Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Verrechnung eines Teils der laufenden monatlichen Rentenansprüche aus
der Altersrente des Klägers mit einer Beitragsschuld des Klägers gegenüber der Berufsgenossenschaft trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über sein Vermögen.
Der am .1941 geborene Kläger hat gegenüber der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG) rückständige Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung
für die Jahre 2007 bis 2010 einschließlich Kosten und Gebühren in Höhe von 24.641,75 €. Dies stellte die BG mit Bescheiden
vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010 gegenüber dem Kläger fest.
Seit 2007 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Regelaltersrente, ab dem Jahr 2010 in Höhe von monatlich 800,01 € netto.
Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) K vom 05.05.2010 - wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet.
Die Beklagte ist von der BG mit Schreiben vom 05.06.2010 ermächtigt worden, die von dem Kläger geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen
Unfallversicherung gegen die zuerkannten laufenden Geldleistungen aus Altersrente zu verrechnen.
Am 08.07.2010 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Verrechnung eines Teils seiner monatlichen Altersrentenansprüche
(150,00 €) mit der gegenüber der BG noch nicht beglichenen Beitragsschuld an. Mit Bescheid vom 15.10.2010 führte die Beklagte
die Verrechnung gegenüber dem Kläger durch. Gegen die Rente des Klägers in Höhe von 800,01 € wurden monatlich 150,00 EUR ab
Dezember 2010 verrechnet und von diesem Zeitpunkt folglich nur noch 650,01 € monatlich als Altersrente ausgezahlt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.03.2011 Widerspruch ein. Seiner Auffassung nach könne aufgrund der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts K vom 05.05.2010 über sein Vermögen keine Verrechnung rückständiger
Beiträge erfolgen. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) und wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2011 den Widerspruch als unzulässig zurück. Mit Bescheid vom 27.04.2011 lehnte
sie den Überprüfungsantrag ab. Dieser Bescheid wurde bindend.
Am 11.07.2011 stellte der Kläger erneut einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, den die Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2011 ablehnte. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom
17.01.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der zugunsten der BG festgestellte Verrechnungsbetrag
von monatlich 150,00 € in rechtlich zutreffender Weise festgestellt worden sei. Insbesondere lägen die Voraussetzungen für
eine Verrechnung nach §§
52,
51 des
Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB I) vor. Für die Verrechnung habe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine unmittelbaren Auswirkungen, soweit sie über §
850c der
Zivilprozessordnung (
ZPO) hinausgehend Rentenbeträge erfasse, mit denen im Rahmen von §
51 Abs
2 SGB I eine Aufrechnung zulässig sei.
Der Kläger hat am 13.02.2012 beim Sozialgericht Koblenz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat er vorgetragen, dass die Verrechnung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
unzulässig sei, da das Insolvenzverfahren Vorrang habe. Eine Verrrechnung richte sich nach §§
94 ff.
Insolvenzordnung (
InsO) und sei nur dann durchführbar, wenn die Möglichkeit zur Verrechnung bereits vor Verfahrenseröffnung gemäß §
94 InsO bestanden habe. Dies sei aber gerade vorliegend nicht der Fall, da eine Ermächtigung zur Verrechnung erst nach Eröffnung
des Insolvenzverfahrens am 05.06.2010 erteilt worden sei. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe noch keine
Aufrechnungslage vorgelegen, so dass die Verrechnung rechtswidrig sei. Er hat zur Begründung seiner Auffassung auf die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (>BGH<, Beschluss vom 29.05.2008 - IX Z B 51/07 -, [...]) verwiesen. Zudem hätte eine Verrechnung gegenüber dem Insolvenzverwalter erklärt werden müssen.
Das SG hat durch Urteil vom 08.03.2013 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht eine Überprüfung und Korrektur der Bescheide
abgelehnt, da die Verrechnung unter Berücksichtigung der Insolvenz des Klägers ab dem 05.05.2010 rechtmäßig erfolgt sei. Die
Voraussetzungen für eine Verrechnung nach §§
52,
51 Abs
2 SGB I seien erfüllt. Die zur Verrechnung gelangten Beiträge in Höhe von monatlich 150,00 € würden lediglich den unpfändbaren Teil
des Rentenzahlungsanspruchs des Klägers betreffen. Nach §
36 Abs
1 Satz 1
InsO und §
850c ZPO habe die Beklagte Forderungen verrechnet, die von vornherein nicht dem Insolvenzbeschlag unterlägen und somit dem Zugriff
sonstiger Insolvenzgläubiger entzogen seien. Im Ergebnis seien die Vorschriften über die Einschränkung einer während des Insolvenzverfahrens
erfolgten Verrechnung/Aufrechnung (§§
95,
96 InsO) nicht anzuwenden. Da sich die Verwaltungs- Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders nach §
80 InsO nur auf den massezugehörigen Teil des Schuldnereinkommens erstrecke, könne eine Aufrechnung/Verrechnung, die sich nur auf
den insolvenzfreien Teil des Einkommens beziehe, daher gegenüber dem Schuldner, d. h. dem Kläger und gerade nicht gegenüber
dem Insolvenzverwalter erklärt werden. Auch der vom Kläger angeführten Entscheidung des BGH sei keine andere Wertung zu entnehmen,
als dass die
Insolvenzordnung Aufrechnungslagen schützen wolle, die bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestünden.
Gegen das dem Klägervertreter am 27.03.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.04.2013 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, rechtsfehlerhaft verkenne das SG, dass die Verrechnung während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß §§
95,
96 InsO unzulässig sei. Erst mit der Ermächtigung durch die BG habe die Beklagte einen aufrechenbaren Anspruch im Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens
gegen ihn gehabt. Nach der Grundsatzentscheidung des BGH zur Verrechnung laufender Bezüge im Falle des laufenden Insolvenzverfahrens
sei eine Verrechnung ausschließlich nur dann möglich, wenn zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eine
entsprechende Ermächtigung zur Verrechnung vorgelegen habe. Es könne allein darauf ankommen, wann die Beklagte von der BG
ermächtigt worden sei. Dies sei unstreitig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewesen. Damit habe zum Zeitpunkt der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens keine zu schützende Verrechnungslage sowie kein Vertrauen der Beteiligten in die Insolvenzfestigkeit
ihrer Verrechnungsbefugnis vorgelegen. Zudem verkenne das SG, dass hinsichtlich der Frage, ob und wann eine Verrechnung nach Ermächtigung im laufenden Insolvenzverfahren möglich sei,
es nicht darauf ankomme, ob es sich dabei um eine pfändbare oder um eine unpfändbare Forderung handele.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 08.03.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 16.09.2011
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 15.10.2010
aufzuheben und die einbehaltenen Rechnungsbeträge an den Kläger auszubezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen. Er war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß §
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt
hatten
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Im Ergebnis hat das SG die Klage zu Recht im vollen Umfang abgewiesen. Die Beklagte hat im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X zutreffend ausgeführt, dass in dem Bescheid vom 15.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2012 das Recht
nicht unrichtig angewandt und nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Die Beklagte hat zutreffend einen
Teil der laufenden monatlichen Altersrentenansprüche des Klägers mit einer von ihm noch nicht beglichenen Beitragsschuld zur
gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber der BG verrechnet.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu
Unrecht erhoben worden sind. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden Sozialleistungen längsten für einen Zeitraum von bis zu 4 Jahren vor der Antragstellung erbracht, wobei der Zeitpunkt
der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet wird, in dem der Antrag - hier am 11.07.2011 - gestellt worden ist. Die Voraussetzungen
dieser Vorschrift liegen nicht vor. Der hier maßgebliche Bescheid der Beklagten vom 15.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11.08.2011 war nicht rechtswidrig.
Das Urteil des SG, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verrechnung nach §§
52,
51 Abs
2 SGB I von monatlich 150,00 € mit der ursprünglich von der Beklagten bewilligten Altersrente in Höhe von 800,01 € ab Dezember 2010
festgestellt wurde, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, sodass ihm ab diesem Zeitpunkt lediglich eine Rente von monatlich
650,01 € durch die Beklagte auszuzahlen ist. Das SG entschied zu Recht, dass dem Kläger im Ergebnis kein Anspruch auf Auszahlung des unpfändbaren Anteils der Altersrente während
des laufenden Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen ab Dezember 2010 zusteht.
Die Verrechnung nach §§
52,
51 Abs
2 SGB I ist entsprechend der Entscheidung des SG rechtmäßig.
Nach §
52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche
gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach §
51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach §
51 Abs
2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte
aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches
(SGB II) wird.
Dabei ist die Verrechnung nach §
52 SGB I eine Sonderform der Aufrechnung nach §
51 SGB I in dem Sinne, dass es bei der Verrechnung an der Gegenseitigkeit der Forderung fehlt, weil die noch offenen Beiträge aus
der gesetzlichen Unfallversicherung der BG und nicht der Beklagten zustehen.
Das SG hat weiter zutreffend festgestellt, dass - mit Ausnahme der Gegenseitigkeit der Forderungen - eine Aufrechnungslage (und
damit eine Verrechnungslage) im Sinne der §§
52,
51 Abs
2 SGB I gegeben war. Indem §
51 SGB I keine Voraussetzungen für die Aufrechnung vorgibt wird insoweit auf die Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB), §§
387 ff
BGB, zurückgegriffen.
Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung sind grundsätzlich Beiträge im Sinne des §
51 Abs
2 SGB I, mit denen nach §
52 SGB I eine Verrechnung durchgeführt werden kann (Bundessozialgericht >BSG<, Urteil vom 12.06.2008 - B 3 P 1/07 R -, [...]).
Die sich gegenüberstehenden Forderungen - die Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung und der Anspruch auf Altersrente
- sind Geldleistungsansprüche nach §
51 SGB I und mithin gleichartig. Die Hauptforderung, der Anspruch auf Zahlung der Altersrente, ist auch im Hinblick auf zukünftige
Rentenansprüche erfüllbar. Die Gegenforderung ist einredefrei und fällig. Die Forderung der BG war hinreichend bestimmt und
ist im sozialgerichtlichen Verfahren unstreitig. Der Kläger hat keine Einwendungen gegen die Forderung oder gegen die Forderungshöhe
vorgebracht. Die Forderung ist nicht verjährt, war fällig und damit durchsetzbar.
Wie das SG zutreffend ausführte, liegt auch kein Ermessensfehler der Beklagten vor. Die BG hat die Beklagte als Schuldnerin der monatlich
an den Kläger auszuzahlenden Altersrente mit Schreiben vom 05.06.2010 ermächtigt, die ihr zustehende Beitragsleistung mit
der laufenden Altersrente des Klägers zu verrechnen. Dabei wurde die Erklärung der Beklagten zur Verrechnung nach pflichtgemäßen
Ermessen und damit in den Grenzen der §§
54 Abs
2, IV, 52 Abs
2 SGB I eingehalten (Gabbert, Die Aufrechnungsmöglichkeiten der Sozialleistungsträger mit Leistungsansprüchen der Versicherten, RVaktuell
2008, 192). Insbesondere sind - wie bereits das SG richtig ausführte - im Anhörungsverfahren vom 08.07.2010 von dem Kläger keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen wurden, die
einer Verrechnung entgegenstehen könnten und die die Beklagte bei den anzustellenden Ermessenserwägungen hätte berücksichtigen
können. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er durch die Verrechnung hilfebedürftig geworden ist. Eine eventuell eingetretene
Hilfebedürftigkeit hätte seitens des Klägers nachgewiesen werden müssen.
Die Verrechnung ist auch nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers durch Beschluss des
AG K vom 05.05.2010 und der damit zur Anwendung kommenden Vorschriften der
InsO ausgeschlossen. Grundsätzlich verlor der Kläger mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, über die nach §
35 InsO zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände oder -werte zu verfügen. Jedoch sind nach §
36 Abs
1 InsO lediglich pfändbare Forderungen des Klägers als Gemeinschuldners Vermögensbestandteil der Insolvenzmasse. Nach §
36 Abs
1 Satz 2
InsO gilt §
850c ZPO entsprechend. Danach unterfällt die Altersrente nur mit dem pfändbaren Anteil dem Insolvenzverfahren. Die von der Beklagten
zu leistende monatliche Altersrente lag in der ursprünglich gewährten Höhe von 800,01 € durchgehend unter der Pfändungsfreigrenze
des §
54 Abs
4 SGB I i.V.m. §
850c ZPO, so dass sie von vornherein nicht insolvenzbefangen war. Zutreffend stellte das SG fest, dass die im Verrechnungsbescheid der Beklagten zur Verrechnung gelangten Beiträge in Höhe von 150,00 € monatlich lediglich
den unpfändbaren Teil des Rentenauszahlungsanspruchs betreffen. Weiter führt das SG richtigerweise aus, dass die Beklagte die Altersrente verrechnete, die als solche von vornherein nicht zur Insolvenzmasse
zählt und somit dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen ist. Die Verrechnungshindernisse nach §§
95,
96 InsO finden somit mangels Zurechnung der Altersrente zur Insolvenzmasse bereits keine Anwendung. Da die Altersrente gerade nicht
zur Insolvenzmasse gehört, da sie unterhalb der Pfändungsfreigrenzen lag, kann sie auch nicht an die anderen Insolvenzgläubiger
verteilt werden, so dass es aus diesem Grund auch nicht zu einer Verzerrung der Quoten der einzelnen Insolvenzgläubiger kommen
kann. §§
51,
52 Abs
2 SGB I stellen insoweit besondere Regelungen dar, die einen Zugriff auf das grundsätzlich unpfändbare Vermögen des Betroffenen für
die Fälle erlaubt, wenn Beiträge nicht entrichtet oder zu Unrecht Sozialleistungen gewährt worden und der Betroffene dadurch
nicht hilfebedürftig wird. Diese freilich gegebene Privilegierung der Sozialleistungsträger gegenüber anderen Gläubigern,
welche §
394 BGB zu beachten haben, ist vom Gesetzgeber aus sozialpolitischen und verwaltungstechnischen Gründen so gewollt. Das Interesse
an der vollständigen und rechtzeitigen Realisierung der Einnahmen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Systems der
sozialen Sicherung nach Art.
20 Abs
1 Grundgesetz (
GG) überwiegt als Interesse der Versichertengemeinschaft das Interesse des Klägers an einer ungekürzten Auszahlung seines Altersrentenanspruchs
(Thüringer Landessozialgericht >LSG<, Beschluss vom 18.07.2011 - L 6 R 95/11 B ER -, [...]; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.06.2012 - L 3 R 314/11 -, [...]; Bayerisches LSG, Urteil vom 23.04.2013 - L 20 R 819/09 -, [...], vgl. auch jurisPR InsR 17/2013 Anm. 6). Ein von dem Kläger im sozialgerichtlichen wie auch im Berufungsverfahren
behauptetes Verrechnungshindernis nach §
96 Abs
1 Nr.
2 InsO besteht vorliegend bereits aus diesen Gründen nicht.
Dessen ungeachtet ist lediglich ergänzend zum hauptsächlichen Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen, dass entgegen seiner
Behauptung die Verrechnung während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß §§
95,
96 InsO grundsätzlich zulässig ist. Der Eintritt einer Insolvenz beim Kläger als Leistungsberechtigten hebt nach der Konzeption der
§§
95 und
96 Abs
1 Nr.
1 InsO die Aufrechnungsmöglichkeit grundsätzlich nicht auf, wenn vor Insolvenzeintritt schon eine Aufrechnungslage bestanden hat
(BSG, Urteil vom 14.03.2013 - B 13 R 5/11 R -, [...]; Gabbert, a.a.O., RVaktuell 2008, 192; vgl. auch Eichenhofer SGb 2013, 253 ff).
Die Aufrechnungslage bestand seit dem Zeitpunkt der Geltendmachung der Beiträge aus der gesetzlichen Unfallversicherung durch
die BG durch die Bescheide vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010. Die Beklagte hat also entgegen der Ansicht
des Klägers nicht erst mit der Ermächtigung durch die BG mit Schreiben vom 05.06.2010 einen aufrechenbaren Anspruch gegen
ihn gehabt. Auch die Vorschrift des §
96 Abs
1 Nr.
2 InsO, die eine Aufrechnung verbietet, falls der Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
von einem anderen Gläubiger erworben hat, steht der Verrechnung nach §
52 SGB I dabei nicht entgegen. Darauf, ob die Ermächtigung zur Verrechnung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt
worden ist, kommt es gerade nicht an. Dies deswegen nicht, weil für den Fall der Ermächtigung eines Sozialleistungsträgers
durch einen anderen Sozialleistungsträger die Voraussetzungen des §
96 Abs
1 Nr.
1 InsO nicht vorliegen. Denn zwischen dem an diesem Verfahren beteiligten Sozialleistungsträgern findet gerade kein Anspruchswechsel
i.S.d §
96 Abs
1 Nr.
1 InsO statt. Trotz Ermächtigung durch die BG wurde vorliegend die Beklagte nicht Inhaberin des Anspruchs. Die BG hat die Forderung
gegen den Kläger mit Bescheiden vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010 und damit noch vor Eintritt der Insolvenzeröffnung,
durch Beschluss des AG Köln vom 05.05.2010, geltend gemacht. Seit diesem Zeitpunkt besteht die Aufrechnungslage. Die Ermächtigung
erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens spielt dafür keine Rolle, denn sie hat wie dargestellt gerade keinen Einfluss
auf das Bestehen der Aufrechnungslage (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R -, [...]; BSG, Urteil vom 12.07.1990 - 4 RA 47/88 = BSGE 67, 143). Die Verrechnung wäre also, wenn sie sich auf einen nach §
850c ZPO pfändbaren und damit massezugehörigen Betrag der Rente erstrecken würde, unter Beachtung des § 114 Abs 2
InsO im zeitlichen Rahmen von 2 Jahren zulässig.
Insoweit behauptet wird, dass eine Verrechnung während des Insolvenzverfahrens nicht zulässig sei, da § 114 Abs 2
InsO nur für die Aufrechnung und gerade nicht für die Verrechnung gelte (Bayerisches Oberlandesgericht >OLG<, Beschluss vom 10.04.2001
- BR 23/00 -, [...]) ist dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen. Zwar nennt § 114 Abs. 2
InsO ausdrücklich nur die Aufrechnung und nicht auch die Verrechnung. Daraus kann jedoch nicht entnommen werden, dass die Verrechnung
vom Anwendungsbereich dieser Norm ausgenommen ist. Wie bereits festgestellt, ist die Verrechnung eine Sonderform der Aufrechnung,
mit dem Unterschied, dass die Gegenseitigkeit der Forderungen fehlt. §
52 SGB I stellt die Verrechnung der Aufrechnung gleich (BSG, Urteil vom 10.12.2003 a.a.O., [...]; BSG, Urteil vom 12.07.1990 a.a.O.).
Dieser Rechtsauffassung steht auch nicht, wie das SG zu Recht feststellte, der vom Kläger angeführte Beschluss des BGH vom 29.05.2008 - Az IX ZB 51/07- entgegen. Wie der BGH ausdrücklich feststellte, ist nach dem Inhalt der sozialrechtlichen Regelungen der Leistungsträger
zur Verrechnung auch dann befugt, wenn über das Vermögen des Leistungsberechtigten ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Die
InsO will Aufrechnungslagen schützen, die bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestanden haben (§
94 InsO). Da vorliegend die BG bereits vor diesem Zeitpunkt durch Bescheide vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010
die offene Beitragsschuld geltend machte, durfte sie auch darauf vertrauen, gegen eine Forderung des Klägers aufrechnen, bzw.
verrechnen zu können. Die Rechtsansicht, dass bei einer auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützten Aufrechnung die Aufrechnungslage
nicht entstehe, bevor die Aufrechnung erklärt worden ist, überträgt der BGH in dem genannten Beschluss ausdrücklich nicht
auf Fälle des §
52 SGB I. Insbesondere sei die Konzernverrechnungsklausel von der Verrechnung nach §
52 SGB I zu unterscheiden und zudem enthielte die
InsO keinerlei Vorschriften, welche für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung die gesetzliche Verrechnungsmöglichkeit nach §
52 SGB I ausschließen würden. Indem wie bereits festgestellt die Verrechnungslage unabhängig von der Ermächtigung besteht, war die
Beklagte auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens befugt die Verrechnung durchzuführen. Selbst nach der Beendigung des
Gesamtvollstreckungsverfahrens steht der Verrechnung eine Vollstreckungsbeschränkung nicht entgegen (BSG, Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R-, Rdnr 60ff ).
Zu Recht hat das SG entschieden, dass die Verrechnung dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter gegenüber zu erfolgen hatte. Aufgrund der fehlenden
Pfändbarkeit der Altersrente fiel diese nicht zur Insolvenzmasse, was eine Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nach §
80 Abs
1 InsO ausschließt. Der Kläger blieb also stets Gläubiger der Forderung gegen die Beklagte, so dass die Verrechnungsbescheide auch
ihm gegenüber zu erlassen waren (Bayerisches LSG, a.a.O.). Auch konnte eine Verrechnung mittels Verwaltungsakt durchgeführt
werden (Großer Senat des BSG, Beschluss vom 31.08.2011 - GS 2/10 -, [...]). Die Beklagte hat den Verrechnungsbescheid ordnungsgemäß am 15.10.2010 bekannt gegeben und den Kläger dazu auch
ordnungsgemäß am 08.07.2010 angehört, § 24 SGB X.
Nach allem sind das Urteil des SG sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2012 rechtlich
nicht zu beanstanden. Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben und ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach §
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG liegen nicht vor; insbesondere weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BSG ab.