Ordnungsgeldbeschluss
Beschwerde
Ermessensentscheidung
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 3. Juli 2017, mit dem gegen sie wegen nicht ausreichend
entschuldigten Ausbleibens ein Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 EUR verhängt wurde.
In den dem Ordnungsgeldbeschluss zugrunde liegenden Klageverfahren hat sich die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten
vom 9. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2013 gewandt, mit dem diese die Bewilligung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 29. Februar 2008 aufgehoben und die Erstattung von zu Unrecht gezahlten Leistungen
gefordert hatte.
Am 5. Mai 2017 hat das Sozialgericht die Klägerin zur mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2017 geladen und unter Belehrung über
die Rechtsfolgen eines unentschuldigten Fernbleibens ihr persönliches Erscheinen zum Termin angeordnet. Mit Schreiben vom
18. Mai 2017, eingegangen am 22. Mai 2017, hat die Klägerin beantragt, sie vom persönlichen Erscheinen zu entbinden. Sie befinde
sich in einem Beschäftigungsverhältnis und es handele sich beim 31. Mai 2017 um einen Arbeitstag. Da sich ein Teil der Kollegen
im geplanten Urlaub befinde, sei es ihr nicht möglich, einen Urlaubstag zu beantragen. Mit Schreiben vom 24. Mai 2017 hat
der Kammervorsitzende ihr mitgeteilt, dass er ihr persönliches Erscheinen angeordnet habe, da es zur Aufklärung des Sachverhalts
notwendig erscheine. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass ihr Arbeitgeber sie für den Gerichtstermin freistellen müsse,
so dass sie keinen Urlaub nehmen müsse und Verdienstausfall sowie Fahrtkosten durch das Gericht erstattet würden. Vorsorglich
hat er darauf hingewiesen, dass bei unentschuldigtem Fernbleiben ein Ordnungsgeld verhängt werden könne.
Gleichwohl ist die Klägerin zum Termin am 31. Mai 2017 nicht erschienen. Die mündliche Verhandlung hat vertagt werden müssen.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 hat der Kammervorsitzende die Klägerin zur Verhängung eines Ordnungsgeldes angehört und in
der Sache rechtliche Hinweise erteilt. Die Klägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 12. Juni 2017 mitgeteilt, dass sie am
18. Mai 2017 darüber informiert worden sei, dass sie am 1. Juni 2017 vom Jobcenter, bei dem sie bislang tätig gewesen sei,
in die Kernverwaltung abordnet werde. Demzufolge habe sie ihren bisherigen Aufgabenbereich abzuarbeiten und zu übergeben gehabt.
Mit Beschluss vom 3. Juli 2017 hat das Sozialgericht gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 EUR verhängt.
Sie sei trotz der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens ohne Mitteilung von ausreichenden Hinderungsgründen zum Termin
nicht erschienen. Hierzu habe sie lediglich eine berufliche Verhinderung geltend gemacht. Zeugenpflichten würden aber insbesondere
beruflichen Pflichten vorgehen. Als Arbeitnehmerin habe ihr ein Anspruch auf Freistellung von der Verpflichtung zur Erbringung
der Arbeitsleistungen zugestanden, da die Erfüllung der Arbeitspflicht wegen des zeitlichen Zusammentreffens mit der vorrangigen
Zeugenpflicht unzumutbar sei. Angesichts ihrer fortdauernden Beschäftigung sei zu erwarten, dass sie von der Höhe des Ordnungsgeldes
finanziell nicht überfordert werde. Zudem bedürfte es in der Regel keiner eingehenden Begründung bei Festsetzung der Höhe
des Ordnungsgeldes zu treffenden Ermessensentscheidung des Gerichts, wenn sich das Ordnungsgeld, wie hier, im unteren Mittel
des vorgegebenen Rahmens bewege.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Juli 2017 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ihrer damaligen Arbeitssituation eine
Bestätigung ihres Arbeitgebers, dem Jobcenter Landkreis Görlitz, vorgelegt. Hierin ist sie gebeten worden, für die Zeit vom
22. Mai 2017 bis zum 7. Juni 2017 keinen Urlaub oder die Absetzung von Mehrstunden zu beantragen, um den hohen Arbeitsaufwand
im Hinblick auf die Abordnung in ein anderes Sachgebiet mit einer neuen Arbeitsaufgabe für die Zeit ab dem 2. Juni 2017 realisieren
zu können.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld verhängt.
Nach §
202 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) i. V. m. §
141 Abs.
3 Satz 1 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) kann gegen eine im Termin ausgebliebene Partei Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienen Zeugen
(vgl. §§
380,
381 ZPO) festgesetzt werden. Gemäß §
380 Abs.
1 Satz 1
ZPO wird einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein Ordnungsgeld auferlegt.
a) Die Entscheidung über die Festsetzung von Ordnungsgeld ergeht durch Beschluss (vgl. §
142 SGG). Das Sozialgericht konnte den Ordnungsgeldbeschluss auch noch nach dem Ende der mündlichen Verhandlung erlassen (vgl. Sächs.
LSG, Beschluss vom 28. Juli 2015 - L 3 BK 2/13 B - NZS 2015, 799 f. = juris Rdnr. 14; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], §
12 Rdnr. 2b; Kühl. in: Breitkreuz/Fichte,
SGG, [2. Aufl., 2014], §
111 Rdnr. 3; Greger, in: Zöller,
Zivilprozessordnung [32. Aufl., 2018], §
381 Rdnr. 5). Den Beschluss hatte der Kammervorsitzende allein, das heißt ohne Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern, zu erlassen
(vgl. §
12 Abs.
1 Satz 3
SGG).
b) Die Klägerin war ordnungsgemäß geladen. Auch hatte der Kammervorsitzende gemäß §
111 Abs.
1 Satz 1
SGG das persönliche Erscheinen der Klägerin zum Termin der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2017 angeordnet. Gemäß §
111 Abs.
1 Satz 2
SGG ist dabei auf die Folgen des Ausbleibens, nämlich auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld bei unentschuldigtem
Ausbleiben (vgl. §
202 Satz 1
SGG i. V. m. §
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO), hinzuweisen. Das Ladungsschreiben vom 4. Dezember 2014 enthält einen formularmäßigen Hinweis, der diesen Anforderungen
genügt.
Die Klägerin ist unbestritten zum Termin der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2017 nicht erschienen.
c) Der Ordnungsgeldbeschluss ist jedoch rechtswidrig, weil nicht zu erkennen ist, ob das Sozialgericht Ermessen ausgeübt hat.
Die Entscheidung darüber, ob gegen einen Beteiligten, der trotz der Anordnung seines persönlichen Erscheinens ausgeblieben
ist, ein Ordnungsgeld festgesetzt wird, steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Juli 2015, a.
a. O., Rdnr. 20, m. w. N.; Thür. LSG, Beschluss vom 17. Juli 2014 - L 6 KR 507/14 B - juris Rdnr. 15; Sächs. LSG, Beschluss vom 3. April 2017 - L 7 AS 919/16 B - juris Rdnr. 17; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Mai 2017 - L 31 AS 1027/17 B - juris Rdnr. 11 f.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], §
111 Rdnr. 6a, m. w. N.). Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Denn nach §
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO "kann" gegen die im Termin ausgebliebene Partei Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen
festgesetzt werden.
Aus der Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 3. Juli 2017 ist nicht zu ersehen, ob dem Sozialgericht die Pflicht zur
Ermessensentscheidung bewusst gewesen ist. So findet das Wort "Ermessen" keine Erwähnung. Auch die Begründung dieses Beschlusses
im Übrigen lässt nicht erkennen, dass das Sozialgericht in Bezug auf die Frage, ob es wegen des Nichterscheinens der Klägerin
ein Ordnungsgeld verhängen oder auf Grund von Besonderheiten des Einzelfalles hiervon absehen will, Ermessenserwägungen angestellt
hat. So deutet der Eingangssatz der Beschlussbegründung darauf hin, dass das Sozialgericht von einer gebundenen Entscheidung
ausgegangen ist. Denn es ist formuliert, dass gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld zu verhängen "war", weil sie der mündlichen
Verhandlung ferngeblieben sei. Im nächsten Satz erläutert das Sozialgericht, dass einem ordnungsgemäß geladenen Beteiligten,
dessen persönliches Erscheinen angeordnet sei und der dennoch nicht erscheine, ein Ordnungsgeld auferlegt "wird". Im nachfolgenden
Absatz der Beschlussbegründung hat das Sozialgericht eingehend - und in der Sache zutreffend - dargelegt, weshalb das Fernbleiben
der Klägerin nicht ausreichend entschuldigt ist. Das Sozialgericht hat jedoch an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht, dass
es in seine Entscheidung auch einbezogen hat, trotz des Fernbleibens der Klägerin von der Festsetzung eines Ordnungsgeldes
abzusehen.
Ermessen hat das Sozialgericht erst im Zusammenhang mit der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes ausgeübt. Auch dort deutet
der Einleitungssatz ("Hier war das Ordnungsgeld [ ] auf die Höhe von 400 EUR festzusetzen, [ ].") zunächst darauf hin, dass
das Sozialgericht erneut von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist. Im Anschluss werden aber Erwägungen zur Bestimmung
der im Fall der Klägerin angemessenen Höhe des Ordnungsgeldes und zum erforderlichen Begründungsumfang "dieser Ermessensentscheidung"
angestellt. Eine Ermessensausübung zur Höhe des Ordnungsgeldes, das heißt zum "Wie", umfasst jedoch nicht auch eine Ermessensausübung
zur vorgelagerten Frage eines "Ob" des Erlasses eines Ordnungsgeldbeschlusses.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in dem gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahren (vgl. §
183 SGG) sind nach der Rechtsprechung des Senates nicht dem Gegner des erstinstanzlichen Verfahrens, dem Beklagten, aufzuerlegen.
Sie sind vielmehr von der Staatskasse zu tragen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Juli 2015 - L 3 AS 1111/14 B - Rdnr. 54 ff., m. w. N.; vgl. auch Bay. LSG, Beschluss vom 5. Februar 2010 - L 2 AS 450/09 B - juris Rdnr. 22; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. September 2013 - L 2 AS 816/13 B - juris Rdnr. 20; Thür. LSG, Beschluss vom 17. Juli 2014, a. a. O., juris [Tenor]; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2.
Februar 2017 - L 7 SB 70/16 B - juris [Tenor]; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], §
111 Rdnr. 6c, m. w. N.).
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. §
177 SGG) und ergeht kostenfrei (vgl. §
183 SGG).