04.2009 ein befristetes Arbeitsverhältnis für zwölf Monate begründet habe, sei wegen der Aufnahme einer anderweitigen
Beschäftigung mit Ablauf des 31.12.2009 aus der Transfergesellschaft ausgeschieden. Aufgrund dessen werde von der Beklagten
Transfer-Kurzarbeitergeld in Höhe der Aufwendungen von insgesamt 10.446,87 EUR für den Zeitraum vom 01.05.2009 bis 31.12.2009
begehrt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2010 zu verurteilen,
gemäß der Anzeige über Arbeitsausfall vom 07.05.2009 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zahlung von Transfer-Kurzarbeitergeld
anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibe dabei, dass von der Betriebsänderung kein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen gewesen sei. Denn die Kündigungsschutzklagen
seien aufgrund formaler Fehler bei 59 Fällen erfolgreich gewesen.
Das Sozialgericht hat den weiteren, diesmal mit dem örtlichen Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich von 22.11.2009
einschließlich Sozialplan für den Standort F beigezogen. Dem zu Grunde lag eine Teilbetriebsschließung für das Werk F, verbunden
mit dem Abbau von 131 Arbeitsplätzen.
Mit Urteil vom 06.03.2015 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur
Anerkennung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld gemäß der Anzeige über Arbeitsausfall
vom 07.05.2009 verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
Die zulässige Klage sei begründet. Die Klägerin sei durch die angefochtene Entscheidung beschwert i.S.d. §
54 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes - (
SGG). Die Beklagte habe das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld zu Unrecht verneint.
Die für einen Anspruch auf Transfer-Kurzarbeitergeld geltenden Voraussetzungen des § 216b i.V.m. § 216a
SGB III in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung lägen vor. Insbesondere sei das Vorliegen einer Betriebsänderung gemäß den o.a.
Vorschriften zu bejahen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) könne eine mitbestimmungspflichtige
Betriebsänderung durch Betriebseinschränkung auch im bloßen Personalabbau liegen. Voraussetzung für die Annahme einer wesentlichen
Einschränkung sei, dass der Personalabbau eine relevante Zahl von Arbeitnehmern erfasse. Maßgebend seien insoweit die Zahlen
entsprechend § 17 KSchG. Eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung durch Personalabbau in verschiedenen Betriebsteilen liege dann vor, wenn
die Entlassungen auf einen einheitlichen Plan zurückgingen, wobei feststehen müsse, wie viele Arbeitnehmer von der Maßnahme
nachteilig betroffen werden. Eine einheitliche Planungsentscheidung könne auch eine stufenweise Durchführung vorsehen und
daher den Abbau über einen längeren Zeitraum erstrecken. Vorliegend sei zwar im Endeffekt im Jahr 2009 nur der Arbeitnehmer
G. von dem beabsichtigten Personalabbau betroffen worden, was gegen eine Betriebsänderung sprechen könnte. Nach Auffassung
der Kammer müsse jedoch mit Blick auf das BAG und den Inhalt des Interessenausgleichs aus dem Jahr 2008 auch die zeitliche
Komponente Beachtung finden. Beabsichtigt gewesen seien laut Interessenausgleich am Standort F 70 Beendigungskündigungen und
damit unstreitig mehr als die in § 17 Abs. 1 KSchG genannten 10% der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer. Was den Zeitraum der Durchsetzung der Maßnahme betreffe, heiße es
auf Seite 22 des Interessenausgleichs unter Ziffer V:
"Da der zeitliche Ablauf der Restrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen aus betrieblicher Veranlassung noch Veränderungen
unterliegen kann, sind sich die Betriebspartner darüber einig, dass eventuelle Abweichungen bzw. Änderungen des Zeitplans
keine Abweichung von dieser Vereinbarung darstellen und deshalb von dieser gedeckt sind, soweit die Änderungen zu einer zeitlichen
Verzögerung führen."
Der im Jahr 2009 gescheiterte Personalabbau habe entsprechend den Vorgaben im Interessenausgleich aus dem Jahr 2008 dann auch,
geregelt in einem weiteren Interessenausgleich aus dem Jahr 2009, wie geplant stattgefunden. Damit sei der Personalabbau aufgrund
eines einheitlichen Planes im Sinne der Rechtsprechung des BAG durchgeführt worden. Auch scheitere die Anerkennung des Arbeitsausfalls
und des Vorliegens einer Betriebsänderung nicht am Wortlaut des § 216a
SGB III. Zwar werde in dieser Vorschrift der Arbeitnehmerbegriff durchweg im Plural verwandt. Hieraus zu schließen, dass die Anerkennung
von Arbeitsausfall im Sinne der Vorschriften über das Transfer-Kurzarbeitergeld nicht in Betracht komme, wenn nur ein Arbeitnehmer
betroffen sei, halte das Gericht jedoch nicht für gerechtfertigt. Vielmehr dürfte die Formulierung darauf zurückzuführen sein,
dass § 17 KSchG eine Mehrzahl betroffener Arbeitnehmer voraussetze und das Vorliegen einer Betriebsänderung an den in § 17 KSchG genannten Werten gemessen werde. Dies bedeute jedoch nicht, dass aufgrund besonderer Umstände nicht im Einzelfall nur ein
Arbeitnehmer betroffen sein könne, weil das Gros der Arbeitnehmer erst zeitlich versetzt vom Personalabbau betroffen werde.
Da schließlich auch für den betroffenen Arbeitnehmer eine beE geschaffen worden sei, seien die in § 216b Abs. 2
SGB III genannten betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld erfüllt.
Gegen dieses ihr am 15.04.2015 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 13.05.2015 eingelegten Berufung, die
sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Umfang des für die Prüfung der Voraussetzungen nach § 216b
SGB III maßgeblichen Personalabbaus könne sich nur an rechtmäßig ausgesprochenen Kündigungen orientieren. Da die im Zusammenhang
mit der Personalanpassung, die Gegenstand der Anzeige der Klägerin vom 07.05.2009 gewesen sei, ausgesprochenen Kündigungen
- bis auf eine Ausnahme - vom Arbeitsgericht als rechtswidrig und damit unwirksam erachtet worden seien, sei es zu der angekündigten
Personalanpassung gar nicht gekommen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts könne daher der (erste) Plan von Personalanpassungsmaßnahmen
ungeachtet der rechtlich zulässigen Möglichkeiten einer Umsetzung nicht ausreichen. Diese Maßnahmen könnten vielmehr nur unter
Zugrundelegung wirksamer, also rechtlich zulässiger Kündigungen beurteilt werden. Auch könne eine einzelne Kündigung weder
nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen noch nach deren Sinn und Zweck einen Anspruch auf Transfer-Kurzarbeitergeld
auslösen. Danach müsse alleine schon aufgrund der Verwendung des Arbeitnehmerbegriffs im Plural eine relevante Zahl von Arbeitnehmern
von der Betriebsänderung sowie der Zusammenfassung in einer beE betroffen sein. Auch bestehe die Besonderheit des Transfer-Kurzarbeitergeldes
gerade darin, dass es im Verhältnis zu anderen Maßnahmen der sozialen Absicherung bei Massenentlassungen und der Überleitung
in neue Arbeitsverhältnisse keine individuelle, sondern kollektive Leistung sei. Für einzelne Arbeitnehmer stünden hingegen
andere Förderungsinstrumente zur Verfügung. Da der Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld nach alledem schon grundsätzliche
Erwägungen entgegenstünden, könne dahingestellt bleiben, ob hier auch eine Betriebsänderung vorgelegen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.03.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts. Die Beklagte verkenne abermals, dass sich die im Interessenausgleich aus dem
Jahr 2008 geregelten Betriebsänderungen nicht in reinem Personalabbau erschöpft, sondern verschiedene Maßnahmen wie die Zentralisierung
von Aufgabenbereichen und Verlagerung von Betriebsstätten vorgesehen hätten. Diese seien sämtlich als Betriebsänderungen nach
§§ 216a, 216b
SGB III i.V.m. § 111 Satz 3 BetrVG zu qualifizieren. Auch, dass aufgrund besonderer Umstände hier nur ein Arbeitnehmer betroffen gewesen sei, hindere die Anwendung
der o.a. Vorschriften nicht. Maßgeblich sei hier ausgehend vom Begriff der Betriebsänderung allein die einheitliche unternehmerische
Planung, die sich ausdrücklich im Wortlaut des Interessenausgleichs aus 2008 wiederfinde. Auch werde der Rechtsauffassung
der Beklagten, dass die Relevanz des Personalabbaus nicht an den erfolgten Entlassungen, sondern der Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen
Kündigungen zu messen sei, entgegengetreten. Kündigungsschutzverfahren anderer Arbeitnehmer, die sich ggfs. über Jahre hinziehen
könnten, bewirkten bei solchen Arbeitnehmern, die in die Transfergesellschaft wechselten, nicht, dass bis zur Rechtskraft
der Kündigungsschutzverfahren nicht über die Gewährung des Transfer-Kurzarbeitergeldes entschieden werden könne. Dies sei
mit der Situation der Betriebsparteien vergleichbar, wenn das Unternehmen einen Personalabbau plane, der die Grenzen des §
17 KSchG überschreite. In diesem Fall seien Betriebsrat und Arbeitgeber nach § 111 BetrVG unabhängig davon zur Durchführung eines Interessenausgleichsverfahrens verpflichtet, ob die Entlassungen durch spätere Kündigungsschutzverfahren
noch unter die Grenze des § 17 KSchG gedrückt würden. In gleicher Weise bewirke ein solcher Personalabbau als Betriebsänderung, dass unabhängig vom Ausgang etwaiger
Arbeitsgerichtsverfahren Transfer-Kurzarbeitergeld bindend zu gewähren sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
Der Bescheid der Beklagten vom 30.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2010 ist rechtswidrig. Die Klägerin
hat einen Anspruch auf Anerkennung des Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld
für den Arbeitnehmer G. im Zeitraum Mai bis Dezember 2009 durch Erlass eines das Vorliegen dieser Voraussetzungen feststellenden
Anerkennungsbescheids.
1.) Gegenstand des Verfahrens, das die Klägerin als Prozessstandschafterin des Arbeitnehmers G. führt, ohne dass dessen Beiladung
nach §
75 Abs.
2 SGG notwendig wäre, ist der Bescheid der Beklagten vom 30.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2010. Da
die Beklagte bereits die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld verneint hat, richtet
sich das Begehren der Klägerin auf Erlass eines positiven Anerkennungsbescheides. Denn das Verwaltungsverfahren für die Gewährung
von (Transfer-)Kurzarbeitergeld ist i.d.R. zweistufig ausgestaltet. Mit der Anzeige des Arbeitsausfalls nach § 216b Abs. 5
SGB III in der hier anzuwendenden, vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 gültigen Fassung (nachfolgend a.F.) i.V.m. §
173 SGB III a.F., die der Arbeitgeber erstattet, wird eine verselbstständigte Entscheidung (Anerkennungsbescheid) der Agentur für Arbeit
darüber herbeigeführt, ob einzelne Voraussetzungen für die Gewährung von (Transfer-)Kurzarbeitergeld (dauerhafter Arbeitsausfall,
betriebliche Voraussetzungen) vorliegen (§
173 Abs.
3 SGB III a.F.). Dem Anerkennungsverfahren schließt sich üblicherweise erst das Leistungsverfahren an, in dem in der zweiten Stufe
jeweils für Zeiträume, die durch den Leistungsantrag (§
323 Abs.
2 SGB III) bestimmt werden, das den Arbeitnehmern zustehende (Transfer-)Kurzarbeitergeld bewilligt wird. Nur für den Fall, dass die
betrieblichen Voraussetzungen und das Vorliegen eines dauerhaften Arbeitsausfalls für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld
dem Grunde nach anerkannt, diese Leistungen auf Antrag des Arbeitgebers für namentlich benannte Arbeitnehmer in diesem Bescheid
jedoch ausdrücklich abgelehnt werden, sind die zwei Stufen des Verwaltungsverfahrens in einem Bescheid zusammengefasst, so
dass die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist; es bedarf dann keines gesonderten Leistungsantrages mehr
(zum Vorstehenden BSG, Urt. v. 29.01.2008 - B 7/7a AL 20/06 R -, [...] Rn. 10 m.w.N. beim Struktur-Kurzarbeitergeld; BSG, Urt. v. 14.09.2010 - B 7 AL 29/09 R -, [...] Rn. 16 zum Transfer-Kurzarbeitergeld). Die Beklagte hat ausweislich ihres Ablehnungsbescheides bereits das Vorliegen
der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld nach § 216b Abs. 3
SGB III a.F. verneint und damit - auf der ersten Stufe - einen negativen Anerkennungsbescheid erlassen. Zwar hat sie den Antrag der
Klägerin bzw. die Anzeige über Arbeitsausfall im Widerspruchsbescheid vom 15.02.2010 "sinngemäß" als solchen auf Bewilligung
von Transfer-Kurzarbeitergeld dem Grunde nach aufgrund der Anzeige ausgelegt. Da sie aber auch hier die Auffassung vertreten
hat, dass die betrieblichen Voraussetzungen des § 216b Abs. 3
SGB III a.F. nicht vorliegen würden, kann hier von einer Zusammenfassung beider Stufen des Verwaltungsverfahrens nicht gesprochen
werden.
2.) Die Klägerin hat die Voraussetzung eines dauerhaften Arbeitsausfalls sowie die betrieblichen Voraussetzungen für die Bewilligung
von Transfer-Kurzarbeitergeld glaubhaft gemacht. Die sich aus § 216b
SGB III (i.d.F vom 01.01.2009 bis 31.12.2010) ergebenden Voraussetzungen lauten wie folgt:
"(1) Zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Vermittlungsaussichten haben Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld
zur Förderung der Eingliederung bei betrieblichen Restrukturierungen (Transferkurzarbeitergeld), wenn
1. und solange sie von einem dauerhaften unvermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind,
2. die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,
3. die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
4. der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
(2) Ein dauerhafter Arbeitsausfall liegt vor, wenn infolge einer Betriebsänderung im Sinne des § 216a Abs. 1 Satz 3 die Beschäftigungsmöglichkeiten
für die Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen.
(3) Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld sind erfüllt, wenn
1. in einem Betrieb Personalanpassungsmaßnahmen auf Grund einer Betriebsänderung durchgeführt und
2. die von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Eingliederungschancen
in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden."
a) Der Arbeitnehmer G. war im streitigen Zeitraum von einem dauerhaften, unvermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
betroffen (§ 216b Abs. 1 Nr. 1
SGB III a.F.), weil sein Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin aufgrund einer Betriebsänderung dauerhaft weggefallen ist. Ein dauerhafter
Arbeitsausfall liegt nach § 216b Abs. 2
SGB III a.F. vor, wenn infolge einer Betriebsänderung im Sinne des § 216a Abs. 1 Satz 3
SGB III die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen. Nach § 216a Abs. 1 Satz 3
SGB III in der vom 27.11.2004 bis 31.12.2010 gültigen Fassung (a.F.) gelten als Betriebsänderungen solche im Sinne des § 111 BetrVG unabhängig von der Unternehmensgröße und der Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes im jeweiligen Betrieb. Nach § 111 Satz 3 BetrVG gelten wiederum als Betriebsänderung
- Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen, - Verlegung des ganzen Betriebes
oder von wesentlichen Betriebsteilen, - Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben, - grundlegende
Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen, - Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden
und Fertigungsverfahren.
Ferner liegt eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG auch dann vor, wenn der Arbeitgeber Personal abbauen will, ohne etwas an der betrieblichen Organisation oder an den sächlichen
Betriebsmitteln zu ändern. Dies ergibt sich - im Anschluss an die zuvor ständige Rechtsprechung des BAG - ohne weiteres aus
§ 112a BetrVG, wonach eine geplante Betriebsänderung durch eine Einschränkung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen
auch allein in der Entlassung von Arbeitnehmern liegen kann (vgl. nur Bepler, in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Mai 2016,
§
110 SGB III Rn. 25).
Hier lag im streitigen Zeitraum ausweislich des zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Fa. P Textile GmbH & Co. KG am 19.12.2008
abgeschlossenen Interessenausgleichs bezogen auf den Standort F einschließlich des Bereichs "Sales/After Sales", in welchem
der Arbeitnehmer G. bis 30.04.2009 beschäftigt gewesen ist, eine Betriebsänderung im Sinne einer Verlagerung in die Standorte
N und V sowie Teilbetriebsstilllegungen verschiedener Bereiche in Produktion und Administration vor (s. S. 10 bis 12 des Interessenausgleichs).
Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkten sich diese Maßnahmen des Arbeitgebers daher gerade nicht auf reinen Personalabbau,
sondern gingen im Rahmen einer strukturellen Neuausrichtung des gesamten Unternehmens mit einer Verlegung und Teilstilllegung
wesentlicher Betriebsteile am Standort F einher. Ein "wesentlicher Betriebsteil" ist von einer Stilllegung oder Verlegung
nach ständiger Rechtsprechung des BAG in Anlehnung an die Schwellenwerte des § 17 KSchG dann betroffen, wenn mindestens 5% der Gesamtbelegschaft des Betriebes betroffen sind, bei 60 bis zu 499 Arbeitnehmern 10%;
dies gilt auch für § 216b
SGB III a.F. bzw. §
111 SGB III n.F. (vgl. nur BAG, Urt. v. 27.06.2002 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 119; Preis/Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Aufl. 2009, §
111 Rn. 14; Bieback, in: Gagel, SGB II/SGB III, §
111 SGB III Rn. 48 m.w.N.). Vorliegend waren von 287 Arbeitnehmern am Standort F nur allein im Bereich "Sales/After Sales" insgesamt
60 Arbeitnehmer von Beendigungskündigungen sowie Versetzungen/Änderungskündigungen betroffen (s. S. 12 des Interessenausgleichs),
so dass es sich hierbei um einen "wesentlichen Betriebsteil" gehandelt hat, der teilweise i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG in andere Standorte verlagert und teilweise i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG stillgelegt worden ist bzw. werden sollte.
Dass sich die in Umsetzung dieser Betriebsänderungen ausgesprochenen individualarbeitsrechtlichen Kündigungen von 59 Arbeitnehmern
als unwirksam erwiesen haben, ist entgegen der Auffassung der Beklagten rechtlich irrelevant (s. hierzu sogleich unter b.).
Ebenso unerheblich ist ein Abstellen auf die Zahlen und Prozentangaben des § 17 KSchG zur Bestimmung der Erheblichkeit eines bloßen Personalabbaus für das Vorliegen einer Betriebsänderung (vgl. hierzu Preis/Bender,
in: Wlotzke/Preis/Kreft, a.a.O., § 111 Rn. 15 m.w.N. aus der st. Rspr. des BAG). Denn es hat sich hier gerade nicht um einen
von dem Arbeitgeber geplanten "reinen" Personalabbau gehandelt, sondern um Umstrukturierungsmaßnahmen in Form von Verlegungen
und Teilbetriebsstillegungen am Standort F (s.o.). Liegen aber - wie hier - die Voraussetzungen der "benannten" Tatbestände
des § 111 Satz 3 BetrVG vor, geht es um eine Betriebsänderung unabhängig davon, wie viel Personal aus Anlass der betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen
abgebaut werden soll (Bepler, in: Gagel, SGB II/SGB III, §
110 SGB III Rn. 25). Endlich kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin in ihrer Anzeige über Arbeitsausfall vom 06.05.2009 eine Betriebsänderung
in Form einer "Betriebseinschränkung durch Personalabbau" angegeben hat. Schon ein flüchtiger Blick in den beigefügten Interessenausgleich
vom 19.12.2008 hätte gezeigt, dass dies so nicht den Tatsachen entsprach. Mit dem Vorliegen einer Betriebsänderung steht auch
fest, dass der Arbeitsausfall grundsätzlich nicht vermeidbar war; denn die Bundesagentur hat die entsprechende unternehmerische
Entscheidung hinzunehmen und sie nicht auf inhaltliche Nachvollziehbarkeit zu überprüfen (s. jurisPK-SGB III/Jenak, § 111
Rn. 24).
b) Die Klägerin hat auch die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld (§ 216b Abs. 3
SGB III a.F.) glaubhaft gemacht. Die Beklagte kann hierzu insbesondere weder einwenden, dass die in Umsetzung der Betriebsänderung
am Standort F erfolgten Kündigungen in 59 von 60 Fällen unwirksam waren, noch, dass lediglich ein Arbeitnehmer - G. - in die
für den Standort F eingerichtete beE gewechselt ist.
aa) Die Arbeitgeberin hat am Standort F u.a. im wesentlichen Betriebsteil "Sales/After Sales" Personalanpassungsmaßnahmen
aufgrund einer Betriebsänderung durchgeführt (§ 216b Abs. 3 Nr. 1
SGB III a.F., s.o.). Mit "Personalanpassungen" sind solche Betriebsänderungen gemeint, die mit einem Personalabbau einhergehen, was
hier ausweislich des Interessenausgleichs vom 19.12.2008 der Fall war (s.o.). Im Unterschied zum früheren Struktur-Kurzarbeitergeld
(§
175 Abs.1
SGB III a.F.) bedarf es im Hinblick auf die Quantität des Personalabbaus auch nicht der Erfüllung eines Mindestschwellenwertes (s.
Bieback, in: Gagel, SGB II/SGB III, §
111 SGB III Rn. 52). Am Vorliegen einer mit Personalanpassungsmaßnahmen verbunden Betriebsänderung ändert insbesondere auch die Tatsache
nichts, dass das Arbeitsgericht 59 der 60 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen von Arbeitnehmern, die von der Betriebsänderung
am Standort F betroffen waren, wegen fehlender bzw. nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates als unwirksam angesehen
hat. Der Beklagten ist es schon aus Rechtsgründen verwehrt, deswegen die Durchführung und damit letztlich das Vorliegen einer
Betriebsänderung zu verneinen. Hiermit verkennt sie grundlegend Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck sowohl des § 111 BetrVG als auch der an die betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen anknüpfenden Vorschriften der §§ 216a, 216b
SGB III a.F. So knüpft der Wortlaut der §§ 216a, 216b
SGB III hinsichtlich der Anpassungsmaßnahmen gerade nicht an eine (rechtmäßige) individualarbeitsrechtliche Kündigung, sondern eine
Betriebsänderung an. Aus § 216a Abs. 1 Satz 3
SGB III a.F. folgt wiederum, dass die arbeitsförderungsrechtlichen Vorschriften über die Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen
sowie die Zahlung von Transfer-Kurzarbeitergeld an den betriebsverfassungsrechtlichen Begriff der Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) anknüpfen und ihn - abgesehen von der Unternehmensgröße und der Anwendbarkeit des BetrVG im jeweiligen Betrieb - adaptieren. Daraus folgt wiederum, dass es für das Vorliegen einer Betriebsänderung nicht auf das
individualarbeitsrechtliche Schicksal der von einer solchen Maßnahme betroffenen Arbeitsverhältnisse ankommt. So gilt insbesondere
in den Fällen des § 111 Satz 3 BetrVG, dass das Vorliegen wesentlicher Nachteile für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer fingiert wird, es also
gerade nicht darauf ankommt, ob den Arbeitnehmern tatsächlich solche ausgleichspflichtigen Nachteile (Kündigung, Entgeltverlust
oder sonstige verschlechterte Arbeitsbedingungen) entstehen. Dies hängt damit zusammen, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrates
so zeitig ausgelöst werden sollen, damit diesem ein frühzeitiges Einwirken auf den Willensbildungsprozess des Arbeitgebers
ermöglicht wird. Ob tatsächlich ausgleichspflichtige Nachteile entstehen, ist erst bei der Aufstellung des Sozialplans zu
prüfen und kann nicht Gegenstand eines auf die Betriebsänderung selbst bezogenen Interessenausgleichs sein (vgl. hierzu Bepler,
in: Gagel, SGB II/SGB III, §
110 SGB III Rn. 24 m.w.N. zur st. Rspr. des BAG). Damit ist der kollektivarbeitsrechtliche Begriff der Betriebsänderung strikt von individualarbeitsrechtlichen
Gestaltungsrechten des Arbeitgebers wie Kündigung, Versetzung o.ä. zu unterscheiden. Da bei der Anwendung der §§ 216a, 216b
SGB III a.F. insoweit nichts Anderes gelten kann, kommt es auch bei der Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen für die Zahlung
von Transfer-Kurzarbeitergeld nicht auf die Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit der infolge der Betriebsänderung ausgesprochenen
individualarbeitsrechtlichen Kündigungen an. Ein Abstellen auf die Rechtmäßigkeit der Kündigungen ist aber nicht nur erkennbar
kollektivarbeitsrechtlich systemwidrig, sondern widerspricht auch dem bereits im Wortlaut niedergelegten Sinn und Zweck des
§ 216b
SGB III a.F., Entlassungen von Arbeitnehmern durch Förderung des Wechsels in eine beE zu vermeiden. Dies hätte im Ergebnis sowie
im Anschluss an die insoweit zutreffenden Ausführungen der Klägerin zur Folge, dass die Bundesagentur ggfs. bis zum rechtskräftigen
Abschluss von Kündigungsschutzverfahren gehindert wäre, über die Gewährung des Transfer-Kurzarbeitergeldes an Arbeitnehmer,
die in eine beE wechseln, zu entscheiden. Dass eine solche zeitliche Verzögerung von u.U. mehreren Jahren den Zweck der Gewährung
von Transfer-Kurzarbeitergeld vereiteln kann, liegt auf der Hand. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang auch zutreffend
auf die Vergleichbarkeit mit der Situation der Betriebsparteien hingewiesen, die bei einem geplanten reinen Personalabbau,
der die Grenzen des § 17 KSchG überschreitet, ein Interessenausgleichsverfahren unabhängig davon durchzuführen haben, ob sich die infolge dieser Betriebsänderung
erfolgten Entlassungen in späteren Kündigungsschutzverfahren als rechtmäßig erweisen. Hiermit wird die Zahlengrenze des §
17 KSchG "ex post" genauso wenig wieder unterschritten, wie eine Betriebsänderung nicht einfach als ungeschehen gilt, wenn die in
deren Gefolge ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sein sollten. Die diesbezügliche Argumentation der Beklagten, von der
sie sich im Berufungsverfahren auch offenkundig distanziert hat, ist daher rechtlich unhaltbar.
bb) Bei der Klägerin lag im streitgegenständlichen Zeitraum auch eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE)
vor, die die Anforderungen des § 216b Abs. 3 Nr. 2
SGB III a.F. erfüllt. Diese Anforderungen sind gering. Mindestvoraussetzung ist lediglich, dass die Arbeitnehmer der beE sich deutlich
vom übrigen Betrieb abgrenzen, insbesondere durch räumliche Abtrennung (jurisPK-SGB III/Jenak, §
111 Rn. 40; Bieback, in: Gagel, SGB II/SGB III, §
111 SGB III Rn. 58 f.). Im Übrigen muss die Einheit keinen arbeitstechnischen Zweck erfüllen, also nicht zwingend einen Betrieb oder
Betriebsteil darstellen. Eine besondere Organisationsform oder gar rechtliche Eigenständigkeit ist nicht erforderlich, wobei
die beE - wie im vorliegenden Fall ausweislich § 6 des Interessenausgleichs vom 19.12.2008 - als unselbstständige, aber betriebsorganisatorisch
eigenständige Einheit abgegrenzter Bestandteil der jeweils betroffenen Betriebseinheit sein kann (jurisPK-SGB III/Jenak, §
111 Rn. 40 f.). Diese Abgrenzung zeigt sich hier insbesondere darin, dass die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer
mit der Klägerin als neuer Vertragsarbeitgeberin ein Arbeitsverhältnis unter Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Fa.
P begründen sollten; ein solcher dreiseitiger Vertrag, wie er auch beim Arbeitnehmer G. vorgelegen hat, ist für eine externe
beE typisch und zulässig (s. jurisPK-SGB III/Jenak, § 111 Rn. 51 ff.). Insbesondere ist auch eine bestimmte Größe der beE
nicht erforderlich. Denn die Einstellung in eine solche Einheit kann auch sukzessiv erfolgen, d.h. Arbeitnehmer können auch
nach Gründung der beE in diese eintreten und auch in unterschiedlichen beE beschäftigt werden (Bieback, in: Gagel, SGB II/SGB
III, §
111 SGB III Rn. 56 f.). Ausweislich des Interessenausgleichs vom 19.12.2008 (§ 6 Abs. 2) sollten die bei den jeweiligen Betriebseinheiten
eingerichteten beE, so auch am Standort F, sämtlichen Arbeitnehmern offenstehen, die die persönlichen Voraussetzungen i.S.d.
§ 216b
SGB III erfüllten, soweit diese nicht bereits eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen oder eine Eigenkündigung ausgesprochen hatten.
Angesichts dieser Anforderungen ist es deshalb auch unschädlich, wenn im Ergebnis nur ein Arbeitnehmer in die beE wechselt,
solange diese während ihrer Existenz auch anderen Arbeitnehmern offensteht, die in ihr i.S.d. § 216b Abs. 3 Nr. 2
SGB III a.F. zusammengefasst werden. Dies war vorliegend durch den Interessenausgleich gewährleistet.
cc) Schließlich können die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld im vorliegenden Fall
von der Beklagten nicht deswegen verneint werden, weil im Ergebnis nur ein Arbeitnehmer - G. - in die am Standort F errichtete
beE eingetreten ist. Einer Anwendung von § 216b
SGB III a.F. steht hier weder die Nennung der Arbeitnehmer im Plural, noch der Sinn und Zweck der Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld
entgegen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass diese besondere Leistung zur Abfederung betrieblicher Restrukturierungsprozesse
und Vermeidung von Massenentlassungen geschaffen worden ist und insoweit ein "kollektives" Phänomen darstellt, wenngleich
der konkrete Anspruch auf Transfer-Kurzarbeitergeld immer noch ein individueller des jeweils betroffenen Arbeitnehmers ist
(s. § 216b Abs. 4
SGB III a.F.). Dies schließt es bei Erfüllung der abstrakten Anforderungen der betrieblichen Voraussetzungen jedoch nicht aus, dass
in besonderen Konstellationen nur ein Arbeitnehmer betroffen sein kann. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen - wie hier
- die durch die Betriebsparteien vereinbarte beE prinzipiell allen durch eine Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern offensteht,
und es sich am Ende ergibt, dass Kündigungsschutzklagen Erfolg haben, die den Übertritt in die beE (durch dreiseitigen Vertrag)
verhindern. Eine solche Chronologie bzw. Entwicklung war jedoch im Zeitpunkt der Einigung der Betriebsparteien im Dezember
2008 keineswegs absehbar. Anders wäre der Fall zu werten, wenn die Klägerin und frühere Arbeitgeberin von vornherein beabsichtigt
hätte, durch die Einrichtung einer beE lediglich Leistungen der Beklagten zu erlangen, sodass ein evidenter Missbrauch dieser
besonderen Leistung vorgelegen hätte. Hiervon kann jedoch nach Aktenlage nicht ausgegangen werden. So ist in diesem Zusammenhang
zu beachten, dass die Einrichtung mehrerer beE an allen deutschen Standorten der Fa. P beabsichtigt war und diese als Teil
von Restrukturierungsmaßnahmen des gesamten Unternehmens konzipiert wurden, so dass der Interessenausgleich auch mit dem originär
zuständigen Gesamtbetriebsrat geschlossen wurde (§ 50 Abs. 1 BetrVG). Schon aufgrund dieser Gesamtkonzeption kann nahezu ausgeschlossen werden, dass Transfer-Kurzarbeitergeld als reiner Mitnahmeeffekt
beantragt werden sollte. Dass der Eintritt mehrerer Arbeitnehmer in die beE am Standort F durch die erfolgreichen Kündigungsschutzklagen
vereitelt wurde, ist am Ende ein eher zufälliges Ergebnis, welches möglicherweise auf die Ungeschicklichkeit der Fa. P im
Vorfeld der betriebsbedingten Kündigungen zurückzuführen ist (fehlende oder nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats,
§ 102 BetrVG), das aber nicht dazu führen kann, hier die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld
trotz dieser außergewöhnlichen Konstellation zu verneinen.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
4.) Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG) bestehen nicht.