Gründe
Die zulässige, insbesondere fristgemäß am 11.03.2021 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 13.02.2021
zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 10.02.2021, mit dem das Sozialgericht die im Wege der einstweiligen
Anordnung (§
86b Abs.
2 SGG) gestellten und im Beschwerdeverfahren aufrecht erhaltenen Anträge,
den Vergütungsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 1.497,95 € rechtskräftig festzustellen,
hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, den Vergütungsanspruch unverzüglich schriftlich anzuerkennen,
hilfsweise dem Antragsgegner aufzuerlegen, den Vergütungsanspruch in Höhe von 1.497,95 € spätestens bis zum Ablauf des Jahres
an die Antragstellerin auszuzahlen,
abgelehnt hat, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt, weil die Antragstellerin im
für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats keinen Anordnungsanspruch,
d.h. das Bestehen des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, glaubhaft gemacht hat (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO). Zudem fehlt es an einem Anordnungsgrund iS einer Unzumutbarkeit, ein Hauptsacheverfahren abzuwarten.
1) Die Antragstellerin ist für den geltend gemachten Anspruch nicht aktivlegitimiert. Sie macht in ihrer Eigenschaft als (Einzel-)Inhaberin
des ambulanten Dienstes "C's häusliche Dienst- und Pflegeentlastungsleistungen" gegenüber den Antragsgegner Vergütungsansprüche
für zu Gunsten der pflegebedürftigen Frau V G erbrachte Pflege- und Betreuungsleistungen in den Monaten Juni 2017 bis September
2017 geltend und damit in der Sache Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 61 ff. SGB XII. Ausschließliche Inhaberin eines solchen Anspruchs kann jedoch nur eine pflegebedürftige Person sein, nicht jedoch ein Leistungserbringer
oder eine Leistungserbringerin, in diesem Fall also die Antragstellerin. Die Hilfe zur Pflege als Sachleistung vollzieht sich
nach dem Regelungskonzept des SGB XII im Wege des sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses. Gegenstand des hier streitigen Anspruchs ist das sozialhilferechtliche
Grundverhältnis, welches ausschließlich das Rechtsverhältnis der Frau G (Leistungsberechtigte) zum Antragsgegner (Sozialhilfeträger)
betrifft, nicht jedoch die Antragstellerin als Leistungserbringerin. Soweit der Sozialhilfeträger einen Anspruch der leistungsberechtigten
Person bejaht, übernimmt er lediglich im Wege des Beitritts zu einer bestehenden zivilrechtlichen Schuld die Vergütung, die
der Hilfeempfänger vertraglich dem ambulanten Dienst schuldet, so dass der Anspruch des Leistungsberechtigten gegen den Sozialhilfeträger
auf Zahlung an den Leistungserbringer gerichtet ist (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 8 SO 14/16 R m.w.N.). Der Schuldbeitritt durch den Sozialhilfeträger erstreckt sich auf die durch
Verwaltungsakt übernommenen Kosten, er sichert den Anspruch des Leistungserbringers in der Höhe, in der dem Hilfebedürftigen
Leistungen zugebilligt worden sind (Beschluss des Senats vom 18.10.2015 - L 9 SO 335/15 B ER m.w.N.). Vor Erklärung dieses
konstitutiven Schuldbeitritts durch Verwaltungsakt gegenüber dem Leistungsberechtigten hat der Leistungserbringer gegenüber
dem Sozialhilfeträger keine durchsetzbare Rechtsposition. Denn erst durch einen Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers erwirbt
der Leistungserbringer einen Zahlungsanspruch gegen diesen im Umfang der dem Hilfeempfänger bewilligten Leistungen. § 75 Abs. 6 SGB XII idF des BTHG, der nunmehr einen direkten Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger vorsieht (krit.
hierzu Lange, in: jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 115 ff.), ist erst zum 01.01.2020 in Kraft getreten und erfasst somit den hier streitigen Leistungszeitraum nicht. Hier
hat der Antragsgegner mit (zutreffend an die Pflegebedürftige, Frau G, gerichtetem) Bescheid vom 18.12.2020 den Antrag auf
Kostenübernahme für die in den Monaten Juni 2017 bis September 2017 erbrachten Betreuungsleistungen und damit in der Sache
einen Beitritt zur etwaigen zivilrechtlichen Schuld der Frau G aus dem mit der Antragstellerin geschlossenen Vertrag über
häusliche Dienst- und Pflegeentlastungsleistungen vom 01.06.2017 abgelehnt, so dass die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner
keine durchsetzbare Rechtsposition erworben hat. Aus diesem Grund kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob der sehr fragmentarische
Betreuungsvertrag vom 01.06.2017 überhaupt eine wirksame zivilrechtliche Zahlungspflicht der Frau G gegenüber der Antragstellerin
als Voraussetzung für einen Schuldbeitritt des Antragsgegners begründen kann.
Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, begründet auch die schriftliche "Abtretungserklärung Ansprüche auf
Pflegesachleistungen" zwischen der Antragstellerin und Frau G vom 01.06.2017 keinen eigenen Anspruch der Antragstellerin aus
abgetretenem Recht gegenüber dem Antragsgegner. Denn soweit die vorliegende Abtretung überhaupt auf die Durchsetzung von Ansprüchen
auf Hilfe zur Pflege gegenüber dem Sozialhilfeträger gerichtet ist, was angesichts des lediglich auf die IKK Classic bezogenen
Wortlautes der Vereinbarung Zweifeln unterliegt, ist die Abtretung nach §
134 BGB i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII unwirksam, weil hiernach ein Anspruch auf Sozialhilfe als höchstpersönliches Recht nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet
werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 21.09.2017 - B 8 SO 3/16 R).
2) Unabhängig hiervon scheitert das Begehren der Antragstellerin auch daran, dass sie in ihrer Eigenschaft als Leistungserbringerin
im Bereich der ambulanten Pflege mit der für die pflegebedürftigen Person zuständigen Krankenkasse (hier IKK classic) weder
einen für die Erbringung solcher Pflegeleistungen notwendigen Vertrag über häusliche Pflege durch Einzelpersonen nach §
77 SGB XI oder eine Vergütungsvereinbarung über ambulante Pflegeleistungen nach §
89 SGB XI abgeschlossen hat. Derartige Verträge sind auch nach Durchführung von Ermittlungen seitens des Antragsgegners, der nach Maßgabe
des § 75 Abs. 5 SGB XII in der hier noch anwendbaren vom 01.01.2017 bis 25.04.2018 gültigen Fassung vom 23.12.2016 an mit der Pflegekasse geschlossene
Vergütungsregelungen nach §
89 SGB XI gebunden ist (s. hierzu BSG, Urteil vom 22.03.2012 - B 8 SO 1/11), weder aktenkundig noch sonst ersichtlich. Auch hat die Antragstellerin solche Verträge
weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegt, sondern sie beruft sich stattdessen
ausdrücklich auf die Regelung des § 75 Abs. 4 SGB XII a.F. (jetzt § 75 Abs. 5 SGB XII) hinsichtlich einer Vergütungsübernahme bei einem vertraglosen Zustand. Auf diese Norm kann sich die Antragstellerin jedoch
schon deshalb nicht berufen, weil sie das Vorliegen der restriktiven Voraussetzungen für eine Vergütungsübernahme ohne Vereinbarung
nicht dargelegt und damit glaubhaft gemacht hat. Der Senat kann deshalb auch dahingestellt sein lassen, ob § 75 Abs. 4 SGB XII a.F. bzw. § 75 Abs. 5 SGB XII angesichts des Vorrangs des im
SGB XI normierten Leistungserbringerrechts hier überhaupt Anwendung finden könnte.
3) Zutreffend hat das Sozialgericht auch einen Anordnungsgrund iS einer besonderen Eilbedürftigkeit verneint. Ein Anordnungsgrund
folgt abweichend vom Beschwerdevorbringen auch nicht aus einer vermeintlich drohenden Verjährung des aus abgetretenem Recht
geltend gemachten Anspruchs. Gem. §
45 Abs.
1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. Ansprüche
auf Sozialleistungen entstehen gem. §
40 Abs.
1 SGB I, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Ansprüche auf Pflegesachleistungen
im Jahr 2017 verjähren damit erst mit Ablauf des Jahres 2021. Zudem gelten gem. §
45 Abs.
2 SGB I für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des
BGB sinngemäß. Gem. §
204 Abs.
1 Nr.
1 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Erhebung einer Klage auf Leistung. Damit bedarf es der einstweiligen Anordnung zur
Hemmung der Verjährung nicht.
4) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO. Die Regelung des §
193 SGG ist entgegen der Entscheidung der Vorinstanz nicht entsprechend anwendbar. Weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner
sind in kostenrechtlicher Hinsicht nach Maßgabe des §
183 SGG privilegiert. Insbesondere ist die Antragstellerin nicht in einer Eigenschaft als Leistungsempfängerin am Rechtsstreit beteiligt
(§
183 Satz 1
SGG). Dies gilt auch, soweit die Antragstellerin Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend macht (BSG, Urteil vom 01.07.2010 - B 11 AL 6/09 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.03.2018 - L 7 AL 71/16; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.06.2004 - L 11 KR 2274/03; Schmidt in Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl., §
183 Rn. 8). Die Streitwertentscheidung stützt sich auf §§ 47 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Der Senat ist befugt, entsprechende Nebenentscheidungen auch für das erstinstanzliche Verfahren zu treffen (BSG, Urteil vom 01.07.2010 - B 11 AL 6/09 R mwN).
5) Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, §
177 SGG.